WETTBEWERB IM SCHIENENGÜTERVERKEHR

Der VAP Ver­band der ver­la­den­den Wirt­schaft setzt sich für ein fai­res, wett­be­werbs­fä­hi­ges Güter­trans­port­sys­tem ein. Wett­be­werb ist ein Schlüs­sel­ele­ment der Marktwirtschaft.

Wettbewerb im Schienengüterverkehr…

..stärkt des­sen Inno­va­ti­ons­kraft und Leistungsfähigkeit.

..stellt die Chan­cen für alle Markt­teil­neh­mer gleich, ob staat­li­che oder pri­vat­wirt­schaft­li­che Unternehmen.

 

Der Schienengüterverkehr basiert noch auf einem über 100 Jahre alten System, das durch schwere Handarbeit und fehlende Digitalisierung geprägt ist.
In den letzten 175 Jahren gab es nur eine Innovation: die Elektrifizierung. 
Dementsprechend gesunken ist die Wettbewerbsfähigkeit. 
Im Gegensatz dazu haben andere Branchen dank Wettbewerb und Digitalisierung grosse Fortschritte gemacht.
Deshalb engagieren wir uns für ein faires, wettbewerbsfähiges Gütertransportsystem.
>  Video anschauen.
 
Ziele der Weiterentwicklung im Schienengüterverkehr

Durch ver­stärk­ten Wett­be­werb im Schie­nen­gü­ter­ver­kehr errei­chen wir:

  • Inno­va­ti­on: Neue Geschäfts­mo­del­le und Prozessoptimierung
  • Effek­ti­vi­tät und Effi­zi­enz: Kapa­zi­tä­ten und der Attrak­ti­vi­tät stei­gern sich
  • Qua­li­tät und Fle­xi­bi­li­tät: Bestehen­de Kun­den hal­ten und neue gewinnen

 

Ideenbox

Wir wer­den diese Ideen sam­meln und die viel­ver­spre­chends­ten in einem Spe­zi­al­news­let­ter vorstellen.

Fairen Wettbewerb zwischen Bundes- und Privatunternehmen stärken

Fairen Wettbewerb zwischen Bundes- und Privatunternehmen stärken

Der Bun­des­rat hat am 15. Sep­tem­ber 2023 das Eid­ge­nös­si­sche Depar­te­ment für Wirt­schaft, Bil­dung und For­schung (WBF) beauf­tragt, bis im drit­ten Quar­tal 2024 eine Ergän­zung der Cor­po­ra­te Gover­nan­ce-Leit­sät­ze vor­zu­le­gen. Damit will er den fai­ren Wett­be­werb zwi­schen Staats­be­trie­ben und pri­vat­wirt­schaft­li­chen Unter­neh­men stärken.

Darum geht’s:

  • Eig­ner­stra­te­gie und Cor­po­ra­te-Gover­nan­ce-Leit­sät­ze als Steuerungsinstrument
  • Par­la­ment hat fai­ren Wett­be­werb gefordert
  • Besorg­nis­er­re­gen­de Mono­po­li­sie­rung der Nahzustellung
  • Wei­te­re Quer­fi­nan­zie­rungs­ten­den­zen offensichtlich
  • Kampf mit unglei­chen Spiessen

 

Eig­ner­stra­te­gie und Cor­po­ra­te-Gover­nan­ce-Leit­sät­ze als Steuerungsinstrument

Bun­des­un­ter­neh­men ent­ste­hen durch die Ver­selbst­stän­di­gung von Ver­wal­tungs­ein­hei­ten des Bun­des, die gemäss der Bun­des­ver­fas­sung mono­po­li­sier­te Tätig­kei­ten aus­üben. Zum Bei­spiel ent­stand im Zug der Bahn­re­form 1999 die spe­zi­al­ge­setz­li­che Akti­en­ge­sell­schaft der Schwei­ze­ri­schen Bun­des­bah­nen SBB. Als hun­dert­pro­zen­ti­ger Eigen­tü­mer lenkt der Bund seine zahl­rei­chen Bun­des­un­ter­neh­men, indem er eine Eig­ner­stra­te­gie und Cor­po­ra­te-Gover­nan­ce-Leit­sät­ze defi­niert und umsetzt. Im Wei­te­ren wählt er die Ver­wal­tungs­rä­te. Neben der Eig­ner­rol­le hält der Bund wei­te­re Rol­len inne: Er regelt mit als Regu­la­tor die Markt­be­din­gun­gen und bestellt gele­gent­lich sogar gemein­wirt­schaft­li­che Leis­tun­gen, etwa beim regio­na­len Per­so­nen­ver­kehr. Dar­aus erge­ben sich zwangs­läu­fig gewis­se Inter­es­sens­kon­flik­te. Es wäre durch­aus ange­bracht zu über­prü­fen, ob diese Ver­qui­ckung von Funk­tio­nen noch immer zeit­ge­mäss und für den Ein­zel­wa­gen­la­dungs­ver­kehr ange­mes­sen ist und wel­ches Kon­troll­organ den Umgang damit im Auge behält.

Par­la­ment hat fai­ren Wett­be­werb gefordert

Die zuneh­men­de Kri­tik der Pri­vat­wirt­schaft am Ver­hal­ten der Bun­des­un­ter­neh­men, die auf der Basis eines oft sehr gene­rell gehal­te­nen Ver­fas­sungs­auf­trags ihr ursprüng­li­ches Kern­ge­schäft immer wei­ter aus­deh­nen und sogar pri­va­te Unter­neh­men auf­kau­fen, fand im Par­la­ment Gehör. So haben die Räte die Moti­on 20.3531 «Fai­re­rer Wett­be­werb gegen­über Staats­un­ter­neh­men» von FDP-Stän­de­rat Andrea Caro­ni und die gleich­lau­ten­de Moti­on 20.3532 von Die-Mitte-Stän­de­rat Beat Rie­der ange­nom­men. Mit dem WBF-Bericht will der Bun­des­rat der For­de­rung die­ser bei­den Motio­nen nun nach­kom­men. Er erwar­tet darin Vor­schlä­ge, wie die Depar­te­men­te bei der Len­kung der Bun­des­un­ter­neh­men den fai­ren Wett­be­werb zwi­schen Bun­des- und Pri­vat­un­ter­neh­men sys­te­ma­ti­scher gestal­ten und umfas­sen­der sicher­stel­len können.

Besorg­nis­er­re­gen­de Mono­po­li­sie­rung der Nahzustellung

Im Tätig­keits­be­richt 2022 der Rail­Com wird unter ande­rem über die Befra­gung der Güter­bah­nen zu den Dienst­leis­tun­gen bei der Nah­zu­stel­lung nach Art. 6a der Güter­trans­port­ver­ord­nung (GüTV) berich­tet. Dabei han­delt es sich um Dienst­leis­tun­gen von SBB Cargo, die die Nah­zu­stel­lung in der Schweiz prak­tisch mono­po­lis­tisch abdeckt. Als Begrün­dung für die Ableh­nung von Nah­zu­stel­lungs­dienst­leis­tun­gen wer­den im Rail­Com-Tätig­keits­be­richt feh­len­de Res­sour­cen auf­ge­führt. Die Befrag­ten ver­mu­ten jedoch, dass sie bei den Ange­bo­te benach­tei­ligt wer­den und ver­schie­de­ne Tari­fe im Umlauf sind.

Eben­so besorgt zur Mono­po­li­sie­rung des Netz­werk­an­ge­bots von SBB Cargo äus­sern sich die Pri­vat­un­ter­neh­men in der Ver­nehm­las­sung zur Geset­zes­vor­la­ge «Moder­ni­sie­rung des Schwei­ze­ri­schen Güter­trans­ports»  (vgl. Blog­bei­trag «Ver­nehm­las­sung Schie­nen­gü­ter­ver­kehr in der Flä­che: Zwei Vari­an­ten, viele Fra­ge­zei­chen»). Sie for­dern eine strik­te Abgren­zung zwi­schen Netz­werk­an­ge­bot und Ganz­zugs­an­ge­bot bei der Abgel­tung und einen wei­ter­hin dis­kri­mi­nie­rungs­frei­en Zugang zu den Dienst­leis­tun­gen in der Nah­zu­stel­lung (vgl. VAP-Blog­bei­trag «Letz­te Meile aus­glie­dern und dis­kri­mi­nie­rungs­frei gestal­ten»). Dabei ist mit­hil­fe von orga­ni­sa­to­ri­schen Mass­nah­men oder einer recht­li­cher Tren­nung zu ver­hin­dern, dass gewis­se staat­lich erbrach­te Dienst­leis­tun­gen quer­fi­nan­ziert wer­den. So wie das zum Bei­spiel bei der Aus­fi­nan­zie­rung der Pen­si­ons­kas­se SBB (PK SBB) durch die Gewin­ne von SBB Immo­bi­li­en heute der Fall ist.

Wei­te­re Quer­fi­nan­zie­rungs­ten­den­zen offensichtlich

Bei der Anhö­rung zur Tras­sen­preis­re­vi­si­on 2025 haben sich die Güter­bah­nen der Schweiz zusam­men­ge­schlos­sen und dem Bun­des­rat am 29. August 2023 eine ableh­nen­de Ant­wort zur Teil­re­vi­si­on der Ver­ord­nung Netz­zu­gang (NZV) gege­ben (vgl. Blog­bei­trag «Tras­sen­preis­re­vi­si­on 2025–2028: Preis­er­hö­hung ist unbe­grün­det»). Nur SBB Cargo, die voll im SBB-Kon­zern inte­griert ist und an der kur­zen Leine gehal­ten wird, blieb aus­sen vor. Da das Bun­des­amt für Ver­kehr bei der Tras­sen­preis­re­vi­si­on unter ande­rem auf sin­ken­de Tras­sen­er­lö­se ver­weist, ent­steht der Ein­druck, dass es sich hier um eine ver­steck­te Quer­fi­nan­zie­rung der SBB han­delt, die von SBB Cargo natür­lich nicht kri­ti­siert wer­den darf.

Die vom Bun­des­rat erar­bei­te­te Geset­zes­vor­la­ge «Ände­rung des Bun­des­ge­set­zes über die Schwei­ze­ri­schen Bun­des­bah­nen SBBG – nach­hal­ti­ge Finan­zie­rung der SBB» vom 15. Sep­tem­ber 2023 ent­spricht eben­falls einem ekla­tan­ten Ein­griff in den frei­en Wett­be­werb. Dem­nach sol­len die SBB in den Genuss eines Kapi­tal­zu­schus­ses von 1,25 Mil­li­ar­den Fran­ken kom­men. Die genaue Ver­wen­dung die­ser Mit­tel bleibt unklar und es feh­len die Bedin­gun­gen, die das in Zukunft ändern könn­ten. Von die­sem Kapi­tal­zu­schuss pro­fi­tiert auch Toch­ter SBB Cargo, die über­dies umfas­sen­de Finanz­un­ter­stüt­zung im Nach­gang der Covid-Pan­de­mie bezog. Sie steht kurz vor dem Abschluss einer Leis­tungs­ver­ein­ba­rung zur Abgel­tung ihres Netz­werk­ver­kehrs, den sie offen­bar nicht eigen­wirt­schaft­lich abwi­ckeln kann. Die pri­vat­wirt­schaft­li­chen Akteu­re hin­ge­gen erhiel­ten weder Covid-Mit­tel, noch ver­fü­gen sie über umfang­rei­che, nicht betriebs­not­wen­di­ge Res­sour­cen und Betei­li­gun­gen, die sie zur Stär­kung ihrer Inves­ti­ti­ons­fä­hig­keit ver­sil­bern könnten.

