Der bun­des­rät­li­che Bericht zur «Wei­ter­ent­wick­lung der Rah­men­be­din­gun­gen für den Schwei­zer Güter­trans­port» wurde in die Ver­nehm­las­sung geschickt. Darin wird die Eigen­wirt­schaft­lich­keit des Ein­zel­wa­gen­la­dungs­ver­kehrs (EWLV) unbe­legt als unmög­lich dar­ge­stellt. Als Alter­na­ti­ven sieht der Bund vor, den SGV mit­tel­fris­tig auf die Stras­se zu ver­la­gern oder dau­er­haft zu sub­ven­tio­nie­ren. Wir mei­nen: Es ist komplizierter.

Darum geht’s:
  • Zwei Vari­an­ten und was diese nicht berücksichtigen
  • Fun­da­men­ta­le Neu­ge­stal­tung des Netz­werks nötig
  • Aus­glie­de­rung der letz­ten Meile zen­tral für mehr Wettbewerb

 

Die Wei­ter­ent­wick­lung des Schie­nen­gü­ter­ver­kehrs in der Flä­che wird der­zeit heiss dis­ku­tiert. Am 2. Novem­ber 2022 hat der Bun­des­rat seine Bot­schaft zur «Wei­ter­ent­wick­lung der Rah­men­be­din­gun­gen für den Schwei­zer Güter­trans­port» in die Ver­nehm­las­sung gege­ben. Der Bericht sug­ge­riert, dass es ohne finan­zi­el­le Unter­stüt­zung kei­nen EWLV mehr gibt; Ganz­zü­ge wer­den sowie­so nicht sub­ven­tio­niert. Der Bun­des­rat schlägt zwei Optio­nen vor:

  • Der EWLV in der Flä­che wird wei­ter­ent­wi­ckelt und durch Digi­ta­li­sie­rung, Auto­ma­ti­sie­rung und Schaf­fung einer Daten­aus­tausch­platt­form moder­ni­siert. Stand­or­te, die für eine erfolg­rei­che Flä­chen­be­die­nung not­wen­dig sind, wer­den bes­ser in die Raum­pla­nung der Kan­to­ne und des Bun­des inte­griert. Bis die Moder­ni­sie­rungs­mass­nah­men grei­fen, wird der EWLV durch eine Bestel­lung des Ange­bots in Form von Inves­ti­ti­ons- und Betriebs­bei­trä­gen finan­zi­ell unterstützt.
  • Der EWLV in der Flä­che wird ein­ge­stellt. Das Bahn­sys­tem wird auf Ganz­zü­ge redu­ziert, was eine mas­si­ve Ver­klei­ne­rung von SBB Cargo zur Folge hat.

Beide Vari­an­ten wer­den durch die Migra­ti­on zur digi­ta­len auto­ma­ti­schen Kupp­lung (DAK), die För­de­rung von Mul­ti­mo­da­li­tät und Rhein­schiff­fahrt sowie die Finan­zie­rung kli­ma­neu­tra­ler Antrie­be auf Schie­ne und Rhein unterstützt.

Fundamentale Neugestaltung statt Rhetorik

Der EWLV in der Flä­che umfasst gut 70% des Ver­kehrs­auf­kom­mens im Bin­nen­ver­kehr auf der Schie­ne. Die Frage des Bun­des­rats, ob er erhal­ten blei­ben soll, ist daher eher rhe­to­risch. Seine Fol­ge­rung, dass er nach einer Moder­ni­sie­rung mit­hil­fe der DAK durch SBB Cargo erfolg­reich betrie­ben wer­den kann, ist jedoch eben­falls keine rea­lis­ti­sche Opti­on. Der SGV in der Flä­che muss viel­mehr fun­da­men­tal umge­stal­tet und für wei­te­re Markt­ak­teu­re geöff­net wer­den. Dies­be­züg­lich bleibt der Bun­des­rat in sei­nem Bericht weit hin­ter den Erwar­tun­gen der Kun­den und sei­ner eige­nen Ankün­di­gun­gen zurück.

