INNOVATION
Welche Innovationen bewegen den Schienengüterverkehr? Der VAP fördert die Automatisierung des Schienengüterverkehrs und ist in der Projektleitung der Migration der DAK (digitalen automatischen Kupplung) vertreten.
Dank der DAK wird der Schienengüterverkehr effizienter, produktiver und befähigt, sich in die multimodalen Logistikketten der Wirtschaft zu integrieren. VAP-Präsident und Ständerat Josef Dittli hat mit seiner Motion 20.3221 «Durch Automatisation Güter auf der Schiene effizienter transportieren» den Anstoss für ein Umsetzungs- und Finanzierungskonzept für die Automatisierung und Digitalisierung des Schienengüterverkehrs gegeben. Der VAP hat gemeinsam mit dem Bundesamt für Verkehr (BAV) und dem Verband öffentlicher Verkehr (VÖV) eine Absichtserklärung zur Digitalisierung und Automatisierung des Schweizer Schienengüterverkehrs unterzeichnet. Auch zahlreiche Unternehmen der Branche haben die Zusammenarbeit erklärt.
28. Juni 2023: Aufforderung zur koordinierten, europaweiten Einführung der DAK mitsamt Digitalisierungs- und Automatisierungstechnologie:
- VAP Branchenstatement an die Europäische Kommission und die Mitgliedstaaten
- Anhang: DAK Branchenstatement
- Absichtserklärung zur Automatisierung im Schienengüterverkehr der Schweiz 2021
- Gemeinsame Absichtserklärung von CFS, VöV und BAV zur Innovationsförderung 2017
Medienbericht:
Bericht von Zeit Online vom 26.10.2021
Digitalisierung der Schiene behebt Nachteile und macht diese zukunftsfähig
Wie zukunftsfähig ist der Schienenverkehr tatsächlich? Kann er der Aufgabe der politisch angestrebten Verkehrsverlagerung gerecht werden? Wir meinen: Ja, sofern er grundlegend transformiert. Eine systemübergreifende Digitalisierung ist entscheidend, damit sich der Bahnsektor als nachhaltiger Träger mulimodaler Logistikketten etablieren kann.
Darum geht’s:
- Am Anfang war die Mobilität
- Für die Zukunft gut aufgestellt
- Sicherheit bringt wettbewerbshinderliche Nachteile
- Digitale Innovation und Investition gefragt
Am Anfang war die Mobilität
Der Bedarf nach Mobilität ist in der westlichen Industriegesellschaft über die letzten Jahrzehnte massiv gestiegen. Das hat den Konkurrenzkampf zwischen den Verkehrsträgern akzentuiert. Der motorisierte Individualverkehr und der Flugverkehr haben ihre Dominanz im Personentransport kontinuierlich ausgebaut. Im Gütertransport ist der Lastwagen zum wichtigsten Verkehrsträger aufgestiegen, nicht zuletzt dank wegweisender Innovationen. Obwohl der Schienenverkehr in Europa nur einen geringen Anteil des aktuellen Transportbedarfs abdeckt, ist er aus dem Angebot nicht wegzudenken. Müsste in der Schweiz die Strasse die Verkehrsleistung der Schiene übernehmen, so wäre das Chaos vorprogrammiert.
Für die Zukunft gut aufgestellt
Mobilität und Treibhausgasemissionen gehen Hand in Hand. So ist mit der Klimadiskussion der schonende Umgang mit Ressourcen in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt. In einigen europäischen Ländern und in der Schweiz setzt die Politik vermehrt auf die emissionsarme Bahn und strebt eine deutliche Verlagerung der Verkehre auf die Schiene an. Da stellt sich die Frage, wie gut der Bahn-sektor dieser Aufgabe gewachsen ist. Derzeit besticht die Schiene durch einige entscheidende Wettbewerbsvorteile:
- Schienenverkehr wird geplant und gesteuert, was das Angebot zuverlässig macht.
- Der Transport auf der Schiene wird laufend überwacht, weshalb die Bahn als sicherster Verkehrsträger gilt.
- Dank hohem Elektrifizierungsgrad verursacht Schienenverkehr wenig Emissionen. In der Schweiz fahren Züge ausschliesslich mit CO2-freiem Strom.
- Eine Bahntrasse benötigt deutlich weniger Fläche als eine Strasse. Das ist gerade in dicht besiedelten Gebieten entscheidend.
Sicherheit bringt wettbewerbshinderliche Nachteile
Im Grundsatz ist der Bahnsektor also gut für die Zukunft aufgestellt. Doch die hohen Sicherheitsanforderungen an den Schienenverkehr wirken sich negativ auf dessen Flexibilität und damit Wettbewerbsfähigkeit aus. Dies in mehrerlei Hinsicht:
- Die meisten Bahnstrecken sind in fixe Streckenblocks aufgeteilt. Ein Zug erhält erst dann grünes Licht, wenn der Block vor ihm frei ist. Diese Gliederung in fixe Streckenblöcke begrenzt die Streckenkapazität und damit den Takt der möglichen Zugfahrten.
- Mit infrastrukturseitigen Achszählern wird garantiert, dass alle Wagen eines Zuges, die in den Streckenblock eingefahren sind, diesen auch wieder verlassen haben. Diese Überwachung erhöht zwar die Sicherheit, ist aber aufwendig und limitiert das Durchlaufvermögen.
- Verkehren auf einer Strecke Personen- und Güterzüge, so schränkt das die Streckenkapazität aufgrund der unterschiedlichen Fahr- und Bremsdynamiken weiter ein.
Digitale Innovation und Investition gefragt
Die erwähnten Nachteile des Bahnsektors lassen sich beheben. Doch dazu ist eine umfassende Transformation mit Innovation und Investitionen nötig, die systemübergreifend und über alle Bran-chenakteure hinweg koordiniert erfolgt. Im Mittelpunkt eines derart epochalen Wandels stehen digitale Technologien und ein neuartiger Umgang mit Daten.
- Zugbetrieb digitalisieren: Ein digitaler Zugbetrieb kommt ohne Streckenblocks und Signale aus und kann besser ausgelastet werden. Der Abstand zwischen zwei in die gleiche Richtung fahrenden Zügen wird in Echtzeit mit einem kommunikationsbasierten Zugleitsystem (Communication-Based Train Control, CBTC) ermittelt. Das gewährleistet zu jedem Zeitpunkt den nötigen Sicherheitsabstand, schränkt aber die Streckenkapazität nicht ein.
- Datenökosysteme errichten: Schlüssel für eine systemübergreifend abgestimmte Digitalisierung ist der Zugang zu hochwertigen Daten aus erster Hand. Davon profitieren alle Akteure innerhalb einer multimodalen Logistikkette. Bestrebungen wie die Weiterentwicklung der Mobilitätsdateninfrastruktur (MODI), die Nationale Datenvernetzungsinfrastruktur Mobilität (NADIM) oder das KV4.0 Projekt des deutschen Bundesministeriums für Digitales und Verkehr BMVD gehen in die richtige Richtung (vgl. «Datenökosysteme: Daten teilen, um ihren Mehrwert zu verdoppeln»).
- Angebot flexibilisieren: Umfassende Innovationen auf Systemebene ermöglichen wie erläutert die Vernetzung von Daten. Dadurch wird die Bahnproduktion deutlich effizienter und flexibler und der Güterverkehr kann sein Angebot konkurrenzfähiger ausgestalten. Damit tatsächlich markant mehr Güterverkehr auf der Schiene stattfinden kann und sich Engpässe beheben lassen, muss die öffentliche Hand allerdings auch die physische Infrastruktur entsprechend ausbauen.
- Fachkräftemangel adressieren: Der aktuelle Güterbahnbetrieb produziert höchst personalintensiv. Noch werden zahlreiche Tätigkeiten im Gleisfeld manuell ausgeführt. Viele Mitarbeitende tragen Tag für Tag dazu bei, dass die Räder rollen. Diese Aufgaben sind nicht selten körperlich anstrengend und gefährlich. Im Rahmen des demografischen Wandels gehen viele langjährige Bahnmitarbeitende in den kommenden Jahren in Pension. Diese Fachkräftelücke kann die Teilautomatisierung schliessen, etwa durch die Migration auf die digitale automatische Kupplung DAK (vgl. Blogbeitrag «Die Digitalisierung des Schienengüterverkehrs nimmt Fahrt auf»).