Kampf mit unglei­chen Spiessen

Die Selbst­ver­ständ­lich­keit des Bun­des­ra­tes im unglei­chen Umgang mit staat­li­chen und pri­vat­wirt­schaft­li­chen Unter­neh­men ist augen­fäl­lig – und bedau­er­lich. Lei­der ent­steht so kein gesun­der Wett­be­werb im Schie­nen­gü­ter­ver­kehr, der des­sen Inno­va­ti­ons­kraft und Leis­tungs­fä­hig­keit stärkt. Bei­des ist uner­läss­lich, wenn die Markt­ak­teu­re bestehen­de Kun­den hal­ten und neue gewin­nen wol­len. Das wie­der­um wäre nötig, um eine nach­hal­ti­ge Ver­kehrs­ver­la­ge­rung zu errei­chen und die Schie­ne in Zukunft in mul­ti­mo­da­le Ver­sor­gungs­ket­ten zu inte­grie­ren. Und um neue, zukunfts­ge­rich­te­te Arbeits­plät­ze zu schaffen.

Subventionierung des Wagenladungsverkehrs: Wettbewerbsverzerrung und Diskriminierung verhindern

Subventionierung des Wagenladungsverkehrs: Wettbewerbsverzerrung und Diskriminierung verhindern

Wir neh­men Stel­lung zum bun­des­rät­li­chen Ver­nehm­las­sungs­ent­wurf «Wei­ter­ent­wick­lung der Rah­men­be­din­gun­gen für den Schwei­zer Güter­trans­port». Wir unter­zie­hen die Vor­schlä­ge einer kri­ti­schen Wür­di­gung aus Sicht der Güter­bahn­kun­den und zei­gen die Not­wen­dig­keit einer recht­li­chen Ver­selbst­stän­di­gung des Sys­tem­ver­kehrs auf.

Ja und Aber zu Variante 1 

Mit Vari­an­te 1 will der Bun­des­rat den Schie­nen­gü­ter­ver­kehr mit der auto­ma­ti­schen digi­ta­len Kupp­lung (DAK) digi­ta­li­sie­ren. Damit posi­tio­niert er den Ver­kehrs­trä­ger Schie­ne als Teil der mul­ti­mo­da­len Logis­tik. Flan­kie­rend sieht er raum­pla­ne­ri­sche Mass­nah­men, Inves­ti­ti­ons­hil­fen und Umschlags- und Ver­la­de­an­rei­ze vor, die Zusatz­kos­ten des Sys­tem­bruchs zwi­schen der Schie­ne und ande­ren Ver­kehrs­trä­gern abfe­dern. Bis die Auto­ma­ti­sie­rung umge­setzt ist, will der Bun­des­rat die unge­deck­ten Kos­ten des Sys­tem­ver­kehrs abgel­ten. Wir begrüs­sen die Stoss­rich­tung von Vari­an­te 1 im Kern, haben aber Vor­be­hal­te und stel­len einen grund­le­gen­den Anpas­sungs­be­darf fest.

Subventionierte Erste/letzte Meile verselbstständigen

Wir wol­len und müs­sen den Sys­tem­ver­kehr zukunfts­fä­hi­ger gestal­ten. Dazu braucht es eine Neu­kon­zep­ti­on sämt­li­cher Pro­zes­se, Anreiz­in­stru­men­te, Markt­me­cha­nis­men und Schnitt­stel­len inner­halb der mul­ti­mo­da­len Güter­lo­gis­tik. Ziel muss ein eigen- und markt­wirt­schaft­li­ches Sys­tem sein, das keine Güter­bah­nen dis­kri­mi­niert und den Ver­la­dern zuver­läs­sig zur Ver­fü­gung steht.[1] Bis diese Neu­kon­zep­ti­on umge­setzt ist, stim­men wir befris­te­ten Finanz­hil­fen an den Netz­werk­ver­kehr von SBB Cargo zu. Diese Finanz­hil­fen basie­ren auf erfolgs­ab­hän­gi­gen, wett­be­werbs­neu­tra­len und dis­kri­mi­nie­rungs­frei­en Anrei­zen – und auf einer Ver­selb­stän­di­gung der ersten/letzten Meile in einer recht­lich eigen­stän­di­gen Gesell­schaft der SBB. Nur so blei­ben die Ver­sor­gungs­si­cher­heit der Schweiz und die Zukunfts­fä­hig­keit der Schie­ne gewährleistet.

Wettbewerbsverzerrung und Diskriminierung verhindern

Indem der Bun­des­rat die Ver­ant­wor­tung für den Sys­tem­ver­kehr SBB Cargo über­trägt, mono­po­li­siert er rund 70% des Güter­trans­port­auf­kom­mens. Gleich­zei­tig ist SBB Cargo auch noch Haupt­an­bie­te­rin im Ganz­zugs- und Kom­bi­ver­kehr. Diese Inter­es­sens­ver­knüp­fung kann zu Dis­kri­mi­nie­rung der Kun­den von Sys­tem- und Ganz­zugs­ver­kehr einer­seits, ande­rer­seits aber auch zu Wett­be­werbs­ver­zer­run­gen gegen­über ande­ren Anbie­tern von Ganz­zugs- und Kom­bi­ver­kehr füh­ren – unab­hän­gig von Abgel­tun­gen an den Sys­tem­ver­kehr. Der besteht aus der flä­chen­de­cken­den Bedie­nung der Umschlags- und Ver­la­de­an­la­gen und soll daher recht­lich ver­selbst­stän­digt wer­den. Da die ent­spre­chen­den Leis­tun­gen und Res­sour­cen schon heute in einer eigen­stän­di­gen Orga­ni­sa­ti­ons­ein­heit zusam­men­ge­fasst sind, blie­be der Trans­for­ma­ti­ons­auf­wand gering. Aller­dings müss­te der Bun­des­rat Art. 9a Abs. 7 des Güter­trans­port­ge­set­zes (GüTG) präzisieren.

Neue Systembetreiberin konsequent beaufsichtigen

In der befris­te­ten Phase öffent­li­cher Abgel­tun­gen, aber auch danach, soll ein kon­se­quen­tes Moni­to­ring der Sys­tem­be­trei­be­rin im Bereich Leis­tun­gen, Qua­li­tät, Pro­duk­ti­vi­tät und Kos­ten erfol­gen. Dabei ist dar­auf zu ach­ten, dass die Finanz­hil­fe rasch abge­baut und das Geschäfts­mo­dell von SBB Cargo moder­ni­siert wer­den. Das ver­hin­dert Benach­tei­li­gun­gen und sichert lang­fris­tig einen rei­bungs­lo­sen, flä­chen­de­cken­den Sys­tem­ver­kehr. Ein geziel­tes Moni­to­ring der Ent­wick­lung von Men­gen und Kun­den­struk­tur soll ins­be­son­de­re letz­te­ren lang­fris­tig garan­tie­ren. Ein sol­ches Moni­to­ring bedingt eine Ergän­zung von Art. 9a GüTG.

Zusätz­li­che Hin­ter­grün­de und Mei­nun­gen fin­den Sie in unse­rer Ver­nehm­las­sungs­ant­wort zur «Wei­ter­ent­wick­lung der Rah­men­be­din­gun­gen für den Schwei­zer Güter­trans­port».


[1] Vgl. Video «Schie­nen­gü­ter­ver­kehr der Zukunft»: www.cargorail.ch/#video

Letzte Meile ausgliedern und diskriminierungsfrei gestalten

Letzte Meile ausgliedern und diskriminierungsfrei gestalten

Der freie Zugang zur letz­ten Meile ist für Güter­bah­nen ent­schei­dend. Der­zeit wird er per Gesetz ver­ord­net. Wir mei­nen: Er soll­te ermög­licht statt ver­fügt wer­den. Dazu müss­te die letz­te Meile aus SBB Cargo aus­ge­glie­dert und von einer unab­hän­gi­gen Instanz ver­ant­wor­tet wer­den. Letzt­lich braucht es Rah­men­be­din­gun­gen, die sich mit nur einem Begriff beschrei­ben las­sen: Marktwirtschaft.

Darum geht’s:
  • Warum der freie Zugang zur letz­ten Meile wich­tig ist
  • Dis­kri­mi­nie­rung ver­hin­dern statt bekämpfen
  • Kräf­te neu ver­tei­len und neu bündeln

 

Bedeutung der letzten Meile

Die Bedie­nung der letz­ten Meile (Nah­zu­stel­lung) liegt allein in Hän­den eines loka­len oder regio­na­len Anbie­ters. Ent­spre­chend ent­schei­det der dis­kri­mi­nie­rungs­freie Zugang zur letz­ten Meile dar­über, ob ein Ange­bot im Haupt­lauf wett­be­werbs­fä­hig ist oder nicht. Wer Dienst­leis­tun­gen in der Nah­zu­stel­lung auf der Schie­ne erbringt, ist ver­pflich­tet, diese dis­kri­mi­nie­rungs­frei zu leis­ten. So will es Arti­kel 6a der Güter­trans­port­ver­ord­nung (siehe Kasten).

Artikel 6a der Gütertransportverordnung (GüTV)

Sämt­li­che Unter­neh­men, die auf der letz­ten Meile (Teil-)Leistungen erbrin­gen, müs­sen ihre Dienst­leis­tung in der Nah­zu­stel­lung auf der Schie­ne dis­kri­mi­nie­rungs­frei erbrin­gen. Das heisst, dass sie ihre Dienst­leis­tun­gen auch für Drit­te erbrin­gen müs­sen, sofern dafür Kapa­zi­tä­ten vor­han­den sind. Diese Pflicht betrifft neben den Güter­bah­nen Anschluss­gleis­be­trei­ber mit eige­nem Roll­ma­te­ri­al und Per­so­nal, spe­zia­li­sier­te Per­so­nal­ver­lei­her und Ran­gier­dienst­leis­ter. Als Dienst­leis­tun­gen auf der letz­ten Meile gel­ten das Ran­gie­ren und wei­te­re mit der Nah­zu­stel­lung zusam­men­hän­gen­de Leis­tun­gen wie z.B. tech­ni­sche Kon­trol­len oder Bremsproben.

> Wei­ter­füh­ren­de Infor­ma­tio­nen von der RailCom

 

Diskriminierung verhindern statt bekämpfen

Art. 6a GüTV setzt auf Vor­schrif­ten, Markt­kon­trol­len und Rechts­mit­tel. Sinn­vol­ler wäre es jedoch, die Dis­kri­mi­nie­rung zu ver­hin­dern, indem ein ein­zi­ger Anbie­ter die Bedie­nung der ersten/letzten Meile sicher­stellt. Idea­ler­wei­se ist das der Infra­struk­tur­be­trei­ber, der ansons­ten keine Ver­kehrs­leis­tun­gen erbringt.

