INTEROPERABILITÄT

Der VAP setzt sich für die Inter­ope­ra­bi­li­tät ein. Das heisst die Har­mo­ni­sie­rung der Rah­men­be­din­gun­gen, damit Züge frei­zü­gig auf euro­päi­schen Schie­nen­net­zen ver­keh­ren kön­nen.

Der Schwei­zer Güter­trans­port kennt keine Gren­zen. Viele unse­rer Mit­glie­der sind inter­na­tio­nal tätig und bedie­nen den EU-Raum regel­mäs­sig. Damit wir Ihnen die­sen Zugang zu einem inter­es­san­ten Markt­po­ten­zi­al auch in Zukunft gewäh­ren kön­nen, enga­gie­ren wir uns auf inter­na­tio­na­lem Parkett.

 

  • Die «Inter­na­tio­nal Union of Wag­on­kee­pers» – kurz UIP – betreibt euro­päi­sche Güter­ver­kehrs­po­li­tik. Wir vom VAP haben die UIP 1950 gegrün­det und las­sen seit­her die Schwei­zer Per­spek­ti­ve in Euro­pa einfliessen.
  • Die «Euro­pean Rail Freight Asso­cia­ti­on» bringt ihr Ziel auf den Punkt: «We deli­ver com­pe­ti­ti­on!» (Wir lie­fern Wett­be­werbs­fä­hig­keit!). Auch die­ser Orga­ni­sa­ti­on sind wir eng ver­bun­den und stel­len ihren Vizepräsidenten.
Bilaterale III: Schweiz muss an der Zukunft des Schienengüterverkehrs mitwirken

Bilaterale III: Schweiz muss an der Zukunft des Schienengüterverkehrs mitwirken

Der Bun­des­rat hat mit dem defi­ni­ti­ven Ver­hand­lungs­man­dat den Auf­takt zu den Bila­te­ra­len III gege­ben. Die Ver­hand­lun­gen um die soge­nann­ten Bila­te­ra­len III haben am 18. März 2024 begon­nen. Wir vom VAP unter­stüt­zen die Bestre­bun­gen des Man­dats im Bereich Land­ver­kehr. Die Schweiz muss die tief­grei­fen­de Sys­tem­er­neue­rung des Schie­nen­gü­ter­ver­kehrs mit­ge­stal­ten können.

Darum geht’s:

  • Bezie­hun­gen Schweiz-EU stabilisieren
  • Man­dat berück­sich­tigt Ängs­te von SBB und Gewerkschaften
  • VAP begrüsst Fort­set­zung des Dialogs
  • Kräf­te zuguns­ten der Bahn als Ver­kehrs­trä­ger der Zukunft bündeln

 

Beziehungen Schweiz-EU stabilisieren

Der Bun­des­rat hat an sei­ner Sit­zung vom 8. März 2024 das Man­dat für die Ver­hand­lung mit der Euro­päi­schen Union (EU) ver­ab­schie­det. Die Ver­hand­lun­gen um das umfas­sen­de Paket sol­len die bila­te­ra­len Bezie­hun­gen zwi­schen der Schweiz und der Euro­päi­schen Union sta­bi­li­sie­ren und wei­ter­ent­wi­ckeln. Sie haben am 18. März 2024 gestar­tet. In sei­nem Man­dat hat der Bun­des­rat eine Reihe von Emp­feh­lun­gen über­nom­men, dar­un­ter die Markt­öff­nung im Strom­sek­tor, den Erhalt des Koope­ra­ti­ons­mo­dells im Land­ver­kehrs­be­reich und die Bei­be­hal­tung der Zoll­ta­ri­fe im Agrar­sek­tor. Wei­te­re über­nom­me­ne Emp­feh­lun­gen betref­fen Zuwan­de­rung, Lohn­schutz und insti­tu­tio­nel­le Elemente.

Mandat berücksichtigt Ängste von SBB und Gewerkschaften

In sei­nem «Bericht über die Ergeb­nis­se der Kon­sul­ta­ti­on zum Ent­wurf eines Ver­hand­lungs­man­dats zwi­schen der Schweiz und der Euro­päi­schen Union über die Sta­bi­li­sie­rung und Wei­ter­ent­wick­lung ihrer Bezie­hun­gen» hält der Bun­des­rat fest, dass das Modell der SBB-Koope­ra­tio­nen im inter­na­tio­na­len Schie­nen­per­so­nen­ver­kehr wei­ter­hin mög­lich bleibt, die Schweiz nach wie vor Zug­tras­sen zuwei­sen darf und die Regeln für den inter­na­tio­na­len Per­so­nen­ver­kehr die Schwei­zer Qua­li­tät des öffent­li­chen Schie­nen­ver­kehrs nicht ver­schlech­tern dür­fen. Wei­ter garan­tiert er in sei­nem Ver­hand­lungs­man­dat Tarif­in­te­gra­ti­on, Takt­fahr­plan sowie die Ver­kehrs­ver­la­ge­rung von der Stras­se auf die Schie­ne. Der regu­la­to­ri­sche Dia­log im Finanz­be­reich zwi­schen der Schweiz und der EU wird wie­der auf­ge­nom­men. Damit zer­streut er die unbe­grün­de­te Angst von SBB und Gewerk­schaf­ten vor den «dunk­len Mäch­ten» des Wettbewerbs.

VAP begrüsst Wiederaufnahme des Dialogs

In unse­rer Stel­lung­nah­me vom 12. Febru­ar 2024 begrüs­sen wir vom VAP, dass sich die Regie­rung – ins­be­son­de­re das Bun­des­amt für Ver­kehr (BAV) und das Depar­te­ment für Umwelt, Ver­kehr, Ener­gie und Kom­mu­ni­ka­ti­on (UVEK) – trotz der bestehen­den poli­ti­schen Blo­cka­de zwi­schen der Schweiz und der EU wei­ter bemüht, das Schlüs­sel­dos­sier für den Bahn­sek­tor in rea­lis­ti­schen Teil­schrit­ten vor­an­zu­brin­gen. Schliess­lich bie­tet eine Markt­öff­nung der Schweiz inter­es­san­te Chan­cen wie gesi­cher­te Inter­ope­ra­bi­li­tät, mehr Inno­va­ti­ons­kraft und höhe­re Leis­tungs­fä­hig­keit. In die­sem Kon­text unter­stüt­zen wir auch die Revi­si­on des Eisen­bahn­ge­set­zes und heis­sen es gut, dass bereits kon­kre­te Anpas­sungs­vor­schlä­ge auf Ver­ord­nungs­stu­fe bestehen.

Gera­de die Rea­li­sie­rung der ERA-Mit­glied­schaft für die Schweiz im Nach­gang zu den erfolg­rei­chen Ver­hand­lun­gen erach­ten wir als nächs­ten Mei­len­stein. Die ERA hat näm­lich spe­zi­ell für die Schweiz den Exper­ten­sta­tus geschaf­fen. Dem­nach dür­fen Schwei­zer Exper­ten schon heute in den Gre­mi­en der ERA zur Wei­ter­ent­wick­lung der gemein­sa­men Spe­zi­fi­ka­tio­nen mit­ar­bei­ten. Zudem über­nimmt die Schweiz seit Jah­ren sys­te­ma­tisch Regeln aus der lnter­ope­ra­bi­li­täts­richt­li­nie und der Sicher­heits­richt­li­nie der EU. Die Schweiz hat ins­ge­samt ein gros­ses Inter­es­se, sich den Zugang zum euro­päi­schen Bahn­sek­tor bald­mög­lichst durch eine voll­wer­ti­ge ERA-Mit­glied­schaft nach­hal­tig zu sichern – nicht nur mit­zu­ar­bei­ten son­dern auch mitzuentscheiden.

Wir unter­stüt­zen das vor­lie­gen­de Ver­hand­lungs­man­dat im Bereich Land­ver­kehr. Die seit Jah­ren nicht umge­setz­te Markt­öff­nung im inter­na­tio­na­len Per­so­nen­ver­kehr ist aus unse­rer Sicht nötig und bie­tet trotz der auf­er­leg­ten Restrik­tio­nen Chan­cen für inter­es­san­te Ent­wick­lun­gen. Das Vor­ge­hen zur Inte­gra­ti­on der insti­tu­tio­nel­len Ele­men­te in die sek­to­ri­el­len Abkom­men ist aus unse­ren bis­he­ri­gen Erfah­run­gen bei der Rechts­ent­wick­lung mit Ein­be­zug der Exper­ten der Schweiz vertretbar.

Kräfte zugunsten der Bahn als Verkehrsträger der Zukunft bündeln

Der Schie­nen­gü­ter­ver­kehr soll dank Inno­va­ti­on wie­der Markt­an­teil gewin­nen – das möch­te die EU und das möch­te auch die Schweiz. Aller­dings benö­ti­gen wir dazu lang­fris­ti­ge Stra­te­gien und star­ke Inves­to­ren. Sta­bi­li­tät bil­det die unver­zicht­ba­re Basis für inter­na­tio­na­le Ver­kehrs­ko­ope­ra­tio­nen (vgl. Blog­bei­trag «Sta­bi­li­tät als unver­zicht­ba­re Basis für die inter­na­tio­na­le Ver­kehrs­ko­ope­ra­ti­on»). Die Inno­va­ti­on für den künf­ti­gen Schie­nen­gü­ter­ver­kehr mit Digi­ta­li­sie­rung und Auto­ma­ti­sie­rung wird aktu­ell in der EU erar­bei­tet. Die Schweiz will sich an der Gestal­tung die­ser tief­grei­fen­den Sys­tem­er­neue­rung des Schie­nen­gü­ter­ver­kehrs betei­li­gen und mit­be­stim­men. Das ist in effi­zi­en­ter und nach­hal­ti­ger Weise nur mög­lich, wenn poli­ti­sche Dif­fe­ren­zen aus­ge­räumt wer­den und über die künf­ti­ge Zusam­men­ar­beit aus­rei­chend Klar­heit besteht. Dazu gehö­ren eine Wie­der­auf­nah­me der Schweiz im For­schungs- und Inno­va­ti­ons­pro­gramm Hori­zon 2020, eine Aktua­li­sie­rung des Land­ver­kehrs­ab­kom­mens zwi­schen der Schweiz und der EU und bila­te­ra­le Abkom­men zu Grenz­be­triebs­stre­cken mit unse­ren Nachbarländern.

Stabilität als unverzichtbare Basis für die internationale Verkehrskooperation

Stabilität als unverzichtbare Basis für die internationale Verkehrskooperation

Ein wei­te­res Mal konn­te der Sta­tus Quo im Gemisch­ten Aus­schuss zum Land­ver­kehrs­ab­kom­men, trotz düs­te­rer Aus­sich­ten, geret­tet wer­den. Die EU gesteht der Schweiz im 2024 erneut auf Jah­res­frist begrenzt Zugang zu der ERA-Daten­platt­form OSS. Wie lange will die Schweiz mit die­sen Zit­ter­par­tien noch weiterarbeiten?

Darum geht’s:

  • Wel­ches Ziel ver­folgt das Bun­des­amt für Verkehr?
  • Warum ist die inter­na­tio­na­le Zusam­men­ar­beit bedeutend?
  • Die Schweiz muss sich bewegen
  • Sta­bi­li­tät ist für die Lösung anste­hen­der Auf­ga­ben zentral

 

Welches Ziel verfolgt das Bundesamt für Verkehr?

