Wir vom VAP set­zen uns seit Län­ge­rem inten­si­ver mit dem Thema Daten­öko­sys­te­me aus­ein­an­der. 2022 haben wir bei der Koor­di­na­ti­ons­stel­le für nach­hal­ti­ge Mobi­li­tät (KOMO) die Ent­wick­lung einer Daten­platt­form ange­regt und trei­ben die Wei­ter­ent­wick­lung Mobi­li­täts­da­ten­in­fra­struk­tur (MODI) voran. Mit die­sem Blog­bei­trag möch­ten wir den Dia­log fort­set­zen und auf­zei­gen, warum Daten­öko­sys­te­me zur Visi­on aller Güter­bahn­ak­teu­re gehö­ren sollten.

Darum geht’s:

  • Die Kom­ple­xi­tät setzt die Mess­lat­te hoch
  • In klei­nen Schrit­ten zur gros­sen Vision
  • Das uner­schöpf­li­che Poten­zi­al von Daten ausschöpfen
  • Wir soll­ten im Gespräch bleiben

 

Die Komplexität setzt die Messlatte hoch

Daten­öko­sys­te­me sind hoch­kom­plex und umfas­sen diver­se The­men­fel­der (vgl. Abbil­dung 1). Sol­len sie nutz­bar und wirt­schaft­lich gemacht wer­den, so müs­sen wir sämt­li­che Wün­sche und Bedürf­nis­se der Akteu­re sowie all­fäl­li­ge Restrik­tio­nen einbeziehen.

Abbil­dung 1: Die Visi­on von digi­ta­ler und ope­ra­ti­ver Inter­kon­nek­ti­vi­tät umfasst höchst anspruchs­vol­le Themenbereiche

Anläss­lich unse­res Forums Güter­ver­kehr 2023 haben Dr. Mat­thi­as Prandt­stet­ter, Seni­or Sci­en­tist und The­ma­tic Coor­di­na­tor am AIT Aus­tri­an Insti­tu­te of Tech­no­lo­gy AIT, und Moni­ka Zosso Lunds­gaard-Han­sen, Co-Sek­ti­ons­che­fin Direk­ti­ons­ge­schäf­te beim BAV, Ein­bli­cke über den aktu­el­len Stand der Initia­ti­ven und Über­le­gun­gen gege­ben. Die Sach­ver­stän­di­gen sind sich einig: Fort­schrit­te im Bahn­sek­tor wer­den eine lang­wie­ri­ge und schwie­ri­ge Ange­le­gen­heit sein.

In kleinen Schritten zur grossen Vision

Das Ziel­bild eines intel­li­gen­ten und mög­li­cher­wei­se selbst­ent­schei­den­den Daten­öko­sys­tems lies­se sich über die fol­gen­den Ent­wick­lungs­pha­sen bei­spiel­haft rea­li­sie­ren (nicht abschliessend):

1. Basis­da­ten bereit­stel­len (z.B. mit MODI)

  • Garan­tier­te Qualität
  • «Ein­ma­lig­keit» des Daten­sat­zes (d.h. ein­deu­ti­ge Definitionen)
  • Zugänglichkeit/Transparenz für alle Involvierten
  • Markt­wirt­schaft­li­che Ent­wick­lung von Apps und erwei­ter­te Funk­tio­na­li­tä­ten möglich

2. Dreh­schei­be zum Aus­tausch von Daten akti­vie­ren (z.B. DX Inter­mo­dal von Hupac)

  • Aus­tausch zwi­schen 2 oder meh­re­ren auf der Dreh­schei­be agie­ren­den Unternehmen
  • Zusätz­li­che Daten­sät­ze (mit oder ohne Restrik­tio­nen für ein­zel­ne Akteure/Unternehmen)
  • Buchungs­mög­lich­kei­ten von ein­zel­nen oder gan­zen Relationen

3. Daten­öko­sys­tem schaffen

  • Zugang zu his­to­ri­schen Daten für erste Ana­ly­se­mög­lich­kei­ten gewährleisten
  • Daten­ban­ken (Basis­da­ten und/oder mit Restrik­tio­nen ver­füg­ba­re Daten­sät­ze anbinden)

4. Block­chain-Tech­no­lo­gie nutzen

  • Daten und Daten­sät­ze wer­den opti­mal vernetzt
  • Abso­lu­te Kos­ten- und Preistransparenz
  • Sicher­heit beim Daten­aus­tausch steigt
  • Effi­zi­en­te­re Gesamt­ent­wick­lung und ‑abwick­lung

5. Visi­on eines phy­si­schen Inter­nets umsetzen

  • Offe­nes glo­ba­les Sys­tem, auf phy­si­scher, digi­ta­ler und ope­ra­ti­ver Inter­kon­nek­ti­vi­tät basierend
  • Wen­det Pro­to­kol­le, Schnitt­stel­len und Modu­la­ri­sie­rung an
  • Gewis­se Ent­schei­dun­gen wer­den vom Öko­sys­tem – nicht von Ein­zel­ak­teu­ren – getroffen

Aktu­ell befin­det sich die Bahn­bran­che in Phase 1 und 2, wenn auch nur punk­tu­ell. Mit dem Bun­des­ge­setz über die Mobi­li­täts­da­ten­in­fra­struk­tur (MODIG) adres­siert das BAV alle rele­van­ten The­men­fel­der. DX Inter­mo­dal ist im kom­bi­nier­ten Ver­kehr (KV) bereits ope­ra­tiv und greift Punk­te von Phase 2 auf. Einen Gesamt­nut­zen für die Güter­bahn­lo­gis­tik lässt sich nur errei­chen, wenn sämt­li­che Pro­duk­ti­ons­for­men des Güter­ver­kehrs und die gesam­te Trans­port­ket­te («Door-to-Door») berück­sich­tigt wer­den. Dazu sind Ele­men­te der künst­li­chen Intel­li­genz einzubinden.

