Die öffent­lich publi­zier­ten Infor­ma­tio­nen zur Güter­bahn­ent­glei­sung im Gott­hard­ba­sis­tun­nel deu­ten auf eine gebro­che­ne Rad­schei­be an einem ent­gleis­ten Güter­wa­gen hin. Über­be­an­spru­chung oder Mate­ri­al­feh­ler ste­hen als mög­li­che Ursa­che des Ver­sa­gens im Raum. Was tat­säch­lich geschah, bleibt den lau­fen­den Unter­su­chun­gen der Schwei­ze­ri­schen Unfall­un­ter­su­chungs­stel­le (Sust) vorbehalten.

Darum geht’s:

  • Wie wer­den sicher­heits­kri­ti­sche Bau­tei­le gefertigt?
  • Wie wer­den sie zuge­las­sen und in Betrieb genommen?
  • Wie wer­den sie gewartet?
  • Wel­che Bedeu­tung hat die Über­wa­chung im täg­li­chen Betrieb?
  • Wel­che Über­wa­chungs­mög­lich­kei­ten ste­hen zur Verfügung?
  • Ein­heit­li­che Rege­lun­gen ermög­li­chen siche­res Zusam­men­wir­ken der Akteure
  • Aus­blick digi­ta­le auto­ma­ti­sche Kupp­lung (DAK)

Wie wer­den sicher­heits­kri­ti­sche Bau­tei­le gefer­tigt?
Sicher­heits­re­le­van­te und ‑kri­ti­sche Bau­tei­le wie Rad­sät­ze wer­den so aus­ge­legt, dass sie ihre Auf­ga­be wäh­rend der geplan­ten Nut­zungs­dau­er unter den vor­herr­schen­den Betriebs- und Ein­satz­be­din­gun­gen erfül­len und damit eine siche­re Fahrt gewähr­leis­tet ist. Dabei wen­den die Her­stel­ler­fir­men inter­na­tio­nal aner­kann­te Stan­dards an:

  • Tech­ni­sche Spe­zi­fi­ka­tio­nen der Inter­ope­ra­bi­li­tät (TSI) legen grund­le­gen­de Anfor­de­run­gen fest.
  • Euro­päi­sche Nor­men (EN) defi­nie­ren die spe­zi­fi­schen Eigenschaften.
  • Her­stel­ler wen­den zur Ent­wick­lung und Prü­fung har­mo­ni­sier­te und stan­dar­di­sier­te Sicher­heits­me­tho­den an.
  • Nor­mier­te Sicher­heits­nach­wei­se und Gut­ach­ten doku­men­tie­ren Sicher­heit und Tauglichkeit.

In die Ent­wick­lung der Nor­men und TSI flies­sen die inter­na­tio­na­len Erfah­run­gen aus Vor- und Unfäl­len lau­fend ein.

Wie wer­den sie zuge­las­sen und in Betrieb genom­men?
Die Inver­kehr­brin­gung von sicher­heits­kri­ti­schen Bau­tei­len erfor­dert die inter­na­tio­nal ein­heit­li­che Geneh­mi­gung der euro­päi­schen Eisen­bahn­agen­tur (ERA) oder einer natio­na­len Sicher­heits­be­hör­de. Es sind dies:

  • Typen­zu­las­sun­gen für Bau­tei­le oder Fahrzeuge
  • Kon­for­mi­täts­nach­wei­se für bau­glei­che Seri­en­bau­tei­le oder Fahrzeuge
  • CE-Kenn­zeich­nung (Con­for­mi­té Euro­pé­en­ne) für ein Bau­teil, das die gel­ten­den EU-Richt­li­ni­en erfüllt
  • Betriebs­be­wil­li­gung für ein regel­kon­for­mes Fahrzeug

Die Beschei­ni­gung, dass Bau­tei­le nach den Anfor­de­run­gen von Nor­men und TSI gebaut wur­den, erfolgt durch soge­nannt «benann­te Stel­len», also staat­lich auto­ri­sier­te Stel­len. Diese prü­fen und bewer­ten die Regel­kon­for­mi­tät der gefer­tig­ten Produkte.

Wie wer­den sie gewar­tet?
Der Her­stel­ler ist ver­pflich­tet, für sämt­li­che Bau­tei­le oder Fahr­zeu­ge die anzu­wen­den­den Instand­hal­tungs­vor­ga­ben zu defi­nie­ren und zu publi­zie­ren. Fahr­zeug­hal­ter müs­sen diese Her­stel­ler­vor­ga­ben abge­stimmt auf die Ein­satz­be­din­gun­gen umset­zen. Sie bestim­men für ihr Roll­ma­te­ri­al zer­ti­fi­zier­te Instand­hal­tungs­stel­len (Enti­ty in Char­ge of Main­ten­an­ce, ECM). Diese erar­bei­ten die Instand­hal­tungs­vor­ga­ben der ihnen zuge­ord­ne­ten Fahr­zeu­ge unter Berück­sich­ti­gung eige­ner und Bran­chen­er­kennt­nis­se. Zudem pla­nen sie peri­odi­sche Arbei­ten, füh­ren sie durch und doku­men­tie­ren deren Ergeb­nis­se. Jedes für den Betrieb zuge­las­se­ne Fahr­zeug muss unter Nen­nung des Fahr­zeug­hal­ters und der ECM in einem amt­li­chen Fahr­zeug­re­gis­ter ein­ge­tra­gen sein.

