INNOVATION
Welche Innovationen bewegen den Schienengüterverkehr? Der VAP fördert die Automatisierung des Schienengüterverkehrs und ist in der Projektleitung der Migration der DAK (digitalen automatischen Kupplung) vertreten.
Dank der DAK wird der Schienengüterverkehr effizienter, produktiver und befähigt, sich in die multimodalen Logistikketten der Wirtschaft zu integrieren. VAP-Präsident und Ständerat Josef Dittli hat mit seiner Motion 20.3221 «Durch Automatisation Güter auf der Schiene effizienter transportieren» den Anstoss für ein Umsetzungs- und Finanzierungskonzept für die Automatisierung und Digitalisierung des Schienengüterverkehrs gegeben. Der VAP hat gemeinsam mit dem Bundesamt für Verkehr (BAV) und dem Verband öffentlicher Verkehr (VÖV) eine Absichtserklärung zur Digitalisierung und Automatisierung des Schweizer Schienengüterverkehrs unterzeichnet. Auch zahlreiche Unternehmen der Branche haben die Zusammenarbeit erklärt.
28. Juni 2023: Aufforderung zur koordinierten, europaweiten Einführung der DAK mitsamt Digitalisierungs- und Automatisierungstechnologie:
- VAP Branchenstatement an die Europäische Kommission und die Mitgliedstaaten
- Anhang: DAK Branchenstatement
- Absichtserklärung zur Automatisierung im Schienengüterverkehr der Schweiz 2021
- Gemeinsame Absichtserklärung von CFS, VöV und BAV zur Innovationsförderung 2017
Medienbericht:
Bericht von Zeit Online vom 26.10.2021
Digitale Rollmaterialkontrollen: Win-Win für alle Beteiligten
Die ortsfesten Zugkontrolleinrichtungen von Güterzügen und deren Rollmaterial werden laufend verfeinert. Das digitale Kontrollsystem Wayside Intelligence (WIN) erhöht nicht nur die Sicherheit im Schienengüterverkehr, sondern hilft auch Wagenhaltern, ihre Instandhaltungsarbeiten effizienter zu planen. Umso wichtiger ist es, dass diese ihre Erfahrungen in die Weiterentwicklung des Systems einbringen.
Darum geht’s:
- Instandhaltung von Rollmaterial: zentral für die Sicherheit
- Aufwendige Kontrollen zwischen regulären Wartungsterminen
- Digitalisierung erhöht Planbarkeit
- Daten der Infrastrukturbetreiberin gezielt nutzen
- Stand der Technik wahren und weitsichtig planen
- WIN testen und weiterentwickeln
Instandhaltung von Rollmaterial: zentral für die Sicherheit
Die Wagenhalter sind für die fachgerechte Instandhaltung ihrer Fahrzeuge verantwortlich, so verlangt es die aktuelle Sicherheits- und Interoperabilitätsrichtlinie. Damit tragen sie wesentlich zu einem sicheren Schienenverkehr bei (vgl. Blogartikel «Gotthardbasistunnel (#2): Automatische Zugkontrolleinrichtungen»). Zentrales Element ist die periodische Instandhaltung von Wagen durch zertifizierte Fachwerkstätten (Entity in Charge of Maintenance, ECM). Diese werden vom Halter beauftragt. Die Verantwortlichen sollen die planmässigen Werkstattaufenthalte des Rollmaterials gestützt auf Betriebserfahrungen, die gemeinsamen Sicherheitsziele und ‑methoden so bemessen, dass die sicherheitsrelevanten Bauteile, eine erwartungsgemässe Abnützung vorausgesetzt, nach der allgemeinen Erfahrung und dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge bis zum nächsten periodischen Werkstattaufenthalt einen betriebstauglichen Abnützungsgrad aufweisen.
Aufwendige Kontrollen zwischen regulären Wartungsterminen
Allerdings vergehen zwischen zwei regulären Werkstattaufenthalten etliche Jahre. Im täglichen Güterverkehr sind die Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVU) und die Infrastrukturbetreiberinnen für den sicheren Betrieb der Güterwagen verantwortlich. Die EVUs kontrollieren vor Abfahrt der Züge alle eingereihten Wagen auf sichtbare Schäden sowie auf Mängel der Ladungen. Schadhafte Wagen werden ausgereiht und gemäss dem Allgemeinen Vertrag für die Verwendung von Güterwagen (AVV) unplanmässig der Instandhaltung zugeführt. Solche ausserordentlichen Manöver stören den geplanten Betriebsablauf, können zu Verspätungen führen und bedeuten für betroffene EVUs Mehrarbeit und Ertragsausfälle.
Digitalisierung erhöht Planbarkeit
Damit die Halter ihre Verantwortung für die Betriebstauglichkeit ihrer im Betrieb stehenden Wagen künftig besser wahrnehmen können, sind sie zur Dokumentation aller Instandhaltungsmassnahmen und zur Auswertung der bei der Instandhaltung gemachten Erfahrungen verpflichtet. Für die laufende Evaluation ihrer Instandhaltungspläne benötigen sie verlässliche technische Daten über das Verhalten und den aktuellen Abnützungsgrad systemrelevanter Bauteile. Dank der fortschreitenden Digitalisierung stehen ihnen diese Daten zunehmend zur Verfügung.
Daten gezielt nutzen
Auf dem Schweizer Normalspurnetz bestehen ortsfeste Zugskontrolleinrichtungen der Infrastrukturbetreiberin SBB Infrastruktur (SBBI). Dieses System nennt sich Wayside Intelligence, kurz WIN. Es erfasst von jedem vorbeifahrenden Zug sicherheitstechnisch relevante Messwerte. Der Fokus dieser Kontrollen liegt dabei auf der Betriebssicherheit und dem Verhindern von Schadensereignissen. Unzulässige Abweichungen führen dazu, dass der Zug zeitnah gestoppt und der schadhafte oder falsch beladene Wagen gegebenenfalls ausgereiht wird.
Auch die Wagenhalter können mit geringem Initialisierungsaufwand diese laufend erfassten Daten nutzen, um ein reelles Bild über den Zustand von systemrelevanten Bauteilen ihrer Wagen zu erhalten. Dazu müssen sie ihre Wagen mit einem RFID-Tag (EN 17230) ausrüsten und ein mit der SBBI abgestimmtes Interface für die Datenübertragung aufbauen, zum Beispiel über eine Anwendungsprogrammierschnittstelle API webbasiertes GUI.
Stand der Technik wahren und weitsichtig planen
Aktuell kann SBBI jedem angemeldeten Halter die erfassten Daten zum Radsatzzustand seiner identifizierten Wagen übermitteln. Der Halter kann den Datenfluss nach seinen Bedürfnissen konfigurieren. Über die zeitliche Veränderung des dynamischen Radlast-Beiwerts lässt sich ein zuverlässiges Bild über die Verschleissentwicklung der Radlauffläche ermitteln. Die gesammelten Daten erlauben dem Wagenhalter die ständige Weiterentwicklung der Instandhaltungspläne, damit er den Stand der Technik stets wahren kann. Darüber hinaus kann er vorausschauend eine ausserperiodische Instandhaltungsmassnahme einleiten, ohne dass eine ausserplanmässige Ausreihung erforderlich wird.
WIN testen und weiterentwickeln
Aktuell laufen die Entwicklungsarbeiten, um die vom Kamerasystem am ZKE-Standort erfassten Bilder automatisch für eine systematische Analyse und einen Betriebsdatenabgleich auszuwerten. Damit sollen im Betrieb insbesondere Auffälligkeiten der Bremsausrüstung und des Laufwerks erkannt werden. Interessenten von Güterbahnen und Wagenhaltern können aktiv an der Entwicklung dieses Systems mitwirken, indem sie ihre Informationsbedürfnisse teilen und bei Tests mitwirken. Interessierte melden sich bei:
Jörg Bisang
SBB AG, Zugkontrolleinrichtungen
+41 79 698 22 41
joerg.bisang@sbb.ch
Weichen für den Binnengüterverkehr auf der Schiene richtig gestellt
Der Bundesrat hat im Januar seine Botschaft zum Gütertransportgesetz zuhanden des Parlaments veröffentlicht. Er strebt die Modernisierung des flächendeckenden Einzelwagenladungsverkehrs (EWLV) an und legt damit die Grundlage für dessen Eigenwirtschaftlichkeit. Trotz zahlreicher Vorbehalte schlägt er dafür Investitionsbeihilfen und befristete Betriebsabgeltungen sowie Anreize für Verlader vor.
Darum geht’s:
- Bundesrat strebt Eigenwirtschaftlichkeit an
- Der EWLV soll grundlegend umgestaltet und modernisiert werden
- Der Betrieb des EWLV soll in der Modernisierungsphase befristet gefördert werden
- BAV kritisiert Leitlinien der Branche
- Vorlage im Überblick
- So geht es weiter
Bundesrat strebt Eigenwirtschaftlichkeit an
Der Bundesrat hat an seiner Sitzung vom 10. Januar 2024 die Botschaft zum Gütertransportgesetz zuhanden des Parlaments verabschiedet. Wir vom VAP begrüssen es, dass die favorisierte Variante 1 weiterverfolgt wird. Mit dieser Vorlage will der Bundesrat den Schienengüterverkehr technisch und organisatorisch modernisieren, die multimodalen Transportketten stärken und die Schifffahrt besser einbinden. Die übergeordneten Ziele sind die Versorgungssicherheit im ganzen Land zu stärken und die Multimodalität zu fördern, um zu den Umwelt- und Energiezielen des Bundes beizutragen. So sollen die aktuelle Flächenbedienung gesichert, der Anteil des Schienengüterverkehrs mittelfristig erhöht und die Basis für einen eigenwirtschaftlichen Betrieb gelegt werden.
Der EWLV soll grundlegend umgestaltet und modernisiert werden
Die Grundlage dazu ist eine umfassende Umgestaltung des EWLV respektive des Netzwerkverkehrs mit der dazugehörigen technischen Modernisierung (insbesondere der Digitalisierung), einer Einbettung in das Logistiksystem Schweiz und dem Aufbau eines diskriminierungsfreien, intramodalen Wettbewerbs. Letzterer soll die Qualität der Logistikdienstleistungen und deren Effizienz massgeblich verbessern und künftige Innovationen vereinfachen. Die Vorlage sieht dafür Investitionsmittel für die Einführung der digitalen automatischen Kupplung (DAK) in Höhe von 180 Mio. Franken vor. Weitere Investitionsmittel sind für digitalisierte Prozessoptimierungen, Datenaustauschplattformen und Ähnliches vorgesehen.
Der Betrieb des EWLV soll in der Modernisierungsphase befristet gefördert werden
Um die aktuelle Flächenbedienung aufrechtzuerhalten, soll der Betrieb während acht Jahren finanziell unterstützt werden. Dabei werden angeblich ungedeckte Kosten gedeckt. Diese Abgeltungen werden entsprechend dem Fortschritt der Umgestaltung laufend abnehmen und in mehrjährigen Leistungsvereinbarungen mit allen am Netzwerkverkehr beteiligten Güterbahnen festgelegt.
BAV kritisiert Leitlinien der Branche
Damit dieser Umbau gelingt und der EWLV während der Umgestaltungsphase im aktuellen Umfang stabil betrieben werden kann, hat die Branche Leitlinien für konkrete Massnahmen und Fördertatbestände vorgelegt. Das BAV kritisiert diese jedoch als ungenügend und verlangt eine weitere Bearbeitung. Es bemängelt insbesondere die fehlende Perspektive für eine umfassende Neugestaltung zur Erhöhung der Effizienz und Auslastung. Es sieht eine Tendenz zur Strukturerhaltung und zu einem weiteren Abbau des Angebots. Es sei derzeit nicht in der Lage, auf dieser Basis Leistungsvereinbarungen abzuschliessen. Wir vom VAP verstehen die Vorbehalte des BAV, da die Leitlinien einen Kompromiss von Verladern und Güterbahnen darstellen, bei dem der VAP grosse Eingeständnisse im Interesse der Sache gemacht hatte. Eine substanzielle Nachbearbeitung ist nun notwendig, gerade aus Sicht der Gütertransportkunden als Nutzer der Logistikdienstleistungen.