- Interoperabilität stärken: Die europäischen Bahnen sind nach wie vor stark reguliert. Trotz der Harmonisierungsbemühungen der Europäischen Union schränken zahllose nationale Vorschriften für Fahrzeuge und Bahnpersonal den freien grenzüberschreitenden Bahnverkehr immer noch ein. Allerdings wird die Digitalisierung auf europäischer Ebene auf einheitlichen Standards aufgebaut, was die Harmonisierung begünstigt. Umso wichtiger ist es, dass die Verkehrspolitik europaweit koordiniert wird (vgl. Blogbeitrag «Interoperabilität Schweiz–EU sicherstellen»).
«Digitale Technologien unterstützen und entlasten unsere Mitarbeitenden»
Interview mit Thomas Küchler, Direktor der SOB
Die Südostbahn (SOB) ist seit Jahren Vorreiterin der Digitalisierung im Bahnbetrieb. Thomas Küchler, Vorsitzender der Geschäftsleitung, erläutert im Gespräch mit dem VAP, warum die SOB vom fundamentalen Change-Prozess der Digitalisierung überzeugt ist, wie digitalisierte Prozesse transparenter werden, wie sich der Bahnbetrieb (teil-)automatisieren lässt, wie sich bisherige Berufsbilder verändern, welche Erkenntnisse die SOB aus Zustandsdaten gewinnt und warum es wichtig ist, Daten in Datenökosystemen auszutauschen.
Herr Küchler, derzeit sprechen alle über Digitalisierung. Wie sehen Sie das?
Thomas Küchler: Das stimmt. Ich zeige Ihnen gerne unsere praktischen Erkenntnisse auf, die wir bei der SOB in den vergangenen Jahren gewonnen haben. Allerdings möchte ich nicht über Technologien wie die Communication-Based Train Control sprechen. Vielmehr müssen wir das Thema Digitalisierung grundsätzlich betrachten.
Heute wird im Bahnsektor vieles digital abgebildet. Doch meistens handelt es sich um Insellösungen. Der Informationsfluss ist nicht durchgehend: verschiedene Speicherorte, unterschiedliche Formate, abweichende Aktualitätsstände. Wenn damit Prozesse gesteuert werden sollen, die den geltenden Anforderungen von «Safety» und «Security» gerecht werden, wird rasch erkennbar, dass sich das mit vertretbaren Aufwendungen nur schwer realisieren lässt. Denn der Erfolg eines Bahnunternehmens basiert auf hoher Sicherheit und dem kontinuierlichen Streben nach mehr Effizienz. Digitalisierungsmassnahmen müssen messbar dazu beitragen, dass der sichere Betrieb gewährleistet bleibt und sich die Effizienz erhöht.
Demnach brauchen wir für die Digitalisierung einen komplett neuen Ansatz. Im Zentrum muss eine softwarebasierte Steuerung stehen. Ein solches System muss modular und wandelbar aufgebaut sein und die einzelnen Funktionen untereinander verknüpfen.
Was versteht die SOB als Vorreiterin in diesem Thema unter Digitalisierung?
Thomas Küchler: Die SOB-Führung hat das Potenzial der Digitalisierung zum Glück vor Jahren erkannt.
Für uns geht es nicht darum, manuelle Prozesse digital abzubilden. Die heutige Struktur der Bahnen basiert auf Prozessen aus dem letzten Jahrhundert. Im Bahnsektor wurden bestehende Teilsysteme typischerweise mithilfe von Software realisiert. Eine der grössten Hürden ist dabei die fehlende übergeordnete Durchgängigkeit bei den Informationen.
Wie hat die SOB die Digitalisierung gemeistert?
Thomas Küchler: Unser Management hat früh verstanden, dass sich unser Unternehmen Richtung Digitalisierung weiterentwickeln muss und dafür auf kompetente Unterstützung angewiesen ist. Wir haben externe Fachexperten beigezogen. Diese brachten eine Aussensicht in unsere Bahnwelt. So haben wir erkannt, dass für eine erfolgreiche Digitalisierung ein fundamentaler Change-Prozess erforderlich ist. Dieser tiefgreifende Wandel muss überdies bei laufendem Betrieb vollzogen werden. Ein Bahnunternehmen kann nicht wie ein Industrieunternehmen das alte Produkt absetzen und ein neues Produkt auf den Markt bringen. Zudem ist entscheidend, dass die gesamte Belegschaft mitzieht. Jede Mitarbeiterin und jeder Mitarbeiter muss sich mit der Digitalisierung im eigenen Umfeld auseinandersetzen.
Wie haben Sie Ihre konzeptionellen Erkenntnisse konkretisiert?
Thomas Küchler: Wir haben vier Elemente für eine umfassende Digitalisierung ermittelt: Daten, Organisation, System, Prozesse. Alle vier Elemente sind synchron zu adressieren, sie bilden den Kern der Umsetzung. Unternehmensübergreifend haben wir – bildlich gesprochen – ein SOB-Gebäude konzipiert. Wir haben die gemeinsam genutzten Daten definiert, die für alle autorisierten Nutzer verfügbar sein müssen. In der Folge haben wir die organisatorischen Einheiten in die Stockwerke unseres SOB-Gebäudes einquartiert. Sie sind eigenverantwortlich für die Einrichtung ihres Stockwerkes und frei in dessen Gestal-tung. Aber sie müssen die übergeordneten Datenstrukturen respektieren.
Wie haben Sie Ihre Mitarbeitenden einbezogen?
Thomas Küchler: Das ist einer der grössten Erfolgsfaktoren. Transformation gilt nicht nur für das Kader. Alle Mitarbeitenden sind betroffen. Deshalb haben wir Betroffene zu Beteiligten gemacht. Als solche müssen sie eine aktive Rolle einnehmen und die folgende Frage beantworten: Welche Verbesserung vereinfacht meine Arbeiten so, dass bei hohem Sicherheitslevel die Effizienz steigt. Wir haben festgestellt, dass gerade jüngere Mitarbeitende neue Ideen einbringen, die sich geschickt mit den Erfahrungen der langjährigen Mitarbeitenden verknüpfen lassen.
Digitalisierung bringt also Veränderung übers ganze Unternehmen hinweg?
Thomas Küchler: Oh ja. Bahnunternehmen werden stark von der Erfahrung ihrer Mitarbeitenden geprägt. Früher hatten wir einen sehr hohen Anteil langjähriger Mitarbeitender, die mit ihrer Erfahrung das Rückgrat un-seres Unternehmens bildeten und entscheidend zur Qualität unserer Produktion beitrugen. Mit der Zeit hat sich die durchschnittliche Dauer von Arbeitsverträgen verkürzt; heute haben wir eine höhere Fluktuation. Deshalb müssen wir uns intensiv mit dem Wissenserhalt auseinandersetzen. Zudem ändern sich die Berufsbilder stärker. Auch diesen Trend müssen wir als Unternehmen aufgreifen.
Wie hängen Veränderung und Digitalisierung zusammen?
Thomas Küchler: In doppelter Hinsicht. Erstens beschleunigt die Digitalisierung die Veränderung von Berufsbildern. Das hat durchaus einen interessanten Effekt, denn in vielen Fällen werden die Berufsbilder attraktiver. Wichtig ist, die langjährigen Mitarbeitenden auf diese Reise mitzunehmen.
Zweitens ermöglicht die Digitalisierung die Kontrolle des Systems. Diese Kontrolle ist für die Prozesssicherung entscheidend. Sie hilft uns, ein praxisgerechtes Safety Management System zu betreiben, das sämtlichen Vorgaben gerecht wird. Schliesslich konnten wir die Abhängigkeit von einzelnen Mitarbeitenden umgehen.
Veränderung wird aber nicht nur positiv wahrgenommen. Was meinen Sie dazu?
Thomas Küchler: Wer nach jahrelanger erfolgreicher Arbeit sein Metier beherrscht, kann auf Veränderungen auch kritisch reagieren. Aber wir sollten eine Eigenheit des Bahnsektors berücksichtigen: Viele traditionelle Arbeiten im Bahnalltag sind körperlich anstrengend. Sie sind bei Wind, Regen und Schnee zu jeder Tageszeit zuverlässig und sicher durchzuführen. Wir haben heute immer grössere Schwierigkeiten, dafür neue Mitarbeitende zu rekrutieren. Deshalb werte ich es als positiv, dass Digitalisierung und Automatisierung traditionelle «Bähnlerberufe» ändern und neue Berufsbilder schaffen.
