Im Juni 2022 wurde die Über­nah­me des Fami­li­en­un­ter­neh­mens WASCOSA durch Swiss Life und Vau­ban bekannt­ge­ge­ben. Vom ehe­ma­li­gen Inha­ber und zukünf­ti­gen Ver­wal­tungs­rats­prä­si­den­ten Phil­ipp Mül­ler woll­ten wir mehr über den Hin­ter­grund die­ses Ver­kaufs und die Visi­on der WASCOSA wissen.

Herr Müller, die Meldung des Verkaufs Ihres erfolgreichen Familienunternehmens kam überraschend. Was wird sich ändern?

Phil­ipp Mül­ler: Weni­ger als man auf den ers­ten Blick denkt. Mit die­sem Schritt haben wir die Zukunft der WASCOSA abge­si­chert. Natür­lich wird es eine Umstel­lung von einem fami­li­en­ge­führ­ten zu einem inves­ti­ti­ons­ge­trie­be­nen Unter­neh­men geben. Aber der Spi­rit der WASCOSA wird blei­ben. Wir wol­len auch in Zukunft schnel­ler und bes­ser als ande­re agie­ren, als Team erfolg­reich sein und die Kun­den- vor Eigen­in­ter­es­sen stel­len. Diese Ziele sind anspruchs­voll, aber machbar.

Was hat Sie zu diesem Schritt bewogen?

Die Nach­fol­ge­re­ge­lung und die Zukunfts­si­che­rung des Unter­neh­mens. Kei­nes unse­rer Kin­der war daran inter­es­siert, meine Nach­fol­ge anzu­tre­ten. Also muss­ten wir in die­ser Frage eine exter­ne Lösung fin­den. Bereits vor acht Jah­ren hat­ten wir mit Peter Bal­zer einen fami­li­en­ex­ter­nen CEO enga­giert. Hinzu kommt, dass unser Markt gera­de eine enor­me Markt­be­rei­ni­gung erfährt. Von den euro­pa­weit zehn gröss­ten Wagen­ver­mie­tern haben wir als Ein­zi­ge keine Fusi­on oder Über­nah­me erlebt. Wer noch mit­spielt, wird lau­fend grös­ser, macht lang­fris­tig aus­ge­leg­te Gross­in­ves­ti­tio­nen und geht hohe finan­zi­el­le Risi­ken ein. Wir brauch­ten für die WASCOSA schlicht mehr Finanz­kraft, um als KMU in die­sem Markt bestehen zu kön­nen. Diese star­ken Finanz­part­ner haben wir mit Swiss Life und Vau­ban gefunden.

Welche anderen Lösungen lagen noch auf dem Tisch?

Zuerst zogen wir eine Min­der­heits­be­tei­li­gung von Drit­t­ak­tio­nä­ren in Betracht. Aller­dings ergab das keine opti­ma­le Lösung für die Betei­lig­ten. Der Ver­kauf an einen Kon­kur­ren­ten stand nie zur Debat­te. Schliess­lich erwies sich die lang­fris­ti­ge Zusam­men­ar­beit mit einem star­ken Finanz­part­ner als die zukunftsfähigste.

«Die WASCOSA hat sich von einem klei­nen, unbe­kann­ten Ver­miet­un­ter­neh­men durch Inno­va­ti­on, Kun­den­nä­he und Agi­li­tät zu einem euro­pa­weit erfolg­rei­chen Anbie­ter von Güter­wa­gen­sys­te­men eta­bliert.»

Welche Erfahrungen aus der Vergangenheit werden die Zukunft des Unternehmens prägen?