Wir sind bereit, die weitere Entwicklung massgeblich zu unterstützen. Als wichtige Voraussetzung für diesen Umbau sehen wir ein umfassendes, operatives Controlling als Erfolgskontrolle für die Wirksamkeit der Massnahmen und Anreize sowie den Aufbau einer digitalen Plattform. Damit liessen sich alle Akteure effizient und flexibel in der Planung und Abwicklung ihrer Dienstleistungen verknüpfen. Der Umbau soll in Form eines Projektes methodisch strukturiert und zielgerichtet umgesetzt werden.
Vorlage im Überblick
- Investitionsbeihilfen: Für die Einführung der DAK stellt der Bundesrat 180 Mio. Franken zur Verfügung. Das deckt ca. einen Drittel der Umbaukosten ab. Die Umrüstung des Rollmaterials muss europaweit koordiniert werden und soll bis ins Jahr 2033 erfolgen. Von der DAK wird eine substanzielle Verbesserung der Produktivität und Qualität des Schienengüterverkehrs erwartet.
Faktenblatt DAK (PDF, 971 kB)
- Betriebsabgeltungen: Um den EWLV während der Umbauphase auf dem aktuellen flächendeckenden Niveau zu halten, sieht der Bundesrat vor, ihn auf acht Jahre befristet und degressiv finanziell zu fördern. Am Ende dieser Periode soll Eigenwirtschaftlichkeit erreicht sein. Für die ersten vier Jahre beantragt er 260 Mio. Franken.
Faktenblatt Güterverkehr (PDF, 712 kB)
- Anreize für Verlader: Unbefristet vorgesehen sind Umschlags- und Verladebeiträge und eine Abgeltung der ungedeckten Kosten des bestellten Gütertransportangebots für total 60 Mio. pro Jahr.
Vollständige Botschaft zum Gütertransportgesetz.
So geht es weiter
- Noch in der ersten Hälfte 2024 sollen die offenen Punkte zwischen BAV und der Branche diskutiert und die Leitlinien entsprechend ergänzt und präzisiert werden.
- In diesem Rahmen und nach Verabschiedung des revidierten Gesetzes soll bis Ende 2024 ein Ausschreibungsprozess für die verschiedenen Dienstleistungspakete innerhalb des Netzwerkverkehrs gestartet werden.
- Die Verhandlungen über mögliche Leistungsvereinbarungen sind für 2025 geplant, damit allfällige Fördermassnahmen Anfang 2026 greifen können.
Details lesen Sie in dieser gemeinsamen Medienmitteilung von VAP, LITRA, ASTAG, IG Kombinierter Verkehr und VöV.
Bereit fürs nächste Digitalisierungslevel
Ohne digitale automatische Kupplung (DAK) keine Digitalisierung und ohne Digitalisierung keine Wettbewerbsfähigkeit. So liesse sich die Modernisierung der Güterbahn beschreiben. Ganz so einfach ist es allerdings nicht. Hier ein Überblick über den Status quo und die anstehenden weiteren Schritte.
Darum geht’s:
- Hardware und Software gezielt kombinieren
- Finanzierung muss Initialzündung geben
- «Management Deployment DAK-CH» koordiniert die Migration
- Testphase: Schweiz vorne dabei
Hardware und Software gezielt kombinieren
Die DAK bringt eine umfassende Digitalisierung der Bahn ins Rollen. Denn sie bietet mehr als vollautomatisches Kuppeln oder verschiedenste Trackingfunktionen einzelner Wagen. Sie ermöglicht einen Levelsprung im Schweizer Schienengüterverkehr durch Strom- und Datenversorgung des ganzen Zuges. Doch das ist noch nicht alles. Für digital inspirierte Geschäftsmodelle im Schienengüterverkehr sind zudem Datenökosysteme nötig. Hier geht die staatliche Mobilitätsdateninfrastruktur «MODI» mit gutem Beispiel voran (vgl. Blogbeitrag «Datenökosysteme: Daten teilen, um ihren Mehrwert zu verdoppeln»). Um Hardware und Software so zu kombinieren, dass die Güterbahn in der multimodalen Logistik wettbewerbsfähig wird, sind hohe Anfangsinvestitionen erforderlich. Die privatwirtschaftlichen Unternehmen im Güterverkehr werden diese nicht allein tragen können.
Finanzierung muss Initialzündung geben
In der Schweiz verabschiedet der Bundesrat im Januar 2024 seine Botschaft zum Güterverkehr und leitet sie ans Parlament weiter. Zentraler Bestandteil dieser Vorlage sind die Fördermittel für die Migration zur DAK. Der Bundesrat sieht einen Förderbeitrag von CHF 180 Mio. vor. Das kalkulierte Investitionsvolumen für die flächendeckende DAK-Migration in der Schweiz beträgt CHF 500 Mio. Um das stattliche Delta zu schliessen, sind Investoren gefragt. In der Planung der Finanzmittel übernehmen wir vom VAP eine Führungsrolle. Das Datenökosystem MODI will der Bund während der ersten 10 Jahre finanzieren und danach Nutzungsgebühren erheben. Auch in der Europäischen Union (EU) steht die Finanzierung der DAK-Migration noch aus. Für die geplanten Feldtests ab 2026 will die EU-Kommission zirka EUR 200 Mio. bereitstellen.
«Management Deployment DAK-CH» koordiniert die Migration
Die Koordination der Migrationsumsetzung soll in der Schweiz das branchenübergreifende Gremium «Management Deployment DAK-CH» übernehmen. Dieses ist unter anderem für den aktiven Austausch mit Europe’s Rail, die Planung der Werkstätte-Kapazitäten, die Materialdisposition und die Nachweisführung für die Umbauten zuständig. Den Umbau der Fahrzeuge muss sie gemeinsam vorab mit den Haltern, aber auch mit den Bahnunternehmen und weiteren Logistikakteuren terminieren. Die Güterbahnen sollen in der Zwischenzeit ihren Bedarf für umgerüstete Wagen entsprechend dem Verkehrsaufkommen festlegen.
Testphase: Schweiz vorne dabei
Die Funktionen und Prozesse der DAK müssen europaweit harmonisiert werden. Einen Meilenstein stellt die Festlegung des «Starter Package». Dieses definiert, mit welchen Funktionen die DAK-Migration in Europa startet. Die Schweiz beteiligt sich derzeit aktiv an Betriebstests neuer Systeme und bringt wegweisende Ergebnisse in die europäischen Arbeitsgruppen ein. Hier eine Übersicht über die aktuellen Tests und Projekte mit Schweizer Beteiligung:
- Die EU lässt zur Umsetzung des «Greening Freight Traffic Package» des European DAC Delivery Programme (EDDP) die bahntechnischen Spezifikationen erarbeiten. Hier ist die Schweiz aktiv involviert.
- Mit «Power-Line-Plus» werden Daten über die Stromversorgungsleitungen gesendet. Die Hochschule Luzern führt gemeinsam mit SBB Cargo Betriebstests durch und liefert Schlüsselerkenntnisse zur Datenübertragungsqualität. Ab 2024 soll der Nachweis der Betriebstauglichkeit mit allen Funktionen des «Starter Package» und Übertragung über «Power-Line-Plus» erbracht werden, damit sollen kommerzielle Fahrten möglich werden. Das BAV unterstützt diese Entwicklung finanziell.
- Ab 2026 sind in Europa umfangreiche Feldtests für Betriebstauglichkeit und Zuverlässigkeit der DAK mit rund 100 Zügen geplant. Danach soll die DAK-Migration effizient erfolgen, auch in der Schweiz.
- MODI besteht aus zwei Hauptelementen: Die Nationale Datenvernetzungsinfrastruktur Mobilität (NADIM) ermöglicht den standardisierten Austausch von Mobilitätsdaten. Die nationale Geodateninfrastruktur «Verkehrsnetz CH» kann eine einheitliche, digitale Abbildung des gesamten Verkehrssystems der Schweiz sicherstellen. MODI ist aktuell nur für den Personenverkehr vorgesehen. Doch auch der Güterverkehr könnte davon profitieren, etwa durch eine digitale Vernetzung von öffentlicher Hand, Verkehrs- und Raumplanungsbehörden und sämtlichen involvierten Akteuren. Daher steht der VAP in engem Kontakt mit den verantwortlichen Stellen der Bundesverwaltung, um den Güterverkehr rasch im Projekt zu integrieren.
Marco Rosso: «Kollaborative Innovation kann zur Lebensqualität beitragen und zugleich rentabel funktionieren.»
Marco Rosso ist Verwaltungsratspräsident der Cargo sous terrain AG (CST). Im Interview mit dem VAP spricht er über Interoperabilität, Diskriminierungsfreiheit auf der letzten Meile und die Logistik der Zukunft. Und darüber, wie kollaborative Innovation zur Lebensqualität der Menschen in der Schweiz beitragen und gleichzeitig gewinnbringend funktionieren kann.
VAP: Herr Rosso, wie sehen Sie in Zukunft das Verhältnis von Schienengüterverkehr zu CST?
Marco Rosso: Die Schiene und CST sind zwei Systeme, die sich ergänzen. CST kooperiert mit allen Verkehrsträgern, um gemeinsam das prognostizierte Güterverkehrswachstum von über 30% bis 2050 auf eine innovative, nachhaltige Art zu absorbieren. Weil CST nicht für alle Transporte geeignet ist, unterstützt das Unternehmen mit neuer Technologie und Digitalisierung die Geschäftsmodelle von Bahn, Strassentransporteuren und weiteren Logistikakteuren. Nur mit Kooperationen (im Rahmen der Wettbewerbsregeln) kann die Interoperabilität unter den verschiedensten Verkehrsträgern und Transportunternehmungen gewährleistet werden. Deshalb plant CST die Anbindung an Bahn, Strasse, Schiff, Luftfracht und weitere Systeme. An den CST-Hubs wird es multimodale Anschlüsse, insbesondere auch einen Bahnanschluss, geben. In der Bauphase, bereits ab 2026 und bis 2045, nutzt CST Bahntransporte im Umfang von 2000 Güterzügen pro Jahr und wird damit zu einem wichtigen Kunden der Schiene.
Sollte nicht der Staat die Infrastruktur erstellen und der Betrieb in den Tunnels, ebenso der Betrieb der Terminals und der letzten/ersten Meile wären dann frei und würden einem Wettbewerb unterliegen?
CST ist ein System, das nur als Ganzes funktioniert, weil alle Prozesse End-to-End gesteuert sind. Nur so können die Stückgüter zeitgenau und zuverlässig zum Ziel gelangen. Aus diesem Grund muss das System aus einer Hand geführt werden und gleichzeitig anschlussfähig sein an alle Partnerplattformen. CST ist von Beginn weg als privatwirtschaftliches Projekt geplant und konzipiert. Mit diesem Finanzierungskonzept ist es möglich und wichtig, rasch voranzukommen, ohne die Mittel im Bundesbudget zu belasten. Bei den Investoren sind auch wichtige künftige Kunden dabei. Sie helfen, das System marktgerecht zu entwickeln. Der Bund hat erkannt, dass es nicht zweckdienlich wäre, selber als Ersteller aufzutreten, sondern sich auf die gesetzlichen Rahmenbedingungen zu beschränken. Mit sorgfältig ausgearbeiteten Businessplänen, konkurrenzfähigen Preisen und der Breite der Investorenbasis, die das Projekt mitträgt, zeigt CST, dass Innovation im Gütertransport zur Lebensqualität in Stadt und Land beiträgt und zugleich rentabel funktionieren kann.
Wo sehen Sie die grössten Herausforderungen in Ihrem Projekt?
Ein derart umfassendes Vorhaben bietet vielfältige Herausforderungen, etwa in planerischer, juristischer, umweltrechtlicher, finanzieller und politischer Hinsicht. Was CST auszeichnet ist das Modell der kollaborativen Innovation – mit Einbezug aller Stakeholder. Die Herausforderungen geht das Projekt pragmatisch in Etappen an.
Wie gestalten Sie eine diskriminierungsfreie erste/letzte Meile?