Züge sol­len grenz­über­schrei­tend mög­lichst hin­der­nis­frei ver­keh­ren kön­nen. Das Schwei­zer Nor­mal­spur­netz bil­det einen zen­tra­len Teil des inter­ope­ra­blen euro­päi­schen Schie­nen­net­zes (Sin­gle Euro­pean Rail­way Area). Damit dies mög­lich ist, gleicht das BAV die hoheit­li­chen Schwei­zer Bahn­vor­schrif­ten peri­odisch an die aktu­el­len euro­päi­schen Regeln der Inter­ope­ra­bi­li­täts-Richt­li­nie und der Sicher­heits-Richt­li­nie an. Die Schweiz soll im Ver­ant­wor­tungs­be­reich der EU-Ver­kehrs­kom­mis­si­on (DG MOVE) als den Mit­glied­staa­ten gleich­wer­ti­ger Part­ner agie­ren kön­nen. In die­ser bila­te­ra­len Zusam­men­ar­beit spielt das Land­ver­kehrs­ab­kom­men die zen­tra­le Rolle. Rati­fi­zier­te Ver­ein­ba­run­gen schaf­fen Rechts­si­cher­heit und Planbarkeit.

Warum ist die internationale Zusammenarbeit bedeutend?

Die EU will das bestehen­de natio­nal gepräg­te Bahn­sys­tem von Grund auf erneu­ern und es zum star­ken Ver­kehrs­trä­ger der Zukunft wei­ter­ent­wi­ckeln. Moder­ne Züge sol­len künf­tig auf einem leis­tungs­fä­hi­gen und stan­dar­di­sier­ten Schie­nen­netz hin­der­nis­frei grenz­über­schrei­tend ver­keh­ren. Für diese tief­grei­fen­de Trans­for­ma­ti­on müs­sen der Bahn­be­trieb von Grund auf neu kon­zi­piert sowie neue stan­dar­di­sier­te Sys­te­me mit trans­pa­ren­ten Schnitt­stel­len ent­wi­ckelt und ein­ge­führt wer­den. Dies gelingt nur mit einer zen­tra­len Koor­di­na­ti­on und einer geführ­ten län­der­über­grei­fen­den Zusam­men­ar­beit. Das 2019 in Kraft gesetz­te 4. Bahn­pa­ket bil­det dazu die recht­li­che Grund­la­ge: Die ERA ist als euro­päi­sche Agen­tur neu für die fach­li­che Gestal­tung ein­heit­li­cher Ver­fah­ren und Regeln sowie für die Füh­rung euro­päi­scher Bewil­li­gungs­ver­fah­ren ver­ant­wort­lich. Für die erfor­der­li­chen Ent­wick­lun­gen schuf die EU mit «Europe’s Rail» als Teil von «Hori­zon» neue umfas­sen­de Orga­ni­sa­tio­nen und stat­te­te sie mit beträcht­li­chen finan­zi­el­len Mit­teln aus. Minis­te­ri­en, Bahn­un­ter­neh­mun­gen, Ver­bän­de und Indus­trie sind auf­ge­for­dert in den zahl­rei­chen Arbeits­grup­pen des ERJU bestehend aus dem Sys­tem- und dem Inno­va­ti­on Pil­lar aktiv mit­zu­ar­bei­ten und ihr Fach­wis­sen zur Gestal­tung des zukünf­ti­gen euro­päi­schen Bahn­sys­tems ein­zu­brin­gen. Das Thema «DAK» ist übri­gens auch ein inte­gra­ler Bestand­teil die­ser Organisation.

Die Schweiz muss sich bewegen

Die Schweiz über­nahm in den ver­gan­ge­nen 25 Jah­ren viele Ele­men­te aus der neu gestal­te­ten EU-Bahn­welt. Dank der nach­ge­wie­se­nen Äqui­va­lenz wur­den wich­ti­ge Schrit­te zur Inte­gra­ti­on in das euro­päi­sche Bahn­sys­tem erreicht. Der Ent­scheid des Bun­des­ra­tes zum Abbruch der Ver­hand­lun­gen über ein insti­tu­tio­nel­les Abkom­men (InstA) führ­te auch im Ver­kehrs­sek­tor dazu, dass seit 2021 keine sub­stan­ti­el­le Wei­ter­ent­wick­lung des Land­ver­kehrs­ab­kom­mens mehr mög­lich ist. Die Schweiz muss sich jetzt zwi­schen Iso­la­ti­on und Zusam­men­ar­beit entscheiden.

Stabilität ist für die Lösung anstehender Aufgaben zentral

Die umfas­sen­de Trans­for­ma­ti­on der bestehen­den stark natio­nal gepräg­ten euro­päi­schen Bah­nen in ein moder­nes leis­tungs­fä­hi­ges Gesamt­trans­port­sys­tems bedarf einer gemein­sa­men koor­di­nier­ten Anstren­gung – Allein­gän­ge könn­ten gra­vie­ren­de Fol­gen haben. Wer dazu­ge­hört kann mit­wir­ken und aktiv mitgestalten.

Die Schweiz muss jetzt ihre Haus­auf­ga­ben erledigen:

  • poli­ti­sche Dif­fe­ren­zen mit der EU bereinigen
  • Teil­nah­me im For­schungs­pro­gramm «Hori­zon 2020» nach­hal­tig wie­der sicherstellen
  • Aktua­li­sie­rung des Land­ver­kehrs­ab­kom­mens EU-CH 
    • Bahn­pa­ket Markt­teil umset­zen (Markt­öff­nung min­des­tens im inter­na­tio­na­len Personenverkehr)
    • Bahn­pa­ket kom­plet­tie­ren (EBV anpas­sen, ERA-Mit­glied­schaft, Aner­ken­nen ERA-Bewil­li­gun­gen, Rege­lung der ERA-Kompetenzen)
  • Bila­te­ra­le Abkom­men zu Grenz­be­triebs­stre­cken reaktivieren

Ver­kehr und Logis­tik ist län­der­über­grei­fend. Die geplan­te Migra­ti­on zur Digi­ta­li­sie­rung und Auto­ma­ti­sie­rung der Bah­nen erfor­dert einer­seits die Bereit­schaft zu tief­grei­fen­den Ver­än­de­run­gen und ande­rer­seits zu gros­sen Inves­ti­tio­nen. Bei­des wird in effi­zi­en­ter und nach­hal­ti­ger Weise nur mög­lich sein, wenn über die künf­ti­ge Zusam­men­ar­beit aus­rei­chend Klar­heit besteht.

Marco Rosso: «Kollaborative Innovation kann zur Lebensqualität beitragen und zugleich rentabel funktionieren.»

Marco Rosso: «Kollaborative Innovation kann zur Lebensqualität beitragen und zugleich rentabel funktionieren.»

Marco Rosso ist Ver­wal­tungs­rats­prä­si­dent der Cargo sous ter­rain AG (CST). Im Inter­view mit dem VAP spricht er über Inter­ope­ra­bi­li­tät, Dis­kri­mi­nie­rungs­frei­heit auf der letz­ten Meile und die Logis­tik der Zukunft. Und dar­über, wie kol­la­bo­ra­ti­ve Inno­va­ti­on zur Lebens­qua­li­tät der Men­schen in der Schweiz bei­tra­gen und gleich­zei­tig gewinn­brin­gend funk­tio­nie­ren kann.

VAP: Herr Rosso, wie sehen Sie in Zukunft das Ver­hält­nis von Schie­nen­gü­ter­ver­kehr zu CST?

Marco Rosso: Die Schie­ne und CST sind zwei Sys­te­me, die sich ergän­zen. CST koope­riert mit allen Ver­kehrs­trä­gern, um gemein­sam das pro­gnos­ti­zier­te Güter­ver­kehrs­wachs­tum von über 30% bis 2050 auf eine inno­va­ti­ve, nach­hal­ti­ge Art zu absor­bie­ren. Weil CST nicht für alle Trans­por­te geeig­net ist, unter­stützt das Unter­neh­men mit neuer Tech­no­lo­gie und Digi­ta­li­sie­rung die Geschäfts­mo­del­le von Bahn, Stras­sen­trans­por­teu­ren und wei­te­ren Logis­tik­ak­teu­ren. Nur mit Koope­ra­tio­nen (im Rah­men der Wett­be­werbs­re­geln) kann die Inter­ope­ra­bi­li­tät unter den ver­schie­dens­ten Ver­kehrs­trä­gern und Trans­port­un­ter­neh­mun­gen gewähr­leis­tet wer­den. Des­halb plant CST die Anbin­dung an Bahn, Stras­se, Schiff, Luft­fracht und wei­te­re Sys­te­me. An den CST-Hubs wird es mul­ti­mo­da­le Anschlüs­se, ins­be­son­de­re auch einen Bahn­an­schluss, geben. In der Bau­pha­se, bereits ab 2026 und bis 2045, nutzt CST Bahn­trans­por­te im Umfang von 2000 Güter­zü­gen pro Jahr und wird damit zu einem wich­ti­gen Kun­den der Schiene.

Soll­te nicht der Staat die Infra­struk­tur erstel­len und der Betrieb in den Tun­nels, eben­so der Betrieb der Ter­mi­nals und der letzten/ersten Meile wären dann frei und wür­den einem Wett­be­werb unterliegen?

CST ist ein Sys­tem, das nur als Gan­zes funk­tio­niert, weil alle Pro­zes­se End-to-End gesteu­ert sind. Nur so kön­nen die Stück­gü­ter zeit­ge­nau und zuver­läs­sig zum Ziel gelan­gen. Aus die­sem Grund muss das Sys­tem aus einer Hand geführt wer­den und gleich­zei­tig anschluss­fä­hig sein an alle Part­ner­platt­for­men. CST ist von Beginn weg als pri­vat­wirt­schaft­li­ches Pro­jekt geplant und kon­zi­piert. Mit die­sem Finan­zie­rungs­kon­zept ist es mög­lich und wich­tig, rasch vor­an­zu­kom­men, ohne die Mit­tel im Bun­des­bud­get zu belas­ten. Bei den Inves­to­ren sind auch wich­ti­ge künf­ti­ge Kun­den dabei. Sie hel­fen, das Sys­tem markt­ge­recht zu ent­wi­ckeln. Der Bund hat erkannt, dass es nicht zweck­dien­lich wäre, sel­ber als Erstel­ler auf­zu­tre­ten, son­dern sich auf die gesetz­li­chen Rah­men­be­din­gun­gen zu beschrän­ken. Mit sorg­fäl­tig aus­ge­ar­bei­te­ten Busi­ness­plä­nen, kon­kur­renz­fä­hi­gen Prei­sen und der Brei­te der Inves­to­ren­ba­sis, die das Pro­jekt mit­trägt, zeigt CST, dass Inno­va­ti­on im Güter­trans­port zur Lebens­qua­li­tät in Stadt und Land bei­trägt und zugleich ren­ta­bel funk­tio­nie­ren kann.

Wo sehen Sie die gröss­ten Her­aus­for­de­run­gen in Ihrem Projekt?