Die WASCOSA hat sich von einem klei­nen, unbe­kann­ten Ver­miet­un­ter­neh­men durch Inno­va­ti­on, Kun­den­nä­he und Agi­li­tät zu einem euro­pa­weit erfolg­rei­chen Anbie­ter von Güter­wa­gen­sys­te­men eta­bliert. Diese letz­te­re Posi­ti­on wol­len wir bei­be­hal­ten. Ein Bei­spiel für unse­re Inno­va­ti­ons­kraft: Aktu­ell zeigt sich ein star­ker Trend zu modu­la­ren Güter­wa­gen­kon­zep­ten. Sol­che haben wir schon vor 15 Jah­ren ein­ge­führt. Jetzt, wo sich der Trend durch­setzt, sind wir für den Markt bereit. In den letz­ten 60 Jah­ren unse­res Unter­neh­mens hat eine kom­pro­miss­lo­se Kun­den­ori­en­tie­rung den Unter­schied im Tages­ge­schäft gemacht. Auch das soll so blei­ben. Es ist im Inter­es­se der neuen Eigen­tü­mer, dass die WASCOSA im Kern das bleibt, was es immer war: ein inno­va­ti­ves und kun­den­ori­en­tier­tes Unternehmen.

Wie werden Sie diesen Changeprozess meistern?

Die Betei­li­gung von Swiss Life und Vau­ban als Drit­t­ak­tio­nä­re hat sich aus einem inten­si­ven Stra­te­gie­pro­zess mit rund 15 Mit­ar­bei­ten­den abge­lei­tet. Nach­dem der Ent­scheid gefal­len war, führ­ten wir das neue Aktio­na­ri­at im Rah­men einer Tages­ver­an­stal­tung im Unter­neh­men ein. Über den gesam­ten Stra­te­gie­pro­zess hin­weg woll­ten wir Unsi­cher­heit, Miss­trau­en und fal­sche Ver­mu­tun­gen von Manage­ment und Mit­ar­bei­ten­den ver­mei­den. Das ist uns gelun­gen und wir set­zen alles daran, dass uns das auch unter der neuen Eigen­tü­mer­schaft gelingt. CEO Peter Bal­zer und ich wer­den nach wie vor im Ver­wal­tungs­rat ver­tre­ten sein. Das ist eine star­ke Bot­schaft im Hin­blick auf die Kon­ti­nui­tät und die Zukunft der WASCOSA.

«Die DAK ist ein Schlüs­sel­pro­jekt mit einem enor­men Poten­zi­al, das den Güter­wa­gen­ver­kehr vor­wärts­bringt.»

Wo sehen Sie den dringendsten Handlungsbedarf im Schienengüterverkehr?

Da gibt es unter­schied­li­che Ansatz­punk­te. Wir brau­chen aus­rei­chend Kapa­zi­tä­ten auf dem Netz, also mehr Tras­sen. Zudem soll­ten län­der­spe­zi­fi­sche Hemm­nis­se abge­baut wer­den. Und schliess­lich ist der Schie­nen­gü­ter­ver­kehr auf eine geziel­te finan­zi­el­le För­de­rung ange­wie­sen, um Inno­va­tio­nen ins Rol­len zu brin­gen, zum Bei­spiel die digi­ta­le auto­ma­ti­sche Kupp­lung (DAK).

Apropos DAK: Was meinen Sie dazu?

Sie ist ein Schlüs­sel­pro­jekt mit einem enor­men Poten­zi­al, das den Güter­wa­gen­ver­kehr vor­wärts­bringt. Aller­dings haben wir wenig Ein­fluss auf die­ses hoch­po­li­ti­sche Thema. Seit eini­gen Jah­ren beschäf­ti­gen wir uns mit der Elek­tri­fi­zie­rung der Güter­wa­gen. Hier gibt uns die DAK natür­lich zusätz­li­chen Auftrieb.

Wird der echte Mehrwert der DAK von der Branche erkannt?

Unse­re Bran­che ist nicht allzu inno­va­ti­ons­freu­dig und auch nicht sehr zukunfts­ori­en­tiert. Die Auto­ma­ti­sie­rung des Kup­pelns durch die DAK ist ange­kom­men. Bei ihrem Poten­zi­al für die Digi­ta­li­sie­rung bin ich mir nicht so sicher. Wie immer braucht es ver­mut­lich zuerst jeman­den, der als Vor­rei­ter vor­an­geht und die Effi­zi­enz­stei­ge­rung klarmacht.