Diskriminierungsfrei ist unser System ohnehin von Anfang an geplant, ohne dass es das Gesetz verlangt hätte. Durchwegs gilt: Alle haben Zutritt zum System mit gleichem Preis bei gleicher Leistung. Wir gehen aber noch weiter, indem wir zum Beispiel die Citylogistik von CST partnerschaftlich-kollaborativ entwickeln und offen sind für jegliche Zusammenarbeit mit kleineren sowie grösseren Partnern, darunter auch Bahn und Post. Auch hier ist unser Prinzip die kollaborative Innovation, die wir tagtäglich leben.
Was ist der grösste Vorteil oder die grösste Motivation von CST für die Schweizer Bevölkerung?
Der wichtigste Effekt von CST wird die Steigerung von Lebensqualität für alle Einwohnerinnen und Einwohner der Schweiz sein. Indem wir einen Weg aufzeigen, wie die Logistik der Zukunft nachhaltig aussehen kann, wie sich Schwerverkehr auf der Strasse durch verladerübergreifende Bündelung und Vorsortierung im Tunnel wegbringen beziehungsweise ein Stau zur Güterversorgung unterfahren lässt, wie man aus den vorhandenen Ressourcen das Beste bezüglich CO2-Ausstoss, Lärm etc. herausholt. Der kostbare Platz an der Oberfläche soll in erster Linie der Bevölkerung gehören. CST begünstigt den Ausbau von Infrastruktur wie auch der erneuerbaren Energien in der Schweiz. CST ist ein privat finanzierter Innovationsmotor zum Nutzen der Schweizer Wirtschaft und für Lebensqualität in Städten und Dörfern, indem es die Versorgungssicherheit garantiert und damit den Wohlstand in der Schweiz erhöht.
Gibt es Punkte, die wir unseren Mitgliedern aus Ihren Augen noch wissen lassen sollten?
Es stehen entscheidende Weichenstellungen und Diskussionen bevor, gerade auch vor dem Hintergrund der politischen Debatten um den Güterverkehr. Wir sind fest davon überzeugt, dass wir mit einer unternehmerischen Haltung einen effektiven Beitrag leisten können, um die Schweiz im 21. Jahrhundert als exzellenten Wirtschaftsstandort mit hoher Lebensqualität auch für künftige Generationen zu erhalten. An dieser Arbeit beteiligen wir uns mit Begeisterung und Engagement.
Herr Rosso, vielen Dank für das Gespräch.
Datenökosysteme: Daten teilen, um ihren Mehrwert zu verdoppeln
Wir vom VAP setzen uns seit Längerem intensiver mit dem Thema Datenökosysteme auseinander. 2022 haben wir bei der Koordinationsstelle für nachhaltige Mobilität (KOMO) die Entwicklung einer Datenplattform angeregt und treiben die Weiterentwicklung Mobilitätsdateninfrastruktur (MODI) voran. Mit diesem Blogbeitrag möchten wir den Dialog fortsetzen und aufzeigen, warum Datenökosysteme zur Vision aller Güterbahnakteure gehören sollten.
Darum geht’s:
- Die Komplexität setzt die Messlatte hoch
- In kleinen Schritten zur grossen Vision
- Das unerschöpfliche Potenzial von Daten ausschöpfen
- Wir sollten im Gespräch bleiben
Die Komplexität setzt die Messlatte hoch
Datenökosysteme sind hochkomplex und umfassen diverse Themenfelder (vgl. Abbildung 1). Sollen sie nutzbar und wirtschaftlich gemacht werden, so müssen wir sämtliche Wünsche und Bedürfnisse der Akteure sowie allfällige Restriktionen einbeziehen.
Anlässlich unseres Forums Güterverkehr 2023 haben Dr. Matthias Prandtstetter, Senior Scientist und Thematic Coordinator am AIT Austrian Institute of Technology AIT, und Monika Zosso Lundsgaard-Hansen, Co-Sektionschefin Direktionsgeschäfte beim BAV, Einblicke über den aktuellen Stand der Initiativen und Überlegungen gegeben. Die Sachverständigen sind sich einig: Fortschritte im Bahnsektor werden eine langwierige und schwierige Angelegenheit sein.
In kleinen Schritten zur grossen Vision
Das Zielbild eines intelligenten und möglicherweise selbstentscheidenden Datenökosystems liesse sich über die folgenden Entwicklungsphasen beispielhaft realisieren (nicht abschliessend):
1. Basisdaten bereitstellen (z.B. mit MODI)
- Garantierte Qualität
- «Einmaligkeit» des Datensatzes (d.h. eindeutige Definitionen)
- Zugänglichkeit/Transparenz für alle Involvierten
- Marktwirtschaftliche Entwicklung von Apps und erweiterte Funktionalitäten möglich
2. Drehscheibe zum Austausch von Daten aktivieren (z.B. DX Intermodal von Hupac)
- Austausch zwischen 2 oder mehreren auf der Drehscheibe agierenden Unternehmen
- Zusätzliche Datensätze (mit oder ohne Restriktionen für einzelne Akteure/Unternehmen)
- Buchungsmöglichkeiten von einzelnen oder ganzen Relationen
3. Datenökosystem schaffen
- Zugang zu historischen Daten für erste Analysemöglichkeiten gewährleisten
- Datenbanken (Basisdaten und/oder mit Restriktionen verfügbare Datensätze anbinden)
4. Blockchain-Technologie nutzen
- Daten und Datensätze werden optimal vernetzt
- Absolute Kosten- und Preistransparenz
- Sicherheit beim Datenaustausch steigt
- Effizientere Gesamtentwicklung und ‑abwicklung
5. Vision eines physischen Internets umsetzen
- Offenes globales System, auf physischer, digitaler und operativer Interkonnektivität basierend
- Wendet Protokolle, Schnittstellen und Modularisierung an
- Gewisse Entscheidungen werden vom Ökosystem – nicht von Einzelakteuren – getroffen
Aktuell befindet sich die Bahnbranche in Phase 1 und 2, wenn auch nur punktuell. Mit dem Bundesgesetz über die Mobilitätsdateninfrastruktur (MODIG) adressiert das BAV alle relevanten Themenfelder. DX Intermodal ist im kombinierten Verkehr (KV) bereits operativ und greift Punkte von Phase 2 auf. Einen Gesamtnutzen für die Güterbahnlogistik lässt sich nur erreichen, wenn sämtliche Produktionsformen des Güterverkehrs und die gesamte Transportkette («Door-to-Door») berücksichtigt werden. Dazu sind Elemente der künstlichen Intelligenz einzubinden.
Das unerschöpfliche Potenzial von Daten ausschöpfen
Big Data hat sich vom Hype zum Megatrend gewandelt; das Potenzial gesammelter Daten ist schier unendlich. Diese ermöglichen disruptive, innovative, digitale Geschäftsmodelle und bessere Vorhersagen für richtige Geschäftsentscheidungen. Allerdings gilt das nur für Daten, die in der richtigen Qualität und Granularität zur Verfügung stehen. Zudem müssen die Akteure in der Lage sein, die richtigen Informationen und damit das gewünschte Wissen aus den Daten zu ziehen und dieses richtig zu interpretieren und einzusetzen. Das stellt die Ökosystempartner vor eine Reihe von Herausforderungen:
Systemnutzen vs. Eigennutzen
Einige Unternehmen verfügen bereits über hauseigene Datensysteme. Sie sammeln Daten von Geräten an Lokomotiven und Wagen und verwenden sie zur Optimierung oder geben sie an Dritte weiter. Damit verschaffen sich die Unternehmen Wettbewerbsvorteile und zusätzliche Einnahmequellen. Warum sollten solche Unternehmen an Datenökosystemen teilnehmen? Weil die Optimierung des eigenen Systems nicht zwingend dem System als Ganzes oder dem Endkunden dient. Wenn zum Beispiel diverse Einzelakteure die gleichen Daten gegen Entgelt an Dritte veräussern, verteuert sich das System, da für jeden Datentransfer Geld fliesst. Zudem können einzelne Akteure ihre Datensätze im Rahmen eines Datenökosystems kombinieren und damit die Effizienz des gesamten Systems fördern, etwa die voraussichtliche Abfahrts- oder Ankunftszeit. In diesem Kontext müssen Fragen der Datenhoheit geklärt werden.
Pflicht vs. Freiwilligkeit
Der Staat ist und bleibt der grösste Geldgeber für das Bahnsystem. Er sollte ein Interesse daran haben, die eigene Kasse und damit die Steuerzahler zu entlasten. Die Bereitstellung von gemeinnützigen Daten kann die Effizienz verbessern. Auch hier bleiben Fragen offen: Sollen die Ökosystempartner verpflichtet werden, Datensätze zu liefern? Soll es in einem Datenökosystem möglich sein, vorangegangene, individuelle Investitionen auszugleichen oder erhaltenen Subventionen gegenüberzustellen? Oder soll die Teilnahme an einem Datenökosystem freiwillig bleiben, mit dem Risiko, dass zu wenige Teilnehmer die Plattform mit Daten speisen?
Daten vs. Daten
Nicht jedes Datenelement ist gleichwertig für ein Datenökosystem. So muss von Anfang an klar definiert werden, mit welchem Ziel und Gesamtnutzen ein Akteur seine Datenelemente auf einer Datenplattform hinterlegen soll. Zudem ist zwischen operationellen, technischen und kommerziellen Daten zu unterscheiden, um emotionale Diskussionen zu vermeiden. Schliesslich entscheidet die Qualität, die der Dateneigner oder eine neu geschaffene Qualitätsstelle sicherstellen, über die Glaubwürdigkeit und Nachhaltigkeit eines Datenökosystems.
Wir sollten im Gespräch bleiben
Wir vom VAP möchten das Potenzial von Datenökosystemen dem gesamten Bahnsektor nutzbar machen und dessen Wettbewerbsfähigkeit steigern. Deshalb engagieren wir uns für diverse Initiativen, Forschungsprojekte und etablierte Produkte in diesem Kontext, namentlich für die folgenden:
- Weiterentwicklung der Mobilitätsdateninfrastruktur MODI, gemeinsam mit dem BAV
- Gemeinsamer europäischer Mobilitätsdatenraum (EMDS), eine Initiative der EU
- Arbeitskreis der Logistik (AKL), bei dem wir die Leitung übernommen haben
Wenn auch Sie die digitale Zukunft des Bahnsektors mitgestalten möchten, freut sich Jürgen Maier, von Ihnen zu hören.
Keepers’ Summit 2023: Anpassung an Kundenanforderungen und eine visionäre Zukunft für den Schienengüterverkehr
Darum geht’s:
- Keepers’ Summit der UIP in Nizza
- Kundenausrichtung und Transformation für den Schienengüterverkehr in Europa
- David Zindo neuer Präsident der UIP
Die International Union of Wagon Keepers (UIP) in Zusammenarbeit mit ihrem französischen Mitgliedsverband AFWP begrüsste am 15. Juni 2023 in Nizza, Frankreich, 120 Akteure des Güterbahnbereichs aus ganz Europa zu ihrer jährlichen Flagship-Konferenz, dem «Keepers’ Summit». Die Diskussionen konzentrierten sich darauf, wie umweltfreundliche Merkmale des Schienengüterverkehrs genutzt werden können, um dem Klimawandel entgegenzuwirken, gleichzeitig Kunden anzusprechen und junge Talente anzuziehen. Die Panelteilnehmer und das Publikum waren sich einig: Der Schienengüterverkehr hat eine wichtige Rolle in der Zukunft unserer Gesellschaft zu spielen. Dies gelingt aber nur, wenn sich der Schienengüterverkehr im Betrieb weg von staatlichen Monopolen hin zu privatwirtschaftlichem Wettbewerb transformiert.
Auf der Suche nach Veränderung forderte der ehemalige UIP-Präsident Dr. Heiko Fischer das Publikum auf, in die Vergangenheit zu schauen, um sich besser auf die Zukunft vorzubereiten. Als treibende Kraft hinter der Schaffung des General Contract of Use (GCU) wies Herr Fischer auf die wichtige Rolle der privaten Wagenhalter bei der Entwicklung von Lösungen für den Schienengüterverkehr hin. Als überzeugter und visionärer Mann legte er immer grossen Wert auf die Notwendigkeit, den Schienengüterverkehr zu innovieren und zu transformieren, um den zukünftigen Herausforderungen und Erwartungen von Kunden und der Gesellschaft gerecht zu werden. Das Publikum würdigte mit stehendem Applaus das Engagement und die Leistungen von Dr. Fischer, der als Präsident 11 Jahre lang die Geschicke der UIP geleitet hatte.