In einem markt­wirt­schaft­li­chen Umfeld ist der Zugang des Schie­nen­gü­ter­ver­kehrs zu Gleis­an­schlüs­sen, loka­len und zen­tra­len Ran­gier­an­la­gen, Frei­ver­la­de­an­la­gen oder Ter­mi­nals dis­kri­mi­nie­rungs­frei gere­gelt. Die Tras­sen­ver­ga­be und der Betrieb von sys­tem­re­le­van­ten Infra­struk­tu­ren wer­den von unab­hän­gi­gen Insti­tu­tio­nen ver­ant­wor­tet. Eine Sys­tem­füh­rer­schaft durch einen ein­zel­nen Gross­be­trei­ber – wie dies der­zeit bei SBB Cargo der Fall ist – exis­tiert nicht. Die Gren­zen zwi­schen Ein­zel­wa­gen­la­dun­gen und Ganz­zü­gen sind auf­ge­ho­ben, die letz­te Meile wird durch einen Infra­struk­tur­be­trei­ber bewirtschaftet.

Neuordnung der Kräfte

Um den oben beschrie­be­nen Ide­al­zu­stand zu errei­chen, müs­sen die Rol­len neu ver­teilt und die Kräf­te gebün­delt wer­den. Eine der­ar­ti­ge Reor­ga­ni­sa­ti­on gelingt nur, wenn die fol­gen­den Rah­men­be­din­gun­gen geschaf­fen werden:

  •  SBB Cargo behält vor­erst ihre Rolle als Netz­werk­an­bie­te­rin. Sie zeich­net ver­ant­wort­lich für die Pla­nung der Netz­werk­ver­keh­re und stellt eine effi­zi­en­te Bün­de­lung von Ver­keh­ren mit Ein­zel­wa­gen oder Wagen­grup­pen sicher. Bei der Leis­tungs­er­brin­gung beschränkt sie sich auf die Trans­port­haupt­läu­fe zwi­schen For­ma­ti­ons- und Ran­gier­bahn­hö­fen, soweit sie diese nicht bei Drit­ten beschafft.
  • Die gesam­te Bahn­in­fra­struk­tur wie Netz, Ter­mi­nals des kom­bi­nier­ten Ver­kehrs und loka­le Ran­gier­an­la­gen sind für Güter­bah­nen frei zugänglich.
  • Die Bedie­nung der ersten/letzten Meile ist für alle Güter­bah­nen ein dis­kri­mi­nie­rungs­frei­er Ser­vice der Infra­struk­tur­be­trei­ber. Die­sen ste­hen die sys­tem­re­le­van­ten Res­sour­cen von SBB Cargo wie Trieb­fahr­zeu­ge, Ran­gier­teams, Ran­gier­glei­se/-bahn­hö­fe, Ran­gier­leis­tun­gen oder betriebs­in­ter­ne Umstel­lun­gen zur Verfügung.
  • So ent­steht Wett­be­werb mit gleich­be­rech­tig­ten Akteu­ren und trans­pa­ren­ten Kosten.

Mehr dazu lesen Sie in unse­rer Publi­ka­ti­on «Von der inte­grier­ten zur markt­wirt­schaft­li­chen Bahn».

  •  
«Wer keinen Mut hat, hat schon verloren.»

«Wer keinen Mut hat, hat schon verloren.»

Dr. Heiko Fischer prä­si­diert die Inter­na­tio­nal Union of Wagon Kee­pers UIP. Mit dem VAP spricht der ehe­ma­li­ge VTG-Chef über die Zukunft des euro­päi­schen Schie­nen­gü­ter­ver­kehrs und die digi­ta­le Trans­for­ma­ti­on des Bahn­sek­tors. Für die­sen wünscht er sich mehr Begeis­te­rung und erläu­tert, warum er das Ein­stel­len des Ein­zel­wa­gen­la­dungs­ver­kehrs in der Schweiz für fatal hält.

 

Herr Dr. Fischer, wo sehen Sie die grössten Herausforderungen und wo die Stellschrauben für den europäischen Bahnmarkt?

Da gibt es eine ganze Reihe. Die Bahn­in­fra­struk­tur ist ver­al­tet oder vie­ler­orts ein his­to­risch gewach­se­ner Fli­cken­tep­pich. Noch immer exis­tie­ren Gren­zen zwi­schen den Teil­sys­te­men. Mit jedem Jahr, in dem nichts geschieht, wird das Pro­blem grös­ser, denn die Infra­struk­tur altert unbe­irrt wei­ter. Hier sehe ich die Stell­schrau­be in der mit­tel­eu­ro­pa­wei­ten Koor­di­na­ti­on von Aus­bau­plä­nen, Ent­las­tungs­stre­cken und ent­spre­chen­den bau­li­chen Mass­nah­men. Zwar ver­fol­gen die trans­eu­ro­päi­schen Netze die­sen inte­gra­ti­ven Ansatz. Doch Neben­stre­cken und Fein­ver­tei­lungs­net­ze dür­fen nicht aus­ge­nom­men wer­den, wenn es um Inves­ti­ti­ons­al­lo­ka­ti­on, Aus­bau- und Erneue­rungs­pla­nung, Zug­steue­rungs­sys­te­me sowie Regu­lie­rung geht.

Eine wei­te­re Steu­er­grös­se sehe ich in der kom­plet­ten Durch­di­gi­ta­li­sie­rung des Bahn­sek­tors, ange­fan­gen bei der Ver­net­zung der Infra­struk­tur über das Roll­ma­te­ri­al bis hin zum ope­ra­ti­ven Betrieb. Hier soll­te es eine ver­ein­heit­lich­te Logik mit ent­spre­chen­den Schnitt­stel­len geben. In der Folge kann eine Elek­tri­fi­zie­rung mit Mass und Ziel statt­fin­den. Gering belas­te­te Stre­cken könn­ten auch von was­ser­stoff­be­trie­be­nen Hybrid­locks bedient werden.

«Für gewis­se Dring­lich­kei­ten ist der Schie­nen­gü­ter­ver­kehr auf öffent­li­che Gel­der ange­wie­sen, zum Bei­spiel für die Basis­di­gi­ta­li­sie­rung, den Infra­struk­tur­aus­bau, die Elek­tri­fi­zie­rung, die Imple­men­tie­rung der digi­ta­len auto­ma­ti­schen Kupp­lung DAK und ande­re zeit­kri­ti­scher Sprung­in­no­va­tio­nen.»

Das ver­füg­ba­re Kapi­tal ist eben­falls ein Eck­pfei­ler. Der Bahn­markt braucht nicht nur aus­rei­chend Pri­vat­ka­pi­tal. Für gewis­se Dring­lich­kei­ten ist er auf öffent­li­che Gel­der ange­wie­sen, zum Bei­spiel für die Basis­di­gi­ta­li­sie­rung, den Infra­struk­tur­aus­bau, die Elek­tri­fi­zie­rung, die Imple­men­tie­rung der digi­ta­len auto­ma­ti­schen Kupp­lung DAK und ande­re zeit­kri­ti­scher Sprung­in­no­va­tio­nen. Sol­che Inves­ti­tio­nen über­stei­gen die finan­zi­el­len Kräf­te der Pri­vat­wirt­schaft und der meis­ten Staats­bah­nen. Schliess­lich möch­te nie­mand in Tech­no­lo­gien inves­tie­ren, die erst im nächs­ten Jahr­zehnt Früch­te abwer­fen, viel­leicht sogar bei ande­ren Akteu­ren des Bahn­sys­tems. Damit bin ich bei einer wei­te­ren Stell­schrau­be ange­langt: Wir brau­chen auch bei Regie­run­gen, Regu­lie­rern und Poli­ti­kern ein ver­an­ker­tes öko­no­mi­sches Ver­ständ­nis für die Wirk­me­cha­nis­men des Schie­nen­gü­ter­ver­kehrs. Das bedingt ein Umden­ken aller Systembeteiligten.

Inwiefern?

Der Bahn­sek­tor ist nicht gera­de bekannt dafür, pro­ak­tiv zu den­ken und Neues schnell zu imple­men­tie­ren. Viele sehen sich als Opfer, sei es von der Ver­gan­gen­heit, von fal­schen Ent­schei­dun­gen, von der Stras­se, vom Wet­ter oder von irgend­et­was ande­rem. Das muss sich mei­nes Erach­tens unbe­dingt ändern. Schliess­lich zie­hen wir nicht Güter­zü­ge durch die Gegend, weil es uns Spass macht, son­dern weil wir einen Mehr­wert für die Ver­la­der und unser Gemein­we­sen erwirt­schaf­ten wol­len. Die Akteu­re des Schie­nen­gü­ter­ver­kehrs müs­sen den Kun­den zurück in den Mit­tel­punkt rücken und sich des­sen zukünf­ti­ge Bedürf­nis­se ver­ge­gen­wär­ti­gen. Damit sich der anste­hen­de Wan­del tat­säch­lich voll­zie­hen las­sen, brau­chen wir mehr Auf­bruchs­men­ta­li­tät, eine «can do»-Attitüde.

Welche Innovationen haben Sie in den letzten Jahren bei der VTG vorangetrieben, welche davon waren bahnbrechend? 

Spon­tan fällt mir da VTG Con­nect ein. Diese Tele­ma­tik­tech­no­lo­gie erhebt rele­van­te Daten über die gesam­te Flot­te und viele Trans­por­te. Sie schafft die Basis für ein effi­zi­en­tes digi­ta­les Flot­ten­ma­nage­ment, denn sie macht Daten für Kun­den, Güter­bah­nen und Instand­hal­tungs­zwe­cke nutz­bar. Mit die­ser Inno­va­ti­on haben wir den Ein­stieg in die Echt­zeit-Daten­über­mitt­lung im Güter­ver­kehr wie von der DAK ange­strebt sozu­sa­gen aufgegleist.

Welchen zukünftigen Stellenwert räumen Sie der DAK ein? 

Für die digi­ta­le Trans­for­ma­ti­on des Bahn­sek­tors ist die DAK ein Kata­ly­sa­tor. Damit las­sen sich eine neue Steue­rungs­lo­gik und Echt­zeit­da­ten­strö­me abbil­den. Davon sind wir heute weit ent­fernt. Die DAK macht mehr als den Kupp­lungs­vor­gang zu auto­ma­ti­sie­ren. Sie ver­netzt Lok­füh­rer, Ladung, Ladungs­trä­ger und Ener­gie, also Strom. Das Poten­zi­al dar­aus kom­bi­niert mit neuen digi­ta­len Tech­no­lo­gien ist immens. Die DAK ist nicht nur eine intel­li­gen­te Zug- und Ladungs­steue­rung, son­dern auch Mög­lich­ma­cher für ande­re Digi­ta­li­sie­rungs­of­fen­si­ven wie zum Bei­spiel digi­ta­le Daten‑, Zug­steue­rungs- und Buchungsplattformen.

«Es wird sicher­lich meh­re­re Platt­for­men geben, denn nach wie vor wird jedes Unter­neh­men Infor­ma­tio­nen sam­meln, die es nicht tei­len kann oder darf. Eine oder auch meh­re­re die­ser Platt­for­men wer­den sich als zen­tra­le Dreh­schei­ben her­vor­tun, die den ope­ra­ti­ven Bahn­be­trieb steuern.»