Sie haben sich jahrelang im Geschäftsleitenden Ausschuss (GLA) des VAP engagiert. Wie beschreiben Sie die Arbeit des VAP?

Der VAP zeich­net sich durch eine hohe Kom­pe­tenz und ein ange­neh­mes Zusam­men­ar­beits­ver­hält­nis aus. Die Tätig­keit des Ver­bands ist von der Sache geprägt und nicht vom Ego ein­zel­ner Per­so­nen. Der VAP hält in eini­gen Berei­chen die The­men­füh­rer­schaft. Das zeigt sich an der hohen in- und aus­län­di­schen Betei­li­gung bei Ver­an­stal­tun­gen wie den Foren. Die­ses Inter­es­se beweist, dass der VAP poli­ti­sche, wirt­schaft­li­che oder recht­li­che The­men pro­ak­tiv und kon­struk­tiv auf­greift. Ich emp­fand das Zusam­men­kom­men im GLA als sehr posi­tiv. Im Dia­log mit der SBB zeigt der Ver­band einen lan­gen Atem. Hier steht der Per­so­nen­ver­kehr an ers­ter Stel­le, dann die Infra­struk­tur, dann die Immo­bi­li­en und erst dann der Schie­nen­gü­ter­ver­kehr. Umso wich­ti­ger ist es, dran­zu­blie­ben. Die Geduld und kon­stan­te Mit­ar­beit des Teams von Frank Fur­rer zeich­nen sich aus.

Welche Stärken schreiben Sie dem VAP zu?

Zu den Haupt­stär­ken zählt die hohe Anzahl von Ver­la­dern unter den Mit­glie­dern. Der VAP ver­netzt alle Akteu­re des Güter­ver­kehrs. Zudem bie­tet er der Bran­che der ver­la­den­den Wirt­schaft eine höchst inter­es­san­te und rele­van­te Platt­form. Ich meine, dass man nur dann erfolg­rei­che Poli­tik machen kann, wenn man alle Inter­es­sen vertritt.

Wie hat der VAP Sie und Ihre WASCOSA unterstützt?

Wir haben sehr gute Erfah­run­gen mit dem VAP gemacht. Er hat uns sogar bis vor Bun­des­ge­richt kom­pe­tent und mit Erfolg unterstützt.

Was wünschen Sie sich zusätzlich vom VAP?

Dass er medi­al mehr in Erschei­nung tritt. Der VAP könn­te pro­mi­nen­ter als mei­nungs­füh­ren­der Exper­te für den Schie­nen­ver­kehr auf­tre­ten und damit an Bekannt­heit auch in der Öffent­lich­keit zule­gen, so wie der TCS oder ASTAG.

Wem würden Sie eine Zusammenarbeit mit dem VAP empfehlen?

Allen, die sich für den Schie­nen­gü­ter­ver­kehr inter­es­sie­ren. Dabei denke ich vor allem an Ver­bän­de von ande­ren Ver­kehrs­trä­gern. Es geht schon lange nicht mehr nur um Schie­ne ver­sus Stras­se, son­dern um eine sinn­vol­le mul­ti­mo­da­le Ko-Existenz.

Was kam in diesem Gespräch noch nicht zur Sprache?

Das Thema Nach­hal­tig­keit. Der Schie­nen­gü­ter­ver­kehr gehört zu den wich­tigs­ten Trei­bern und Trä­gern eines nach­hal­ti­gen Trans­ports. Das war übri­gens auch einer der Beweg­grün­de, warum ich vor 30 Jah­ren bei der WASCOSA die Nach­fol­ge mei­nes Schwie­ger­va­ters ange­tre­ten habe.

 

Herr Müller, vielen Dank für das interessante Gespräch.
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