Herr Joris D’Inca, Global Head of Logistics bei der internationalen Unternehmensberatungsfirma Oliver Wyman, bestätigte in seiner Keynote-Speech die Notwendigkeit für den Schienengüterverkehr, sich an sich entwickelnde Kundenanforderungen anzupassen: «Kunden erwarten vollständige Transparenz entlang der Transportkette. Sie legen den grössten Wert u.a. auf die Verfügbarkeit von Echtzeitinformationen und ein effektives Korridormanagement. Nur durch die Anpassung an diese und weitere Anforderungen wird der Schienengüterverkehr in der Lage sein, Marktanteile vom Strassengüterverkehr zu gewinnen und eine grössere Rolle bei der Bekämpfung des Klimawandels zu spielen.» Präsentation Joris D’Incà
Das Expertenpanel, moderiert von Frau Emilie Soulez und bestehend aus Herrn Charles Puech d’Alissac (VIIA/Naviland), Herrn Paul Mazataud (SNCF Réseau) und Herrn Stéphane Gavard (Streem), tauchte tief in die Elemente ein, die im Zentrum der notwendigen Transformation stehen, um den neuen Erwartungen gerecht zu werden. Herr Mazataud bestätigte die Bedürfnisse und Absichten von SNCF Réseau, mehr Transparenz bei Wartungsarbeiten zu bieten, aber auch die Pläne von RNE, die Flexibilität durch die Anpassung des Fahrplanprozesses zu erhöhen. Herr Puech D’Alissac hob die Elemente und Vorteile des kombinierten Transports und des Geschäftsmodells hinter den Aktivitäten von Naviland und VIIA hervor. Er wies auf die Fortschritte bei der Digitalisierung der Schnittstelle zu den Kunden hin und ermutigte alle Beteiligten, ihre Anstrengungen bei der Digitalisierung der Schnittstellen zwischen den Akteuren im Schienengüterverkehr zu verdoppeln. Herr Gavard gab Einblicke in die Wageninnovation sowohl in Bezug auf Konzept als auch auf industrielle Fertigung, erläuterte aber auch das Projekt von Streem, Fähigkeiten und Wissen in der Branche zu entwickeln.
Schliesslich schloss Herr David Zindo, CEO der Streem Group und neu gewählter UIP-Präsident, mit einem Versprechen ab: die Transformation mit klaren Prioritäten zu unterstützen und gleichzeitig den Güterwagenhaltern und ‑verbänden den Erfolg der Vergangenheit zugutekommen zu lassen, um die Attraktivität und Wettbewerbsfähigkeit des Schienengüterverkehrs zu steigern. Er betonte die Bedeutung der Arbeit von UIP und den nationalen Verbänden, die als konsolidierte Stimmen und Bindeglied zu den lokalen und europäischen politischen Institutionen fungieren.
«Unsere Gesellschaften müssen das Alleinstellungsmerkmal des Schienengüterverkehrs als entscheidendes Mittel zur Dekarbonisierung des Verkehrssektors verstehen. Wir als System müssen unser Angebot verbessern, um den Anforderungen der Kunden gerecht zu werden, aber auch um junge Talente anzuziehen und auszubilden.» – David Zindo
David Zindo wird neuer Präsident der UIP: Eine Vision für die Zukunft des Schienengüterverkehrs David Zindo wird neuer Präsident der UIP und tritt die Nachfolge von Dr. Heiko Fischer an, der die UIP 11 Jahre lang als Präsident geleitet hat. Zindo wurde während der Generalversammlung der UIP am 15. Juni 2023 in Nizza, Frankreich gewählt. Unterstützt wird er von den Vizepräsidenten Per-Anders Benthin (CEO von Transwaggon) und Johann Feindert (CEO von GATX Rail Europe). Herr Zindo bringt umfangreiche Erfahrungen in die Position ein, da er CEO der Streem Group (ehemals Ermewa Group) ist und seit 2015 Mitglied des Exekutivvorstands der UIP. Zuvor hatte er leitende Finanzpositionen bei der SNCF, Geodis und Veolia Environmental Services inne. Als neuer UIP-Präsident hat David Zindo die Vision, die UIP weiter zu stärken, indem er klare Prioritäten setzt, das Team stärkt und Allianzen mit anderen Verbänden eingeht. Er möchte die Rolle der Güterwagenhalter in der Lieferkette stärken und die komplexe EU-regulatorische Landschaft erklären. Mit seiner langjährigen Erfahrung und seinem Engagement für den Schienengüterverkehr strebt Herr Zindo eine Transformation des Sektors an, um den zukünftigen Herausforderungen und den Erwartungen von Kunden und Gesellschaft gerecht zu werden. Lesen Sie im Interview der UIP mit David Zindo mehr über die Visionen des neugewählten Präsidenten. Interview David Zindo |
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Die International Union of Wagon Keepers (UIP) wurde 1950 gegründet und hat ihren Sitz in Brüssel. Sie ist der Dachverband nationaler Verbände aus 14 europäischen Ländern und vertritt damit mehr als 250 Güterwagenhalter und Entities in Charge of Maintenance (ECMs). Die vierzehn Mitgliedsländer sind: Österreich, Belgien, Tschechien, Frankreich, Deutschland, Ungarn, Italien, die Niederlande, Polen, Spanien, die Slowakei, Schweden, die Schweiz und das Vereinigte Königreich. Als Stimme für mehr als 234.000 Güterwagen repräsentiert die UIP die Hälfte des gesamten europäischen Güterwagenbestands und ist eine der wichtigsten Ressourcen für den Güterbahnbereich in Europa. Forschung, Lobbyarbeit und ständiger Austausch mit allen Interessengruppen und Organisationen, die am Güterbahnbereich interessiert sind, spielen eine wichtige Rolle für den Verband, um alle Bemühungen auf eine Effizienzsteigerung im Güterbahndienst auszurichten. Durch die Teilnahme an vielen Arbeitsgruppen und Ausschüssen auf europäischer und internationaler Ebene bringt die UIP die Perspektive und Interessen der Güterwagenhalter ein und arbeitet in Zusammenarbeit mit allen interessierten Parteien daran, die Zukunft des Güterbahngüterverkehrs langfristig zu sichern. Die UIP wird von der Europäischen Kommission als Vertretungsorgan im Eisenbahnsektor anerkannt.
Zurück in die Zukunft: Entwicklung des Schweizer Schienengüterverkehrs
In dieser Hommage erfahren Sie, wie sich der Schienengüterverkehr in der Schweiz beharrlich Richtung Zukunft bewegt. Viele Jahre lang war Innovation ein Fremdwort für die «braunen Waggons». Doch diese Ära ist passé. Die Güterbahnen sind bereit für das Zeitalter 4.0 und ihren Platz auf der Schiene. Dieses ist für Versorgungssicherheit, eine umweltfreundliche Transportleistung und entlastete Strassen unverzichtbar.
Darum geht’s:
- Seit 175 Jahren kontinuierlich im Aufwärtstrend
- Leistet über einen Drittel der Transportleistungen in und durch die Schweiz
- Rückblick auf vergangene Krisen und Erfolge
- Bei der Elektrifizierung ein Jahrhundert Vorsprung
Die Transportleistung des Schienengüterverkehrs hat in der Schweiz seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts eine beeindruckende Entwicklung erfahren. Gemäss Bundesamt für Statistik (BFS) betrug sie im Jahr 1900 insgesamt etwa 1,5 Milliarden Tonnenkilometer. Seitdem wurde die Schiene durch viele, teilweise weit entfernte Krisen geprägt. Heute macht sie mit 10,4 Mia. Tonnenkilometer und einem Anteil von 37%[1] am Modalsplit einen wichtigen Pfeiler des Schweizer Verkehrssystems aus. Aber alles der Reihe nach.
Kleines Land, grosse Leistung – noch viel Potenzial
Die Transportleistung des Schienengüterverkehrs schwankte über die Jahrzehnte (vgl. Abbildung 1). Seit dem Ende der Pandemie steigt sie wieder stetig an. Im alpenquerenden Güterverkehr (Transit) besteht aufgrund des Alpenschutzartikels in der Bundesverfassung ein Verlagerungsauftrag. Als Folge des NEAT-Baus, des Vier-Meter-Korridors und einer beispiellosen finanziellen Förderung des unbegleiteten kombinierten Verkehrs (UKV) wies die Schweiz 2021im alpenquerenden Verkehr mit 74% einen sehr hohen Modalsplit zugunsten der Schiene auf; die Transportleistung des Schienengüterverkehrs machte im Vergleich zu anderen Ländern mit 66% des Transitverkehrs einen Spitzenwert aus. Der gesamte Modalsplit lag mit 37% Schiene ebenfalls über dem internationalen Niveau.
Im nicht transitierenden Verkehr besteht kein Verlagerungsauftrag. Im Binnenverkehr (2021: 23%), Import (7,5%) und Export (3,5%[2]) schlummert ein enormes Potenzial, insofern die grundlegende Modernisierung und Neuorganisation des Wagenladungsverkehrs sowie die Förderung des intramodalen Wettbewerbs umgesetzt werden[3]. Dazu zählen die Automatisierung und Digitalisierung des Bahnsystems. Diese bringen den Wagenladungsverkehr auf die Überholspur und machen die Schiene fit für den intermodalen Wettbewerb und multimodale Logistikketten. Eine ausreichend verfügbare Infrastruktur für die Güterbahnen und mehr günstig gelegene Logistikstandorte beschleunigen diesen Fortschritt zusätzlich[4].
Die Verkehrs- und Infrastrukturpolitik der Schweiz soll daher vermehrt den Kundennutzen des Verkehrsträgers Bahn für die verladende Wirtschaft im Fokus haben. Je mehr Nutzen das Schienengüterverkehrssystem Schweiz den Verladern bringt, desto reger wird es genutzt – also Verkehr verlagert. Wir vom VAP lehnen eine explizite Verlagerungspolitik im Binnenverkehr ab.
Berg- und Talfahrt mit klarem Höhenmetergewinn
Am 7. August 1847 wurde die erste, ganz auf Schweizer Boden befindliche Eisenbahnstrecke von Zürich nach Baden – im Volksmund die «Spanisch-Brötli-Bahn»[5] genannt (vgl. Abbildung 2) – feierlich eröffnet. Einer der Gründe für den Bau dieser Strecke: Die Zürcher Herrschaften liessen sich – vornehmlich sonntags – von einem bekannten Badener Bäckermeister das Blätterteiggebäck «Spanisch Brötli» durch ihre Boten bringen. Die armen Bediensteten mussten sich jeweils kurz nach Mitternacht zu Fuss auf den Weg nach Baden machen, damit sie frische Brötchen auf dem sonntäglichen Frühstückstisch legen konnten. Die «Spanisch-Brötli-Bahn» ermöglichte einen schnellen und zuverlässigen Transport von Gütern und Personen.[6]
Die ersten Bahnen entstanden in der Schweiz auf private Initiative. Sie konnten mit einer Konzession der befahrenen Kantone ihren Betrieb aufnehmen. Vorgaben des Bundes gab es zunächst nur zu technischen Fragen. Der Bund erhielt später mehr Kompetenzen, um ein sinnvolles nationales Netz zu gewährleisten.
1857 wurde erstmals in der Schweiz ein Bahnpostwagen bei der Schweizerischen Nordostbahn auf der Strecke Zürich–Baden–Brugg eingesetzt. Dies war der Anfang der Schweizer Bahnpost. 1859 hatte das Streckennetz bereits eine Länge von mehr als 1000 km, es gab eine durchgehende Verbindung vom Bodensee bis nach Genf, an die auch Bern, Luzern, Chur, St. Gallen, Schaffhausen und Basel angeschlossen waren. 1882 konnte nach Fertigstellung des 15 km langen Scheiteltunnels die Gotthardbahn ihren Betrieb aufnehmen.