Welche Rolle werden diese in Zukunft spielen? 

Es wird sicher­lich meh­re­re Platt­for­men geben, denn nach wie vor wird jedes Unter­neh­men Infor­ma­tio­nen sam­meln, die es nicht tei­len kann oder darf. Eine oder auch meh­re­re die­ser Platt­for­men wer­den sich als zen­tra­le Dreh­schei­ben her­vor­tun, die den ope­ra­ti­ven Bahn­be­trieb steu­ern. Als sol­che lie­fern sie den Güter­ver­kehrs­ak­teu­ren ver­läss­li­che Infor­ma­tio­nen, mit denen sich die Abstän­de zwi­schen den Zügen ver­rin­gern, Zeit­fens­ter errech­nen und mehr Ton­na­gen pro Zeit­ein­heit aufs Gleis brin­gen las­sen. Ein euro­pa­wei­tes elek­tro­ni­sches Güter­ver­kehrs­steue­rungs­sys­tem darf nicht von einem Tech-Riese à la Goog­le kom­men, son­dern soll­te sich aus dem Bahn­sek­tor selbst her­aus­ent­wi­ckeln. Damit zei­gen wir Inno­va­ti­ons­stär­ke gegen­über ande­ren Verkehrsträgern.

Viel­leicht gibt es in Zukunft sogar eine über­ge­ord­ne­te Instanz in der Art von Euro­con­trol für die zen­tra­le Koor­di­na­ti­on der Luft­ver­kehrs­kon­trol­le. Ein der­ar­ti­ges Cock­pit könn­te den euro­päi­schen Schie­nen­gü­ter­ver­kehr steu­ern, den Lok­füh­rern gewis­se Vor­ga­ben machen, gege­be­nen­falls ein­grei­fen und spä­ter auto­no­me Züge fah­ren las­sen. Sol­che Quan­ten­sprün­ge sind aller­dings nur mög­lich, wenn digi­ta­le Tech­no­lo­gien mit künst­li­cher Intel­li­genz imple­men­tiert wer­den und grei­fen. Nur sie brin­gen Dyna­mik und sor­gen für das nöti­ge Tempo, das für den Erfolg der digi­ta­len Trans­for­ma­ti­on abso­lut zen­tral ist.

Wie liesse sich der Schienengüterverkehr in Europa nachhaltig weiterentwickeln?

Mit etwas, das die öko­no­mi­sche Wir­kung des Güter­ver­kehrs auf einen Nen­ner bringt und wozu sich alle Akteu­re ver­pflich­ten. Ich kann mir vor­stel­len, dass es eines Tages einen lang­fris­ti­gen Mas­ter­plan im Sinne einer selbst­re­gu­lie­ren­den und doch ver­pflich­ten­den Absichts­er­klä­rung gibt. Alle betei­lig­ten staat­li­chen und nicht­staat­li­chen Bah­nen müss­ten sie mit­un­ter­zeich­nen. Die­ser Mas­ter­plan könn­te fest­hal­ten, dass man gemein­sam auf eine Ver­kehrs­ver­la­ge­rung hin­ar­bei­tet. Ich erin­ne­re an den all­ge­mei­nen Ver­wen­dungs­ver­trag AVV von 2006. Die­ser regelt das Zusam­men­spiel zwi­schen Wag­gon­hal­tern und Eisen­bahn­ver­kehrs­un­ter­neh­men als Wagen­be­trei­bern. Der Vor­teil einer supra­na­tio­na­len Ver­ein­ba­rung ohne Geset­zes­cha­rak­ter besteht darin, dass sie sich schnell und unkom­pli­ziert ergän­zen oder anpas­sen lässt. Die Zuläu­fe zur NEAT sind das beste Bei­spiel dafür, was nicht pas­sie­ren soll­te: Die Bahn­staa­ten­ge­mein­schaft inklu­si­ve Schweiz hat sich ver­pflich­tet, die Nord-Süd-Achse aus­zu­bau­en. Als die Schweiz den NEAT-Tun­nel eröff­ne­te, hat­ten ande­re Staa­ten noch nicht ein­mal mit der Pla­nung begon­nen. Ein Mas­ter­plan für den euro­päi­schen Güter­ver­kehr könn­te diese Absicht ver­bind­li­cher aus­ge­stal­ten und klar­stel­len, dass Green Deal und Ver­la­ge­rungs­zie­le ernst gemeint sind. Heute ist er noch Zukunfts­mu­sik. Den Grund­for­de­run­gen stim­men meis­tens alle zu. Sobald es dann aber darum geht, etwas Kon­kre­tes aus einem Guss zu erar­bei­ten, diver­gie­ren die Mei­nun­gen auseinander.

Was meinen Sie zum bundesrätlichen Bericht zum ‹Schienengüterverkehr in der Fläche›? Was würde es bedeuten, wenn der Bundesrat diesen abschaffte?

Das wäre mei­ner Mei­nung nach der gröss­te ver­kehrs­po­li­ti­sche Feh­ler seit Jahr­zehn­ten. Die Schweiz beweist, dass Wagen­la­dungs­ver­kehr funk­tio­niert. Aller­dings ist er noch zu teuer. Wenn jedoch Zug­bil­dung und ‑tren­nung auto­ma­tisch erfol­gen, die Zug­rei­he digi­tal gesteu­ert wird und der Markt von den vie­len Vor­tei­len digi­ta­ler Ange­bo­te pro­fi­tiert, dann wer­den auch die Kos­ten sin­ken – und der Bedarf an Sub­ven­tio­nen wird zurück­ge­hen. Der Bun­des­rat soll­te dar­über nach­den­ken, wie sich die Ange­bo­te für Güter­bahn­kun­den attrak­ti­ver gestal­ten las­sen. Das Ganze abzu­bre­chen, noch bevor die Digi­ta­li­sie­rung Früch­te trägt, wäre sträf­lich. Bahn­fracht auf LKWs umla­den kos­tet auch Geld und nicht jede Fracht lässt sich für Ganz­zü­ge con­tai­ne­ri­sie­ren. In die­sem Thema müss­te sich die Schwei­zer Regie­rung mei­ner Ansicht nach zuver­sicht­li­cher zei­gen. Wer kei­nen Mut hat, hat schon verloren.

Wir vom VAP sind Mitglied der UIP. Wie würden Sie den VAP beschreiben?

Er ist ein wert­vol­ler Mit­glieds­ver­band unse­rer euro­päi­schen Wag­gon­hal­ter­fa­mi­lie. Ich nehme ihn als inno­va­tiv und mei­nungs­stark wahr. Auf­grund sei­ner ein­zig­ar­ti­gen Mit­glie­der­struk­tur hat er bei uns ein beson­de­res Gewicht. Der VAP ver­tritt nicht nur die fünf gröss­ten Schwei­zer Wagen­hal­ter, son­dern die Inter­es­sen von Ver­la­dern, Gleis­an­schlies­sern und Ver­tre­tern mul­ti­mo­da­ler Logis­tik­ket­ten. Diese Viel­falt erzeugt bei uns Wir­kung und Ideen­reich­tum, ich erach­te sie als wert­vol­le Stär­ke. Mit sei­ner Mit­glie­der­di­ver­si­tät kann der VAP seine For­de­run­gen ganz­heit­li­cher auf die Nut­zer aus­rich­ten und mit einer grös­se­ren Auto­ri­tät plat­zie­ren. Ich unter­stüt­ze den kun­den­zen­trier­ten Ansatz des VAP, der den End­nut­zer in den Dis­kus­si­ons- und Ent­schei­dungs­pro­zess ein­bin­det. Euro­pa kann von den Schwei­zer Erfah­run­gen mit dem Wagen­la­dungs­ver­kehr oder der Leis­tungs­ab­hän­gi­gen Schwer­ver­kehrs­ab­ga­be pro­fi­tie­ren. Sie gilt für uns oft als «Mini­lab», das The­men für uns spie­gelt. Im Wei­te­ren zeigt uns der VAP vor­bild­lich auf, wie man die Bevöl­ke­rung über­zeugt oder etwas als Gemein­we­sen posi­tiv gestaltet.

Was kann der VAP besser machen?

Bes­ser geht immer. Mein Appell ist nicht nur an den VAP, son­dern an alle Ver­bän­de und ver­kehrs­po­li­tisch Invol­vier­ten gerich­tet. Wir brau­chen enga­gier­te Men­schen, die bereit sind, Inter­es­sen mit Sicht nach vorne zu for­mu­lie­ren. Sol­che, die in Quar­tals­bi­lan­zen den­ken, gibt es genug. Aber damit kann man die Zukunft nicht gewinnen.

Was wünschen Sie sich für ebendiese Zukunft?

Noch mehr Inter­es­se, mehr Zuver­sicht. Mehr Begeis­te­rung. Ver­la­der soll­ten dar­auf bren­nen, noch mehr Ton­nen auf die Schie­ne zu brin­gen. Nur so kön­nen wir die ambi­tio­nier­ten Ver­la­ge­rungs- und Kli­ma­zie­le errei­chen. Der Bevöl­ke­rung soll­te klar sein, wie wich­tig der Schie­nen­gü­ter­ver­kehr ist – und dass das Geld kos­tet. Eine unge­hemm­te LKW-Flut ist näm­lich keine Alter­na­ti­ve. Ich wün­sche mir, dass Sie vom VAP und wir von der UIP wei­ter­hin Tag für Tag für die­sen Auf­bruch eintreten.

Herr Dr. Fischer, vielen Dank für das aufschlussreiche Gespräch.

Dr. Heiko Fischer

Dr. Heiko Fischer war bis 2021 ins­ge­samt mehr als 25 Jahre in den Diens­ten der VTG tätig, davon über 17 Jahre als Vor­sit­zen­der des Vor­stands. Seit 2015 ist er – wie schon von 2004 bis 2007 – Prä­si­dent des Dach­ver­bands der Wag­gon­hal­ter UIP, Inter­na­tio­nal Union of Wagon Kee­pers UIP mit Sitz in Brüs­sel. Diese ver­tritt mehr als 250 Güter­wa­gen­hal­ter und Instand­hal­tungs­stel­len mit mehr als 223’000 Güter­wa­gen, die 50% der Ton­nen­ki­lo­me­ter im euro­päi­schen Schie­nen­gü­ter­ver­kehr zurück­le­gen. Dr. Heiko Fischers ehe­ma­li­ge Arbeit­ge­be­rin VTG AG betreibt die gröss­te pri­va­te Güter­wa­gen­flot­te in Euro­pa mit rund 88’500 Eisen­bahn­gü­ter­wa­gen. Neben der Ver­mie­tung von Güter­wa­gen und Tank­con­tai­nern bie­tet VTG mul­ti­mo­da­le Logis­tik­dienst­leis­tun­gen und inte­grier­te Digi­tal­lö­sun­gen an.

«Wir wollen auch in Zukunft schneller und besser sein als die anderen.»

«Wir wollen auch in Zukunft schneller und besser sein als die anderen.»