Ein der­art umfas­sen­des Vor­ha­ben bie­tet viel­fäl­ti­ge Her­aus­for­de­run­gen, etwa in pla­ne­ri­scher, juris­ti­scher, umwelt­recht­li­cher, finan­zi­el­ler und poli­ti­scher Hin­sicht. Was CST aus­zeich­net ist das Modell der kol­la­bo­ra­ti­ven Inno­va­ti­on – mit Ein­be­zug aller Stake­hol­der. Die Her­aus­for­de­run­gen geht das Pro­jekt prag­ma­tisch in Etap­pen an.

Wie gestal­ten Sie eine dis­kri­mi­nie­rungs­freie erste/letzte Meile?

Dis­kri­mi­nie­rungs­frei ist unser Sys­tem ohne­hin von Anfang an geplant, ohne dass es das Gesetz ver­langt hätte. Durch­wegs gilt: Alle haben Zutritt zum Sys­tem mit glei­chem Preis bei glei­cher Leis­tung. Wir gehen aber noch wei­ter, indem wir zum Bei­spiel die City­lo­gis­tik von CST part­ner­schaft­lich-kol­la­bo­ra­tiv ent­wi­ckeln und offen sind für jeg­li­che Zusam­men­ar­beit mit klei­ne­ren sowie grös­se­ren Part­nern, dar­un­ter auch Bahn und Post. Auch hier ist unser Prin­zip die kol­la­bo­ra­ti­ve Inno­va­ti­on, die wir tag­täg­lich leben.

Was ist der gröss­te Vor­teil oder die gröss­te Moti­va­ti­on von CST für die Schwei­zer Bevölkerung?

Der wich­tigs­te Effekt von CST wird die Stei­ge­rung von Lebens­qua­li­tät für alle Ein­woh­ne­rin­nen und Ein­woh­ner der Schweiz sein. Indem wir einen Weg auf­zei­gen, wie die Logis­tik der Zukunft nach­hal­tig aus­se­hen kann, wie sich Schwer­ver­kehr auf der Stras­se durch ver­la­der­über­grei­fen­de Bün­de­lung und Vor­sor­tie­rung im Tun­nel weg­brin­gen bezie­hungs­wei­se ein Stau zur Güter­ver­sor­gung unter­fah­ren lässt, wie man aus den vor­han­de­nen Res­sour­cen das Beste bezüg­lich CO2-Aus­stoss, Lärm etc. her­aus­holt. Der kost­ba­re Platz an der Ober­flä­che soll in ers­ter Linie der Bevöl­ke­rung gehö­ren. CST begüns­tigt den Aus­bau von Infra­struk­tur wie auch der erneu­er­ba­ren Ener­gien in der Schweiz. CST ist ein pri­vat finan­zier­ter Inno­va­ti­ons­mo­tor zum Nut­zen der Schwei­zer Wirt­schaft und für Lebens­qua­li­tät in Städ­ten und Dör­fern, indem es die Ver­sor­gungs­si­cher­heit garan­tiert und damit den Wohl­stand in der Schweiz erhöht.

Gibt es Punk­te, die wir unse­ren Mit­glie­dern aus Ihren Augen noch wis­sen las­sen sollten?

Es ste­hen ent­schei­den­de Wei­chen­stel­lun­gen und Dis­kus­sio­nen bevor, gera­de auch vor dem Hin­ter­grund der poli­ti­schen Debat­ten um den Güter­ver­kehr. Wir sind fest davon über­zeugt, dass wir mit einer unter­neh­me­ri­schen Hal­tung einen effek­ti­ven Bei­trag leis­ten kön­nen, um die Schweiz im 21. Jahr­hun­dert als exzel­len­ten Wirt­schafts­stand­ort mit hoher Lebens­qua­li­tät auch für künf­ti­ge Gene­ra­tio­nen zu erhal­ten. An die­ser Arbeit betei­li­gen wir uns mit Begeis­te­rung und Engagement.

Herr Rosso, vie­len Dank für das Gespräch.

Revision des Eisenbahngesetzes: Volle Wirkung könnte ausbleiben

Revision des Eisenbahngesetzes: Volle Wirkung könnte ausbleiben

Der Natio­nal­rat hat am 12. Sep­tem­ber 2023 der Revi­si­on des Eisen­bahn­ge­set­zes (EBG) zuge­stimmt, nach­dem der Stän­de­rat diese bereits in der Som­mer­ses­si­on 2023 ein­stim­mig ange­nom­men hat. Aller­dings kann die EBG-Revi­si­on nicht voll­stän­dig umge­setzt wer­den, solan­ge das 4. EU-Eisen­bahn­pa­ket nicht ins Land­ver­kehrs­ab­kom­men auf­ge­nom­men oder die Über­gangs­lö­sung mit der EU ver­län­gert wird. Es könn­ten also Inef­fi­zi­en­zen bestehen bleiben.

 Darum geht’s:
  • Was bis­her geschah
  • Die Schweiz hat drei EU-Eisen­bahn­pa­ke­te übernommen
  • Revi­dier­tes EBG schafft äqui­va­len­te Bedingungen
  • Ver­ord­nun­gen sind eben­falls anzupassen
  • Auf­nah­me des 4. EU-Eisen­bahn­pa­kets ins Land­ver­kehrs­ab­kom­men nötig

 

Was bisher geschah

Seit dem 16. Juni 2019 ist das 4. EU-Eisen­bahn­pa­ket in Kraft und die EU-Eisen­bahn­agen­tur (ERA) neu für das Ertei­len von ein­heit­li­chen Sicher­heits­be­schei­ni­gun­gen und Zulas­sun­gen von Roll­ma­te­ri­al für den grenz­über­schrei­ten­den Ver­kehr zustän­dig. In der Som­mer­ses­si­on 2023 hat der Stän­de­rat dem Antrag sei­ner Kom­mis­si­on auf Zustim­mung für die Ände­rung des EBG (Umset­zung der tech­ni­schen Säule des 4. EU-Eisen­bahn­pa­kets) stattgegeben.

Das 4. EU-Bahn­pa­ket ent­hält drei wesent­li­che Elemente:

  1. Die anzu­wen­den­den Vor­schrif­ten sol­len in allen betei­lig­ten Staa­ten sys­te­ma­tisch har­mo­ni­siert wer­den. Dies geschieht durch insti­tu­tio­nel­le Inkraft­set­zungs­ver­fah­ren der tech­ni­schen Spe­zi­fi­ka­tio­nen Inter­ope­ra­bi­li­tät, TSI und deren Aktua­li­sie­run­gen. Damit sind von der EU-Kom­mis­si­on publi­zier­te TSI neu unmit­tel­bar in allen Staa­ten gül­tig; es braucht keine natio­na­len Umset­zungs­pro­zes­se mehr.
  2. Die ERA über­wacht Abbau von über­hol­ten natio­na­len Vor­schrif­ten durch die zustän­di­gen natio­na­len Aufsichtsbehörden.
  3. Die ERA koor­di­niert neu die Zulas­sungs­ver­fah­ren und erlässt ein­heit­li­che, län­der­über­grei­fend gül­ti­ge Betriebsbewilligungen.

Die ERA betreibt das Online-Fahr­zeug­zu­las­sungs­por­tal «One Stop Shop». Bei den Prü­fun­gen der Zulas­sungs­dos­siers arbei­tet sie eng mit den natio­na­len Auf­sichts­be­hör­den zusam­men. Heute kann im «One Stop Shop» der ERA ein Antrag auf Zulas­sung gestellt und das ent­spre­chen­de Dos­sier ein­ge­reicht wer­den. Die ERA prüft unter Ein­be­zug der betei­lig­ten natio­na­len Auf­sichts­be­hör­den das Dos­sier und ver­fügt eine in allen bean­trag­ten Län­dern direkt gül­ti­ge Betriebsbewilligung.

Die Schweiz hat drei EU-Eisenbahnpakete übernommen

Die Schweiz hat die rele­van­ten tech­ni­schen Bestim­mun­gen der drei EU-Eisen­bahn­pa­ke­te im Rah­men des Land­ver­kehrs­ab­kom­mens mit der EU über­nom­men. Sie sitzt bereits heute als Beob­ach­te­rin in den rele­van­ten Gre­mi­en zur lau­fen­den Ent­wick­lung der Inter­ope­ra­bi­li­tät ein und koope­riert mit der ERA. Ein Bei­tritt zur ERA war bis anhin nicht möglich.

Revidiertes EBG schafft äquivalente Bedingungen

Die tech­ni­sche Säule des 4. EU-Eisen­bahn­pa­kets umfasst die Über­ar­bei­tung der Vor­ga­ben für Inter­ope­ra­bi­li­tät (RL 2016/797) und für die Eisen­bahn­si­cher­heit (RL 2016/798). Eben­falls ent­hal­ten ist die Wei­ter­ent­wick­lung der ERA zur EU-Auf­sichts­be­hör­de mit dem One Stop Shop für ver­ein­heit­lich­te Ver­fah­ren (vgl. Blog­ar­ti­kel «Der Schweiz droht Iso­la­ti­on im inter­na­tio­na­len Bahn­ver­kehr»). Mit der Revi­si­on des Eisen­bahn­ge­set­zes wird das Fun­da­ment gelegt, damit die tech­ni­sche Säule des 4. Bahn­pa­kets umge­setzt wer­den kann. Dem­nach sol­len für sämt­li­che inter­ope­ra­bel arbei­ten­den Schwei­zer Bah­nen gleich­wer­ti­ge Bedin­gun­gen wie für EU-Mit­glied­staa­ten gel­ten und der Zugang zum ver­ein­fach­ten Zulas­sungs­ver­fah­ren soll via ERA geöff­net werden.

Verordnungen sind ebenfalls anzupassen

Auf der Basis der Anpas­sun­gen im EBG kann das BAV in einem zwei­ten Schritt auf Ver­ord­nungs­ebe­ne die erfor­der­li­che Kon­for­mi­tät zu den EU-Richt­li­ni­en her­stel­len. Des­halb hat es die ent­spre­chen­den Anpas­sungs­ent­wür­fe der Ver­ord­nun­gen bereits vor­be­rei­tet und von der EU-Kom­mis­si­on prü­fen las­sen – mit posi­ti­vem Ergeb­nis. Damit hat die Schweiz eigen­stän­dig die Grund­la­ge für die Gleich­wer­tig­keit ihrer Gesetz­ge­bung mit der­je­ni­gen der EU geschaffen.

Aufnahme des 4. EU-Eisenbahnpakets ins Landverkehrsabkommen nötig

Mit der umge­setz­ten EBG-Revi­si­on hat die Schweiz wert­vol­le Zeit gewon­nen. Denn bis sich eine Geset­zes­re­vi­si­on in Kraft set­zen lässt, ver­ge­hen in der Regel meh­re­re Jahre. In die­sem Fall lie­gen die natio­na­len gesetz­li­chen Rah­men­be­din­gun­gen bereits vor. Zu ihrer vol­len Wir­kung sind jedoch die Auf­nah­me der tech­ni­schen Säule des 4. EU-Eisen­bahn­pa­kets ins Land­ver­kehrs­ab­kom­men und der Bei­tritt zur ERA nötig. Bei­des ist im Kon­text der sto­cken­den Ver­hand­lun­gen zwi­schen der EU und der Schweiz vor­erst nicht abseh­bar. Die EU setzt dafür eine Eini­gung im Rah­men­ab­kom­men und bei der Öff­nung des Per­so­nen­ver­kehrs in der Schweiz vor­aus (Teil des 3. EU-Eisen­bahn­pa­kets). Letz­te­re blieb bis­her aus; sämt­li­che Ver­su­che des BAV für ein Ent­ge­gen­kom­men durch eine Auf­wei­chung der Markt­ab­schot­tung durch die Schweiz blie­ben bis­her erfolglos.

