Am 11. März 2020 hat FDP-Nationalrat Frédéric Borloz die Motion 20.3084 «Regelungen der Haftpflicht im Gütertransport auf der Schiene klären» eingereicht. Damit verlangt er vom Bundesrat klärende Bestimmungen über die Haftung beim Gütertransport auf der Schiene. Die Klärung soll insbesondere die Risikoverteilung und die Regelung der Rechtsmittel zwischen den Eisenbahnunternehmen (EVU) und den Wagenhaltern sowie die rechtlichen Folgen von Vorfällen mit gefährlichen Gütern betreffen.
Position VAP
Der VAP als Vertreter der verladenden Wirtschaft spricht sich gemeinsam mit scienceindustries als Fachverband der Chemie gegen die Motion 20.3084 aus. Diese nennt beispielhaft das Ereignis von Daillens im Mai 2015 und begründet den Klärungsbedarf wie folgt. Erstens: Der Wagenhalter haftet bei einem Unfall nur dann, wenn das EVU nachweisen kann, dass ihn ein Verschulden trifft. Zweitens: Es ist nicht klar, wer für die Qualität des (Roll-)Materials verantwortlich ist. Beide Behauptungen sind falsch.
Stichhaltige Argumente
Seit dem Ereignis in Daillens wurde der internationale Rechtsrahmen wesentlich angepasst. Am 1. Juli 2015 trat der Anhang D zum Übereinkommen über den internationalen Eisenbahnverkehr (COTIF) in Kraft. Artikel 7 besagt: «Wer den Wagen auf Grund eines Vertrages nach Artikel 1 zur Verwendung als Beförderungsmittel zur Verfügung gestellt hat, haftet für die durch den Wagen verursachten Schäden, sofern ihn ein Verschulden trifft.» Paragraf 2 konstatiert, dass die Vertragsparteien abweichende Vereinbarungen treffen können. Das haben die rund 600 privatwirtschaftlichen Vertragsparteien auch getan und ab 1. Januar 2017 den Allgemeinen Vertrag für die Verwendung von Güterwagen (AVV) aktualisiert. Artikel 7 klärt die Instandhaltungspflichten des Wagenhalters, Artikel 27 beschreibt das Haftungsprinzip: «Der Halter haftet für die verursachten Schäden, sofern ihn ein Verschulden trifft.» Und: «Ein Verschulden wird vermutet, wenn er seine Pflichten aus Artikel 7 nicht ordnungsgemäss erfüllt hat.»
Mangelnde Praktikabilität
Die Motion Borloz setzt die Haftungsfrage in einen nationalen Kontext, obwohl sie ein internationales Thema darstellt. Die Verantwortlichkeiten und Kontrollen sind supranational und vertragsrechtlich klar geregelt. Ein landesrechtlicher Gesetzeszusatz – oder was immer unter «klärenden Bestimmungen» zu verstehen ist – würde die Praktikabilität für den Schienengüterverkehr in und durch die Schweiz beeinträchtigen. Die international geltenden Beförderungsbestimmungen kommen der verlangten Anreizgebung und Haftungsverschärfung längst nach. Der geforderte Übergang zu einer Gefährdungshaftung für Wagenhalter ist unnötig, da im Fall eines Ereignisses in der Haftungsfrage keine zivilrechtlichen Versicherungslücken bestehen, zum Beispiel hinsichtlich Schadenersatzzahlungen, was frühere Vorfälle zeigen.