Im Juni 2022 wurde die Über­nah­me des Fami­li­en­un­ter­neh­mens WASCOSA durch Swiss Life und Vau­ban bekannt­ge­ge­ben. Vom ehe­ma­li­gen Inha­ber und zukünf­ti­gen Ver­wal­tungs­rats­prä­si­den­ten Phil­ipp Mül­ler woll­ten wir mehr über den Hin­ter­grund die­ses Ver­kaufs und die Visi­on der WASCOSA wissen.

Herr Müller, die Meldung des Verkaufs Ihres erfolgreichen Familienunternehmens kam überraschend. Was wird sich ändern?

Phil­ipp Mül­ler: Weni­ger als man auf den ers­ten Blick denkt. Mit die­sem Schritt haben wir die Zukunft der WASCOSA abge­si­chert. Natür­lich wird es eine Umstel­lung von einem fami­li­en­ge­führ­ten zu einem inves­ti­ti­ons­ge­trie­be­nen Unter­neh­men geben. Aber der Spi­rit der WASCOSA wird blei­ben. Wir wol­len auch in Zukunft schnel­ler und bes­ser als ande­re agie­ren, als Team erfolg­reich sein und die Kun­den- vor Eigen­in­ter­es­sen stel­len. Diese Ziele sind anspruchs­voll, aber machbar.

Was hat Sie zu diesem Schritt bewogen?

Die Nach­fol­ge­re­ge­lung und die Zukunfts­si­che­rung des Unter­neh­mens. Kei­nes unse­rer Kin­der war daran inter­es­siert, meine Nach­fol­ge anzu­tre­ten. Also muss­ten wir in die­ser Frage eine exter­ne Lösung fin­den. Bereits vor acht Jah­ren hat­ten wir mit Peter Bal­zer einen fami­li­en­ex­ter­nen CEO enga­giert. Hinzu kommt, dass unser Markt gera­de eine enor­me Markt­be­rei­ni­gung erfährt. Von den euro­pa­weit zehn gröss­ten Wagen­ver­mie­tern haben wir als Ein­zi­ge keine Fusi­on oder Über­nah­me erlebt. Wer noch mit­spielt, wird lau­fend grös­ser, macht lang­fris­tig aus­ge­leg­te Gross­in­ves­ti­tio­nen und geht hohe finan­zi­el­le Risi­ken ein. Wir brauch­ten für die WASCOSA schlicht mehr Finanz­kraft, um als KMU in die­sem Markt bestehen zu kön­nen. Diese star­ken Finanz­part­ner haben wir mit Swiss Life und Vau­ban gefunden.

Welche anderen Lösungen lagen noch auf dem Tisch?

Zuerst zogen wir eine Min­der­heits­be­tei­li­gung von Drit­t­ak­tio­nä­ren in Betracht. Aller­dings ergab das keine opti­ma­le Lösung für die Betei­lig­ten. Der Ver­kauf an einen Kon­kur­ren­ten stand nie zur Debat­te. Schliess­lich erwies sich die lang­fris­ti­ge Zusam­men­ar­beit mit einem star­ken Finanz­part­ner als die zukunftsfähigste.

«Die WASCOSA hat sich von einem klei­nen, unbe­kann­ten Ver­miet­un­ter­neh­men durch Inno­va­ti­on, Kun­den­nä­he und Agi­li­tät zu einem euro­pa­weit erfolg­rei­chen Anbie­ter von Güter­wa­gen­sys­te­men eta­bliert.»

Welche Erfahrungen aus der Vergangenheit werden die Zukunft des Unternehmens prägen?

Die WASCOSA hat sich von einem klei­nen, unbe­kann­ten Ver­miet­un­ter­neh­men durch Inno­va­ti­on, Kun­den­nä­he und Agi­li­tät zu einem euro­pa­weit erfolg­rei­chen Anbie­ter von Güter­wa­gen­sys­te­men eta­bliert. Diese letz­te­re Posi­ti­on wol­len wir bei­be­hal­ten. Ein Bei­spiel für unse­re Inno­va­ti­ons­kraft: Aktu­ell zeigt sich ein star­ker Trend zu modu­la­ren Güter­wa­gen­kon­zep­ten. Sol­che haben wir schon vor 15 Jah­ren ein­ge­führt. Jetzt, wo sich der Trend durch­setzt, sind wir für den Markt bereit. In den letz­ten 60 Jah­ren unse­res Unter­neh­mens hat eine kom­pro­miss­lo­se Kun­den­ori­en­tie­rung den Unter­schied im Tages­ge­schäft gemacht. Auch das soll so blei­ben. Es ist im Inter­es­se der neuen Eigen­tü­mer, dass die WASCOSA im Kern das bleibt, was es immer war: ein inno­va­ti­ves und kun­den­ori­en­tier­tes Unternehmen.

Wie werden Sie diesen Changeprozess meistern?

Die Betei­li­gung von Swiss Life und Vau­ban als Drit­t­ak­tio­nä­re hat sich aus einem inten­si­ven Stra­te­gie­pro­zess mit rund 15 Mit­ar­bei­ten­den abge­lei­tet. Nach­dem der Ent­scheid gefal­len war, führ­ten wir das neue Aktio­na­ri­at im Rah­men einer Tages­ver­an­stal­tung im Unter­neh­men ein. Über den gesam­ten Stra­te­gie­pro­zess hin­weg woll­ten wir Unsi­cher­heit, Miss­trau­en und fal­sche Ver­mu­tun­gen von Manage­ment und Mit­ar­bei­ten­den ver­mei­den. Das ist uns gelun­gen und wir set­zen alles daran, dass uns das auch unter der neuen Eigen­tü­mer­schaft gelingt. CEO Peter Bal­zer und ich wer­den nach wie vor im Ver­wal­tungs­rat ver­tre­ten sein. Das ist eine star­ke Bot­schaft im Hin­blick auf die Kon­ti­nui­tät und die Zukunft der WASCOSA.

«Die DAK ist ein Schlüs­sel­pro­jekt mit einem enor­men Poten­zi­al, das den Güter­wa­gen­ver­kehr vor­wärts­bringt.»

Wo sehen Sie den dringendsten Handlungsbedarf im Schienengüterverkehr?

Da gibt es unter­schied­li­che Ansatz­punk­te. Wir brau­chen aus­rei­chend Kapa­zi­tä­ten auf dem Netz, also mehr Tras­sen. Zudem soll­ten län­der­spe­zi­fi­sche Hemm­nis­se abge­baut wer­den. Und schliess­lich ist der Schie­nen­gü­ter­ver­kehr auf eine geziel­te finan­zi­el­le För­de­rung ange­wie­sen, um Inno­va­tio­nen ins Rol­len zu brin­gen, zum Bei­spiel die digi­ta­le auto­ma­ti­sche Kupp­lung (DAK).

Apropos DAK: Was meinen Sie dazu?

Sie ist ein Schlüs­sel­pro­jekt mit einem enor­men Poten­zi­al, das den Güter­wa­gen­ver­kehr vor­wärts­bringt. Aller­dings haben wir wenig Ein­fluss auf die­ses hoch­po­li­ti­sche Thema. Seit eini­gen Jah­ren beschäf­ti­gen wir uns mit der Elek­tri­fi­zie­rung der Güter­wa­gen. Hier gibt uns die DAK natür­lich zusätz­li­chen Auftrieb.

Wird der echte Mehrwert der DAK von der Branche erkannt?

Unse­re Bran­che ist nicht allzu inno­va­ti­ons­freu­dig und auch nicht sehr zukunfts­ori­en­tiert. Die Auto­ma­ti­sie­rung des Kup­pelns durch die DAK ist ange­kom­men. Bei ihrem Poten­zi­al für die Digi­ta­li­sie­rung bin ich mir nicht so sicher. Wie immer braucht es ver­mut­lich zuerst jeman­den, der als Vor­rei­ter vor­an­geht und die Effi­zi­enz­stei­ge­rung klarmacht.

Sie haben sich jahrelang im Geschäftsleitenden Ausschuss (GLA) des VAP engagiert. Wie beschreiben Sie die Arbeit des VAP?

Der VAP zeich­net sich durch eine hohe Kom­pe­tenz und ein ange­neh­mes Zusam­men­ar­beits­ver­hält­nis aus. Die Tätig­keit des Ver­bands ist von der Sache geprägt und nicht vom Ego ein­zel­ner Per­so­nen. Der VAP hält in eini­gen Berei­chen die The­men­füh­rer­schaft. Das zeigt sich an der hohen in- und aus­län­di­schen Betei­li­gung bei Ver­an­stal­tun­gen wie den Foren. Die­ses Inter­es­se beweist, dass der VAP poli­ti­sche, wirt­schaft­li­che oder recht­li­che The­men pro­ak­tiv und kon­struk­tiv auf­greift. Ich emp­fand das Zusam­men­kom­men im GLA als sehr posi­tiv. Im Dia­log mit der SBB zeigt der Ver­band einen lan­gen Atem. Hier steht der Per­so­nen­ver­kehr an ers­ter Stel­le, dann die Infra­struk­tur, dann die Immo­bi­li­en und erst dann der Schie­nen­gü­ter­ver­kehr. Umso wich­ti­ger ist es, dran­zu­blie­ben. Die Geduld und kon­stan­te Mit­ar­beit des Teams von Frank Fur­rer zeich­nen sich aus.

Welche Stärken schreiben Sie dem VAP zu?

Zu den Haupt­stär­ken zählt die hohe Anzahl von Ver­la­dern unter den Mit­glie­dern. Der VAP ver­netzt alle Akteu­re des Güter­ver­kehrs. Zudem bie­tet er der Bran­che der ver­la­den­den Wirt­schaft eine höchst inter­es­san­te und rele­van­te Platt­form. Ich meine, dass man nur dann erfolg­rei­che Poli­tik machen kann, wenn man alle Inter­es­sen vertritt.

Wie hat der VAP Sie und Ihre WASCOSA unterstützt?

Wir haben sehr gute Erfah­run­gen mit dem VAP gemacht. Er hat uns sogar bis vor Bun­des­ge­richt kom­pe­tent und mit Erfolg unterstützt.

Was wünschen Sie sich zusätzlich vom VAP?

Dass er medi­al mehr in Erschei­nung tritt. Der VAP könn­te pro­mi­nen­ter als mei­nungs­füh­ren­der Exper­te für den Schie­nen­ver­kehr auf­tre­ten und damit an Bekannt­heit auch in der Öffent­lich­keit zule­gen, so wie der TCS oder ASTAG.

Wem würden Sie eine Zusammenarbeit mit dem VAP empfehlen?

Allen, die sich für den Schie­nen­gü­ter­ver­kehr inter­es­sie­ren. Dabei denke ich vor allem an Ver­bän­de von ande­ren Ver­kehrs­trä­gern. Es geht schon lange nicht mehr nur um Schie­ne ver­sus Stras­se, son­dern um eine sinn­vol­le mul­ti­mo­da­le Ko-Existenz.

Was kam in diesem Gespräch noch nicht zur Sprache?

Das Thema Nach­hal­tig­keit. Der Schie­nen­gü­ter­ver­kehr gehört zu den wich­tigs­ten Trei­bern und Trä­gern eines nach­hal­ti­gen Trans­ports. Das war übri­gens auch einer der Beweg­grün­de, warum ich vor 30 Jah­ren bei der WASCOSA die Nach­fol­ge mei­nes Schwie­ger­va­ters ange­tre­ten habe.