1875 wurde in der Schweiz das erste Gesetz für Bau und Betrieb von Industriegleisanlagen eingeführt und damit die Rechtsverhältnisse für Anschlussgleise gesetzlich geregelt. Der Volksentscheid vom 20. Februar 1898 bedeutete das Ende des Privatbahnzeitalters, ab 1902 übernahm die neu gegründete Staatsbahn SBB die grössten Bahngesellschaften sowie kleinere Privatbahnen. Mit der Verstaatlichung ging die Verantwortung für die Weiterentwicklung der Bahn an den Bund über. Dabei war die Übernahme der Infrastruktur durch die SBB ein guter Schritt. Der Betrieb auf dem Netz sollte allerdings durch Wettbewerb geprägt sein.
Mit der Monopolisierung des Schienenverkehrs wurde es 1912 Zeit für die Gründung eines Vertreters für die privaten Akteure. Das war die Geburtsstunde des VAP Verband Schweizerischer Anschlussgleise- und Privatgüterwagenbesitzer – heutigem VAP Verband der verladenden Wirtschaft – der sich fortan für den fairen Wettbewerb und die Optimierung von wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen, Schieneninfrastruktur und Logistikstandorten einsetzte. Die Schiene trug damals massgebend zur industriellen Revolution bei – die lohnende Verbindung hängte mit der wachsenden Infrastruktur bald Schiff und Pferdekutsche ab. Ein schneller Transport innerhalb der Schweiz, aber auch nach Europa, ermöglichte neue wirtschaftliche Möglichkeiten.
Im Ersten Weltkrieg stieg die Transportleistung im Schienengüterverkehr zuerst an, bevor sie 1917 um 18% und 1918 um 14% zurückging. Diese Rückgänge lassen sich auf die Unterbrechungen in der Produktion und dem Handel sowie die Auswirkungen der Spanischen Grippe zurückführen. Die damalige Pandemie erfasste in der Schweiz in zwei Wellen rund die Hälfte der Schweizer Bevölkerung und forderte zwischen Juli 1918 und Juni 1919 fast 25 000 Todesopfer. In den 1920er-Jahren erholte sich die Transportleistung, bevor sie im Jahr der Wirtschaftskrise 1921 und mit dem New Yorker Börsencrash vom Oktober 1929 erneut einbrach.
Mit Beginn des Zweiten Weltkriegs begann für die Güterbahn ein Aufschwung, den sie der Rüstungskonjunktur und politischen Entscheidungen verdankte[7]. Der Binnenverkehr nahm zu, da die unterdessen grösstenteils elektrifizierte Bahn den wegen Treibstoffmangels weitgehend lahmgelegten Auto- und Lastwagenverkehr ersetzte. Während des Zweiten Weltkriegs ging die Transportleistung der Schiene massiv zurück, bis der Gütertransitverkehr Ende des Krieges fast vollständig zusammenbrach und die Transportleistung insgesamt 42% verlor.
Nach dem Zweiten Weltkrieg erholte sich die Wirtschaft und damit die Transportleistung der Bahn. Sie erreichte in den 1970er-Jahren einen ersten Rekordwert. Es folgten starke Abfälle aufgrund der Ölpreiskrise, des Börsencrashs von 1987, der Immobilienkrise und der folgenden Rezession der 1990er-Jahre. 1999 startete die Schweiz im Rahmen der europäischen Marktöffnung für den UKV und gestützt auf die EG-Richtlinie 91/440/EWG[8] den ersten von mehreren Schritten der sogenannten Bahnreform. Das Ziel: das Schweizer Bahnsystem effizienter und kundenfreundlicher gestalten.
Das neue Anschlussgleisgesetz vom 5. Oktober 1990 nebst Verordnung vom 26. Februar 1992 soll der Förderung des Eisenbahngüterverkehrs neue Impulse geben und dazu beitragen, die zahlreichen im Güterverkehr anstehenden Probleme zukunftsorientiert zu lösen.
Im Jahr 2000 war die Transportleistung im Schienengüterverkehr fünfmal so gross wie im Jahr 1950 (+397%). Dieses Vielfache ist umso beeindruckender, als dass der Anteil der Schiene am gesamten Gütertransport gerade in jenen Jahren zugunsten des Strassenverkehrs massiv zurückging. Denn trotz der Erfahrungen mit der Treibstoffknappheit während des Zweiten Weltkrieges erfolgte nach dem Kriegsende der Übergang zur erdölbasierten Wirtschaft.
Weiteren Aufwind brachte die Neue Eisenbahn-Alpentransversale (NEAT). Mit drei Basistunnels durch die Alpen und dem Ausbau der Zufahrtsstrecken rückte sie den Norden und Süden der Schweiz und Europas enger zusammen. Der Lötschberg-Basistunnel ist seit 2007 in Betrieb. Der Gotthard-Basistunnel wurde 2016 eröffnet. 2020 wurde die NEAT mit der Inbetriebnahme des Ceneri-Basistunnels vollendet.
Stimmung 2008–2012 Damit Sie den Puls der damaligen Zeit zu fühlen, haben wir Inhalte von Referaten an unseren GVs aus den Jahren 2008, 2010 und 2012 für Sie zusammengefasst: 2008: GV VAP, Präsidialansprache des Präsidenten Franz Steinegger Die Schweizer Verkehrspolitik im Schienengüterverkehr ist von Widersprüchen geprägt. Einerseits werden Millionen von Franken in den Transitverkehr zwischen Deutschland und Italien investiert, wenn dieser als kombinierter Verkehr oder als rollende Landstrasse abgewickelt wird. Andererseits wird im Binnenverkehr der Personenverkehr über eine verfehlte Trassenpreisregelung subventioniert und der Schienengüterverkehr benachteiligt. Der Verlader in der Schweiz wird zudem nur dann eine pauschale Rückerstattung der LSVA erhalten, wenn er seine Güter in einem Container zur Bahn bringt, was den Transitverkehr weiter subventioniert. Der Verband der Schweizerischen Verlader (VAP) fordert eine umfassende Verlagerungspolitik, die auch ökologische Kriterien berücksichtigt. Dazu müssen die Trassenpreise, Zugangsprioritäten, Schienenkapazitäten, die Anwendung des Verursacherprinzips bei Streckenerneuerungen und eine bedarfsgerechte Beurteilung des Wagenladungsverkehrs verbessert werden. Es wird auch betont, dass die Bedürfnisse des Güterverkehrs bei der zukünftigen Entwicklung von Bahnprojekten nicht unterschätzt werden dürfen. 2010: GV VAP, Referat von Moritz Leuenberger Der Güterverkehr, der für den Transport von Waren verantwortlich ist, wird von vielen Menschen oft übersehen. Während die meisten sich nicht um die Herkunft und Entstehungsgeschichte der Waren kümmern, sind sie oft auch nicht darüber informiert, wie der Transport und die Logistik vonstattengehen. Der Text zeigt auf, dass der Güterverkehr auf der Schiene gegenüber dem Personenverkehr benachteiligt wird und oft zu wenig politische Unterstützung erhält. Die öffentlichen Gelder werden knapper, während die Gütertransporte sowohl auf der Strasse als auch auf der Schiene exponentiell zunehmen. Leuenberger schlägt vor, dass die Prioritätenordnung auf dem Schienennetz überdacht werden muss, um den Güterverkehr zu stärken. Der Bund habe bereits Massnahmen ergriffen, um den Güterverkehr zu unterstützen, darunter ZEB und Bahn2030. 2012: GV VAP: Referat von Franz Steinegger, Präsident VAP Der Präsident blickt auf eine lange Karriere in der Verkehrspolitik zurück und erinnert sich an Diskussionen über verschiedene Projekte wie Bahn 2000, den Vereinatunnel, die Neat und den Alpenschutzartikel. Er stellt fest, dass das Wachstum des Personen- und Güterverkehrs bis 2030 um 60% zunehmen wird und dass die Infrastruktur der steigenden Mobilitätsnachfrage folgen muss. Es gibt jedoch finanzielle und ökologische Grenzen, und es besteht die Frage, ob das notwendige Infrastrukturangebot bereitgestellt werden kann. Der Autor kritisiert, dass Politiker und Verbände sich lieber mit Steuerungsmitteln und Nutzungsprioritäten bei den bestehenden Infrastrukturen beschäftigen, anstatt sich mit der Zukunft zu befassen. Bei den Bahnen gibt es Pläne wie Bahn 2030 und ein strategisches Entwicklungsprogramm Bahninfrastruktur (STEP) mit Investitionen von CHF 42 Milliarden. Auch die Strasse hat Finanzierungsvorschläge. Die Schweiz investiert pro Kopf am meisten in das Eisenbahnnetz in Europa. Aus der Festschrift: Das Bundesgesetz und das Berner Übereinkommen haben die Güterbahn im nationalen und internationalen Verkehr gefördert. Der Bahngüterverkehr steht jedoch im harten Wettbewerb mit Strassengüterverkehr und Personenverkehr, was die Wettbewerbsfähigkeit des Bahngüterverkehrs zunehmend schwächt. Die Schweizer Verkehrspolitik zielt darauf ab, Güterverkehre von der Strasse auf die Schiene zu verlagern, was eine gut ausgebaute Infrastruktur und faire Netzzugangsbedingungen erfordert. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, braucht es auch intramodalen Wettbewerb und staatliche Anreize sowie eine kritische Analyse der Organisation der Bahninfrastruktur und der Eisenbahnunternehmen. Der VAP sieht es als Herausforderung und Verpflichtung an, die Verkehrsverlagerungsdiskussion im Interesse des Wirtschaftsstandorts und Lebensraums Schweiz auszugleichen. |
Auf die Terroranschläge in den USA 2001 folgte ein Rückgang von 4%. Nach der durch das Platzen der US-Immobilienblase ausgelösten Finanzkrise von 2008 sank die Transportleistung 2009 um 14%. In der Konjunkturkrise im Jahr 2012 nach der Einführung des Euro-Mindestkurses gab es erneut einen Rückgang um 4%. Die Sperrung der Rheintalbahn (Wassereinbruch Rastatter Tunnel) hatte im Jahr 2017 eine Abnahme von 6% zur Folge. Damit vergleichbar ist die Abnahme im Schienengüterverkehr von 5% im Corona-Pandemiejahr 2020. 2021 legte der Güterverkehr auf der Schiene wieder um 6,2% zu (10,4 Mia. Tonnenkilometer).
Elektrifizierung: ein Jahrhundert Vorsprung
In der Gründerzeit waren die Bahnen mit Kohle unterwegs. 1888 rollte in der Schweiz mit der Tramway Vevey-Montreux-Chillon (VMC) die erste elektrisch betriebene Bahn aus. Es folgten schrittweise weitere Schmalspurbahnen. 1901 wurde anlässlich der Generalversammlung des Schweizerischen Elektrotechnischen Vereins beantragt, auch die Elektrifizierung der Normalspurbahnen zu prüfen.
Der Initiant liess sich laut der späteren Studienkommission für elektrischen Bahnbetrieb «hauptsächlich von der Notwendigkeit leiten, unser Land von den kohlenproduzierenden Ländern unabhängiger zu machen und der schweizerischen elektrotechnischen Industrie ein neues Arbeitsfeld zu eröffnen». Die Studienkommission selber hob 1912 in ihrem Bericht an die Generaldirektion SBB «die Verwertung der nationalen Wasserkräfte an Stelle der ausländischen Kohle» als Hauptmotiv hervor «und wenn möglich eine Verbilligung des Betriebs». Bereits 1906 bzw. 1913 gingen die verschiedenen Streckenabschnitte der Lötschberg-Simplon-Achse elektrifiziert in Betrieb.
Die Kohleknappheit im Ersten Weltkrieg trieb die Elektrifizierung der Bahn voran. 1920 ging die Gotthardbahn elektrisch in Betrieb und bis 1928 wurde mehr als die Hälfte der SBB-Strecken elektrifiziert. Bereits in der Zwischenkriegszeit nahm die Schweiz im internationalen Vergleich bei der Elektrifizierung eine führende Rolle ein. Aus militärischen Überlegungen erfolgte eine weitere Elektrifizierungswelle im Zweiten Weltkrieg. In überaus kurzer Zeit wurde ein weiterer, grosser Teil des Netzes elektrifiziert. Das wurde nach Kriegsende fortgeführt, um der Arbeitslosigkeit vorzubeugen.