Ein gutes Beispiel dafür ist die Sicherheit. Früher waren viele Tätigkeiten im Bahnbetrieb unmittelbar für die Sicherheit entscheidend. Der Mitarbeitende prüfte die freie Strecke und erteilte den Fahrbefehl. Heute wird er durch Leitsysteme unterstützt, die sicheres Fahren gewährleisten. Mit der früheren Methode wäre der dichte Fahrplan von heute nicht sicher und effizient machbar.
Wie können Technologien Ihre Mitarbeitenden unterstützen?
Thomas Küchler: Tests haben klargemacht: Wir streben keinen vollautomatischen Betrieb ohne Personal an. Vielmehr sollen digitale Technologien unsere Mitarbeitenden unterstützen und entlasten, indem sie vor allem bei Abweichungen die Trassennutzung laufend optimieren.
Und inwiefern verbessert die Digitalisierung den Betrieb?
Thomas Küchler: Bei unserem Personenverkehr setzen wir weitgehend moderne Triebzüge ein. Das sind richtige Datenschleudern, sie sammeln im Betrieb laufend Zustandsdaten. Hier arbeiten wir mit dem Hersteller Stadler zusammen. Stadler sammelt für uns die Daten. Wir haben die Datenhoheit, übernehmen einen Grossteil der Rohdaten und werten sie teilweise selbst aus. Über die sogenannte Zustandsauswertung können wir Trends zeitnah erkennen, wirksame Massnahmen ergreifen und zeitgerecht umsetzen. Die Digitalisierung hilft uns, rechtzeitig zu reagieren.
Was treibt die SOB zur digitalen Transformation an?
Thomas Küchler: Ein Bahnunternehmen muss sich an den Kunden orientieren. Kundenbedürfnisse wandeln sich ständig. Über entsprechende Kennzahlen müssen wir Trends rasch erkennen und richtig reagieren. Mit den erfassten Kennzahlen können wir die Wirkung unserer Massnahmen beurteilen. Damit unser Geschäftsmodell erfolgreich bleibt, müssen wir die Effizienz steigern und gleichzeitig Sicherheit gewährleisten. Auf diese Weise stellen wir die Marktfähigkeit unseres Unternehmens sicher. Die Digitalisierung ist ein ideales Tool, unser Geschäft erfolgreich zu betreiben.
Herr Küchler, besten Dank für das aufschlussreiche Gespräch.
Die Digitalisierung des Schienengüterverkehrs nimmt Fahrt auf
Die Politik passt die Rahmenbedingungen für die Migration zur digitalen automatischen Kupplung (DAK) an und die Technologie für den künftigen Standard wird Schritt für Schritt festgelegt. Die Schweiz stimmt ihren Einführungsprozess auf denjenigen in Europa ab. Als Branchenakteure wollen wir vom VAP die Zulassung für den kommerziellen Verkehr vorantreiben und übernehmen deshalb eine Schlüsselrolle in der Koordination und Dokumentation der entsprechenden Projekte.
Darum geht’s:
- Ständerat gibt grünes Licht für die DAK und den Einzelwagenladungsverkehr
- GüTG mit europäischem Fahrplan harmonisiert
- Technologie muss sich als Standard beweisen
- Schweizer Branche übernimmt Vorreiterrolle
- Zwei Etappen, ein Ziel: Vernetzung mit der Zukunft
- VAP verwandelt Erfahrungen in praxisgerechte Lösungen
Ständerat gibt grünes Licht für die DAK und den Einzelwagenladungsverkehr
Die Entwicklungen rund um die Digitalisierung des Schienengüterverkehrs verlaufen buchstäblich mehrgleisig. Eine Weichenstellung im politischen Prozess hat am 24. September 2024 stattgefunden. An diesem Beratungstag in der Herbstsession des Schweizer Parlaments hat sich der Ständerat zur Totalrevision des Gütertransportgesetzes beraten und den Verpflichtungskredit zur Einführung der DAK in der Höhe von 180 Mio. Franken sowie den Verpflichtungskredit zur Modernisierung des Einzelwagenladungsverkehrs über 260 Mio. Franken gutgeheissen. Damit hat der Erstrat die wichtigsten Eckpunkte der bundesrätlichen Botschaft vom 10. Januar 2024 aufgegriffen und sich mit einer breiten Mehrheit explizit für die Digitalisierung des Güterverkehrs mit der seit vielen Jahren verfeinerten Innovation ausgesprochen. Dazu Bundesrat Albert Rösti in seinem Votum vor dem Ratsplenum: «Neben der digitalen automatischen Kupplung sollen weitere konkrete Modernisierungsschritte erfolgen, wie zum Beispiel Buchungsplattformen.» Weshalb diese Bemerkung eine holistische Perspektive auf die DAK widerspiegelt, legen wir in unserem Blogbeitrag «Datenökosysteme: Branche am runden Tisch mit Bundesrat Rösti» dar.
GüTG mit europäischem Fahrplan harmonisiert
Die Planung des revidierten GüTG und der entsprechenden Verordnung harmoniert mit dem europäischen Fahrplan. Die Inkraftsetzung ist auf Ende 2026 bis Anfang 2027 zu erwarten. Ab dann werden die budgetierten Bundesmittel für die DAK-Migration bereitstehen. Die Akteure des European DAC Delivery Programme (EDDP) von Europe’s Rail wollen die DAK-Migration ab 2028 in grossem Stil ausrollen. Dieses Umsetzungsprogramm vereint Eisenbahnverkehrsunternehmen, Infrastrukturbetreiber, Wagenhalter sowie die Eisenbahnzulieferindustrie, für die Instandhaltung zuständige Stellen, Branchenorganisationen, Eisenbahnforschungszentren und politische Institutionen. Dieses integrierte gemeinsame Programm baut auf Forschungs- und Entwicklungsergebnisse und Pilotprojekte und strebt die Gewährleistung der notwendigen Massnahmen für eine schnelle, technisch und wirtschaftlich machbare europaweite DAK-Einführung an.
Technologie muss sich als Standard beweisen
Damit sich dieses ambitionierte Ziel erreichen lässt, braucht es eine entwickelte und betriebserprobte Technologie. Auch hier hat das EDDP bereits erhebliche Vorarbeit geleistet und Anfang 2024 das «DAC Basis Package» als künftigen Systemstandard für den europäischen Schienengüterverkehr kommuniziert. Das EDDP sieht Pilotzüge in ganz Europa vor, um die Technologie des «DAC Basis Package» zu verfeinern und umfassend zu testen. Das Startpaket enthält die folgenden Komponenten:
- DAK (mechanisch/pneumatisch) einschliesslich Energie-/Datensystem
- Erkennen der Zugzusammenstellung
- Automatische Bremsprobe
- Zugvollständigkeitsprüfung
- Automatisches Entkuppeln (im Zug von der Lok oder von der Wagenseite)
Noch steht ein wichtiger Systementscheid aus: Für die Datenübertragungstechnologie im Zug stehen die Optionen Single per Ethernet und Powerline+ in der Endauswahl. Da in der Schweiz bereits erfolgreiche Tests mit Powerline+ erfolgt sind, soll nun zeitnah ein zulassungsfähiger Pilotzug mit dieser Technologie realisiert werden.
Schweizer Branche übernimmt Vorreiterrolle
Die Schweiz will zu dem vom EDDP koordinierten europäischen DAK-Entwicklungsprojekt substanziell beitragen und dieses eng mit den europäischen Organisationen von EDDP abstimmen. So schickt sich die Schweizer Bahnbranche an, die Systemintegration zur Zulassung kommerzieller Einsätze voranzutreiben. Die technischen Spezifikationen und der funktionale Leistungsumfang des «DAC Basis Package» und die Übertragungstechnologie Powerline+ bilden die Grundlage für die weiteren Arbeiten des Schweizer Projektteams. Demnach werden BAV, VAP und VöV ihre gemeinsam unterzeichnete Absichtserklärung zur Automatisierung im Schienengüterverkehr entsprechend erweitern.