 

Herr Müller, vielen Dank für das interessante Gespräch.
TR Trans Rail AG – eine multimodale Erfolgsgeschichte

TR Trans Rail AG – eine multimodale Erfolgsgeschichte

Wir vom VAP enga­gie­ren uns für einen wett­be­werbs­fä­hi­gen Schie­nen­gü­ter­ver­kehr. Inzwi­schen fah­ren meh­re­re pri­va­te EVU und VAP-Mit­glie­der wich­ti­ge Trans­por­te. Gerne stel­len wir diese und ihre Kern­kom­pe­ten­zen vor. Den Anfang machen wir mit der TR Trans Rail AG.

 

Zwi­schen Mitte Sep­tem­ber und Ende Dezem­ber ist Ern­te­zeit für Zucker­rü­ben – eine mul­ti­mo­da­le, logis­ti­sche Her­aus­for­de­rung für alle Betei­lig­ten. Dabei spielt die Bahn ins­be­son­de­re auf mitt­le­ren und län­ge­ren Stre­cken ihre Stär­ken aus und lie­fert gros­se Men­gen ver­läss­lich und pünkt­lich zu den bei­den Wer­ken Aar­berg und Frauenfeld. 

Als lang­jäh­ri­ger Logis­tik­part­ner von Schwei­zer Zucker AG errei­chen die Cargo-Trans­por­te von TR Trans Rail AG jeweils im letz­ten Quar­tal des Jah­res einen Höhe­punkt. Für den Trans­port zu den Zucker­fa­bri­ken wird wäh­rend die­ser Zeit ein kom­ple­xes Logis­tik­pro­jekt hoch­ge­fah­ren. An den Ver­la­de­stel­len wer­den die Bahn­wa­gen von den Bau­ern bela­den und anschlies­send mit der Bahn trans­por­tiert. Seit der Sai­son 2021 ist TR Trans Rail AG im Bereich der Bahn­trans­por­te der allei­ni­ge natio­na­le Logis­tik­part­ner von Schwei­zer Zucker AG, ein wei­te­rer Mei­len­stein in deren Unternehmensgeschichte.

Dank den Erfah­run­gen der letz­ten Sai­sons, einer minu­tiö­sen Pla­nung gepaart mit einer hohen Fle­xi­bi­li­tät, wer­den die Auf­trä­ge rei­bungs­los abge­wi­ckelt. Wenn sich zum Bei­spiel Tro­cken­heit oder virö­se Ver­gil­bung nega­tiv auf Ertrag und Zucker­ge­halt aus­wir­ken, müs­sen ver­schie­de­ne Züge kurz­fris­tig umge­lei­tet wer­den. Nur mit der Fle­xi­bi­li­tät aller Betei­lig­ten ist es mög­lich, die Aus­las­tung der bei­den Werke zu optimieren.

Kurz vor Weih­nach­ten 2021 erreich­te die letz­te Ladung Rüben die Frau­en­fel­der Zucker­fa­brik. 100 Tage lang trans­por­tier­te TR Trans Rail AG mit über 500 Zügen rund 555’000 Ton­nen Rüben zu den Zucker­fa­bri­ken in Aar­berg und Frauenfeld.

«Der Trans­port auf der Schie­ne sowie die Zusam­men­ar­beit mit den betei­lig­ten Part­nern funk­tio­nier­te meist rei­bungs­los. Dank den Schie­nen­trans­por­ten konn­ten rund 90’000 Stras­sen­ki­lo­me­ter ein­ge­spart wer­den. Das ent­spricht etwa einer Distanz von zwei Erd­um­run­dun­gen» erklärt Peter Koch, Ver­ant­wort­li­cher für die Zucker­rü­ben­trans­por­te Ost.

 

TR Trans Rail AG setzt auf den VAP, wenn es um übergreifendes Knowhow im Schienengüterverkehr geht.

 André Pel­let: Um unse­re Kun­den bei der Suche nach neuen Trans­port­lö­sun­gen für ihre Wagen­la­dun­gen zu unter­stüt­zen, woll­ten wir mehr über deren Bedürf­nis­se, Mög­lich­kei­ten, aber auch Hür­den ken­nen­ler­nen. Ein Geschäfts­part­ner hat uns daher emp­foh­len, uns an den VAP, der uns schon bekannt war, zu wen­den. Der Kon­takt war schnell her­ge­stellt und die Zusam­men­ar­beit star­te­te rasch und unkompliziert

Was wür­den Sie einem Kol­le­gen über den VAP sagen?

André Pel­let, Geschäfts­füh­rer TR Trans Rail AG

Der VAP ist eine über­aus nütz­li­che Platt­form für die ver­lan­den­de Wirt­schaft. Denn nur gemein­sam kön­nen die drin­gen­den The­men des Güter­ver­kehrs auf der Schie­ne ange­gan­gen wer­den.
Das Güter­bahn­sys­tem ist äus­serst kom­plex und daher sehr anspruchs­voll. Jeder Kunde oder Anbie­ter hat unter­schied­li­che Bedürf­nis­se. Aber nur die ganze Ein­heit, gebün­delt in einem Ver­band, hat die Chan­ce die Her­aus­for­de­run­gen zu meistern.

Wo sehen Sie den drin­gends­ten Hand­lungs­be­darf, um den Schie­nen­gü­ter­ver­kehr zu fördern?

Der ver­kehrs­po­li­ti­sche Rah­men muss für die Güter­bah­nen stim­men. Die straff orga­ni­sier­te Orga­ni­sa­ti­on Eisen­bahn darf die Fle­xi­bi­li­tät zu guten Trans­port­lö­sun­gen nicht hin­dern und der Auf­wand muss in einem wirt­schaft­li­chen Mass blei­ben. Die immer schlan­ker wer­den­de Infra­struk­tur darf uns nicht wei­ter einschränken.

Was wün­schen Sie sich für die Zukunft des Schie­nen­gü­ter­ver­kehrs in der Schweiz?

Die Eisen­bahn soll­te ver­mehrt als Ein­heit gegen­über der Stras­se auf­tre­ten. Die ver­schie­de­nen Dienst­leis­ter und pri­va­ten Eisen­bahn­un­ter­neh­men haben unter­schied­li­che Mög­lich­kei­ten und jeder könn­te etwas zur Umset­zung und Abwick­lung von Trans­por­ten bei­tra­gen. Die Bah­nen soll­ten sich nicht als Kon­kur­ren­ten sehen, son­dern die ein­zel­nen Stär­ken ein­brin­gen und so gesamt­heit­li­che sowie kun­den­ge­rech­te Lösun­gen anbieten. 

Vie­len Dank für Ihre Ant­wor­ten, André Pellet!

 

Infos zur TR Trans Rail AG:

Als schwei­ze­ri­sches Eisen­bahn­ver­kehrs­un­ter­neh­men bie­tet TR Trans Rail mit ver­schie­de­nen in- und aus­län­di­schen Part­nern eine brei­te Ange­bots- und Dienst­leis­tungs­pa­let­te an. Dank lang­jäh­ri­ger Erfah­rung sind sie Spe­zia­lis­ten in den Berei­chen Güter­ver­kehr, moder­nen Dienst­leis­tun­gen, Zug­nost­al­gie, Grup­pen-Char­ter­fahr­ten, beglei­te­ten Rei­sen und the­men­be­zo­ge­nen Eventfahrten.

Im Gespräch: Matthias Grieder

Im Gespräch: Matthias Grieder

VAP: Herr Grie­der, wie sieht Ihre Zusam­men­ar­beit mit dem VAP aus?
Mat­thi­as Grie­der: Wir haben regel­mäs­sig mit Gene­ral­se­kre­tär Frank Fur­rer zu tun. Zum Bei­spiel ist er Ver­tre­ter der Gleis-Genos­sen­schaft Ris­tet-Ber­ger­moos und hat diese bei einem gemein­sa­men Ent­wick­lungs­pro­jekt für die­ses Indus­trie­ge­biet auf dem Gemein­de­ge­biet von Urdorf und Bir­mensdorf reprä­sen­tiert. Zudem hat er bei der Erar­bei­tung der Teil­re­vi­si­on 2022 des kan­to­na­len Richt­plans mit­ge­wirkt und arbei­tet immer wie­der in ver­schie­de­nen logis­tik­be­zo­ge­nen Arbeits­grup­pen mit. Frank Fur­rer bringt sowohl die Per­spek­ti­ve der Anschluss­gleis­be­sit­zer als auch die natio­na­le Gesamt­sicht einer mul­ti­mo­da­len Logis­tik ein. Er unter­stützt uns mit sei­nem enor­men Fach­wis­sen und sei­nem weit­läu­fi­gen fach­po­li­ti­schen Netz­werk. Ich emp­fin­de diese Zusam­men­ar­beit als sehr ange­nehm und fruchtbar.

Wo sehen Sie den dring­lichs­ten Hand­lungs­be­darf für den Schie­nen­gü­ter­ver­kehr?
Die wich­tigs­te und gleich­zei­tig schwie­rigs­te Auf­ga­be ist mei­nes Erach­tens die Siche­rung der Umschlag­flä­chen Bahn/Strasse in urba­nen Gebie­ten. Dazu ein Bei­spiel: Da, wo heute hin­ter dem Haupt­bahn­hof Zürich die «Euro­pa­al­lee» steht, war frü­her ein Post­ver­teil­zen­trum mit zehn Glei­sen. Mit der Neu­ent­wick­lung des Are­als gin­gen die gesam­te Ver­sor­gungs­in­fra­struk­tur sowie gros­se Logis­tik­flä­chen ver­lo­ren, die für die Sicher­stel­lung der zukünf­ti­gen Ver- und Ent­sor­gung der Stadt Zürich wich­tig gewe­sen wären. Güter­ver­kehr und Logis­tik­ein­rich­tun­gen zie­hen aus der Stadt hin­aus und wer­den zuneh­mend ins Mit­tel­land ver­drängt. Diese Ver­teil­cen­ter sind oft nicht bahn­ge­recht erschlos­sen. Des­we­gen fah­ren immer mehr Last- und Lie­fer­wa­gen von dort in die Stadt, was den Stau­gür­tel rund um die Agglo­me­ra­tio­nen zusätz­lich belastet.

Das Raum­pla­nungs­ge­setz ver­langt zudem ver­dich­te­tes Bauen in den bestehen­den Sied­lungs­ge­bie­ten. Der Mehr­ver­kehr durch das Bevöl­ke­rungs­wachs­tum muss auf den bestehen­den Ver­kehrs­flä­chen abge­wi­ckelt wer­den. Also müs­sen diese Flä­chen effi­zi­en­ter genutzt wer­den und man muss auch Flä­chen für Ver- und Ent­sor­gung zur Ver­fü­gung stel­len. Je dich­ter man baut, desto wich­ti­ger wird zudem eine attrak­ti­ve Aus­sen­raum­ge­stal­tung. Eine eben­erdi­ge Ver­sor­gung beein­träch­tigt diese Attrak­ti­vi­tät. Des­halb ist es wich­tig, auch dafür schon früh in der Are­al­pla­nung zu prü­fen, wie sich ober­ir­di­sche Berei­che vom Anlie­fe­rungs­ver­kehr ent­las­ten und Anlie­fe­rung sowie Ent­sor­gung in Unter­flur­an­la­gen inte­grie­ren las­sen. Gute Bei­spie­le für der­ar­ti­ge Lösun­gen sind der neue Cir­cle am Flug­ha­fen Zürich oder das Ein­kaufs­zen­trum Sihlcity.