Volle Inter­ope­ra­bi­li­tät und eine grund­le­gen­de Ver­ein­fa­chung der Zulas­sungs­ver­fah­ren redu­zie­ren die admi­nis­tra­ti­ven und betrieb­li­chen Kos­ten. Das ist für einen siche­ren und wett­be­werbs­fä­hi­gen Schienen(güter)verkehr und damit für eine erfolg­rei­che Ver­kehrs­ver­la­ge­rung fundamental.

Gotthardbasistunnel (#4): Sicherheitskritische Bauteile von Güterwagen

Gotthardbasistunnel (#4): Sicherheitskritische Bauteile von Güterwagen

Die öffent­lich publi­zier­ten Infor­ma­tio­nen zur Güter­bahn­ent­glei­sung im Gott­hard­ba­sis­tun­nel deu­ten auf eine gebro­che­ne Rad­schei­be an einem ent­gleis­ten Güter­wa­gen hin. Über­be­an­spru­chung oder Mate­ri­al­feh­ler ste­hen als mög­li­che Ursa­che des Ver­sa­gens im Raum. Was tat­säch­lich geschah, bleibt den lau­fen­den Unter­su­chun­gen der Schwei­ze­ri­schen Unfall­un­ter­su­chungs­stel­le (Sust) vorbehalten.

Darum geht’s:

  • Wie wer­den sicher­heits­kri­ti­sche Bau­tei­le gefertigt?
  • Wie wer­den sie zuge­las­sen und in Betrieb genommen?
  • Wie wer­den sie gewartet?
  • Wel­che Bedeu­tung hat die Über­wa­chung im täg­li­chen Betrieb?
  • Wel­che Über­wa­chungs­mög­lich­kei­ten ste­hen zur Verfügung?
  • Ein­heit­li­che Rege­lun­gen ermög­li­chen siche­res Zusam­men­wir­ken der Akteure
  • Aus­blick digi­ta­le auto­ma­ti­sche Kupp­lung (DAK)

Wie wer­den sicher­heits­kri­ti­sche Bau­tei­le gefer­tigt?
Sicher­heits­re­le­van­te und ‑kri­ti­sche Bau­tei­le wie Rad­sät­ze wer­den so aus­ge­legt, dass sie ihre Auf­ga­be wäh­rend der geplan­ten Nut­zungs­dau­er unter den vor­herr­schen­den Betriebs- und Ein­satz­be­din­gun­gen erfül­len und damit eine siche­re Fahrt gewähr­leis­tet ist. Dabei wen­den die Her­stel­ler­fir­men inter­na­tio­nal aner­kann­te Stan­dards an:

  • Tech­ni­sche Spe­zi­fi­ka­tio­nen der Inter­ope­ra­bi­li­tät (TSI) legen grund­le­gen­de Anfor­de­run­gen fest.
  • Euro­päi­sche Nor­men (EN) defi­nie­ren die spe­zi­fi­schen Eigenschaften.
  • Her­stel­ler wen­den zur Ent­wick­lung und Prü­fung har­mo­ni­sier­te und stan­dar­di­sier­te Sicher­heits­me­tho­den an.
  • Nor­mier­te Sicher­heits­nach­wei­se und Gut­ach­ten doku­men­tie­ren Sicher­heit und Tauglichkeit.

In die Ent­wick­lung der Nor­men und TSI flies­sen die inter­na­tio­na­len Erfah­run­gen aus Vor- und Unfäl­len lau­fend ein.

Wie wer­den sie zuge­las­sen und in Betrieb genom­men?
Die Inver­kehr­brin­gung von sicher­heits­kri­ti­schen Bau­tei­len erfor­dert die inter­na­tio­nal ein­heit­li­che Geneh­mi­gung der euro­päi­schen Eisen­bahn­agen­tur (ERA) oder einer natio­na­len Sicher­heits­be­hör­de. Es sind dies:

  • Typen­zu­las­sun­gen für Bau­tei­le oder Fahrzeuge
  • Kon­for­mi­täts­nach­wei­se für bau­glei­che Seri­en­bau­tei­le oder Fahrzeuge
  • CE-Kenn­zeich­nung (Con­for­mi­té Euro­pé­en­ne) für ein Bau­teil, das die gel­ten­den EU-Richt­li­ni­en erfüllt
  • Betriebs­be­wil­li­gung für ein regel­kon­for­mes Fahrzeug

Die Beschei­ni­gung, dass Bau­tei­le nach den Anfor­de­run­gen von Nor­men und TSI gebaut wur­den, erfolgt durch soge­nannt «benann­te Stel­len», also staat­lich auto­ri­sier­te Stel­len. Diese prü­fen und bewer­ten die Regel­kon­for­mi­tät der gefer­tig­ten Produkte.

Wie wer­den sie gewar­tet?
Der Her­stel­ler ist ver­pflich­tet, für sämt­li­che Bau­tei­le oder Fahr­zeu­ge die anzu­wen­den­den Instand­hal­tungs­vor­ga­ben zu defi­nie­ren und zu publi­zie­ren. Fahr­zeug­hal­ter müs­sen diese Her­stel­ler­vor­ga­ben abge­stimmt auf die Ein­satz­be­din­gun­gen umset­zen. Sie bestim­men für ihr Roll­ma­te­ri­al zer­ti­fi­zier­te Instand­hal­tungs­stel­len (Enti­ty in Char­ge of Main­ten­an­ce, ECM). Diese erar­bei­ten die Instand­hal­tungs­vor­ga­ben der ihnen zuge­ord­ne­ten Fahr­zeu­ge unter Berück­sich­ti­gung eige­ner und Bran­chen­er­kennt­nis­se. Zudem pla­nen sie peri­odi­sche Arbei­ten, füh­ren sie durch und doku­men­tie­ren deren Ergeb­nis­se. Jedes für den Betrieb zuge­las­se­ne Fahr­zeug muss unter Nen­nung des Fahr­zeug­hal­ters und der ECM in einem amt­li­chen Fahr­zeug­re­gis­ter ein­ge­tra­gen sein.

Wel­che Bedeu­tung hat die Über­wa­chung im täg­li­chen Betrieb?
Die Eisen­bahn­ver­kehrs­un­ter­neh­men (EVU) sind für die siche­re Fahrt, Zug­vor­be­rei­tung, Zug­ab­fer­ti­gung und ande­re Sicher­heits­aspek­te ihrer Züge ver­ant­wort­lich. Sie legen die Prü­fun­gen und Tests fest, mit denen gewähr­leis­tet wird, dass jede Abfahrt sicher erfol­gen kann. Um diese Betriebs­taug­lich­keit fest­zu­stel­len, füh­ren aus­ge­bil­de­te Mit­ar­bei­ten­de vor der Abfahrt vor Ort defi­nier­te Sicht­kon­trol­len durch. Diese Arbeit fin­det zu jeder Tages­zeit und Wit­te­rung statt und ist äus­serst anspruchs­voll. Auch bei der Zugs­ab­fer­ti­gung und den damit ver­bun­de­nen Prü­fun­gen und Tests wird ein beson­de­res Augen­merk auf sicher­heits­kri­ti­sche Bau­tei­le gelegt.

Wel­che Über­wa­chungs­mög­lich­kei­ten ste­hen zur Ver­fü­gung?
Die Fahr­zeug­hal­ter sind für die ord­nungs­ge­mäs­se Instand­hal­tung ihrer Fahr­zeu­ge ver­ant­wort­lich. Sicher­heits­re­le­van­te und ‑kri­ti­sche Bau­tei­le wer­den peri­odisch kon­trol­liert, z.B. durch Ultra­schall­mes­sun­gen. Sicher­heits­kri­ti­sche Bau­tei­le unter­lie­gen nicht nur stren­gen Kon­trol­len, son­dern auch beson­de­ren Ver­pflich­tun­gen in Bezug auf Kenn­zeich­nung, Instand­hal­tung und Rück­ver­folg­bar­keit der Mass­nah­men. Die EVUs kön­nen vom Fahr­zeug­hal­ter wagen­spe­zi­fi­sche Aus­künf­te verlangen.

Auf dem Schwei­zer Nor­mal­spur­netz betrei­ben die Infra­struk­tur­be­trei­ber heute über 250 Zug­kon­troll­ein­rich­tun­gen. Sie über­wa­chen jedes vor­bei­fah­ren­de Fahr­zeug auf Unre­gel­mäs­sig­kei­ten und kön­nen im Falle von unzu­läs­si­gen Abwei­chun­gen Alarm aus­lö­sen. In die­sem Fall wird der betrof­fe­ne Zug sofort ange­hal­ten und kontrolliert.

Ein­heit­li­che Rege­lun­gen ermög­li­chen siche­res Zusam­men­wir­ken der Akteu­re
Im Bahn­be­trieb agie­ren ver­schie­de­ne Unter­neh­men zusam­men. Dabei muss sich jeder Akteur auf die Zuver­läs­sig­keit des ande­ren an der Schnitt­stel­le ver­las­sen kön­nen. Ihre Auf­ga­ben­be­rei­che und Ver­ant­wor­tun­gen sind inter­na­tio­nal klar und ein­heit­lich gere­gelt. Har­mo­ni­sier­te Vor­schrif­ten zu Her­stel­lung, Betrieb und Instand­hal­tung sor­gen für einen siche­ren Schie­nen­ver­kehr (mehr zum Regu­la­tiv der inter­na­tio­na­len Zusam­men­ar­beit lesen Sie in Kürze auf die­sem Blog).

Aus­blick digi­ta­le auto­ma­ti­sche Kupp­lung (DAK)
Neben der Umset­zung der gel­ten­den Vor­ga­ben durch jeden am Eisen­bahn­ver­kehr betei­lig­ten Akteur rücken neue Tech­no­lo­gien in den Mit­tel­punkt. Mit der Auto­ma­ti­sie­rung und Digi­ta­li­sie­rung las­sen sich nicht nur Betriebs­ab­läu­fe effi­zi­en­ter gestal­ten. Es eröff­nen sich auch neue Mög­lich­kei­ten zur betrieb­li­chen Über­wa­chung sicher­heits­re­le­van­ter und ‑kri­ti­scher Bau­tei­le in Güter­zü­gen. Die lau­fen­de digi­ta­le Zustands­er­fas­sung die­ser Bau­tei­le bie­tet den Ver­ant­wort­li­chen eine attrak­ti­ve Chan­ce. Wer­den Ver­schleiss- und Alte­rungs­pro­zes­se fahr­zeug­indi­vi­du­ell digi­ta­li­siert ver­folgt, so lässt sich die Instand­hal­tung bedarfs­ge­recht und effi­zi­ent pla­nen. Schad­haf­te Bau­tei­le kön­nen vor einem Total­ver­sa­gen ermit­telt und aus­ge­tauscht wer­den. Tritt wäh­rend der Fahrt uner­war­tet ein Bau­teil­aus­fall auf, kann das sofort Alarm auslösen.