Zwei Etappen, ein Ziel: Vernetzung mit der Zukunft
Der Beitrag der Schweiz zur DAK-Einführung erfolgt in zwei Etappen. Vorab soll die Systemintegration auf dem Schweizer Pionierzug zügig bis zur Zulassungsreife vorangetrieben und deren Alltagstauglichkeit dann im kommerziellen Einsatz nachgewiesen werden. Der Bund wird die Entwicklung mit Fördermitteln gemäss Artikel 10 Gütertransportgesetz unterstützen.
- Das Entwicklungsprojekt EP3 zur Realisierung der Zulassung eines ersten Pionierzugs mit den Funktionen nach «DAC Basic Package» hat begonnen. Ziel ist es, bis Mitte 2026 eine BAV-Betriebsbewilligung für definierte kommerzielle Fahrten auf dem Schweizer Normalspurnetz zu erlangen. Dazu haben rund 30 motivierte Swissrail-Mitglieder, SBB Cargo, das BAV und VAP-Vertreter am 30. August 2024 ihre Absicht bekundet, den Schienengüterverkehr gemeinsam konkurrenzfähig zu machen und die Schweizer DAK-Technologie nach aussen zu tragen. Mit EP3 wollen die Branchenakteure die Definition des künftigen europäischen Standards im Schienengüterverkehr wesentlich mitgestalten. Es ist nun an der Zeit, Grundsatzdiskussionen zu verlassen und betriebstaugliche Lösungen zu erarbeiten. Die neuen Systeme müssen robust, alltagstauglich und finanzierbar sein, damit der Güterzug künftig wirtschaftlich erfolgreich verkehren kann.
- Mit dem Entwicklungsprojekt EP4 sollen nach Abschluss von EP3 mehrere DAK-Züge im Zeitraum von 2026 bis 2027 für kommerzielle Fahrten auf das Schweizer Schienensystem gebracht werden. Erste Gespräche mit Verladern haben bereits stattgefunden. Gesucht werden isolierte Verkehre, die sich für eine frühzeitige DAK-Umstellung als Pionierzüge eignen. Das Ziel dieser zweiten Etappe ist das Sammeln von Betriebserfahrung und die weitere Ertüchtigung im realen Einsatz. Die Pionierzüge sollen involvierten Anspruchsgruppen und Investoren ein konkretes Bild über die künftigen Möglichkeiten mit der DAK und der damit einhergehenden Digitalisierung im Schienengüterverkehr geben.
VAP verwandelt Erfahrungen in praxisgerechte Lösungen
Wir vom VAP werden die erwähnten Projekte für alle Interessierten und Beteiligten koordinieren und dokumentieren. Damit wollen wir einen breiten Erfahrungsaustausch und volle Praxistauglichkeit bis in die Anschlussgleise und die Logistik der Wirtschaft sicherstellen. Unsere Mitglieder – allen voran die Verlader und Wagenhalter – beteiligen sich aktiv an den beiden Entwicklungsetappen. Damit lassen sich Erkenntnisse aus Pilotprojekten skalieren und Synergien für alle Branchenakteure nutzbar machen.
«Die Asymmetrie von Vorteilen und Umsetzungskosten erachte ich als grössten Knackpunkt der DAK»
Die JOSEF MEYER Rail (JMR) Group hat sich auf Unterhalt und Reparaturen von Güterwagen spezialisiert und unterhält Standorte im In- und Ausland. Im Gespräch mit dem VAP sprechen Dr. Dominik Suter, Inhaber und Verwaltungsratspräsident, sowie Ulrich Walt, Gruppen-CEO seit September 2024, über die Erfolgsfaktoren eines industriellen Branchenakteurs, die Asymmetrie von Innovationen und die Zukunft des Schweizer Schienengüterverkehrs.
VAP: Herr Suter, wie kam es zum Führungswechsel und was erwarten Sie von Ulrich Walt?
Dominik Suter: Vinzenz Bindschädler, unser bisheriger Geschäftsführer, hat sich entschieden, JMR auf Ende September 2024 zu verlassen. Mit Ulrich Walt übernimmt ein langjähriger Branchenkenner die Führung unserer Gruppe. Gemeinsam wollen wir unsere Vision, die Produktivität unserer Eisenbahnkunden nachhaltig zu steigern, konkretisieren und unsere Unternehmensgruppe im internationalen Kontext ausbauen.
VAP: Ihr Markenversprechen bringen Sie mit den Attributen «zuverlässig», «engagiert» und «innovativ» zum Ausdruck. Herr Walt, wie wollen Sie diese Eigenschaften in Zukunft stärken? Wo werden Sie neue Wege einschlagen?
Ulrich Walt: Ich finde diese Tagline hilfreich. Sie sind zwar etwas generisch, machen aber deutlich, was uns gegenüber unseren Kunden wichtig ist. Gerade das Attribut «zuverlässig» ist im Instandhaltungsgeschäft entscheidend, weil es viel mit Sicherheit zu tun hat. Mit der Eigenschaft «engagiert» wollen wir unseren Ruf als eine der besten Werkstätten Europas festigen. Zum Beispiel verkürzen wir laufend die Durchlaufzeiten und schicken in der Schweiz für kleinere Reparaturen mobile Instandhaltungsteams los.
Den strategischen Kurs werde ich beibehalten. Da wir in industrielle Prozesse eingebunden sind, können wir unser Geschäftsmodell nicht von heute auf morgen revolutionieren. Allerdings möchte ich neue Akzente setzen. Zum Beispiel werden wir uns noch stärker auf unsere Kernkompetenzen der Instandhaltung und ECM-Angebote fokussieren. Nach innen gilt unser Augenmerk verstärkt der Führung und der Verantwortung. Und schliesslich wollen wir auch unsere Systeme und Prozesse weiter optimieren.
Das Merkmal «innovativ» wird gemeinhin mit Digitalisierung gleichgesetzt. Diese wird auch im Schienengüterverkehr rege diskutiert, vor allem im Zusammenhang mit der digitalen automatischen Kupplung (DAK). Was ist Ihre Meinung dazu?
Dominik Suter: Die Förderung des Schienenverkehrs in Europa setzt kurzfristig nicht nur die Instandstellung der Schieneninfrastruktur und die DAK voraus, sondern erfordert mittelfristig auch Innovationen im Rollmaterial. So haben wir schon vor Jahren gemeinsam mit Industriepartnern lärm- und verschleissarme Güterwagendrehgestelle für deutlich höhere Geschwindigkeiten entwickelt. In einem Joint Venture mit PROSE ist daraus das kostengünstigere Drehgestell «LEILA Light» auf der Basis einer zulassungsfähigen Technologie entstanden. «LEILA Light» bietet bestechende Vorteile hinsichtlich Lärm, Verschleiss der Schieneninfrastruktur und Geschwindigkeit. Solange die Vorteile bezüglich Lärm, Verschleiss der Schieneninfrastruktur und Geschwindigkeit nicht beim Investor ankommen, wird jedoch nicht in modernes Rollmaterial investiert.
Ulrich Walt: Ähnlich verhält es sich mit der DAK als meistzitierte Digitalisierungstreiberin. Bei Innovationen für den Schienenverkehr stellt sich immer die Frage, ob sie am Wagen oder an der Infrastruktur stattfinden sollen. Die DAK revolutioniert den Wagen. Doch die Vorteile dieser Innovation und die Kosten für deren Umsetzung sind asymmetrisch verteilt, fallen also an unterschiedlichen Stellen an. In einem solchen Fall wird es schwierig, einen Durchbruch zu erzielen. Diese Asymmetrie erachte ich als grössten Knackpunkt der DAK. Hier braucht es einen Anstoss des Regulators. Die DAK ist im politischen Prozess weit fortgeschritten, weshalb sie sich über kurz oder lang durchsetzen wird.
Die Wurzeln von JMR reichen bis ins Jahr 1888 zurück. Seither hat sich Ihr Unternehmen als verlässlicher Branchenakteur etabliert. Wie lautet Ihr Erfolgsgeheimnis?
Dominik Suter: Das Erfolgsgeheimnis sind unsere Mitarbeitenden, die für den Schienengüterverkehr «brennen». Manche Mitarbeitende arbeiten seit Jahrzehnten, teilweise sogar ihr gesamtes Berufsleben lang bei uns. Die schlanken Strukturen mit kurzen Entscheidungswegen sowie unsere Kundenorientierung tragen ebenfalls zu unserem Erfolg bei.