Aus heutiger Sicht war die Elektrifizierung ein guter Entscheid für den Klimaschutz, auch wenn dieses Argument zu dieser Zeit keine Rolle spielte. Heute ist der Klimaschutz der Haupttreiber für die Verkehrsverlagerung und die Elektrifizierung des Verkehrs. Gegenüber dem Strassenverkehr hat die Bahn hier rund ein Jahrhundert Vorsprung.
[1] Vgl. BAV: Güterverkehr
[2] Vgl. BAV: Schienengüterverkehr
[3] Vgl. Blogartikel «Weiterentwicklung Gütertransport: Höchste Zeit, etwas zu tun»
[4] Vgl. Blogartikel «Letzte Meile ausgliedern und diskriminierungsfrei gestalten»
[5] Vgl. «Die Spanisch-Brötli-Bahn», Peter Affolter
[6] Unter dem Begriff Badenfahrt werden gleich zwei geschichtsträchtige Ereignisse zusammengefasst. Einerseits die erste Schweizer Bahnfahrt von Zürich nach Baden und anderseits das legendäre Volksfest. Dieses feiert heuer vom 18. bis 27. August 2023 sein 100-jähriges Bestehen (badenfahrt.ch).
[7] Hier in Frage zu stellen wäre die Vereinbarkeit dieser Entscheidungen mit der Wahrung der Schweizer Neutralität. In diesem Artikel wollen wir jedoch nicht weiter darauf eingehen.
[8] Vgl. EG-Richtlinie 91/440/EWG zur Entwicklung der Eisenbahnunternehmen der Gemeinschaft
Status quo DAK: zwischen Wunsch und Wirklichkeit
Wir unterstützen die digitale automatische Kupplung (DAK) schon seit ihren Anfängen. Darum engagieren wir uns beim internationalen Dachverband der Wagenhalter UIP, beim European DAC Delivery Programme (EDDP) und beim Schweizer Projekt zur DAK-Migration. Allerdings bleibt auf allen Ebenen noch viel zu tun. Hier ein Zwischenstand zur technischen und marktwirtschaftlichen Entwicklung.
Darum geht’s:
- Die Technik wirft noch Fragen auf
- Fairer Kosten-Nutzen-Transfer angestrebt
- Steigende Transportpreise können Rückverlagerung auf die Strasse bewirken
- Zusammenarbeit mit Europa: ein Muss
- DAK als Basis für grundlegenden Systemwechsel
Gemeinsam mit dem Bundesamt für Verkehr (BAV), SBB Cargo und dem Verband öffentlicher Verkehr (VöV) treiben wir vom VAP das Schweizer DAK-Projekt voran. Erste Erkenntnisse aus dieser Kooperation wurden im Konzeptbericht «Automatisierung im Schienengüterverkehr der Schweiz, beginnend mit der Migration zur digitalen automatischen Kupplung» vom 24. Oktober 2022 festgehalten. Zudem flossen sie in die aktuelle Vernehmlassungsvorlage über die Zukunft des Schweizer Güterverkehrs ein und – mit einigen Ergänzungen – in die Botschaft, die der Bundesrat im Sommer 2023 an das Parlament erstellt. Aus zahlreichen Workshops und bilateralen Gesprächen der Güterbahnbranche entstanden Fragen, Kritikpunkte und Lösungsansätze, die es nun zu vertiefen gilt.
Die Technik wirft Fragen auf
Die Festlegung des Kupplungskopfes war ein erster Meilenstein. Nun gilt es, die digitalen Elemente zu entwickeln und zu testen. Dazu werden zwei technische Ansätze verfolgt. Bei der «Powerline-Plus» erfolgt die Übertragung der elektrischen Impulse und Daten über dieselbe Leitung mit einer limitierten Anzahl an Kontakten. In der Schweiz testet ein Expertenkonsortium in den kommenden Monaten diesen Ansatz. Beim Modell «Single Pair Ethernet» (SPE) hingegen werden für die Energie- und Datenübertragung separate Leitungen benötigt.
Bei beiden technischen Ansätzen sind Fragen wie diese offen:
- Unter welchen Witterungsverhältnissen und klimatischen Bedingungen ist ein zuverlässiger Betrieb möglich?
- Gibt es bei den zahlreichen betrieblichen Prozessen (Rangieren, Fahrten (enge Radien, Neigungen …) Ausfallzeiten bei der Datenübertragung?
- Welche Funktionalitäten enthält schliesslich die digitale Komponente?
- Wie wird die Aufwärtskompatibilität gestaltet, insbesondere von DAK4 zu DAK5?
- Wie wird die europaweite Kompatibilität des künftigen DAK-Rollmaterials gewährleistet?
Aktuell verfügt der europäische Bahnsektor nur über wenige Expertinnen und Experten zu diesem Thema, was eine grosse Herausforderung darstellt. Ausserdem besteht Klärungsbedarf bei mechanischen Aspekten wie den Kraftauswirkungen der neuen Kupplung auf die einzelnen Wagentypen oder beim Einbau der DAK in Loks aufgrund Gewichts- und/oder Platzproblemen oder der sicheren Integration in die Fahrzeugleittechnik. Fragen wie diese müssen bis 2026 beantwortet sein.
Kosten-Nutzen-Transfer kann Rückverlagerung bewirken
Investitionen in die DAK-Migration sind gerade für Fahrzeughalter erheblich. Wir gehen von Kosten von CHF 20’000 bis CHF 40’000 bei den Wagen (je nach Wagentyp) und von CHF 60’000 bis CHF 250’000 bei den Loks aus. Allerdings machen sich positive Auswirkungen für die Fahrzeughalter erstmals nach vollständiger Migration bemerkbar, also frühestens ab zehn Jahren. Das heisst, dass die Kosten in den ersten Jahren ohne Mehreinnahmen steigen, was zu höheren Preisen für Wagenmieten führt. Auch die Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVU) werden in der mehrjährigen Migrationsphase durch den Parallelbetrieb Zusatzaufwand haben. Hohe Preissensitivität könnte eine Rückverlagerung auf die Strasse bewirken. Diesen Effekt stellten wir 2023 schon bei den weiterverrechneten Preiserhöhungen durch gestiegene Fahrstromkosten fest.
Wir vom VAP suchen Lösungen für diese Herausforderungen:
- Wie können die EVU als hauptsächliche Gewinner der DAK die Effizienzsteigerungen und Kosteneinsparungen an die Fahrzeughalter weitergeben? In monopolartigen Gebilden wie beim Einzelwagenladungsverkehr greifen marktwirtschaftliche Mechanismen nicht.
- Wie hoch müssen die Förderungen (A‑fonds-perdu-Beiträge, Darlehen, Fonds) sein, damit sie den ungleichen Kosten-Nutzen-Transfer ausgleichen, und wie lässt sich eine grössere Rückverlagerung auf die Strasse während der Migration verhindern? Was geschieht, wenn Subventionen oder nachträgliche Finanzierungen an die staatlichen EVU mit der DAK fast vollumfänglich eingestellt werden?
In neues Rollmaterial zu investieren, ist für viele Wagenhalter sicherlich denkbar oder sogar notwendig. Doch eigentlich geht es um die Frage, wie sich vorhandene Bestandsflotten effizient umbauen lassen. Dabei gilt es, die folgenden Aspekte zu berücksichtigen, ohne Akteure unverschuldet zu benachteiligen:
- Auch bei neuerem Rollmaterial gibt es Schwierigkeiten, eine DAK nachträglich einzubauen.
- Der Kauf von Neuwagen ist aufgrund gestiegener Rohstoffpreise um 50 Prozent teurer geworden.
- Die Produktion von Neuwagen mit DAK muss nach Fertigstellung der Spezifikationen erst gestartet werden. Die Stückzahl ist zu Beginn je nach Wagentyp limitiert.
- Älteres Rollmaterial mit einem einfachen Umbau verursacht geringere Mehrkosten.
- Verschiedene Fahrzeughalter besitzen baugleiche Typen. Der Umbau des Baumusterfahrzeugs muss halterunabhängig erfolgen und die hohen Einmalkosten müssen gedeckt sein.
Gleis an Gleis mit Europa
Die Involvierten sind sich mehrheitlich einig: Nur in enger Zusammenarbeit mit Europa können wir eine nachhaltige Migration meistern. Die technisch-betrieblichen Herausforderungen des Umrüstens sind dies- und jenseits der Grenzen ähnlich. Fragen über den Umrüstungsprozess bis zur erfolgreichen Umsetzung und Finanzierung lassen sich nur beantworten, wenn alle Experten und Entscheidungsträger am Tisch sitzen. Das ist leider nur eine Handvoll.
Unser Beitrag aus der Schweiz besteht darin, uns mit den nationalen Begebenheiten auseinanderzusetzen und die Grundlagen gut vorzubereiten. Dazu gehört, dass wir Pilotverkehre lancieren; seit April 2023 fahren die ersten DAK-Testzüge in der Schweiz. Diese Erfahrungen sollten wir sammeln und in das gesamteuropäische Projekt einfliessen lassen.
Dass effiziente und nachhaltige Innovation auf europäischer Ebene nur gemeinsam möglich ist, möchten wir anhand der folgenden Beispiele aufzeigen:
- Werkstattkapazitäten koordinieren: Die Koordination zwischen den Ländern und Wagenhaltern muss sichergestellt sein, um die umzurüstenden Wagen im Betrieb (nationale und internationale Relationen) zur nächst- oder bestmöglichen Werkstatt zuführen und wieder rückführen zu lassen.
- Finanzierungsvoraussetzungen angleichen. Voraussetzung für eine Förderung ist meist ein Eintrag im Fahrzeugregister und/oder ein Sitz im jeweiligen Land. Da die Wagen jedoch nicht immer in diesem Land genutzt werden, sondern sich in ganz Europa bewegen, muss die Finanzierung für die Wagenhalter in allen Ländern zum Zeitpunkt der Migration sichergestellt sein.
- Migrationsfahrplan abstimmen. Eine frühzeitige Migration führt im Schienengüterverkehr zu neuen Schnittstellen. Konkret kann ein in der Schweiz umgebauter und geförderter Wagen nicht in Deutschland verkehren, solange dort nicht die DAK-Migration gestartet ist und die entsprechenden Import- und Exportverkehre nicht abgestimmt sind. Zudem kann der Fahrzeughalter seine Anlagewerte nur noch begrenzt einsetzen.
- Entscheidungsgremien zusammenführen: Die technischen Lösungen werden in den vorgegebenen Gremien der EU verabschiedet und danach von der Schweiz übernommen. Eine Integration dieser Ressourcen in das EU-Projekt wäre zielführender als eine Schweiz-eigene Organisation.
Um zur Gesamtrealisierung auf EU-Ebene beizutragen, müssen wir in der Schweiz uns auf die Vorbereitungsarbeiten mit sämtlichen betroffenen Unternehmen konzentrieren und unsere Testphasen sowie Pilotverkehre aktiv vorantreiben. Bei den Produkten und Spezifikationen dürfen wir uns keine Kinderkrankheiten leisten.
Basis für einen grundlegenden Systemwechsel
Die DAK ist kein technisches Unterfangen, sondern der Beginn der notwendigen Digitalisierung und Integration des Schienengüterverkehrs in eine zukunftsfähige Logistikkette. Mit der DAK kommen neben dem Kupplungsprozess Elemente wie automatische Bremsprobe, automatische Aufnahme der Wagenreihung, Zugintegritätskontrolle oder elektropneumatische Bremse hinzu.