Um diese Inno­va­ti­on im Güter­ver­kehr zu nut­zen, braucht es in den Güter­wa­gen Sen­so­rik, elek­tri­sche Ener­gie und Daten­kom­mu­ni­ka­ti­on zum Lok­füh­rer, in die Sys­te­me der Wagen­hal­ter und zur ECM. Mit der euro­pa­weit geplan­ten Ein­füh­rung der DAK wer­den diese Vor­aus­set­zun­gen geschaf­fen (vgl. Blog­post «Daten­öko­sys­te­me: Daten tei­len, um ihren Mehr­wert zu ver­dop­peln»). So ver­wan­deln die Auto­ma­ti­sie­rung und Digi­ta­li­sie­rung den her­kömm­li­chen Ver­kehr in einen intel­li­gen­ten, effi­zi­en­ten, resi­li­en­ten und siche­ren Verkehr.

Fahrdienstvorschriften: Bitte vereinfachen und international harmonisieren

Fahrdienstvorschriften: Bitte vereinfachen und international harmonisieren

Das Bun­des­amt für Ver­kehr (BAV) ent­wi­ckelt im Rah­men des Ände­rungs­zy­klus 2024 die Schwei­zer Fahr­dienst­vor­schrif­ten (FDV2024) wei­ter. Sys­te­ma­ti­sche Ver­än­de­run­gen sind zen­tral. Hier eine Stel­lung­nah­me aus Sicht der ver­la­den­den Wirtschaft.

 

Darum geht’s:
  • Wei­ter­ent­wick­lung der Fahr­dienst­vor­schrif­ten ab 2024 in Kraft
  • Sys­te­mi­sche Ver­ein­fa­chung für Bahn­mit­ar­bei­ten­de gefragt
  • Kon­se­quen­te Anwen­dung der TSI OPE stei­gert Inter­ope­ra­bi­li­tät zusätzlich
  • Bahn­bran­che soll Ver­ant­wor­tung für die Fahr­dienst­vor­schrif­ten übernehmen
  • VAP wünscht mehr unter­neh­me­ri­schen Spiel­raum für Anschlussgleisbetreiber

 

Seit über 20 Jah­ren gel­ten in der Schweiz ein­heit­li­che Fahr­dienst­vor­schrif­ten, die für alle Bahn­un­ter­neh­men ver­bind­lich sind. Sie sind für den Bahn­be­trieb essen­zi­ell, da sie sicher­heits­re­le­van­te Tätig­kei­ten und Mass­nah­men der Zusam­men­ar­beit defi­nie­ren und die Auf­ga­ben, Kom­pe­ten­zen und Ver­ant­wort­lich­kei­ten aller Betei­lig­ten im Bahn­be­trieb fest­le­gen. Um die Fahr­dienst­vor­schrif­ten wei­ter­zu­ent­wi­ckeln und alle vier Jahre zu aktua­li­sie­ren, arbei­tet das BAV eng mit der Bahn­bran­che zusam­men. Die­ser Ände­rungs­zy­klus ist sinn­voll, da damit sowohl die täg­li­chen Erfah­run­gen aus dem Betrieb als auch die tech­ni­schen Ent­wick­lun­gen in der Bahn­bran­che berück­sich­tigt wer­den. Er hat aber auch nega­ti­ve Neben­wir­kun­gen: So sind die FDV zu einem schwer über­blick­ba­ren Vor­schrif­ten­dschun­gel ange­wach­sen, der drin­gend ent­schlackt und auf die Inter­ope­ra­bi­li­täts­vor­schrif­ten aus­ge­rich­tet wer­den muss. Den ver­ant­wort­li­chen Unter­neh­men ist dabei mehr unter­neh­me­ri­scher Frei­raum zu gewäh­ren. Die Inkraft­set­zung der aktu­ell lau­fen­den Über­ar­bei­tung ist auf den 1. Juli 2024 geplant[1].

Änderungszyklus 2024 mit wichtigen Teilprojekten

Wir vom VAP begrüs­sen die vom BAV in den kon­zep­tio­nel­len Teil­pro­jek­ten vor­ge­schla­ge­nen sys­te­ma­ti­schen Wei­ter­ent­wick­lun­gen der Fahr­dienst­vor­schrif­ten (vgl. Abbil­dung 1). Zudem regen wir an, die grund­sätz­li­chen Neue­run­gen kon­se­quent und zügig umzusetzen.

  • Mit dem Teil­pro­jekt 1 «STRUKTUR» will das BAV die Fahr­dienst­vor­schrif­ten sys­te­ma­tisch struk­tu­rie­ren, um sie für Anwen­der ver­ständ­li­cher und ein­heit­li­cher zu machen. Die voll­stän­di­ge Umset­zung die­ser Ver­ein­heit­li­chung wird eini­ge Ände­rungs­run­den benö­ti­gen. Meis­tens ist es sinn­voll, eine struk­tu­rel­le Har­mo­ni­sie­rung mit mate­ri­el­len Anpas­sun­gen zu kombinieren.
  • Mit den Teil­pro­jek­ten 2a, 2b und 2c «Anwen­dung» zielt das BAV dar­auf ab, die Vor­aus­set­zun­gen für eine sys­te­ma­ti­sche digi­ta­le Nut­zung der Fahr­dienst­vor­schrif­ten zu schaf­fen. Jede ein­zel­ne Vor­schrift wird einem Gel­tungs­be­reich oder einer Opti­on zuge­ord­net. Neu ist fest­ge­legt, wer wel­che Funk­ti­on wahr­nimmt. Sobald die­ses Teil­pro­jekt rea­li­siert ist, las­sen sich Vor­schrif­ten ein­deu­tig nach Gel­tungs­be­rei­chen fil­tern und Funk­tio­nen zuord­nen. Das wird die Effi­zi­enz bei der Erstel­lung und bei allen Anwen­dun­gen der Vor­schrif­ten mas­siv erhö­hen, da es digi­ta­le Nut­zungs­mög­lich­kei­ten zulässt.
  • Im Rah­men des Teil­pro­jekts 3 «Wir­kung» ist das BAV gefor­dert, eine nut­zer­ge­rech­te Stra­te­gie zu fin­den, um die siche­re Über­tra­gung der Ver­ant­wor­tung an die Bahn­un­ter­neh­mun­gen bei lau­fen­dem Betrieb zu gewähr­leis­ten. Gemäss TSI OPE (vgl. Kas­ten) sind die Bahn­un­ter­neh­mun­gen für Betriebs­vor­schrif­ten zustän­dig; das soll auch in der Schweiz künf­tig gel­ten. Die lau­fen­de Wei­ter­ent­wick­lung der TSI OPE wird es zudem ermög­li­chen, die bestehen­den natio­na­len Regeln der Fahr­dienst­vor­schrif­ten schritt­wei­se auf­zu­he­ben und nur zwin­gend not­wen­di­ge natio­na­le Vor­schrif­ten bei­zu­be­hal­ten, die als Noti­fi­zier­te Natio­na­le Tech­ni­sche Vor­schrif­ten (NNTV)[2] bei der Euro­päi­schen Eisen­bahn­agen­tur ERA gemel­det wer­den müssen.
  • Das Teil­pro­jekt 4 «MATERIELL» umfasst eine Anzahl inhalt­li­cher Anpas­sun­gen, die die Fahr­dienst­vor­schrif­ten aktualisieren.
Zusammenarbeit aller Beteiligten regeln

Für die Wei­ter­ent­wick­lung der Fahr­dienst­vor­schrif­ten per 2024 ste­hen tief­grei­fen­de Ver­än­de­run­gen an. Wir sind über­zeugt, dass der Bahn­be­trieb nicht per se als kom­plex ein­zu­stu­fen ist. Er braucht klare Regeln für die Zusam­men­ar­beit aller Betei­lig­ten – gera­de, weil Arbeits­tei­lung, Auto­ma­ti­on und Spe­zia­li­sie­rung im Bahn­be­trieb zuneh­men. Des­halb sind aus unse­rer Sicht die fol­gen­den Aspek­te einzubeziehen:

Vereinfachungen anstreben

Es braucht ein­heit­li­che, ver­ständ­li­che und adres­sa­ten­ge­rech­te Vor­schrif­ten, die unter­neh­mens­über­grei­fend gel­ten. Mit­ar­bei­ten­de sol­len für ihre jewei­li­ge Funk­ti­on über alle not­wen­di­gen Regeln ver­fü­gen und kon­se­quent von unnö­ti­gem Bal­last befreit arbei­ten können.

Die Betriebs­vor­schrif­ten soll­ten risi­ko­ba­siert for­mu­liert wer­den, die Bahn­un­ter­neh­mun­gen müs­sen in einem defi­nier­ten Gesamt­rah­men auf sie zuge­schnit­te­ne ein­fa­che und kos­ten­güns­ti­ge Lösun­gen erar­bei­ten, um kon­kur­renz­fä­hig zu produzieren.

Digitalisierung nutzen

Mit funk­ti­ons­be­zo­ge­nen Fil­tern ermög­licht die Digi­ta­li­sie­rung eine mas­si­ve Stei­ge­rung der Effi­zi­enz bei der Nut­zung der Fahr­dienst­vor­schrif­ten. Wer eine sicher­heits­re­le­van­te Tätig­keit aus­übt, muss die dafür rele­van­ten Vor­schrif­ten ken­nen – aber nur diese.

Unternehmerische Freiheiten sicherstellen

Wir vom VAP stre­ben für Anschluss­glei­se mach­ba­re Lösun­gen an, da eine strik­te Ein­hal­tung der für den Bahn­be­trieb defi­nier­ten Vor­schrif­ten hier nicht immer mög­lich ist. Ins­be­son­de­re für Anschluss­bah­nen emp­feh­len wir einen risi­ko­ba­sier­ten Ansatz, um mehr unter­neh­me­ri­sche Frei­heit zu gewähr­leis­ten. Um die Betriebs­ab­wick­lung auf Anschluss­glei­sen sicher und kos­ten­ef­fi­zi­ent für Betrei­ber­ge­sell­schaf­ten und Mit­ar­bei­ten­de zu gestal­ten, sind spe­zi­fi­sche Vor­schrif­ten gefragt.

Interoperabilität sicherstellen

Inter­ope­ra­ble Bah­nen, die auf ver­schie­de­nen Infra­struk­tu­ren und grenz­über­schrei­tend in meh­re­ren Län­dern ver­keh­ren, haben ande­re Anfor­de­run­gen als regio­na­le Bah­nen und Anschlies­ser, die aus­schliess­lich lokal unter­wegs sind. Im Hin­blick auf die unter­schied­li­chen Ver­hält­nis­se bei Bahn­hö­fen und Anschluss­glei­sen müs­sen die Betriebs­vor­schrif­ten im Rah­men einer ein­heit­li­chen Gesamt­struk­tur je nach Ver­kehr und Infra­struk­tur unter­schied­lich, ver­ständ­lich und aufs Wesent­li­che kon­zen­triert gestal­tet sein.