Ulrich Walt: Dem kann ich nur beipflichten. Wir sind klein und agil, weshalb wir uns konsequent an unseren Kunden ausrichten. Ich möchte noch einen weiteren Erfolgsfaktor anfügen: JMR kommt aus dem Engineering. Wir können also mehr als Instandhalten, bei Bedarf sogar ganze Untergruppen oder Drehgestelle nachbauen. Unser Engineering-Know-how hält uns in Pole-Position.
Aktuell rückt die Haftung im Schienengüterverkehr in den Mittelpunkt. Ausserdem wurden Empfehlungen für die Weiterentwicklung der ECM-Verordnung abgegeben. Was meinen Sie dazu?
Ulrich Walt: Im Zusammenhang mit dem Unfall im Gotthardbasistunnel haben das Joint Network Secretariat der European Union Agency for Railways ERA und die schweizerische Sicherheitsuntersuchungsstelle SUST Empfehlungen abgegeben. Diese sind bereits in unsere Instandhaltungsmassnahmen und unsere ECM-Dienstleistungen eingeflossen. Allerdings sehe ich eine gewisse Diskrepanz in der regulatorischen Entwicklung. Zum einen will der Bund den Schienengüterverkehr fördern, etwa mit der Totalrevision des Gütertransportgesetzes. Gleichzeitig würde die Wettbewerbsfähigkeit des Schienengüterverkehrs durch mehr Haftungsverpflichtungen der Halter reduziert. Solche Verzerrungen benachteiligen privatwirtschaftliche Marktakteure wie die JMR, weil sie uns zusätzliche Kosten auferlegen.
Welche Stärken schreiben Sie unserem Verband zu?
Ulrich Walt: Der VAP ist hervorragend mit anderen Logistikverbänden und Akteuren der Bahnbranche vernetzt. Er verfügt über ein umfassendes Know-how, mit dem er seine Mitglieder unterstützen kann. Auch bei politischen Vorstössen lässt sich damit bei den richtigen Hebeln ansetzen. Ich meine, dass sich der VAP über die letzten drei Jahrzehnte beeindruckend professionalisiert hat und heute eine wichtige Stimme für die Güterbahnbranche darstellt.
Was wünschen Sie sich für den VAP?
Ulrich Walt: Zwei Dinge sind mir für die kommenden Monate und Jahre wichtig. Erstens hoffe ich auf eine gelungene Stabsübergabe in der operativen Geschäftsführung von Dr. Frank Furrer an Dr. Simon Wey. Herr Furrer bleibt dem VAP glücklicherweise erhalten, da er seit der letzten Generalversammlung in den Vorstand gewählt wurde. So kann der Transfer seines enormen Wissens- und Erfahrungsschatzes stattfinden und Kontinuität sichergestellt werden. Simon Wey ist ein erfahrener Verbandsmann und hervorragender Ökonom. Mit dieser Kombination dürfte er die angesprochene Professionalisierung des Verbands fortsetzen. Zweitens wünsche ich der frisch gegründeten VAP-Tochter «Cargo Rail Consulting AG» einen erfolgreichen Start. Über die letzten Jahre hat sich die Nachfrage nach Beratungsdienstleistungen in diesem Bereich immer stärker abgezeichnet. Dieses Tochterunternehmen wird den Verband sicherlich weiter stärken.
Wem würden Sie eine Zusammenarbeit mit dem VAP empfehlen?
Dominik Suter: Allen Verladern und Wagenhaltern und überhaupt allen, die am Schienengüterverkehr interessiert sind oder sich für diesen in der Schweiz oder in Europa einsetzen. Die Verlader profitieren direkt, die Wagenvermieter indirekt von einem fruchtbaren Austausch und aktuellen Informationen. Als Mitglied sitzt man hier sozusagen an der Quelle des Know-hows rund um den Schienengüterverkehr.
Wie sehen Sie die Zukunft des Schienengüterverkehrs in der Schweiz?
Ulrich Walt: Ich stelle zwei gegenläufige Trends fest. Zum einen gibt es durch die fortschreitende De-Industrialisierung der Schweiz immer weniger “bahnaffine” Güter, die auf der Schiene transportiert werden können. Zum anderen rückt die Nachhaltigkeitstransformation zahlloser Branchen die Schiene als klimafreundlichen Verkehrsträger und valable Alternative zur Strasse in den Mittelpunkt. Zwar ist der Schienengüterverkehr schwerfällig, weil immer noch vieles in Staatshand liegt. Trotzdem erachte ich die Zukunft des Schienengüterverkehrs als vielversprechend. Denn Infrastruktur, Effizienz und Nachhaltigkeitsvorteile sind gegeben. Das haben Güterbahnkunden und Gesetzgeber gleichermassen erkannt.
Dominik Suter: Trotz der Klimadiskussion und der stark ansteigenden Anzahl Staustunden auf den Autobahnen sehen wir eine Rückverlagerung von der Schiene auf die Strasse. Das ist unter anderem auf Preiserhöhungen, fehlende Slots für den Gütertransport und mangelnde Pünktlichkeit zurückzuführen. Da besteht auf politischer Ebene dringender Handlungsbedarf. Hier darf der VAP ruhig etwas lauter werden.
Was wurde noch nicht gesagt?
Ulrich Walt: Ich freue mich, als CEO der JMR Group für den VAP aktiv zu sein. In meiner neuen Position betrifft mich die Arbeit des VAP noch stärker als bei meinem vorherigen Arbeitgeber. Nur betrachte ich die Dinge bei JMR aus einer industriellen Perspektive.
Danke, Dr. Dominik Suter und Ulrich Walt, für das impulsreiche Gespräch.
Dr. Dominik Suter ist Inhaber der JOSEF MEYER Rail Group und Präsident des Verwaltungsrates. Er verfügt über mehr als 25 Jahre Führungserfahrung als CEO, Verwaltungsrat und Berater, in denen er zahlreiche Unternehmen, darunter international tätige Industrieunternehmen in der Schweiz, Deutschland und Österreich, auch in schwierigen Situationen erfolgreich weiterentwickelt hat. |
Ulrich Walt ist seit 1. September 2024 Geschäftsführer der JOSEF MEYER RAIL AG in Rheinfelden. Er bringt 20 Jahre Erfahrung in leitenden Funktionen in der Logistik im In- und Ausland mit. Er war unter anderem bei Alloga und Holcim Schweiz tätig und zuletzt CEO des Logistik- und Dienstleistungsspezialisten Fastlog. Ulrich Walt ist zudem Vizepräsident des Vorstands und Präsident des geschäftsleitenden Ausschusses beim VAP. |
JOSEF MEYER Rail (JMR) wurde 1888 in Luzern gegründet. 1943 eröffnete das Unternehmen eine Zweigniederlassung im schweizerischen Rheinfelden für die Fertigung von Güterwagen und Schweissbaugruppen. Mit der Liberalisierung im Eisenbahnbereich in den 1990er Jahren erweiterte das Unternehmen seinen Tätigkeitsradius um die Instandhaltung von Schienenfahrzeugen. Heute ist die JOSEF MEYER Rail Group führende Expertin für die Instandhaltung und Modernisierung von Güterwagen, anspruchsvolle Reparaturen an Personenzugwagen und Lokomotiven sowie die Fertigung komplexer Schweissbaugruppen, Kleinserien und Sonderfahrzeuge. |
Totalrevision GüTG: Die Stimmung der Branche droht zu kippen
Die Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen des Ständerates (KVF‑S) hat ihre Beratungen zur Totalrevision des Gütertransportgesetzes (GüTG) abgeschlossen. Wie der Bundesrat will sie die Rahmenbedingungen zugunsten von multimodalen Logistikketten verbessern. Doch das aktuelle Verhalten von SBB Cargo mit massiven Preiserhöhungen und einem Angebotsabbau widerspricht diesen Bestrebungen und bringt die Verlader in ein gefährliches Dilemma.