Die Digi­ta­li­sie­rung und Auto­ma­ti­sie­rung wird den SGV effi­zi­en­ter und vor allem für die Logis­tik­wirt­schaft inter­es­san­ter machen: Erst­mals lässt sich der SGV online in die Logis­tik­ket­ten der Wirt­schaft und in die Zug­si­che­rung der Infra­struk­tur­be­trei­ber inte­grie­ren. Die DAK in Ver­bin­dung mit der staat­li­chen Daten­aus­tausch­platt­form gemäss dem Bun­des­ge­setz über die Mobi­li­täts­da­ten­in­fra­struk­tur (MODIG) ist damit DER zen­tra­le Stell­he­bel für die Wett­be­werbs­fä­hig­keit des SGV und Erfolgs­fak­tor Num­mer eins die­ser Gesetzgebungsvorlage.

Der EWLV, seit der Bahn­re­form 1999 Mono­pol der SBB, muss jedoch von Grund auf umge­stal­tet wer­den. Die Rol­len und Pro­zes­se sind völ­lig neu zu den­ken. Diese inne­re Erneue­rung setzt den Bei­zug wei­te­rer Markt­ak­teu­re vor­aus, um ein Ange­bot mit weni­ger Fix­kos­ten und ent­spre­chend höhe­rer Fle­xi­bi­li­tät zu gestal­ten. Der Bun­des­rat fällt dies­be­züg­lich hin­ter sei­nen Bericht vom 30. März 2022 zurück. Wäh­rend er dort in sei­nem Schau­bild ein neues Zusam­men­spiel der ver­schie­de­nen Akteu­re im EWLV auf­zeig­te (S. 50/75), schlägt er im Bot­schafts­ent­wurf ledig­lich eine Fort­füh­rung des der­zei­tig wenig erfolg­rei­chen Modells «alle Leis­tun­gen aus einer Hand» von SBB Cargo vor. Ein­mal mehr wird die Frage der Zukunfts­fä­hig­keit eines brei­ten Ange­bots im EWLV in der Schweiz mit der Wei­ter­ent­wick­lung des Staats­un­ter­neh­mens SBB Cargo gleichgesetzt.

Die Kun­den wün­schen sich jedoch eine Vari­an­te 1+. Diese umfasst neben der Digi­ta­li­sie­rung des SGV und För­der­mass­nah­men für mehr Mul­ti­mo­da­li­tät auch die Neu­or­ga­ni­sa­ti­on des EWLV. Dazu gehö­ren die Neu­tra­li­sie­rung und finan­zi­el­le Unter­stüt­zung der Nah­zu­stel­lung (letz­te Meile), die Schaf­fung einer neu­tra­len digi­ta­len Buchungs- und Daten­aus­tausch­platt­form und die Mög­lich­keit der Inte­gra­ti­on pri­va­ter Wagenladungsverkehrsangebote.

Branche geeint für grosse Veränderungen

Die Inter­es­sen­ge­mein­schaft IG Wagen­la­dungs­ver­kehr for­dert ein leis­tungs­fä­hi­ges Netz­werk­an­ge­bot (Hub and Spoke) mit mehr Wett­be­werb und weni­ger Dis­kri­mi­nie­rung. Der Bun­des­rat soll­te unse­re gemein­sa­me Visi­on des Schie­nen­gü­ter­ver­kehrs – die vom Bun­des­amt für Ver­kehr BAV übri­gens mit­ge­tra­gen wurde – in der defi­ni­ti­ven bun­des­rät­li­chen Bot­schaft auf­grei­fen (vgl. VAP-Blog­post «Kri­ti­scher Blick auf die Lang­frist­per­spek­ti­ve des Bun­des»). Das­sel­be gilt für die kon­so­li­dier­te Hal­tung der Güter­bahn­ver­ant­wort­li­chen des VöV, wie sich der SGV in der Flä­che lang­fris­tig erfolg­reich betrei­ben lässt (vgl. Blog­post «Bran­che ent­wi­ckelt gemein­sa­me Lösung»).

Der Bun­des­rat erwar­tet von der Güter­ver­kehrs­bran­che eine gemein­sa­me Hal­tung. Er soll­te ihre gemein­sa­me Ein­schät­zung und die zahl­rei­chen Nuan­cen des SGV in der Flä­che bei des­sen Zukunfts­ge­stal­tung dif­fe­ren­zier­ter betrach­ten und stär­ker berücksichtigen.

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