Im Nor­mal­spur­be­reich wer­den mit der Wei­ter­ent­wick­lung der TSI OPE die Betriebs­vor­schrif­ten inter­na­tio­nal immer stär­ker har­mo­ni­siert. Die Zahl der ver­blei­ben­den natio­na­len Vor­schrif­ten ist auf ein Mini­mum zu beschrän­ken, um die prak­ti­sche Anwend­bar­keit zu ver­bes­sern. Alle betei­lig­ten Län­der sind gefor­dert, nicht mehr benö­tig­te natio­na­le Vor­schrif­ten abzu­schaf­fen. Die kon­se­quen­te Anwen­dung der TSI OPE wird dazu füh­ren, dass im grenz­über­schrei­ten­den Ver­kehr lang­fris­tig ein­heit­li­che­re Vor­schrif­ten gel­ten und Hür­den all­mäh­lich verschwinden.

Verantwortung übernehmen

Die TSI OPE weist die Ver­ant­wor­tung für die Betriebs­vor­schrif­ten den Bahn­un­ter­neh­men zu. Folg­lich muss das BAV seine Hoheit über die Fahr­dienst­vor­schrif­ten an die Bahn­bran­che abge­ben. Die Schwei­zer Bahn­bran­che soll aktiv die Ver­ant­wor­tung für die gesam­ten Betriebs­vor­schrif­ten und deren Wei­ter­ent­wick­lung über­neh­men. Der VAP begrüsst diese Ver­ant­wor­tungs­über­tra­gung der FDV an die Bahn­bran­che. Sie ist mit den bevor­ste­hen­den Inno­va­ti­ons­schrit­ten zu kom­bi­nie­ren. Im Bahn­sek­tor muss dazu eine unter­neh­mens­über­grei­fen­de Lösung für ein­heit­li­che über­ge­ord­ne­te Betriebs­vor­schrif­ten gefun­den wer­den. Aus Sicht VAP wäre ein koope­ra­ti­ves Zusam­men­ar­beits­mo­dell zweck­mäs­sig, in dem das BAV die Koor­di­na­ti­ons­auf­ga­be inne­hat und gemein­sam mit den Fach­ex­per­ten der Bahn­bran­che betrieb­li­che Vor­schrif­ten in Form einer Leit­li­nie ent­wi­ckelt und abstimmt (so Art. 3a GüTV gemäss Ent­wurf des Bun­des­rats vom 2. Novem­ber 2022). Diese Leit­li­ni­en kön­nen nach erfolg­ter Publi­ka­ti­on von den ein­zel­nen Unter­neh­mun­gen für die Erstel­lung ihrer Fahr­dienst­vor­schrif­ten ver­wen­det werden.

TSI OPE 2019/773
Die­ses Kür­zel steht für die Durch­füh­rungs­ver­ord­nung der Euro­päi­schen Union zu den Tech­ni­schen Spe­zi­fi­ka­tio­nen für die Inter­ope­ra­bi­li­tät «Ver­kehrs­be­trieb und Ver­kehrs­steue­rung», Aus­ga­be­stand 2019. Dem­nach soll die Schie­ne dank bar­rie­re­frei­er Zug­fahr­ten über Lan­des­gren­zen hin­weg Markt­an­tei­le zurück­ge­win­nen und zur Reduk­ti­on der CO2-Emis­sio­nen bei­tra­gen. Dazu braucht es unter ande­rem eine umfas­sen­de euro­pa­wei­te Har­mo­ni­sie­rung der Betriebs­re­geln. Bis heute wer­den län­der­spe­zi­fisch unter­schied­li­che natio­na­le Vor­schrif­ten ange­wen­det. Die EU treibt die Har­mo­ni­sie­rung mit der Wei­ter­ent­wick­lung der TSI OPE voran. Darin legt sie die Ver­ant­wort­lich­kei­ten für Unter­neh­men fest, sieht aber keine behörd­lich erlas­se­nen Fahr­dienst­vor­schrif­ten vor, wie dies in der Schweiz aktu­ell der Fall ist. Das bleibt Auf­ga­be der Bahn­un­ter­neh­men. Diese müs­sen die Fahr­dienst­vor­schrif­ten im Sinne der Inter­ope­ra­bi­li­tät den Vor­ga­ben der TSI OPE anglei­chen. Über den Gemisch­ten Aus­schuss (Land­ver­kehrs­ab­kom­men CH-EU) hat sich auch die Schweiz zur Anwen­dung der TSI OPE verpflichtet.
 
Sportlicher Fahrplan

Das BAV hat zur Wei­ter­ent­wick­lung der Fahr­dienst­vor­schrif­ten den fol­gen­den Zeit­plan publiziert:

Umset­zungs­schritt Frist
Publi­ka­ti­on der FDV2024 per Ende Novem­ber 2023
Inkraft­set­zung der FDV2024 per 1. Juli 2024
Zwi­schen­zy­klus FDV2025
(Teil­pro­jek­te Tram und TSI OPE)
per Ende 2025
Nächs­ter regu­lä­rer Zyklus per Mitte 2028

 

[1] https://www.bav.admin.ch/bav/de/home/publikationen/vernehmlassungen/abgeschlossene-vernehmlassungen/weiterentwicklung-fdv-a2024.html

[2] https://www.bav.admin.ch/bav/de/home/rechtliches/rechtsgrundlagen-vorschriften/nntv.html

Der Schweiz droht Isolation im internationalen Bahnverkehr

Der Schweiz droht Isolation im internationalen Bahnverkehr

Ab 2024 ver­liert die Schweiz den Zugang zur Platt­form der EU für har­mo­ni­sier­te Zulas­sungs­ver­fah­ren für neues Roll­ma­te­ri­al. Das kommt einem wei­te­ren Schritt Rich­tung Iso­la­ti­on im inter­na­tio­na­len Bahn­ver­kehr gleich. Es sei denn, die euro­pä­isch-hel­ve­ti­schen Bezie­hun­gen nor­ma­li­sie­ren sich.

Darum geht’s:
  • Zugang zu «One Stop Shop» wird nur noch bis Ende 2023 verlängert
  • Ab dann behan­delt die EU die Schweiz als Drittstaat
  • Das gefähr­det Ver­kehrs­ver­la­ge­rung, Digi­ta­li­sie­rung und Automatisierung

 

Der Beschluss des gemisch­ten Aus­schus­ses zum Land­ver­kehrs­ab­kom­men mit der EU zum vier­ten Bahn­pa­ket hat der Schweiz bis­her den Zugang zur Daten­bank «One Stop Shop» (OSS) der Euro­päi­schen Eisen­bahn­agen­tur (ERA) gesi­chert. OSS ent­hält gemein­sa­me ver­ein­fach­te Ver­fah­ren für Fahr­zeug­zu­las­sun­gen und Sicher­heits­be­schei­ni­gun­gen im grenz­über­schrei­ten­den Eisen­bahn­ver­kehr. Gemäss BAV (vgl. Publi­ka­ti­on) wird die­ser Zugang nur noch bis Ende 2023 verlängert.

Die­ser Ent­scheid geht auf die unge­lös­ten Fra­gen im bila­te­ra­len Ver­hält­nis zwi­schen der Schweiz und der EU zurück. Ab 2024 wer­den vor­aus­sicht­lich sepa­ra­te Ver­fah­ren grei­fen. Das­sel­be gilt für die Abkom­men über Grenzbetriebsstrecken.

Es ist drin­gend not­wen­dig, dass sich die Schweiz klar für eine Zusam­men­ar­beit mit den euro­päi­schen Staa­ten aus­spricht. Ansons­ten sind sowohl die Ver­kehrs­ver­la­ge­rung als auch die Digi­ta­li­sie­rung und Auto­ma­ti­sie­rung des Schie­nen­gü­ter­ver­kehrs in Gefahr.

Wintersession 2022

Wintersession 2022

Am 6. Dezem­ber 2022 hat der Stän­de­rat in zwei­ter Instanz zwei Motio­nen ange­nom­men. Sie sind für die Ver­kehrs­ver­la­ge­rung im Tran­sit wich­tig, betref­fen aber auch die für den Import- und Export­ver­kehr zen­tra­le Stre­cke Basel-Nord­hä­fen. Wir vom VAP unter­stüt­zen beide Vor­stös­se und regen eine Aus­deh­nung der staat­li­chen För­de­rung auf kon­ven­tio­nel­le Bahn­gü­ter­ver­keh­re an.

Darum geht’s:
  • Stän­de­rat nimmt zwei Motio­nen zuguns­ten des Güter­ver­kehrs­kor­ri­dors durch die Schweiz an
  • Wir vom VAP unter­stüt­zen die Moti­ons­in­hal­te – und set­zen Akzente
  • Denn kon­ven­tio­nel­le Bahn­gü­ter­ver­keh­re wer­den der­zeit noch ausgegrenzt
 
Förderung des Güterverkehrskorridors durch die Schweiz

Mit der Moti­on 22.3013 «Attrak­ti­vi­tät und Wett­be­werbs­fä­hig­keit des Güter­ver­kehrs­kor­ri­dors durch die Schweiz stär­ken» soll der Bun­des­rat die För­der­mass­nah­men im Tran­sit auf bestimm­te Regio­nen und Güter­grup­pen gezielt aus­deh­nen. Wir vom VAP unter­stüt­zen diese Moti­on. Aller­dings grenzt sie kon­ven­tio­nel­le Bahn­gü­ter­ver­keh­re und deren brach­lie­gen­des Poten­zi­al aus. Die­ser Man­gel soll­te so bald als mög­lich kor­ri­giert werden.

Arti­kel 8 des Güter­ver­kehrs­ver­la­ge­rungs­ge­set­zes erlaubt die För­de­rung des gesam­ten – also alpen­que­ren­den – Güter­ver­kehrs im Tran­sit. Ent­spre­chend soll­te der Bun­des­rat beauf­tragt wer­den, den gesam­ten Güter­ver­kehr zu för­dern und das För­der­instru­men­ta­ri­um bestehend aus finan­zi­el­ler För­de­rung, Qua­li­täts­mo­ni­to­ring und Aus­bau der Zulauf­stre­cken auch für kon­ven­tio­nel­le Ver­keh­re vor­zu­se­hen. Denn auch für diese ist die geziel­te Aus­deh­nung der För­der­mass­nah­men auf bestimm­te Regio­nen und Güter­grup­pen sinn­voll. Mit dem Fest­hal­ten am Dogma «Kom­bi­nier­ter Ver­kehr» ver­gibt die Schweiz inter­es­san­te Chan­cen für die zusätz­li­che Ver­la­ge­rung von der Stras­se auf die Schiene.

Der Bun­des­rat soll­te das För­der­instru­men­ta­ri­um tech­no­lo­gie­neu­tral kon­zi­pie­ren und auf alle Güter­ver­keh­re im Tran­sit aus­wei­ten, unab­hän­gig von deren Produktionsart.

Ausbau des linksrheinischen Neat-Zubringers Wörth-Strassburg

Die Moti­on 22.3000 «Wei­ter­füh­rung der erfolg­rei­chen Ver­la­ge­rungs­po­li­tik und Gewähr­leis­tung der Ver­sor­gungs­si­cher­heit dank Aus­bau des links­rhei­ni­schen Kor­ri­dors Wörth-Stras­bourg» for­dert vom Bun­des­rat, sich um die Elek­tri­fi­zie­rung und Auf­rüs­ten des betrof­fe­nen Stre­cken­ab­schnitts auf NEAT-Stan­dards zu küm­mern. Er zieht die Mög­lich­keit einer Finan­zie­rung von Sei­ten der Schweiz in Betracht.