Wel­che Bedeu­tung hat die Über­wa­chung im täg­li­chen Betrieb?
Die Eisen­bahn­ver­kehrs­un­ter­neh­men (EVU) sind für die siche­re Fahrt, Zug­vor­be­rei­tung, Zug­ab­fer­ti­gung und ande­re Sicher­heits­aspek­te ihrer Züge ver­ant­wort­lich. Sie legen die Prü­fun­gen und Tests fest, mit denen gewähr­leis­tet wird, dass jede Abfahrt sicher erfol­gen kann. Um diese Betriebs­taug­lich­keit fest­zu­stel­len, füh­ren aus­ge­bil­de­te Mit­ar­bei­ten­de vor der Abfahrt vor Ort defi­nier­te Sicht­kon­trol­len durch. Diese Arbeit fin­det zu jeder Tages­zeit und Wit­te­rung statt und ist äus­serst anspruchs­voll. Auch bei der Zugs­ab­fer­ti­gung und den damit ver­bun­de­nen Prü­fun­gen und Tests wird ein beson­de­res Augen­merk auf sicher­heits­kri­ti­sche Bau­tei­le gelegt.

Wel­che Über­wa­chungs­mög­lich­kei­ten ste­hen zur Ver­fü­gung?
Die Fahr­zeug­hal­ter sind für die ord­nungs­ge­mäs­se Instand­hal­tung ihrer Fahr­zeu­ge ver­ant­wort­lich. Sicher­heits­re­le­van­te und ‑kri­ti­sche Bau­tei­le wer­den peri­odisch kon­trol­liert, z.B. durch Ultra­schall­mes­sun­gen. Sicher­heits­kri­ti­sche Bau­tei­le unter­lie­gen nicht nur stren­gen Kon­trol­len, son­dern auch beson­de­ren Ver­pflich­tun­gen in Bezug auf Kenn­zeich­nung, Instand­hal­tung und Rück­ver­folg­bar­keit der Mass­nah­men. Die EVUs kön­nen vom Fahr­zeug­hal­ter wagen­spe­zi­fi­sche Aus­künf­te verlangen.

Auf dem Schwei­zer Nor­mal­spur­netz betrei­ben die Infra­struk­tur­be­trei­ber heute über 250 Zug­kon­troll­ein­rich­tun­gen. Sie über­wa­chen jedes vor­bei­fah­ren­de Fahr­zeug auf Unre­gel­mäs­sig­kei­ten und kön­nen im Falle von unzu­läs­si­gen Abwei­chun­gen Alarm aus­lö­sen. In die­sem Fall wird der betrof­fe­ne Zug sofort ange­hal­ten und kontrolliert.

Ein­heit­li­che Rege­lun­gen ermög­li­chen siche­res Zusam­men­wir­ken der Akteu­re
Im Bahn­be­trieb agie­ren ver­schie­de­ne Unter­neh­men zusam­men. Dabei muss sich jeder Akteur auf die Zuver­läs­sig­keit des ande­ren an der Schnitt­stel­le ver­las­sen kön­nen. Ihre Auf­ga­ben­be­rei­che und Ver­ant­wor­tun­gen sind inter­na­tio­nal klar und ein­heit­lich gere­gelt. Har­mo­ni­sier­te Vor­schrif­ten zu Her­stel­lung, Betrieb und Instand­hal­tung sor­gen für einen siche­ren Schie­nen­ver­kehr (mehr zum Regu­la­tiv der inter­na­tio­na­len Zusam­men­ar­beit lesen Sie in Kürze auf die­sem Blog).

Aus­blick digi­ta­le auto­ma­ti­sche Kupp­lung (DAK)
Neben der Umset­zung der gel­ten­den Vor­ga­ben durch jeden am Eisen­bahn­ver­kehr betei­lig­ten Akteur rücken neue Tech­no­lo­gien in den Mit­tel­punkt. Mit der Auto­ma­ti­sie­rung und Digi­ta­li­sie­rung las­sen sich nicht nur Betriebs­ab­läu­fe effi­zi­en­ter gestal­ten. Es eröff­nen sich auch neue Mög­lich­kei­ten zur betrieb­li­chen Über­wa­chung sicher­heits­re­le­van­ter und ‑kri­ti­scher Bau­tei­le in Güter­zü­gen. Die lau­fen­de digi­ta­le Zustands­er­fas­sung die­ser Bau­tei­le bie­tet den Ver­ant­wort­li­chen eine attrak­ti­ve Chan­ce. Wer­den Ver­schleiss- und Alte­rungs­pro­zes­se fahr­zeug­indi­vi­du­ell digi­ta­li­siert ver­folgt, so lässt sich die Instand­hal­tung bedarfs­ge­recht und effi­zi­ent pla­nen. Schad­haf­te Bau­tei­le kön­nen vor einem Total­ver­sa­gen ermit­telt und aus­ge­tauscht wer­den. Tritt wäh­rend der Fahrt uner­war­tet ein Bau­teil­aus­fall auf, kann das sofort Alarm auslösen.

Um diese Inno­va­ti­on im Güter­ver­kehr zu nut­zen, braucht es in den Güter­wa­gen Sen­so­rik, elek­tri­sche Ener­gie und Daten­kom­mu­ni­ka­ti­on zum Lok­füh­rer, in die Sys­te­me der Wagen­hal­ter und zur ECM. Mit der euro­pa­weit geplan­ten Ein­füh­rung der DAK wer­den diese Vor­aus­set­zun­gen geschaf­fen (vgl. Blog­post «Daten­öko­sys­te­me: Daten tei­len, um ihren Mehr­wert zu ver­dop­peln»). So ver­wan­deln die Auto­ma­ti­sie­rung und Digi­ta­li­sie­rung den her­kömm­li­chen Ver­kehr in einen intel­li­gen­ten, effi­zi­en­ten, resi­li­en­ten und siche­ren Verkehr.

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