Darum geht’s:
- Was bisher geschah
- Klares Ja zu Multimodalität und Wettbewerb
- Kontroverses Verhalten von SBB Cargo
- Bund in der Pflicht
- Gemeinsam aus dem Dilemma
Was bisher geschah
Über die ersten Anträge der KVF‑S zur bundesrätlichen Botschaft zum Gütertransportgesetz (Totalrevision des Bundesgesetzes über den Gütertransport durch Bahn- und Schifffahrtsunternehmen) haben wir in unserem Blogbeitrag «Jetzt oder nie: Wegweisende Debatte zum Schweizer Schienengüterverkehr» bereits ausführlich berichtet. Wie am 21. Juni 2024 kommuniziert, will die vorberatende Kommission den Wettbewerb im Gütertransport gezielt stärken, die Zuständigkeit der RailCom zur Durchsetzung eines diskriminierungsfreien Angebots im Einzelwagenladungsverkehr (EWLV) regeln und die Inhalte zu den Leitlinien zum Schienengütertransport als Grundlage für die Leistungsvereinbarung im EWLV konkretisieren.
Klares Ja zu Multimodalität und Wettbewerb
Die Ständeratskommission hat ihre Detailberatung nun abgeschlossen. In ihrer jüngsten Medienmitteilung vom 20. August 2024 fordert sie den Gesetzgeber auf, im Regelwerk festzuhalten, dass Verladebeiträge an die Versender und Empfänger weitergegeben und unternehmensinterne Leistungen transparent gemacht und kontrolliert werden. Schliesslich regt eine Kommissionsmehrheit an, dass eine Verlängerung der Förderung des EWLV durch das Parlament und nicht durch den Bundesrat entschieden werden sollte. Damit möchte die KVF‑S sicherstellen, dass die Finanzkompetenz und der Entscheid über eine etwaige Verlängerung der Unterstützung auf derselben Stufe liegen
Kontroverses Verhalten von SBB Cargo
Derzeit erhitzen sich die Gemüter der Verlader über das Verhalten der SBB-Tochter SBB Cargo, das den Bestrebungen der KVF‑S und den bisherigen Bekundungen des Bundesrates deutlich entgegenläuft. Die Monopolanbieterin verlangt für ihre Leistungen einen Aufpreis von 20% bis 60% – ganz selbstverständlich und ohne Kostentransparenz oder die Möglichkeit, gemeinsam mit den Güterbahnakteuren Kosten aus dem System zu reduzieren. Selbst wenn das GüTG wie vorgeschlagen angepasst wird und der Ständerat den Anträgen der KVF‑S stattgibt, besteht die akute Gefahr, dass die Verlader ihre Verkehre im grossen Stil auf die Strasse verlagern. Da eine derart strategische Neuorientierung nicht von heute auf morgen passiert, werden sie ihre Logistikkonzepte über die nächsten zwei Jahre anpassen. In diesem Fall wären sowohl die Gesetzesvorlage selbst als auch die dafür notwendigen Bundesmittel obsolet – und eine diesbezügliche Beratung des Parlaments in der Herbstsession 2024 sowieso.
Bund in der Pflicht
Um ungerechtfertigte Marktdiskriminierung und ein Verlagern auf die Strasse zu vermeiden, könnten die Verlader ihre Logistikkonzepte auch auf alternative Bahnangebote von innovativen und mutigen Güterbahnen ausrichten und ihre Verkehrsvolumina vom Staatsmonopol in einen marktwirtschaftlichen Wettbewerb umplatzieren. Das entspräche dem Ziel der KVF‑S, die durch Leistungsvereinbarungen und überarbeitete Leitlinien zum EWLV mehr Wettbewerb verlangt. Es liegt daher nicht unwesentlich in der Verantwortung des Bundes, so bald als möglich entsprechende Massnahmen beim Bestellprozess aufzugleisen, private Güterbahnen zu Angeboten aufzufordern und ihnen den Rücken bei deren Aufbau zu stärken.
Gemeinsam aus dem Dilemma
Die Branche muss einen Weg aus dem aktuellen Dilemma finden, bevor die Debatte eskaliert. Es liegt nun in der Hand der Branchenakteure und des Bundes, gemeinsam mehr Wettbewerb zu ermöglichen und den EWLV grundlegend zu modernisieren. Dazu müssen sie das System EWLV Hand in Hand organisatorisch verändern, stärker für Drittanbieter öffnen und auf Augenhöhe weiterentwickeln. Hier bestehen seitens der Privatwirtschaft bereits attraktive Lösungsansätze. Sagt das Parlament ja zu Förderung des EWLV und stärkt damit den intramodalen Wettbewerb, so könnten die Verlader und Güterbahnen auf Trotzreaktionen verzichten. Stattdessen könnten sie – gemeinsam mit den SBB – die Chance ergreifen, sich endlich vom monopolistischen EWLV loszueisen und ein eigenwirtschaftliches, breit abgestütztes Netzwerkangebot zu entwickeln.
Jetzt oder nie: Wegweisende Debatte zum Schweizer Schienengüterverkehr
Die Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen des Ständerats (KVF‑S) ist im Frühjahr auf die Totalrevision des Gütertransportgesetzes (GüTG) eingetreten und hat richtungsweisende Diskussionen über den Schweizer Binnengüterverkehr im Parlament ausgelöst. Gemeinsam mit anderen Akteuren werden wir vom VAP diese Debatte mitprägen. Unser Ziel ist es, einen gangbaren Kompromiss zu finden und den Interessen unserer Mitglieder Nachdruck zu verleihen.
Darum geht’s:
- Frohe Botschaft ans Parlament
- Erste Anträge der KVF‑S
- Reger Austausch zwischen den betroffenen Akteuren
- Herausforderungen für Wirtschaft und europäische Gesamtlogistik
- Schmerzgrenze erreicht
- So geht’s weiter
Frohe Botschaft ans Parlament
Am 9. Februar 2024 hat der Schweizerische Bundesrat seine Botschaft zum Gütertransportgesetz (Totalrevision des Bundesgesetzes über den Gütertransport durch Bahn- und Schifffahrtsunternehmen) publiziert. Ein besonderes Augenmerk gilt aus unserer Sicht den folgenden finanziellen Aspekten:
- Betriebsabgeltungen: Um den Einzelwagenladungsverkehr (EWLV) während der Umbauphase auf dem aktuellen flächendeckenden Niveau zu halten, sieht der Bundesrat vor, ihn auf acht Jahre befristet und degressiv finanziell zu fördern. Am Ende dieser Periode soll Eigenwirtschaftlichkeit erreicht sein. Für die ersten vier Jahre beantragt er 260 Mio. CHF.
Mehr dazu im Faktenblatt Güterverkehr. - Anreize für Verlader: Vorgesehen sind unbefristete Umschlags- und Verladebeiträge und eine Abgeltung der ungedeckten Kosten des bestellten Gütertransportangebots für total 60 Mio. CHF pro Jahr.
Erste Anträge der KVF‑S
Die KVF‑S als vorberatende Kommission des Erstrats hat sich nach der Anhörung der Branche – darunter auch dem VAP – diesen Frühling der Totalrevision des GüTG angenommen. Die Diskussionen der kommenden Wochen und Monate im Parlament werden für die Zukunft des Schienengüterverkehrs in der Fläche wegweisend sein. In ihrer Detailberatung hat die Kommission zahlreiche Punkte beleuchtet. Sie ist mehrheitlich der Ansicht, dass sich die Totalrevision des GüTG für die Sicherstellung und Verbesserung eines nachhaltigen Zusammenspiels der unterschiedlichen Verkehrsträger für die Schweizer Verkehrspolitik eignet. Sie regt an, inhaltliche Anpassungen wie folgt vorzunehmen:
- Explizite Stärkung des Wettbewerbs im Gütertransport
- Klare Regelung der Zuständigkeit der RailCom zur Überprüfung und Durchsetzung des diskriminierungsfreien Angebots der Dienstleistungen im EWLV
- Konkretisierung der Inhalte zu den Leitlinien zum Schienengütertransport (Grundlage für die Leistungsvereinbarung im EWLV)
- Kompetenzverlagerung zur Verlängerung gewisser Bestimmungen (insbesondere Abgeltungen) vom Bundesrat zum Parlament
Die Kommission wird die Detailberatung mit Zusatzinformationen aus der Verwaltung voraussichtlich an ihrer nächsten Sitzung abschliessen. Danach gelangt das Geschäft ins Plenum des Ständerats.