Wir vom VAP tra­gen diese Moti­on mit, wie wir das auch bei der Moti­on 20.3003 «Staats­ver­trag für eine links­rhei­ni­sche Neat-Zulauf­stre­cke» getan haben. Eine effi­zi­en­te Stre­cken­füh­rung der Flach­bahn im Nord­zu­lauf zur NEAT ist im Hin­blick auf Ver­sor­gungs­si­cher­heit, Aus­weich­ka­pa­zi­tät für Bau­stel­len­pha­sen, Pünkt­lich­keit und Qua­li­tät drin­gend not­wen­dig. Die Elek­tri­fi­zie­rung und Ein­füh­rung des NEAT-Stan­dards auf dem betrof­fe­nen Stre­cken­ab­schnitt bei gleich­zei­ti­gem Aus­bau des Kan­nen­feld- und Schüt­zen­matt­tun­nels auf 4 Meter erlaubt eine erste erheb­li­che Kapa­zi­täts­stei­ge­rung im nörd­li­chen NEAT-Zulauf.

 

Hier geht’s zur SDA-Mel­dung vom 6. Dezem­ber 2022

Der Bahnsektor muss sich neu erfinden

Der Bahnsektor muss sich neu erfinden

Die Schie­ne ist nicht gera­de berühmt für ihre Erneue­rungs­freu­dig­keit. Das muss und wird sich ändern, wenn sie als Ver­kehrs­trä­ger zukunfts­fä­hig blei­ben will. Am 7. Inter­na­tio­na­len Eisen­bahn-Forum IRFC 2022 prä­sen­tier­ten die Exper­ten einen brei­ten Fächer an Initia­ti­ven, Inno­va­tio­nen und Neu­ord­nun­gen. Die wich­tigs­ten haben wir hier kurz­ge­fasst und kri­tisch gewürdigt.

 

Darum geht’s:
  • Zur Umset­zung des Green Deal braucht es Inno­va­ti­on, neue Tech­no­lo­gien und eine umfas­sen­de Moder­ni­sie­rung des Bahnsektors
  • Die Ska­lier­bar­keit von Inno­va­tio­nen gelingt nur mit Koope­ra­ti­on und Koordination
  • Die Schweiz darf den Anschluss an EU-Inno­va­ti­ons­pro­gram­me nicht verpassen

 

Unter der tsche­chi­schen EU-Rats­prä­si­dent­schaft lud der EU-Ver­kehrs­mi­nis­ter vom 5. bis 7. Okto­ber 2022 zur IRFC nach Prag ein. Der Kon­gress stand unter dem Motto: «Gemein­sam eine neue Gene­ra­ti­on von Eisen­bah­nen bauen». Der tsche­chi­sche Ver­kehrs­mi­nis­ter Mar­tin Kupka beton­te die Schlüs­sel­rol­le der Bahn für die erfolg­rei­che Umset­zung des Green Deal. Mit die­sem hat die EU eine klare Ant­wort auf den fort­schrei­ten­den Kli­ma­wan­del defi­niert. Bis 2050 sol­len Ver­kehr und Trans­port in Euro­pa CO2-neu­tral wer­den. Mit den Kli­ma­zie­len 2050 strebt der Bun­des­rat in der Schweiz die Ablö­sung von fos­si­len Ener­gie­trä­gern in einem ver­gleich­ba­ren Zeit­rah­men an. Seit ein paar Jah­ren zeich­net sich im Bahn­sek­tor ein Para­dig­men­wech­sel ab. Die Poli­tik setzt ter­mi­nier­te Ziele und erteilt den Spar­ten kon­kre­te Auf­trä­ge. Damit die euro­päi­schen Bah­nen gemäss den Auf­trä­gen reagie­ren kön­nen, braucht es mehr Zusam­men­ar­beit in der Wei­ter­ent­wick­lung neuer Tech­no­lo­gien und deren Umset­zung. Die tech­ni­sche Säule des 4. Bahn­pa­kets bil­det die Grund­la­ge für die Schaf­fung des geplan­ten ein­heit­li­chen euro­päi­schen Bahnsystems.

Bis neue Tech­no­lo­gien ihre Anwen­dungs­rei­fe erreicht haben, braucht es zunächst eine Koor­di­na­ti­on der Inno­va­ti­on (vgl. Abbil­dung) und eine geziel­te For­schung zur Erar­bei­tung der wis­sen­schaft­li­chen Grund­la­gen. Dazu hat die EU in den ver­gan­ge­nen Jah­ren leis­tungs­fä­hi­ge und kom­pe­ten­te Orga­ni­sa­tio­nen auf­ge­baut: Das Pro­gramm «Hori­zon» führt und finan­ziert diver­se For­schungs­pro­jek­te. Dank bran­chen­über­grei­fen­der Ver­net­zung sol­len die Ergeb­nis­se und Resul­ta­te zeit­nah einem brei­ten Nut­zungs­feld zur Ver­fü­gung ste­hen. Im Rah­men der Inno­va­ti­ons­part­ner­schaft Europe’s Rail Joint Under­ta­king (EU-Rail) wer­den inno­va­ti­ve neue Ansät­ze auf Grund­la­ge von For­schungs­er­geb­nis­sen kon­kre­ti­siert. Die wich­ti­gen Pro­jek­te für den Bahn­be­trieb bezie­hungs­wei­se für die Tech­nik basie­ren auf den bei­den Säu­len «Sys­tem Pil­lar» und «Tech­ni­cal Pil­lar». Die Eisen­bahn­agen­tur ERA defi­niert die neuen ein­heit­li­chen Spe­zi­fi­ka­tio­nen für euro­päi­sche Bahn­an­wen­dun­gen und stellt so die Inter­ope­ra­bi­li­tät sicher. Dank die­ser Wis­sens­bün­de­lung las­sen sich in kur­zer Zeit inter­na­tio­nal anwen­dungs­rei­fe Lösun­gen erarbeiten.

Energie der Zukunft ist erneuerbar

Indus­tria­li­sier­te Volks­wirt­schaf­ten nutz­ten bis­her haupt­säch­lich fos­si­le Ener­gie­trä­ger. Diese waren auf dem inter­na­tio­na­len Markt lange güns­tig erhält­lich. Mit dem Green Deal will die EU die ver­kehrs­be­ding­ten Emis­sio­nen bis 2050 um 90% redu­zie­ren und 75% des Trans­port­vo­lu­mens von der Stras­se auf die Schie­ne oder Was­ser­stras­sen ver­la­gern. Die künf­tig wich­ti­gen Ener­gie­trä­ger sind Was­ser­stoff und Elek­tri­zi­tät, bei­des her­ge­stellt aus erneu­er­ba­ren Ressourcen.

Moderne Datenkommunikation erfolgt digital

Indus­tria­li­sier­te Pro­zes­se funk­tio­nie­ren dann erfolg­reich, wenn die not­wen­di­gen Daten für alle Betei­lig­ten direkt und unmit­tel­bar ver­füg­bar sind. Die aktu­el­le Daten­nut­zung ist noch ein­ge­schränkt, für viele Teil­pro­zes­se wer­den die Daten immer wie­der neu erfasst. Sol­che Allein­gän­ge sind res­sour­cen- und zeit­in­ten­siv sowie feh­ler­an­fäl­lig. In Zukunft sol­len Daten allen auto­ri­sier­ten Teil­neh­mern medi­en­bruch­frei und zeit­nah zur Ver­fü­gung ste­hen. Der direk­te Zugriff auf Daten ist zen­tral für die Rea­li­sie­rung von auto­ma­ti­sier­ten Pro­zes­sen, eben­so ein wirk­sa­mer Daten­schutz. Cyber­si­cher­heit wird zum Kern­the­ma der moder­nen Datenkommunikation.

Neuordnung des Bahnsystems gefragt 

Die Bahn war im 19. und begin­nen­den 20. Jahr­hun­dert wesent­lich für die Indus­tria­li­sie­rung. Erst ab Mitte des 20. Jahr­hun­derts dräng­ten Stras­se und Luft­fahrt dank ihren erfolg­rei­chen Inno­va­ti­ons­schrit­ten die Schie­ne im Trans­port zurück. Ent­schei­dend dabei waren der intra­mo­da­le Wett­be­werb und die rigo­ro­se Kun­den­ori­en­tie­rung. Die wich­tigs­te Frage der Kun­den lau­te­te: Wie kön­nen wir unse­re Bedürf­nis­se ein­fa­cher, beque­mer und güns­ti­ger erfül­len? Und sie erhiel­ten auf der Stras­se pas­sen­de Ant­wor­ten. Diese Frage müs­sen sich die Bah­nen heute end­lich auch stel­len. Die Bahn stellt ein leis­tungs­fä­hi­ges und res­sour­cen­scho­nen­des Trans­port­sys­tem mit zahl­rei­chen Vor­tei­len dar. Im direk­ten Ver­gleich des benö­tig­ten Ener­gie­be­darfs schnei­det die elek­tri­fi­zier­te Bahn gegen­über der Stras­se als ein­deu­ti­ge Sie­ge­rin ab. Die Bahn benö­tigt bei glei­chen Rah­men­be­din­gun­gen 10-mal weni­ger Ener­gie als die Stras­se. Wich­ti­ge euro­päi­sche Bahn­stre­cken sind bereits elek­tri­fi­ziert, sodass die benö­tig­te Trak­ti­ons­en­er­gie mit hohem Wir­kungs­grad genutzt wer­den kann. Ein weit ver­zweig­tes Stre­cken­netz ver­bin­det heute die wich­ti­gen Regio­nen Euro­pas, ein Gross­teil der Stre­cken sind nor­mal­spu­rig, nur in weni­gen euro­päi­schen Regio­nen sind heute abwei­chen­de Spur­wei­ten in Betrieb. Damit die geplan­te Ver­la­ge­rung des Ver­kehrs auf die Schie­ne tat­säch­lich rea­li­siert wer­den kann, braucht es zunächst einen Kul­tur­wan­del bei den Bah­nen hin zu intra­mo­da­lem Wett­be­werb und Kun­den­ori­en­tie­rung sowie eine umfas­sen­de und sys­te­ma­ti­sche Erneue­rung des Bahnsystems:

  • TEN‑T: Die EU hat das trans­eu­ro­päi­sche Schie­nen­netz zur Ver­bin­dung aller bedeu­ten­den euro­päi­schen Zen­tren defi­niert. Auf einer ein­heit­li­chen, har­mo­ni­sier­ten Infra­struk­tur sol­len die Züge hin­der­nis­frei ver­keh­ren kön­nen, auf Neben­stre­cken kann Was­ser­stoff- oder Bat­te­rie­be­trieb für die ange­streb­te CO2-Neu­tra­li­tät sor­gen. Der Aus­bau des Bahn­net­zes erfolgt mit zwei unter­schied­li­chen Schwer­ge­wich­ten: Für den Per­so­nen­ver­kehr ist ein Hoch­ge­schwin­dig­keits­netz auf­zu­bau­en, das die wich­ti­gen Zen­tren ver­bin­det und attrak­ti­ve Rei­se­zei­ten ermög­licht. Für den Güter­ver­kehr sind die erfor­der­li­chen Tras­sen bereit­zu­stel­len, sodass der Bahn­gü­ter­ver­kehr gemäss den poli­ti­schen Vor­ga­ben wach­sen kann. Die Güter­bah­nen müs­sen in den nächs­ten Jahr­zehn­ten ihre Trans­port­ka­pa­zi­tät mehr als ver­dop­peln. Die­ses hoch­ge­steck­te Ziel kön­nen sie nur mit­hil­fe von Inno­va­ti­on errei­chen. Zudem müs­sen die Kor­ri­dor­ma­na­ger mit umfas­sen­den Kom­pe­ten­zen aus­ge­stat­tet wer­den, damit die heu­ti­ge Rosi­nen­pi­cke­rei der natio­na­len inte­griert geführ­ten Staats­bah­nen ein Ende hat.
  • Inter­ope­ra­bi­li­tät und Stan­dar­di­sie­rung: Noch gilt bei den ver­schie­de­nen euro­päi­schen Bahn­sys­te­men eine Viel­zahl von oft unter­schied­li­chen natio­na­len Vor­schrif­ten. Deren Ein­hal­tung schränkt den frei­zü­gi­gen grenz­über­schrei­ten­den Bahn­ver­kehr bis heute signi­fi­kant ein und ermög­licht unlau­te­re Wett­be­werbs­vor­tei­le im natio­na­len Markt. Trotz der tech­ni­schen Spe­zi­fi­ka­tio­nen der Inter­ope­ra­bi­li­tät (TSI) behin­dern natio­na­le Vor­schrif­ten immer noch den grenz­über­schrei­ten­den Ver­kehr mas­siv. Die EU hat die Besei­ti­gung die­ser natio­na­len Vor­schrif­ten mit dem «rules clea­ning-up pro­gram­me» zu einer wich­ti­gen Füh­rungs­auf­ga­be erko­ren. Dies ist ein ent­schei­den­des Pro­gramm der tech­ni­schen Säule des 4. EU-Bahn­pa­kets zur Schaf­fung der Sin­gle Euro­pean Rail­way Area (SERA). Wäh­rend die Euro­päi­sche Eisen­bahn­agen­tur ERA für die Wei­ter­ent­wick­lung der Tech­ni­schen Spe­zi­fi­ka­tio­nen der Inter­ope­ra­bi­li­tät (TSI) ver­ant­wort­lich ist, muss der Bahn­sek­tor die dazu­ge­hö­ri­gen Stan­dards und Nor­men aktua­li­sie­ren und wei­ter­ent­wi­ckeln. Im ange­streb­ten Ide­al­fall sol­len die TSI und die Nor­men alle bahn­tech­ni­schen Teil­sys­te­me in allen betei­lig­ten euro­päi­schen Län­dern aus­rei­chend spe­zi­fi­zie­ren. Auch die Schweiz setzt im Nor­mal­spur­be­reich kon­se­quent auf die TSI. Sie hat im Rah­men des gel­ten­den Land­ver­kehrs­ab­kom­mens erste Ele­men­te der tech­ni­schen Säule des 4. EU-Bahn­pa­kets über­nom­men. Da der Dia­log zwi­schen der EU und der Schweiz der­zeit still­steht, ist die geplan­te Wei­ter­füh­rung aktu­ell lei­der nicht möglich.
  • Digi­ta­le auto­ma­ti­sche Kupp­lung (DAK): Die Bahn muss ihre his­to­risch gewach­se­nen, aber über­al­ter­ten Stan­dards wie die klas­si­sche Schrau­ben­kupp­lung zuguns­ten moder­ner digi­ta­li­sier­ter Sys­te­me – etwa der DAK4 – flä­chen­de­ckend ablö­sen. Dies bil­det eine ent­schei­den­de Grund­la­ge für eine künf­ti­ge umfas­sen­de Auto­ma­tis­a­ti­on im Bahn­sek­tor. Noch wich­ti­ger aber ist die Ver­net­zung aller Akteu­re ent­lang der gesam­ten Logis­tik­ket­te – über den rei­nen Schie­nen­lauf hin­aus – dank der Mög­lich­kei­ten der Digi­ta­li­sie­rung. Frei zugäng­li­che Daten- und Buchungs­platt­for­men eröff­nen unge­ahn­te Effi­zi­enz­stei­ge­run­gen und Qua­li­täts­ver­bes­se­run­gen. Auch die Mit­glie­der des VAP und die SBB tra­gen mit ihrem Know-how aktiv zum Gelin­gen die­ses wich­ti­gen Pro­jekts bei.
  • Ener­gie: Beim Thema Ener­gie wer­den die erfor­der­li­chen Pro­zes­se zu der CO2-neu­tra­len Gewin­nung, der Ver­tei­lung und der ein­fa­chen Nut­zung von Was­ser­stoff bear­bei­tet. Für den Betrieb auf län­ge­ren nicht elek­tri­fi­zier­ten Bahn­stre­cken bil­det Was­ser­stoff eine viel­ver­spre­chen­de Ener­gie­quel­le, um rasch fos­si­le Treib­stof­fe abzulösen.
Marathon mit Hürden

Die EU hat mit dem Green Deal ein umfas­sen­des Pro­gramm zur Gestal­tung eines CO2-neu­tra­len Euro­pas defi­niert. Aller­dings haben die Mit­glied­län­der unter­schied­li­che Aus­gangs­la­gen, Prio­ri­tä­ten und Inter­es­sen. Für die Umset­zung die­ses anspruchs­vol­len Pro­gram­mes wer­den folg­lich eini­ge Hür­den zu über­win­den sein. Es wird sich zei­gen, ob die natio­na­len Inter­es­sen der Staats­bah­nen zuguns­ten einer gemein­sa­men euro­päi­schen Lösung genü­gend zurück­tre­ten kön­nen. Die Bahn soll im euro­päi­schen Per­so­nen­ver­kehr und Güter­trans­port künf­tig eine Schlüs­sel­rol­le spie­len. Sie über­zeugt durch eini­ge bestechen­de Vor­tei­le. Aber sie muss auch eine über viele Jahr­zehn­te ent­stan­de­ne Abnei­gung gegen Erneue­run­gen, Ver­än­de­run­gen und Wett­be­werb über­win­den. Die Abschot­tung der Märk­te, ins­be­son­de­re durch die Staats­bah­nen, bil­det nach wie vor vie­ler­orts ein gros­ses Hin­der­nis. Durch das Fest­hal­ten an natio­na­len Vor­schrif­ten, oft unter dem Vor­wand von Sicher­heits­über­le­gun­gen, wol­len sich Staats­bah­nen wei­ter­hin vor uner­wünsch­ter inter­na­tio­na­ler Kon­kur­renz schüt­zen. Es liegt an den Mit­glied­staa­ten, der euro­päi­schen Idee zum Durch­bruch zu ver­hel­fen und unlau­te­ren Metho­den ihrer Staats­bah­nen den Rie­gel zu stos­sen. Der Bahn­sek­tor muss mit Inno­va­ti­on neue Stan­dards set­zen. Er muss seine Vor­schrif­ten­welt inter­na­tio­nal ver­ein­heit­li­chen und ent­schla­cken. Gros­se Lie­fe­ran­ten des Bahn­sek­tors dür­fen bei der Ent­wick­lung neuer Sys­te­me nicht ver­su­chen, sich durch exklu­si­ve, inkom­pa­ti­ble Pro­duk­te einen ein­sei­ti­gen Markt­vor­teil zu ver­schaf­fen. Für einen nach­hal­ti­gen Migra­ti­ons­er­folg benö­tigt der Sek­tor kom­pa­ti­ble, aus­ge­reif­te und zuver­läs­si­ge inno­va­ti­ve Pro­duk­te. Damit haben sich die Her­stel­ler in den ver­gan­ge­nen Jah­ren nicht gera­de aus­ge­zeich­net. Ob die ange­streb­te Ver­la­ge­rung der Ver­keh­re auf die Schie­ne im geplan­ten Umfang mach­bar wird, hängt von den ein­setz­ba­ren Finanz­mit­teln ab. Es wird für die Migra­ti­on keine prall gefüll­te EU-Geld­scha­tul­le daste­hen, aus der sich die ein­zel­nen Unter­neh­men nach Bedarf bedie­nen kön­nen. Die ein­zel­nen Mit­glied­staa­ten wer­den hier mit kräf­ti­gen Anschub­fi­nan­zie­run­gen zur Erneue­rung und Erwei­te­rung der Bahn­in­fra­struk­tur bei­tra­gen müs­sen. Das gilt auch für die Schweiz. Kern­pro­jek­te wie die DAK müs­sen inter­na­tio­nal abge­stimmt sein, sonst wird ihre Wir­kung sang- und klang­los verpuffen.

Schweiz ist Teil von Europa

Auch die Schweiz kann mit einer akti­ven Betei­li­gung an die­sen EU-Pro­gram­men nur gewin­nen. Das Schwei­zer Nor­mal­spur­netz trägt mit sei­nen gros­sen Tran­sit­ach­sen zum trans­eu­ro­päi­schen Schie­nen­netz der EU bei. Es bil­det einen wich­ti­gen Teil des ein­heit­li­chen inter­ope­ra­blen euro­päi­schen Sys­tems SERA. Da viele der Schwei­zer Ver­keh­re grenz­über­schrei­tend geführt wer­den, sind inter­ope­ra­ble Lösun­gen unab­ding­bar. Die Schweiz hat ihr Plan­soll mit dem durch­ge­hen­den Aus­bau der Nord-Süd-Trans­ver­sa­len wie ange­sagt erfüllt. Das Schwei­zer Bahn­netz muss für den Bin­nen­ver­kehr wei­ter aus­ge­baut wer­den, um das Wachs­tums­ziel im Güter­ver­kehr Zukunft bewäl­ti­gen zu kön­nen. Unse­re Exper­ten kön­nen aktiv wert­vol­le Ent­wick­lungs­bei­trä­ge leis­ten und sich mit den Bes­ten inter­na­tio­nal mes­sen. Unse­re Bahn­un­ter­neh­men kön­nen mit neuen Kon­zep­ten ihre Markt­po­si­ti­on, ins­be­son­de­re auch im Import- und Export­ver­kehr stär­ken. Der VAP unter­stützt die gemein­sa­men Akti­vi­tä­ten, um den Bahn­sek­tor zu einem wich­ti­gen Part­ner des mul­ti­mo­da­len Trans­port­sys­tems wei­ter­zu­ent­wi­ckeln. Dabei ist die Zusam­men­ar­beit auf euro­päi­scher Ebene und intra­mo­da­ler Wett­be­werb eine ent­schei­den­de Vor­aus­set­zung, um die poli­ti­schen Ziele frist­ge­recht zu errei­chen. Wir sind ver­kehrs­tech­nisch so eng mit den Nach­bar­staa­ten ver­knüpft, dass unse­re Wirt­schaft hin­der­nis­freie grenz­über­schrei­ten­de Ver­kehrs- und Trans­port­leis­tun­gen braucht. Gera­de für grös­se­re Distan­zen ist aus Ener­gie­sicht die Schie­ne prä­de­sti­niert. Die poli­ti­schen Dif­fe­ren­zen zwi­schen der Schweiz und der EU behin­dern nach wie vor die drin­gend not­wen­di­ge inter­na­tio­na­le Zusam­men­ar­beit. Die Bahn­bran­che ist gut bera­ten, trotz der Hür­den den fach­li­chen Aus­tausch aktiv zu suchen und zu pfle­gen. Eine erfolg­rei­che Bahn­zu­kunft haben wir nur gemeinsam.