Damit die DAK ihre gesamte technische Wirkung entfaltet und dem Schienengüterverkehr die notwendige Marktdynamik verleiht, müssen wir bis zum Migrationsstart die folgenden Aspekte aufarbeiten:
- Betriebliche Prozesse neu definieren
- Regulative Vorgaben und Vorschriften anpassen und zeitlich vereinfachen
- Infrastruktur und Anschlussgleise vorbereiten und anpassen
- Betroffene Gruppen für Migration und Betrieb schulen
- Inspektionen und Instandhaltung automatisieren
- Informationen zum Transport für die Verlader automatisieren
- Digitale Daten vor unbefugten Zugriffen wirksam schützen
Wir vom VAP streben zudem die Lancierung einer Datenplattform und den Austausch von Daten im Sinne eines Ökodatensystems an. Wir sind überzeugt, dass die DAK nur mit dem Austausch von Daten dem Bahnsektor den notwendigen und grossflächigen Mehrwert bringt. Wir sind daher sehr froh, dass trotz anfänglicher Skepsis aus dem Sektor das BAV diesen Aspekt aufgenommen hat. Es beabsichtigt, auch den Güterverkehr in der geplanten Mobilitätsdateninfrastruktur (MODIG) mitzuberücksichtigen. Inwiefern die DAK zu einem innovativen, eigenwirtschaftlichen und kundenorientierten Schienengüterverkehrssystem beiträgt und sich der Buchstabe K darum vor allem mit Konnektivität übersetzen liesse, lesen Sie in unserem nächsten Blog zur DAK.
Forum Güterverkehr: Multimodalität und Zukunft der (Bahn)Logistik
Das Forum Güterverkehr, welches am 20. April 2023 stattfand, befasste sich mit der Zukunft der Logistik, der Multimodalität und insbesondere den nötigen Schritten zur Modernisierung des Schweizer Gütertransports in einer digitalen und dynamischen Welt. Hochkarätige Referenten informierten das Publikum über die neuesten Forschungsresultate, Entwicklungen und Herausforderungen in der Praxis sowie neue gesetzliche Rahmenbedingungen.
Die drei Einführungsvoten der Vertreter der Wirtschaft, Sara Udavri (IKEA Supply AG), Titus Bütler (Die Schweizerische Post) und Rainer Deutschmann (Migros-Genossenschafts-Bund) zeigten mit aller Deutlichkeit das Engagement der Wirtschaft zur nachhaltigen Gestaltung ihrer Logistik auf. Ein Hebel dazu ist die Verlagerung der Verkehre in multimodale Logistikketten, bei denen auch energie- und raumeffiziente Verkehrsträger wie Schifffahrt und Schiene eine tragende Rolle spielen sollen. Dies ist in einer dynamischen Welt mit traditionell wenig flexiblen Partnern und beschränkten Infrastrukturkapazitäten schwierig und birgt erhebliche Versorgungsrisiken. Aufgrund der Erkenntnisse der Forschung, vorgestellt von Dr. Matthias Prandtstetter (AIT Austrian Institute of Technology) für die Vorhaltung und Nutzung von Daten und künstlicher Intelligenz zeichnen sich jedoch Lösungen ab, um vermehrt dynamische und widerstandsfähige Transportketten organisieren zu können. Die Datenaustauschstrukturen, die dazu nötig sind, sind am Beispiel der von Christoph Büchner (DX International) vorgestellten DX I‑Drehscheibe mit staatlicher Unterstützung Deutschlands im Bereich KV bereits aktiv oder aufgrund der neuen gesetzlichen Grundlage in der Schweiz, vorgestellt von Monika Zosso (Bundesamt für Verkehr BAV) im Entstehen begriffen. Wie die Schweiz das System Schienengüterverkehr in die multimodale Logistik integrieren und in die digitale Welt von morgen überführen will, umriss Dr. Peter Füglistaler (Bundesamt für Verkehr BAV).
In Europa ist eine negative Entwicklung trotz der EWG-Richtlinie 91/440 festzustellen: Sinkender Modalsplit und hohe Subventionen für Staatsbahnen, wenig Kundenorientierung und Innovation, da vielerorts in Europa die Wettbewerber im Schienengüterverkehr noch eine untergeordnete Rolle spielen. Eine grundlegende Umgestaltung des Systems Bahn ist daher unumgänglich, um aus der Subventionsfalle herauszufinden. Dabei ist das System zukunftsfähig und risikooptimiert zu gestalten durch die Umsetzung der Automatisierung und Digitalisierung mittels der DAK als ersten alternativlosen Schritt. Darauf muss jedoch die Weiterentwicklung des Systems insbesondere im Wagenladungsverkehr folgen, um das Ausfallrisiko für die Kunden und die Eigner der Staatsbahnen betrieblich und finanziell zu reduzieren und Kundenorientierung und Innovation zu fördern. Eine mögliche Lösung ist eine Aufteilung des Systems in eine Netzwerkanbieterin mehrerer Akteure mit Systemintegrator und einer neutralen Last Mile Anbieterin ausserhalb des Transportmarkts (siehe Blogartikel «Letzte Meile ausgliedern und diskriminierungsfrei gestalten»).
Rückblick auf das Forum Güterverkehr: Die wichtigsten Punkte im Detail
MULTIMODALITÄT – MODERNISIERUNG DES SCHWEIZER GÜTERTRANSPORTS
Vor dem Hintergrund der aktuellen Debatte zur Ausfinanzierung des Schienengüterverkehrs durch den Bund setzte sich das Forum Güterverkehr mit den Herausforderungen der Multimodalität in der Logistik auseinander.
Begrüssung
In seiner Begrüssung zeigte Frank Furrer den roten Faden der Foren des VAP von Sicherheit im Spannungsfeld von Kosten und Qualität und neuen Zusammenarbeitsformen im Wagenladungsverkehr im Jahr 2019, über die Politik im grünen Rausch und den tatsächlichen Innovationspotentialen der Automatisierung und Digitalisierung im Jahr 2022 hin zum aktuellen Forum, das sich mit der Zukunft der Logistik und der Multimodalität befasst, auf. Die fundamentale Erneuerung des Systems Bahn und das harmonische und schlagkräftige Zusammenspiel aller Verkehrsträger sind nötig, um die verfügbaren Kapazitäten der verschiedenen Infrastrukturen optimal zu nutzen, eine sichere Versorgung der Schweiz zu gewährleisten und auch der Bahn einen Platz in der Logistik zu schaffen. All dies im Interesse des Lebensraums und Wirtschaftsstandorts Schweiz. Seit der EU-Richtlinie 91/440 also weit über dreissig Jahren versuchen die Staaten in Europa, ihre eigenen Bahnunternehmen zum Erfolg zu führen. Trotz grosser Förderprogramm im UKV ist ein sinkender Anteil des Schienengüterverkehrs am modal-split festzustellen und sind rasant steigende Subventionen an die Staatsbahnen nötig. Die Modernisierung und fundamentale Umgestaltung des Systems ist ohne Alternative. Sie wird die Staaten erneut sehr viel Geld kosten und der Branche viel abverlangen. Wie sie aussehen könnte, soll heute gemeinsam diskutiert werden.
Multimodalität – Zur Revision des Gütertransportgesetzes
Dr. Peter Füglistaler, Direktor des Bundesamts für Verkehr, präsentierte die Vorlage des Bundesrats zur Revision des Gütertransportgesetzes. Dieses fokussiert recht stark auf Massnahmen zur Stärkung der Multimodalität, da es praktisch keine monomodalen Verkehre auf der Schiene gäbe, Eine Neudefinition der Umschlagsplattformen, die insbesondere als City Hubs mehr Multimodalität und Bündelung ermöglichen sollen, und ihre finanzielle und raumplanerische Förderung sind eine wesentliche Verbesserung der Rahmenbedingungen. Mit einem Umschlagsbonus sollen Anreize an die Verlader erfolgen, vermehrt verschiedene Verkehrsträger in ihren Logistikketten zu vereinen. Die Digitale Automatische Kupplung DAK ist für den Direktor des Bundesamts für Verkehr Schlüsselfaktor zum Erfolg und weniger Zukunft als dringend nötige Realität. Der Staat helfe gerne auf dem Weg zu dieser neuen Realität, die Initiative allerdings müsse aus der Wirtschaft kommen.
Multimodalität – Zu den Bedürfnissen der Wirtschaft – IKEA
Sara Udvari, Category Manager Logistics bei IKEA Supply AG, betont die Bedeutung der Nachhaltigkeit in der Lieferkette des Unternehmens. Die Vision, einen besseren Alltag für Menschen zu schaffen, beinhaltet die Verantwortung für die Umwelt. Da die Produkte von IKEA oft eine lange Reise durch die Lieferkette machen, ist es wichtig, nachhaltige Lösungen zu finden. Um bis 2030 klimapositiv zu sein, konzentriert sich IKEA auf die Reduktion von Treibhausgasen, die Verbesserung der Energieeffizienz und die Unterstützung der Lieferanten. Im Transportbereich soll der Treibhausgasausstoss um 70% reduziert werden, während in der Lagerung eine Reduktion von 80% des CO2-Ausstosses angestrebt wird. Um diese Ziele zu erreichen, setzt IKEA auf drei Schwerpunkte: die Effizienzsteigerung, die Ersetzung fossiler Brennstoffe durch intermodale Lösungen und die Elektrifizierung, sowie ein Umdenken in der Art und Weise der Produktlieferung. IKEA setzt bereits auf den kombinierten Verkehr und ist derzeit bei 46% intermodaler Lösungen weltweit. Eine faktenbasierte CO2-Kalkulation ist ein wichtiger Bestandteil der Nachhaltigkeitsstrategie von IKEA. Durch voreingestellte Kalkulationen erhält man nur Durchschnittswerte, weshalb faktenbasierte Tools eingesetzt werden sollten, um eine realistische Berechnung des CO2-Fussabdrucks zu erhalten. IKEA ist bestrebt, die Multimodalität weiter auszubauen, um noch nachhaltigere Lösungen zu finden. Voraussetzung dafür sind dynamische Transportketten und ein entsprechender organisierter ständiger Datenaustausch. Dabei ist die Zusammenarbeit mit Partnern, die dieselben Werte teilen, zentral.
Multimodalität – Zu den Bedürfnissen der Wirtschaft – Migros
Rainer Deutschmann, Leiter Direktion Sicherheit & Verkehr, setzt sich bei der Migros für eine nachhaltige Supply Chain ein. Dabei liegt der Fokus auf einer multimodalen Güterlogistik, die verschiedene Transportmittel wie Bahn, LKW, autonomes Fahren und Cargo Sous Terrain (CST) kombiniert. Zusammen mit economiesuisse, VAP, Astag und IG DH wird erarbeitet, welche Rolle die verschiedenen Verkehrsmittel in der nachhaltigen Güterlogistik spielen sollen. Obwohl Migros grundsätzlich gegen Subventionen ist, wird eine begrenzte Subvention im Bereich Technologietransfer befürwortet, solange diese nicht wettbewerbsverzerrend wirkt und der Nutzen beim Kunden ankommt. Um die Güterlogistik nachhaltiger zu gestalten, wird auf eine Reduktion der gefahrenen Kilometer und eine verstärkte Automatisierung gesetzt. Eine gute Multimodalität erfordert ein komplettes Redesign der Bahn. CST befindet sich in der Realisierungsphase und ist bereits weit fortgeschritten. Das grösste Lager der Schweiz in Ebikon dient zudem als Testgelände für autonomes Fahren. Für LKWs werden noch mehrere Antriebstechniken untersucht, wie zum Beispiel Biogas, Elektro oder H2. Um das effizienteste Reisemittel mit dem geeigneten Antrieb zu wählen, werden bei der Migros Daten aus GPS-Spuren ausgewertet. Rainer Deutschmanns Engagement zeigt, dass Unternehmen ihrer Verantwortung gegenüber der Umwelt gerecht werden können und müssen. Zusammenarbeit mit verschiedenen Partnern und der Einsatz von neuen Technologien sind zentrale Erfolgsfaktoren.