Wie sieht die Situa­ti­on bei den Anschluss­glei­sen aus?
Hier zeigt sich eine ähn­li­che Pro­ble­ma­tik. Anschluss­glei­se und Wei­chen wer­den lau­fend zurück­ge­baut und deren Bedie­nung wird redu­ziert. So ent­steht eine Abwärts­spi­ra­le: weni­ger Glei­se, weni­ger Bahn­trans­port­vo­lu­men, weni­ger Bahn­ver­lad, weni­ger Ein­zel­wa­gen­la­dun­gen, weni­ger bedürf­nis­ori­en­tier­te Bahn­an­ge­bo­te. Das bedeu­tet auf der ande­ren Seite mehr Stras­sen­trans­port, mehr Stau, mehr Lärm und mehr CO2. Lang­fris­tig muss sich die­ser Trend wie­der umkehren.

Wie könn­te man das Pro­blem lösen?
Wir brau­chen Lösun­gen, die Sen­dun­gen noch stär­ker bün­deln und effi­zi­ent durch den Stau­gür­tel in die Zen­tren brin­gen. Ansät­ze, um den Stau zu umfah­ren oder zu unter­fah­ren. Zudem benö­ti­gen wir Ange­bots­kon­zep­te für eine schnel­le und direk­te Bedie­nung. Und wir brau­chen bes­se­re finan­zi­el­le Anrei­ze, die die Bahn stär­ken und den Ein­zel­wa­gen­la­dungs­ver­kehr nicht schwin­den las­sen. Die Bahn hat hier mit ihren aus­ge­zeich­ne­ten Infra­struk­tu­ren eine gros­se Chan­ce und kann diese Auf­ga­be wahr­neh­men. Aber auch neue inno­va­ti­ve Ver­kehrs­trä­ger wie zum Bei­spiel das digi­ta­le Gesamt­lo­gis­tik­sys­tem Cargo Sous Ter­rain (CST) kön­nen gros­se Men­gen trans­por­tie­ren, ohne den Stras­sen­ver­kehr zusätz­lich zu belas­ten. Alle diese Sys­te­me kön­nen über gemein­sa­me digi­ta­le Platt­for­men ver­knüpft und noch effi­zi­en­ter gemacht werden.

Wie ent­ste­hen sol­che Lösun­gen?
Nur, wenn alle Par­tei­en kom­plett umden­ken und part­ner­schaft­lich koope­rie­ren. Lei­der kal­ku­liert heute jeder Betrieb iso­liert für sich und ist auf kurz­fris­ti­ge Gewinn­ma­xi­mie­rung aus­ge­rich­tet. Die Bahn kon­zen­triert sich auf den ertrags­rei­chen Ganz­zug­ver­kehr und ver­nach­läs­sigt den auf­wen­di­gen Ein­zel­wa­gen­ver­kehr, der wesent­lich zu einer Umla­ge­rung vor der Stras­se auf die Schie­ne bei­tra­gen kann. Stras­sen­trans­por­teu­re rich­ten den Fuhr­park auf die kos­ten­güns­tigs­te Pro­duk­ti­on, in der Regel mit klei­ne­ren Fahr­zeu­gen, aus und opti­mie­ren ihre Tou­ren inner­be­trieb­lich. Dies, obwohl sich durch Koope­ra­tio­nen mit Mit­be­wer­bern Fahr­zeug­ki­lo­me­ter redu­zie­ren lies­sen. Auch Immo­bi­li­en­stra­te­gien oder ‑kon­zep­te sowohl pri­va­ter Grund­ei­gen­tü­mer als auch der öffent­li­chen Hand las­sen inno­va­ti­ve Lösun­gen für eine ver­ti­ka­le Nut­zungs­glie­de­rung nicht zu und ver­hin­dern damit Lösun­gen für eine flä­chen­spa­ren­de und effi­zi­en­te Ver- und Ent­sor­gung im urba­nen Raum.

Eine ver­netzt den­ken­de Sicht­wei­se fehlt in der Wirt­schaft, in der Poli­tik, in den Ver­wal­tun­gen und auch in der Aus­bil­dung von Ver­kehrs- und Raumplanern.

Hat die Pan­de­mie denn kein Umden­ken ange­stos­sen?
Doch, Covid-19 hat die Rele­vanz einer funk­tio­nie­ren­den Ver­sor­gung stär­ker ins Bewusst­sein der Men­schen gerückt. Das Thema Güter­ver­kehr und Logis­tik hat stark an Bedeu­tung gewon­nen. Auf Fach­ebe­ne beschäf­tig­te man sich schon lange vor der Pan­de­mie mit die­sen kom­ple­xen Zusam­men­hän­gen und auch in der Poli­tik rückt die The­ma­tik mehr und mehr ins Bewusst­sein. Wir ver­su­chen immer wie­der auf diese Zusam­men­hän­ge auf­merk­sam zu machen. Manch­mal sogar mit Erfolg, wie zum Bei­spiel beim Ein­kaufs­zen­trum Sihl­ci­ty auf dem Areal der ehe­ma­li­gen «Zür­cher Papier­fa­brik an der Sihl» in Zürich-Wie­di­kon. Die Pla­ner haben die Ver- und Ent­sor­gung hier ins Unter­ge­schoss gleich neben der Gara­gen­zu­fahrt inte­griert. Von dort aus wird ver­ti­kal nach oben fein­ver­teilt. Genau in diese Rich­tung müs­sen wir bei Are­al­pla­nun­gen den­ken: weg von Kuchen­stü­cken, hin zu Tor­ten­schich­ten. So wird eine kom­bi­nier­te Nut­zung von städ­ti­schen oder stadt­na­hen Flä­chen möglich.

Wie las­sen sich Umschlag­flä­chen und ‑stand­or­te lang­fris­tig sicher­stel­len?
Logis­tik­flä­chen im urba­nen Raum sind rar, neue wird es kaum geben. Die öffent­li­che Hand ver­sucht, bestehen­de Umschlag­flä­chen über Richt­plan­ein­trä­ge zu sichern. Aller­dings sind diese pla­ne­ri­schen Vor­ga­ben nicht grund­ei­gen­tü­mer­ver­bind­lich. Zu einer Flä­chen­si­che­rung, zu der auch pri­va­te Grund­ei­gen­tü­mer ver­pflich­tet sind, käme man nur über eine ent­spre­chen­de Zonen­ord­nung oder durch einen ver­mehr­ten Kauf der ent­spre­chen­den Grund­stü­cke durch die Kan­to­ne und Städ­te. Diese stre­ben län­ger­fris­ti­ge Ziel­set­zun­gen mit einem wei­te­ren Pla­nungs­ho­ri­zont wie die Sicher­stel­lung der Güter­ver- und ‑ent­sor­gung an und sind nicht so renditegetrieben.

Wie könn­te man die Wirt­schaft bei der Erstel­lung von Raum­pla­nungs­kon­zep­ten stär­ker ein­bin­den?
Der Ein­be­zug der Wirt­schafts­ak­teu­re bei der Ent­wick­lung von Area­len ist zen­tral für die Zukunft des Güter­ver­kehrs. Immer­hin müs­sen diese eine Are­al­ent­wick­lung umset­zen. Beim Kan­ton Zürich bin­den wir die Wirt­schafts­ver­tre­ter im Rah­men von Arbeits­grup­pen bereits in der Ana­ly­se­pha­se ein, obwohl wir als Kan­ton kei­nen gesetz­li­chen Auf­trag für die Güter­ver­kehrs­pla­nung haben, son­dern nur bera­tend und unter­stüt­zend wir­ken. Im Kan­ton Zürich haben wir einen Leit­fa­den für die Ent­wick­lung des Güter­ver­kehrs in einem kan­to­na­len Güter­ver­kehrs- und Logis­tik­kon­zept fest­ge­hal­ten. Da neh­men wir sicher­lich eine Vor­rei­ter­rol­le ein. Doch auch ande­re Kan­to­ne wie Aar­gau, Bern, Waadt oder Basel-Stadt agie­ren fort­schritt­lich. Durch den regel­mäs­si­gen Aus­tausch über die SBB Cargo Platt­form und die Güter­ver­kehrs­grup­pe des Schwei­ze­ri­schen Städ­te­ver­bands ler­nen wir voneinander.

Wie sieht Ihrer Ansicht nach eine opti­ma­le Aus­las­tung der Infra­struk­tur durch Per­so­nen- und Güter­ver­kehr aus?
Ich meine, dass man den aktu­el­len Ansatz mit sepa­ra­ten Tras­sen für Per­so­nen- und Güter­ver­kehr im Netz­nut­zungs­kon­zept wei­ter­ver­fol­gen und opti­mie­ren soll­te. Einer fle­xi­blen Tras­sen­zu­tei­lung stehe ich eher skep­tisch gegen­über, denn der Güter­ver­kehr könn­te dabei wört­lich unter die Räder kom­men. Der Bedarf an Infra­struk­tur­aus­bau­ten ist erkannt, was der Aus­bau­schritt 2040 zeigt.

Wo sehen Sie bei der Infra­struk­tur die gröss­ten Auf­ga­ben?
Bei der Wei­ter­ent­wick­lung der Infra­struk­tur muss man auf die spe­zi­el­len Bedürf­nis­se des Güter­ver­kehrs ein­ge­hen. Der Kno­ten Zürich Vor­bahn­hof ist schon heute voll­kom­men über­las­tet und der Schie­nen­ver­kehr im Raum Zürich wird wei­ter zuneh­men. Es müs­sen daher Umfah­rungs­mög­lich­kei­ten geschaf­fen wer­den wie der Güter­tun­nel vom Ran­gier­bahn­hof Lim­mat­tal ins Furt­tal und wei­ter Rich­tung Ost­schweiz. Auch Schie­nen­gü­ter­trans­por­te, die aus dem Mit­tel­land kom­men und Rich­tung Kno­nau­er Amt wei­ter­fah­ren möch­ten, müs­sen im Vor­bahn­hof Zürich mit einer Spitz­keh­re wen­den. Das belas­tet die Infra­struk­tur mehr­fach zusätz­lich. Hier braucht es «Abkür­zun­gen», um Brenn­punk­te zu umfah­ren. Zum Bei­spiel könn­te man den Ran­gier­bahn­hof Lim­mat­tal über das Kno­nau­er Amt direkt Rich­tung Zug und Luzern anschlies­sen. Sol­che Vor­ha­ben sind natür­lich enorm teuer und nur lang­fris­tig umsetz­bar. Trotz­dem müs­sen bereits heute die pla­ne­ri­schen Wei­chen dafür gestellt werden.