Das unerschöpfliche Potenzial von Daten ausschöpfen

Big Data hat sich vom Hype zum Mega­trend gewan­delt; das Poten­zi­al gesam­mel­ter Daten ist schier unend­lich. Diese ermög­li­chen dis­rup­ti­ve, inno­va­ti­ve, digi­ta­le Geschäfts­mo­del­le und bes­se­re Vor­her­sa­gen für rich­ti­ge Geschäfts­ent­schei­dun­gen. Aller­dings gilt das nur für Daten, die in der rich­ti­gen Qua­li­tät und Gra­nu­la­ri­tät zur Ver­fü­gung ste­hen. Zudem müs­sen die Akteu­re in der Lage sein, die rich­ti­gen Infor­ma­tio­nen und damit das gewünsch­te Wis­sen aus den Daten zu zie­hen und die­ses rich­tig zu inter­pre­tie­ren und ein­zu­set­zen. Das stellt die Öko­sys­tem­part­ner vor eine Reihe von Herausforderungen:

Systemnutzen vs. Eigennutzen

Eini­ge Unter­neh­men ver­fü­gen bereits über haus­ei­ge­ne Daten­sys­te­me. Sie sam­meln Daten von Gerä­ten an Loko­mo­ti­ven und Wagen und ver­wen­den sie zur Opti­mie­rung oder geben sie an Drit­te wei­ter. Damit ver­schaf­fen sich die Unter­neh­men Wett­be­werbs­vor­tei­le und zusätz­li­che Ein­nah­me­quel­len. Warum soll­ten sol­che Unter­neh­men an Daten­öko­sys­te­men teil­neh­men? Weil die Opti­mie­rung des eige­nen Sys­tems nicht zwin­gend dem Sys­tem als Gan­zes oder dem End­kun­den dient. Wenn zum Bei­spiel diver­se Ein­zel­ak­teu­re die glei­chen Daten gegen Ent­gelt an Drit­te ver­äus­sern, ver­teu­ert sich das Sys­tem, da für jeden Daten­trans­fer Geld fliesst. Zudem kön­nen ein­zel­ne Akteu­re ihre Daten­sät­ze im Rah­men eines Daten­öko­sys­tems kom­bi­nie­ren und damit die Effi­zi­enz des gesam­ten Sys­tems för­dern, etwa die vor­aus­sicht­li­che Abfahrts- oder Ankunfts­zeit. In die­sem Kon­text müs­sen Fra­gen der Daten­ho­heit geklärt werden.

Pflicht vs. Freiwilligkeit

Der Staat ist und bleibt der gröss­te Geld­ge­ber für das Bahn­sys­tem. Er soll­te ein Inter­es­se daran haben, die eige­ne Kasse und damit die Steu­er­zah­ler zu ent­las­ten. Die Bereit­stel­lung von gemein­nüt­zi­gen Daten kann die Effi­zi­enz ver­bes­sern. Auch hier blei­ben Fra­gen offen: Sol­len die Öko­sys­tem­part­ner ver­pflich­tet wer­den, Daten­sät­ze zu lie­fern? Soll es in einem Daten­öko­sys­tem mög­lich sein, vor­an­ge­gan­ge­ne, indi­vi­du­el­le Inves­ti­tio­nen aus­zu­glei­chen oder erhal­te­nen Sub­ven­tio­nen gegen­über­zu­stel­len? Oder soll die Teil­nah­me an einem Daten­öko­sys­tem frei­wil­lig blei­ben, mit dem Risi­ko, dass zu weni­ge Teil­neh­mer die Platt­form mit Daten speisen?

Daten vs. Daten

Nicht jedes Daten­ele­ment ist gleich­wer­tig für ein Daten­öko­sys­tem. So muss von Anfang an klar defi­niert wer­den, mit wel­chem Ziel und Gesamt­nut­zen ein Akteur seine Daten­ele­men­te auf einer Daten­platt­form hin­ter­le­gen soll. Zudem ist zwi­schen ope­ra­tio­nel­len, tech­ni­schen und kom­mer­zi­el­len Daten zu unter­schei­den, um emo­tio­na­le Dis­kus­sio­nen zu ver­mei­den. Schliess­lich ent­schei­det die Qua­li­tät, die der Daten­eig­ner oder eine neu geschaf­fe­ne Qua­li­täts­stel­le sicher­stel­len, über die Glaub­wür­dig­keit und Nach­hal­tig­keit eines Datenökosystems.

Wir sollten im Gespräch bleiben

Wir vom VAP möch­ten das Poten­zi­al von Daten­öko­sys­te­men dem gesam­ten Bahn­sek­tor nutz­bar machen und des­sen Wett­be­werbs­fä­hig­keit stei­gern. Des­halb enga­gie­ren wir uns für diver­se Initia­ti­ven, For­schungs­pro­jek­te und eta­blier­te Pro­duk­te in die­sem Kon­text, nament­lich für die folgenden:

  • Wei­ter­ent­wick­lung der Mobi­li­täts­da­ten­in­fra­struk­tur MODI, gemein­sam mit dem BAV
  • Gemein­sa­mer euro­päi­scher Mobi­li­täts­da­ten­raum (EMDS), eine Initia­ti­ve der EU
  • Arbeits­kreis der Logis­tik (AKL), bei dem wir die Lei­tung über­nom­men haben

 

Wenn auch Sie die digi­ta­le Zukunft des Bahn­sek­tors mit­ge­stal­ten möch­ten, freut sich Jür­gen Maier, von Ihnen zu hören.

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