Multimodalität – Zu den Bedürfnissen der Wirtschaft – Post
Titus Bütler beleuchtete die Multimodalität bei den Transporten der Schweizerischen Post sowie die Bedürfnisse ihrer Kunden, die schnelle, zuverlässige und günstige Lieferungen erwarten. Die Post bemüht sich, diesen Bedürfnissen gerecht zu werden, indem sie häufige und zuverlässige Transporte sicherstellt, konkurrenzfähige Preise anbietet und wichtige Daten zur Verfügung stellt. Täglich gibt es 45 Postzüge deren Pünktlichkeit bei 94,4% liegt. Allerdings ist der LKW von Rampe zu Rampe im Vergleich zum Zug etwa 25–40% schneller, selbst wenn der LKW noch die Waren aufpritschen muss. Dies führte zu einem Rückgang des Bahnanteils. Trotzdem setzt die Post weiterhin auf die Schiene und bemüht sich daher um Infrastruktur zur Beschleunigung der Schienentransporte, wie Briefzentren mit Rampengeleisen und eigene Bahnterminals (kV) in den drei grossen Paketzentren. Da die Post einen Grundversorgungsauftrag zu erfüllen hat, muss die Beschleunigung der Schienentransporte auch in den Rahmenbedingungen unterstützt werden. Ansätze dafür sind qualifizierte Expresstrassen, Priorisierung von zeitkritischem Güterverkehr neben Personenzügen (Stichworte prioritäre Abfahrt des schnellen Güterzugs vor der S‑Bahn am Knoten), Beschleunigung von Rangierarbeiten inkl. Bremsproben und die Verwendung von fixen Bi-modalen Antriebskompositionen.
Modernisierung des Güterverkehrs in der Schweiz und Europa durch Multimodalität
Jürgen Maier hat anhand von Informationen der Dachorganisation UIP – INTERNATIONAL UNION OF WAGON KEEPERS Fakten zur Modernisierung des Güterverkehrs in der Schweiz und Europa durch Multimodalität zusammengefasst. Umfragen zeigen, dass eine multimodale Logistik gefragt ist und die Schiene in der Politik als Rückgrat des multimodalen Güterverkehrs betrachtet wird. Damit die Bahn diese Chance in die Realität umsetzen kann, ist allerdings ein europaweiter Systemwechsel notwendig. Vor allem im WLV sind die Prozesse und die Organisation seit 100 Jahre unverändert. Eine ganzheitliche Betrachtung ist erforderlich, die Häfen, modulare Systeme, digitale Plattformen, intelligente Infrastruktur, digitale Vernetzung im Zugsverband, konsequente Raumplanung und Integration in die City-Logistik einschliesst. Die Zukunft ist digital, und das technologische innovative Projekt “Digital Automatic Coupler (DAC)”, das derzeit von Wagenhaltern und Güterbahnen getestet wird, ist wegweisend. Dabei kann das “C” in DAC auch für “connected” stehen. Automatisierte und vernetzte Systeme sind für eine florierende Wirtschaft und Gesellschaft in Zukunft notwendig. Jürgen Maier betont, dass die Zusammenarbeit auf politischer, strategischer, betrieblicher und technischer Ebene wichtig ist, um die Ziele zu erreichen.
Podiumsdiskussion
In der anschliessenden Podiumsdiskussion war man sich einig, dass für ein Bestehen des WLV seine umfassende Neugestaltung notwendig ist, wie es auch in den Vernehmlassungsantworten zur Weiterentwicklung des Güterverkehrs deutlich wurde. Nebenbei wurde erwähnt, dass diese politische Debatte vom VAP-Präsidenten Josef Dittli mit seiner Motion angestossen wurde und der VAP viel dazu beigetragen hat, dass die Branche bei diesem Thema geschlossen auftritt. Interessant war der Aspekt einer Gesamtvision, die die Themen Energie- und Ernährungspolitik einschliesst. Im Güterverkehr in der Fläche gibt es kein Verlagerungsziel, es herrscht freie Verkehrsträgerwahl. Umso wichtiger ist es, dass der Schienenverkehr attraktiver gemacht wird, um eine wettbewerbsfähige Alternative und Ergänzung zum Strassentransport zu entwickeln, denn die Strasse könnte den Wegfall des gesamten WLV nicht auffangen. Die DAK bietet einen ersten Schritt zur Effizienzsteigerung und bietet somit eine unumgängliche Voraussetzung für die fundamentale Umgestaltung des WLV.
Es gab auch eine Debatte darüber, ob Transport immer schneller sein muss und wie man den Wettbewerbsvorteil des schnellen Transports mit einer nachhaltigen Logistik und einer abgestimmten Lieferkette vereinbaren kann. Die Teilnehmer waren sich einig, dass alle beteiligten Akteure an einem vernetzten Redesign mitwirken müssen, um eine zukunftsfähige Lösung zu finden. Die Diskussion endete mit dem Fazit, dass die Priorisierung, die Reduktion der Prozessineffizienz und die digitale Vernetzung der Schlüssel zur pünktlichen, günstigen und schnellen Lieferung sind.
Zukunft der (Bahn-)Logistik
Der Bund plant mit dem Bundesgesetz über die Mobilitätsinfrastruktur des Bundes eine öffentliche Datenplattform zu schaffen, um multimodale Lösungen zu vereinfachen und alle beteiligten Akteure zu vernetzen. Am Nachmittag beleuchteten die Referentinnen und Referenten von Bund, Wissenschaft und Wirtschaft in ihren Vorträgen, wie der Bund das Thema angeht und welche Anforderungen die verladende Wirtschaft an die Multimodalität hat.
Zukunft der Logistik
Die Präsentation von Dr. Matthias Prandtstetter beschäftigte sich mit der Zukunft der Logistik und der Notwendigkeit zu handeln, um Klimaneutralität zu erreichen. Es wurde betont, dass allein die Umstellung auf E‑Lkw nicht ausreicht und alternative Logistiklösungen genutzt werden müssen. Die Bahn soll als echte Alternative zur Strasse etabliert werden, da sie energetisch effizienter ist und eine starke Bündelung ermöglicht. Synchromodale Transporte wurden als das Konzept der Zukunft vorgestellt, bei dem Schiffe und Bahnen die Grundversorgung bilden und Lkws als Zubringer und Back-Up-Lösung dienen. Transportentscheidungen werden in Echtzeit und vom System getroffen, ähnlich wie im digitalen Internet, was als Physical Internet bezeichnet wird. Die Bedeutung für die Bahn liegt in der Digitalisierung, der Verlässlichkeit und Flexibilität sowie in der Gleichwertigkeit von Güterverkehr und Personenverkehr.
Bundesgesetz über die Mobilitätsdateninfrastruktur des Bundes
Monika Zosso hält die Co-Leitung der Sektion Direktionsgeschäfte sowie die Projektleitung «Daten für ein effizientes Mobilitätssystem» beim Bundesamt für Verkehr inne. In ihrer Präsentation stellte sie das Bundesgesetz über die Mobilitätsdateninfrastruktur (MODIG) vor. Mobilitätsdaten sollen als systemrelevante Infrastruktur betrachtet werden, um das Mobilitätssystem effizienter zu gestalten, individuelle Mobilitätsbedürfnisse zu befriedigen, Infrastrukturen effizienter zu betreiben und Innovationen zu fördern. Das MODIG soll allen Akteuren im Mobilitätsökosystem innovative Lösungen erleichtern und die Geodateninfrastruktur für Mobilität ermöglichen. Die Nationale Datenvernetzungs-Infrastruktur Mobilität (NADIM) unterstützt den Betrieb und die Weiterentwicklung von MODI und bietet technische Unterstützung, Standardisierung, fachlichen Support, Konsolidierung und Integration von Daten. Diese Lösung bietet der Staat, ohne dass ein kommerzieller Nutzen angestrebt ist. Mögliche Anwendungsfälle im Bereich Logistik sind die Transport- und Routenplanung für alle Verkehrsträger, wobei eine Applikation dafür von der Wirtschaft gestellt werden sollte. Der Austausch mit der Güterbranche ist dafür notwendig und erwünscht.
KV4.0 – Digitale Datendrehscheibe des Kombinierten Verkehrs
Christoph Büchner, Co-Direktor bei DX Intermodal in Frankfurt freut sich, eine Innovation aus Deutschland zeigen zu dürfen, schaut doch die EU normalerweise eher neidisch auf Schweiz. Seine Präsentation zum Thema KV4.0 beschäftigte sich mit dem Ziel des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr BMVD, eine gemeinsame Datendrehscheibe für den Austausch von Daten innerhalb der intermodalen Lieferkette zu schaffen. Die KV4.0 Datendrehscheibe soll eine durchgehende Informationskette und Transparenz ermöglichen, so dass die Daten von allen gleich verstanden werden, und digitale Insellösungen vermeiden. Die Datendrehscheibe unterstützt verschiedene Meldungstypen und wird von DX Intermodal GmbH vermarktet, ist mit Projektpartnern international aufgestellt. Aktuell sind schon 16 Akteure an die Plattform angebunden und am Testen. Es handelt sich um eine Datendrehscheibe, keine Plattform, DXI hat dabei keinen Zugriff auf die Daten. Das KV4.0‑Projekt ist ein vielversprechender Schritt in Richtung der Digitalisierung intermodaler Lieferketten und kann dazu beitragen, die Wettbewerbsnachteile des Kombinierten Verkehrs gegenüber dem Strassengüterverkehr zu reduzieren.
Neue Innovationsansätze aus der Praxis – fiel leider aus. Jens Engelmann machte einen spontanen Input über optimierte Transportmöglichkeiten mit Künstlicher Intelligenz.
Podiumsdiskussion
In der abschliessenden Podiumsdiskussion wurden die Themen vom Nachmittag vertieft, insbesondere die Bedeutung von Plandaten und Echtzeitdaten in Zukunft sowie das Konzept des physischen Internets. Hierbei suchen sich Waren selbstständig ihren Weg durch ein intermodales Verkehrsnetz, was Leerfahrten reduziert und eine bessere Auslastung der Kapazitäten ermöglicht. Die Standardisierung auf EU-weiter Ebene wurde ebenfalls diskutiert, um die Harmonisierung der Sprache bei Datenplattformen zu erreichen und eine Netzoptimierung mit KI zu ermöglichen. Ein Teilnehmer betonte, dass KI nicht intelligent ist, sondern dass der Algorithmus die richtigen Daten und Definitionen haben muss, um gute Ergebnisse zu erzielen. Ein wichtiger Aspekt war auch die Datensicherheit, wobei die Datenhoheit bei den vorgestellten Modellen immer beim Absender der Daten bleibt. Die Möglichkeiten, die sich mit der Digitalisierung, dem richtigen Umgang der Daten und der künstlichen Intelligenz ergeben, sind auch für die Transportlogistik sehr gross.
Zusammenfassung des Forums und Verabschiedung
Dr. Frank Furrer fasste am Ende des Forums die Erkenntnisse des Tages zusammen. Die Kunden haben gezeigt, dass die Bahn keine Folklore, sondern ein mögliches Instrument ist, um umwelt- und versorgungspolitische Ziele zu erreichen. Das Selbstverständnis der Mitglieder des VAP ist, die Verlagerung der Industrie auf die Bahn zu fördern. Der VAP setzt sich in der Politik für bessere Rahmenbedingungen und in der Fachberatung für seine Mitglieder für eine Vereinfachung des oft unnötig kompliziert geregelten Eisenbahnwesens ein. Eine dynamischere Welt fordert anpassbare Transportketten und redundante Ansätze, um den Bedürfnissen gerecht zu werden. Dafür benötigt der Schienengüterverkehr, der in den letzten 100 Jahren unverändert geblieben ist, ein fundamentales Redesign. Wir brauchen eine Vernetzung aller Verkehrsträger, einschliesslich des Untergrunds und über die Grenzen hinweg. Für die Zukunft benötigt die Transportlogistik ein Mobilitätsökosystem, das den Datenaustausch und die Vernetzung ermöglicht. Die Herausforderung dabei sind harmonisierte Schnittstellen. Vor zwei Jahren hatte der VAP ein Finanzierungsgesuch für die Datenplattform SGV eingereicht, das abgelehnt wurde, mit Hinweis auf MODIG. Es darf jedoch nicht übersehen werden, dass das Projekt für den Personenverkehr entwickelt wurde und zum Beispiel noch keine LKW auf MODIG vorgesehen sind. Der VAP will Güter auf die Bahn bringen. Dazu muss die Bahn eine gute Performance erreichen, die alle Anbieter, Kunden und Politiker zufriedenstellt, in Kooperation und Wettbewerb, die die Kapazitäten gezielt nutzen. Dabei ist sinnvoll, im Kleinen anzufangen, aber gross zu denken.
Wir blicken auf ein erfolgreiches Forum Güterverkehr zurück, wo auch das Treffen und Austauschen nicht zu kurz kam.