Was wün­schen Sie sich für die Zukunft des Schwei­zer Schie­nen­gü­ter­ver­kehrs?
Ich hoffe sehr, dass die Chan­cen der Bahn für eine Ver­la­ge­rung des Ver­kehrs von der Stras­se auf die Schie­ne auch im natio­na­len Ver­kehr genutzt wer­den. Dazu braucht es eine Trend­wen­de mit rasche­ren und effi­zi­en­te­ren Ange­bots­kon­zep­ten beson­ders auch im Ein­zel­wa­gen­la­dungs­ver­kehr. Hier sind inno­va­ti­ve Ange­bots­kon­zep­te gefragt, die bedarfs­ge­recht und effi­zi­ent sind.

Die da wären?
Die Digi­ta­li­sie­rung bie­tet Oppor­tu­ni­tä­ten, die im Schie­nen­gü­ter­ver­kehr der­zeit noch unge­nutzt blei­ben. Zum Bei­spiel wis­sen die Güter­bah­nen über digi­ta­le Codes genau, wann, wo und wie lange ihre Ware steht. Die­ses Wis­sen soll­ten sie ihren Kun­den in Form einer Sen­dungs­ver­fol­gung über die gesam­te Trans­port­ket­te hin­weg vom Sen­der bis zum Emp­fän­ger zur Ver­fü­gung stel­len. Das würde ihre Attrak­ti­vi­tät mar­kant steigern.

Digi­ta­li­sie­rung und Auto­ma­ti­sie­rung sind eben­falls ent­schei­dend für die Wett­be­werbs­fä­hig­keit der Güter­bahn. Natür­lich sind kurze Distan­zen von weni­gen Kilo­me­tern, wie wir sie in der Schweiz häu­fig antref­fen, wenig bahn­ge­recht. Aber wenn man gewis­se Pro­zes­se auto­ma­ti­siert – etwa mit der Digi­ta­len Auto­ma­ti­schen Kupp­lung (DAK) oder durch ein auto­ma­ti­sier­tes Umla­den von Wech­sel­be­häl­tern –, lies­se sich die Effi­zi­enz deut­lich stei­gern. Sol­che Lösun­gen müss­ten Pri­vat­wa­gen­be­sit­zer imple­men­tie­ren, um ihre Flot­te ren­ta­bler zu hal­ten und Lauf­zei­ten zu verkürzen.

Warum tut sich die Güter­bahn so schwer mit der Wett­be­werbs­fä­hig­keit?
Das ist eine schwie­ri­ge Frage. Man müss­te sehr sorg­fäl­tig ana­ly­sie­ren, warum der Schie­nen­gü­ter­ver­kehr so wenig wett­be­werbs­fä­hig ist und wel­che Mass­nah­men für attrak­ti­ve­re Ange­bo­te oder nied­ri­ge­re Kos­ten grei­fen. Eine sol­che Stu­die könn­te eine Auf­ga­be des VAP sein.

Apro­pos VAP: Was könn­ten wir bes­ser machen?
Ich kenne Frank Fur­rer und ich weiss, wie das VAP-Logo aus­sieht. Aber als Gesamt­or­ga­ni­sa­ti­on nehme ich den VAP kaum wahr. Hier sehe ich Opti­mie­rungs­po­ten­zi­al. Zudem werde ich immer wie­der zu inter­es­san­ten und gehalt­vol­len Anläs­sen ein­ge­la­den. Doch für uns Ver­wal­tungs­an­ge­stell­te ist der admi­nis­tra­ti­ve Auf­wand für die Bewil­li­gung eines kos­ten­pflich­ti­gen Events so gross, dass wir oft auf eine Teil­nah­me ver­zich­ten. Das ist eigent­lich schade.

Wem wür­den Sie eine Zusam­men­ar­beit mit dem VAP emp­feh­len?
Allen Kan­to­nen und Gemein­den der Schweiz. Für die Ver­wal­tun­gen ist der VAP ein Kom­pe­tenz­part­ner und Infor­mant, der den Know-how-Trans­fer unter­stützt; gera­de auch dank sei­ner natio­na­len Gesamt­sicht. Für Anschluss­gleis­be­sit­zer stellt der VAP einen wich­ti­gen Inter­es­sens­ver­tre­ter dar, der sich für den Aus­bau des Bahn­an­ge­bots, den Erhalt der Anla­gen und die Flä­chen­si­che­rung engagiert.

 

Herr Grie­der, herz­li­chen Dank für das Gespräch.

Zur Per­son
Mat­thi­as Grie­der ist aus­ge­bil­de­ter Raum- und Ver­kehrs­pla­ner und seit vier Jah­ren Pro­jekt­lei­ter für den Bereich Güter­ver­kehr und Logis­tik beim Amt für Mobi­li­tät des Kan­tons Zürich.

 

Datenplattformen: Bessere Kooperation, mehr Wettbewerb

Datenplattformen: Bessere Kooperation, mehr Wettbewerb

Unse­re Auf­merk­sam­keit im Year of Rail 2021 gilt unter ande­rem den Ent­wick­lun­gen soge­nann­ter Daten­platt­for­men in Deutsch­land. Bereits 2022 soll eine erste neu­tra­le Daten­platt­form für den kom­bi­nier­ten Ver­kehr live gehen. Betei­ligt sol­len alle Akteu­re des kom­bi­nier­ten Ver­kehrs (KV) wer­den. Das Pro­jekt wird vom deut­schen Bun­des­mi­nis­te­ri­um für Ver­kehr und digi­ta­le Infra­struk­tur (BMVI) unterstützt.

Öffnung für alle Anbieter angestrebt

Unter der Ägide des Ver­bands Deut­scher Ver­kehrs­un­ter­neh­men (VDV) befin­det sich eine ver­gleich­ba­re Platt­form für den Wagen­la­dungs­ver­kehr im Auf­bau. Unter­stüt­zung für die­ses Pro­jekt fin­det der VDV beim Ver­band der Che­mi­schen Indus­trie Deutsch­lands (VCI). Auch die­ser scheint ange­sichts der Ent­wick­lun­gen des Wagen­la­dungs­ver­kehrs in Deutsch­land von der Leis­tungs­fä­hig­keit des gröss­ten Anbie­ters nicht mehr über­zeugt zu sein. Genau wie wir strebt auch der VCI keine Sub­ven­tio­nen an, son­dern sieht die Lösung in der Öff­nung der Ran­gier- und Kno­ten­bahn­hö­fe für alle Anbie­ter. Nur so wird ein stär­ke­rer Wett­be­werb auch im Wagen­la­dungs­ver­kehr mög­lich. Mit einer neu­tra­len Daten­platt­form lies­se sich ein markt­wirt­schaft­lich offe­nes Netz­werk deut­lich bes­ser und schnel­ler auslasten.

Gartendenken ade

Die Tren­nung der Bahn­ver­keh­re in KV und kon­ven­tio­nel­le Ver­keh­re war noch nie wirk­lich nach­voll­zieh­bar. Gar­ten­den­ken ist kon­tra­pro­duk­tiv und ver­kom­pli­ziert das Gesamt­sys­tem. Getrenn­te Buchungs­platt­for­men sind ein Indiz dafür, dass im Mit­tel­punkt nicht ein Gesamt­sys­tem mit einem Gesamt­nut­zen für die ganze Güter­bahn­wirt­schaft steht. Ein nach­hal­ti­ger, kon­kur­renz­fä­hi­ger und end­kun­den­ori­en­tier­ter (Schienen-)Güterverkehr kann nur im Zusam­men­spiel aller Akteu­re erfolgen.

Darum set­zen wir uns inten­siv mit der Idee einer Platt­form für den Güter­bahn­ver­kehr aus­ein­an­der. Dabei ste­hen wir im engen Kon­takt mit dem VDV und des­sen Part­ner­un­ter­neh­men einer Platt­form für einen grenz­über­schrei­ten­den KV. Denn wir sind über­zeugt, dass nur euro­pa­weit kom­pa­ti­ble Platt­for­men erfolg­reich sein werden.

Automatisierung des Wagenladungsverkehrs im Fokus

Automatisierung des Wagenladungsverkehrs im Fokus

Im Year of Rail 2021 steht die Moder­ni­sie­rung durch eine Auto­ma­ti­sie­rung des Wagen­la­dungs­ver­kehrs ganz oben auf unse­rer Agen­da. Unse­re Koope­ra­ti­on mit dem Bun­des­amt für Ver­kehr (BAV) und dem Ver­band öffent­li­cher Ver­kehr (VöV) für ein gemein­sa­mes Vor­ge­hen bei der Auto­ma­ti­sie­rung im Schie­nen­gü­ter­ver­kehr schrei­tet plan­mäs­sig voran. Im Mit­tel­punkt steht unter ande­rem die Digi­ta­le Auto­ma­ti­sche Kupp­lung (DAK). Dem­nächst wer­den die Details der gemein­sa­men Auf­ga­ben in Abstim­mung mit den Güter­bah­nen, Wagen- und Lok­be­trei­bern sowie Ver­la­dern fest­ge­legt, damit schon bald kon­kre­te Fort­schrit­te zu sehen sind.

Modellevaluation läuft

Par­al­lel dazu läuft auf euro­päi­scher Ebene die Eva­lua­ti­on der ver­schie­de­nen Model­le der DAK. Den Ent­scheid für ein bestimm­tes Sys­tem erwar­ten wir im Herbst. Im Anschluss dürf­te der ent­spre­chen­de Umset­zungs­plan auf EU-Ebene vor­ge­legt wer­den. Mit ande­ren Wor­ten: Die DAK und damit die Auto­ma­ti­sie­rung im Schie­nen­gü­ter­ver­kehr neh­men Gestalt an.

Förderung erforderlich

Die Moder­ni­sie­rung des Schie­nen­gü­ter­ver­kehrs setzt eine klare poli­ti­sche und finan­zi­el­le För­de­rung vor­aus. Daher hat unser Prä­si­dent und Stän­de­rat Josef Ditt­li mit der Moti­on 20.3221 «Durch Auto­ma­tis­a­ti­on Güter auf der Schie­ne effi­zi­en­ter trans­por­tie­ren» den ent­spre­chen­den poli­ti­schen Pro­zess ins Rol­len gebracht. Mit der Annah­me der Moti­on hat das Par­la­ment den Bun­des­rat mit der Aus­ar­bei­tung eines Kon­zepts betraut.

Umsetzungskonzept angestrebt

Wir vom VAP wer­den des­halb gemein­sam mit BAV und VöV ein Kon­zept in Angriff neh­men und es zu gege­be­ner Zeit dem Par­la­ment zur Bera­tung über­ge­ben. Die­ses Kon­zept soll die tech­ni­sche Lösung, einen Trans­for­ma­ti­ons­plan sowie die Initi­al­kos­ten mit den erwar­te­ten Effi­zi­enz­stei­ge­run­gen ent­hal­ten. Es wird Auf­ga­be des Par­la­ments sein, über die finan­zi­el­le För­de­rung und geeig­ne­te Rah­men­be­din­gun­gen (Ent­schla­ckung der gesetz­li­chen Sicher­heits- und Arbeits­vor­schrif­ten, Über­nah­me der euro­päi­schen Inter­ope­ra­bi­li­täts­vor­schrif­ten usw.) zu entscheiden.