Reger Austausch zwischen den betroffenen Akteuren
In den vergangenen Wochen führten wir – unterstützt von unseren Mitgliedern – Gespräche mit den Akteuren der Interessensgemeinschaft Wagenladungsverkehr (IG WLV), dem Bundesamt für Verkehr (BAV) und der Tochter SBB Cargo der Schweizerischen Bundesbahnen (SBB). So präsentierte Alexander Muhm, CEO von SBB Cargo, im geschäftsleitenden Ausschuss des VAP das angedachte Grobkonzept für eine Transformation hin zur Eigenwirtschaftlichkeit. Muhms Ausführungen setzten eine intensive Diskussion zwischen den Beteiligten und weiterführende Gespräche über Möglichkeiten und Risiken in Gang.
Herausforderungen für Wirtschaft und europäische Gesamtlogistik
Ein Blick auf die Statistik zeigt, dass die Verlagerungszahlen in der Schweiz und in Europa stagnieren oder sogar leicht schrumpfen. Die Gründe dafür sind vielfältig. In Deutschland herrscht grosse Ungewissheit über potenzielle Investitionsprogramme und den Zeitpunkt eines spürbaren Konjunkturaufschwungs. Italien und Frankreich kämpfen mit bescheidenen Wachstumszahlen und hohen Verschuldungsgraden. Das kombiniert mit der Konsumentenstimmung wirkt sich direkt auf die Unternehmen und deren finanzielle Situation aus.
In der Logistik gibt es neben der Sperrung des Suez-Kanals oder Naturereignissen weitere enorme Herausforderungen wie grosse Baustellen (z.B. auf dem deutschen Schienennetz) und entsprechende Umleitungsverkehre oder höhere Trassenpreise. Das alles befeuert die Betriebskosten und bedrängt die Wettbewerbsfähigkeit der Schiene. Die Befindlichkeit der europäischen Gesamtlogistik ist insofern wichtig, als dass der Grossteil der in der Schweiz verwendeten Güter aus dem Ausland stammen und den EWLV in und durch die Schweiz beeinflussen.
Schmerzgrenze erreicht
Seit unserer Gründung setzen wir uns für einen attraktiven, wettbewerbs- und kundenorientierten Schienengüterverkehr und damit für die bestmögliche Verlagerung auf die Schiene ein. Mit diesem Ziel engagieren wir uns entweder als Partner zahlreicher Güterverkehrsakteure oder mit eigenen Ideen und Projekten. In der Verkehrspolitik machen wir uns für ausreichend Kapazitäten auf allen Infrastrukturen, günstige Logistikstandorte und vernünftige Rahmenbedingungen stark.
Im Hinblick auf den globalen Wettbewerb und die aktuellen Rahmenbedingungen für die Schweizer Wirtschaft muss oder kann sich die verladende Wirtschaft als unsere Mitgliedschaft massiv höhere Kosten auf der Schiene nicht leisten. Fehler wie die fehlende (Investitions-)Strategie der letzten 20 Jahren im Bereich des Rollmaterials, der fortwährende Abbau von Infrastruktureinrichtungen (Rückbau von Gleisen, Bau von Renditeobjekten) oder die ungenügende Einbindung in Gesamtkonzepten aus Sicht der Nutzer und Kunden können unsere Mitglieder nicht länger abfedern. Denn die Folgen solcher Fehler wie etwa massive Preiserhöhungen (jenseits der Inflation) sind für Wirtschaft und Gesellschaft fatal. Die Konkurrenzfähigkeit der Schiene gegenüber der Strasse schwindet und die Optimierung des Modalsplits gerät in Schieflage. Zudem können steigende Kostenbeteiligungen für die operative Nutzung von Bedienpunkten falsche Signale setzen.
Für unsere Mitglieder ist die Schmerzgrenze längst erreicht. Wir sind bereit, die weitere Entwicklung und Transformation des Schienengüterverkehrs massgeblich zu unterstützen. Vorausgesetzt, die Verantwortlichen stellen vollständige Transparenz über Kosten und deren Aufschlüsselung sicher und ergreifen Massnahmen in einem fairen, verträglichen und abgestimmten Rahmen.
So geht’s weiter
Wir nehmen die Erkenntnisse aus den zahlreichen Diskussionen mit der KVF‑S und weiteren Akteuren zum Anlass, innerhalb unserer Mitgliedschaft zahlreiche Aktivitäten auszulösen und weitere Abstimmungsgespräche durchzuführen. Wer mit uns über die Logistik als Rückgrat der Schweizer Wirtschaft sprechen möchte, ist herzlich zum Gespräch eingeladen.
Datenökosysteme: Branche am runden Tisch mit Bundesrat Rösti
Am 24. Juni 2024 vereinte Bundesrat Albert Rösti Vertreterinnen und Vertreter der öffentlichen Hand und der Logistikbranche am runden Tisch, um über die Bedeutung einer nationalen Dateninfrastruktur zum Austausch von Informationen zu debattieren. Wir vom VAP treiben die Vernetzung von Daten innerhalb unserer Branche schon länger voran. Diese Vorreiterrolle werden wir auch in Zukunft einnehmen.
Darum geht’s:
- Was bisher geschah
- Auftakt zum breit angelegten Dialog
- Kundennutzen ins Zentrum rücken
- In kleinen, aber nachhaltigen Schritten
- Fundament für einen zukunftsfähigen Schienengüterverkehr
Was bisher geschah
Das Thema Datenökosysteme steht seit Längerem auf unserer verkehrspolitischen Agenda. So setzen wir uns seit Jahren für die Etablierung einer sinnvollen Plattform und für die Vernetzung von relevanten Daten innerhalb der gesamten Logistikkette und deren Akteure ein. In diversen Blogbeiträgen haben wir über die Vorteile einer Datenintegration und über jüngste Entwicklungen berichtet. (vgl. «Datenökosysteme: Daten teilen, um ihren Mehrwert zu verdoppeln», «Bereit fürs nächste Digitalisierungslevel» und «Wagenladungsverkehr kann wettbewerbsfähig werden»).
An den Diskussionen rund um das Bundesgesetz über die Mobilitätsdateninfrastruktur (MODIG) und Nationale Datenvernetzungsinfrastruktur Mobilität (NADIM) waren anfänglich nur Entscheidungsträger und Betroffene des Personenverkehrs beteiligt. Erfreulicherweise haben die Verantwortlichen die Anliegen des Güterverkehrs und den Bedarf der Verlader auf unser Anregen hin aufgegriffen. So konnten wir die öffentliche Verwaltung mit Argumenten und Anwendungsfällen unterstützen und unsere Branche in der Folge am Meinungsaustausch beteiligen.
Auftakt zum breit angelegten Dialog
Am 24. Juni 2024 begrüsste Bundesrat Albert Rösti als Vorsteher des eidgenössischen Departements für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) Vertreterinnen und Vertreter der öffentlichen Verwaltung und der Logistikbranche am runden Tisch. Eingeladen waren Amtsvorstehende sowie Vertreterinnen und Vertreter aus dem UVEK, aus dem Parlament, von zahlreichen Verbänden und Unternehmen aus diversen Bereichen des Schienenverkehrs der gesamten Logistikbranche.
Rösti wollte erfahren, wie unsere Branche zu einer Dateninfrastruktur zum Informationsaustausch steht und welche Rolle der Bund spielen sollte. Mit seiner Einladung zum Gespräch gab er unseren Mitgliedern und Partnerverbänden die Gelegenheit, massgebend an der Weiterentwicklung der Datenvernetzung mitzuwirken. Die Anwesenden waren sich einig, dass es eine Plattform für den Austausch von Daten für eine Mobilitätsdateninfrastruktur (MODI) braucht, um multimodale Logistiklösungen und flexible Partnerschaften in Netzwerken wie dem Einzelwagenladungsverkehr zu vereinfachen. Einige äusserten konstruktive Kritik, die das Ansinnen als Ganzes jedoch nicht grundsätzlich infrage stellten.
Die Sitzungsleitung legte fünf Anwendungsfälle aus unterschiedlichen Perspektiven für eine erste Phase der MODI als Diskussionsgrundlage aus. Ein Fall stellte die Möglichkeiten einer besseren Kapazitätsnutzung auf der Schiene und Transparenz von Basisinformationen vor und legte dar, inwiefern diese den Verladern zugutekommen und wie sich die Einstiegshürden senken liessen.
Kundennutzen ins Zentrum rücken
In diese Betrachtungen gehören unserer Ansicht nach auch jene Aspekte, die sich auf das Angebot für Güterverkehrsleistungen auswirken. Datenökosysteme helfen, die multimodalen Logistikketten an den Bedürfnissen der Kunden auszurichten und für diese einen Mehrwert zu schaffen. Dazu braucht es innovative Ansätze auf organisatorischer Ebene und Kooperationen zwischen den Marktakteuren. Nur so lässt sich der Güterverkehr nachhaltiger, konkurrenzfähiger und endkundenorientierter gestalten.
Informationen zu den Güterverkehrsflüssen (Binnenverkehr, Aussenhandelsverkehr, Transit) sollten unabhängig vom Verkehrsträger zeitnah und gesamthaft allen Beteiligten zur Verfügung stehen. Damit könnten die Verantwortlichen auf Ebene Bund, Kanton und Gemeinde Infrastrukturbestandteile wie Netzkapazitäten oder Umschlagflächen flexibler nutzen, besser koordinieren, gezielter planen und gegebenenfalls neu dimensionieren. Da viele der erforderlichen Daten beim Bund liegen oder in dessen Auftrag erhoben werden, muss die öffentliche Verwaltung in Bestrebungen wie MODI und NADIM unseres Erachtens unbedingt eine zentrale Funktion übernehmen. Zudem können mit der Einführung der DAK die damit verbundenen, neu erschlossenen Datenquellen sinnvoll und ergänzend in diese Dateninfrastruktur überführt werden.
In kleinen, aber nachhaltigen Schritten
Das UVEK wird in den kommenden Wochen eine Vorlage zuhanden des Bundesrats und Parlaments vorbereiten und die Branche erneut einbinden, um den Entwurf zu reflektieren. Für ein abgestimmtes weiteres Vorgehen sind uns die folgenden Elemente wichtig:
- Pragmatisch bleiben, um auf strategischer und operativer Ebene praxisorientiert Daten mit dem grösstmöglichen Nutzen für die Akteure zur Verfügung zu stellen
- Bestehende Tools aus dem In- und Ausland sowie gut aufbereitete Daten(-quellen) nutzen
- Wirtschaft und Logistikbranche sollten diesen Prozess massgeblich mitprägen; mögliche Aufgaben für konzeptionelle und operative Phasen werden in den kommenden Monaten diskutiert
Wir vom VAP werden uns dahingehend einbringen, dass unsere Mitglieder von Anfang an von einem wesentlichen Mehrwert profitieren und die Bedürfnisse unserer Branche abgedeckt sind. Mit diesem ambitionierten Ziel setzen wir im Vorfeld bereits erste Akzente, indem wir die interne Datenbank der privaten Anschliesser zeitnah in ein modernes und international anerkanntes Tool überführen und deren Inhalte gleichzeitig aktualisieren. Dazu stehen wir mit unseren Kolleginnen und Kollegen aus Deutschland und Österreich im engen Kontakt, um weitere Fortschritte zu erzielen.
Fundament für einen zukunftsfähigen Schienengüterverkehr
Wir sind überzeugt, dass die öffentliche Hand und die Wirtschaft gemeinsam und gleichermassen dazu beitragen müssen, dass ein Datenökosystem für den Schienen(güter-)verkehr und die gesamte Logistikbranche entsteht. Ein solches erlaubt es, effektiver zu planen und effizienter zu wirtschaften und Investitionen noch zielgerichteter einzusetzen. Ausserdem bildet es das Fundament für neue Geschäftsmodelle, Angebotsverbesserungen und Partnerschaften zwischen Anbietern und Kunden.
Wagenladungsverkehr kann wettbewerbsfähig werden
Forum Güterverkehr, 7. Mai 2024. Der flächendeckende Wagenladungsverkehr hat im Binnenverkehr europaweit einen sehr hohen Marktanteil. Im Export- und Importverkehr hingegen fällt er trotz langer Strecken ab. Grund dafür sind Marktabschottung und überalterte Produktionsstrukturen. Ausschliesslich Staatsbahnen, ausschliesslich auf ihrem Heimatmarkt lautet die Devise. Der Wagenladungsverkehr wird als Systemverkehr verstanden. Eine Zusammenarbeit in Netzen, wie es auf der Strasse üblich und erfolgreich angewendet wird, ist auf der Bahn nicht angedacht.
Eine Transformation des Wagenladungsverkehrs in ein automatisiertes, digital vernetztes und international geöffnetes Bahnsystem ist jedoch möglich. Die Staaten bieten dem Bahnsektor hierfür politische und finanzielle Unterstützung an.
Darum geht’s:
- Führende Köpfe aus der europäischen Verkehrs- und Logistikbranche in Zürich am Forum Güterverkehr
- Vormittag mit Überblick über die aktuellen gesetzlichen Rahmenbedingungen
- Thema Nachmittag: Transformation des Schienengüterverkehrs
- Fokus auf die Gestaltung einer zukunftsfähigen Güterverkehrslandschaft
Am 7. Mai 2024 versammelten sich führende Köpfe aus der europäischen Verkehrs- und Logistikbranche am Forum Güterverkehr in Zürich, um über die Zukunft des Güterverkehrs auf der Schiene zu diskutieren.
Frank Furrer, Generalsekretär des VAP Verband der verladenden Wirtschaft, blickte in seiner Begrüssung auf die vergangenen Foren der Jahre 2018 bis 2024 zurück, an denen eine kontinuierliche Diskussion über die Entwicklung des Güterverkehrs geführt wurde. Themen wie Multimodalität, Sicherheit, Innovation und Digitalisierung standen im Fokus. Besonders betonte er die Rolle der Verkehrspolitik als Treiber für Veränderungen. Im Jahr 2024 liege nun der Schwerpunkt auf neuen Rahmenbedingungen für einen zukunftsfähigen Güterverkehr, insbesondere auf der Transformation des Schienengüterverkehrs. Frank Furrer hob die Bedeutung günstiger Rahmenbedingungen für den Wettbewerb, um Multimodalität, Innovation und Umweltschutz zu ermöglichen, hervor. Die Partnerschaft zwischen Politik und Wirtschaft, die Zusammenarbeit zwischen Güterbahnen, Logistikanbietern und Verladern sowie das Subsidiaritätsprinzip nennt er als grundlegende Prinzipien. Die aktuelle Gesetzesvorlage zur Modernisierung des Schienengüterverkehrs wurde im Parlament diskutiert. Der VAP unterstützt Massnahmen wie die Einführung der digitalen automatischen Kupplung (DAK) und die Überbrückungsfinanzierung für den Einzelwagenladungsverkehr (EWLV) unter bestimmten Bedingungen.
Dr. Peter Füglistaler, Direktor des Bundesamts für Verkehr (BAV), gab einen Überblick über die aktuellen gesetzlichen Rahmenbedingungen und Herausforderungen im Schweizer Güterverkehr. Für ihn ist die befristete finanzielle Förderung des Wagenladungsverkehrs ein letzter Versuch, den Binnengüterverkehr auf der Schiene zu retten. Die DAK ist das notwendige Mittel dazu, das mit einer Förderung von 30% an die Halter eine schöne Offerte ist. Peter Westenberger, Geschäftsführer von Die Güterbahnen in Deutschland, präsentierte die digitale Schiene und die VDV-Charta aus deutscher Sicht. Er forderte eine finanzielle Förderung des Wagenladungsverkehrs ausschliesslich über die Bedienstrecken, d.h. die Reaktivierung oder Mengensteigerung an möglichst vielen Bedienstellen. Für Wettbewerber sei es sehr schwierig, da die Datenlage ausgesprochen intransparent sei. Mag. Claudia Nemeth vom Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie (BMK) in Österreich erläuterte die Instrumente und Strategien der österreichischen Verkehrspolitik mit Blick auf den Schienengüterverkehr und verglich die pro-Kopf-Investitionen in der Schweiz, Deutschland und Österreich. Österreich setzt auf ein aktives Monitoring der Massnahmen des Masterplans Güterverkehrs 2030 und hat vor Kurzem den ersten diesbezüglichen Monitoring-Bericht vorgelegt. Eine dieser Massnahmen ist die Ende 2023 erfolgte Einrichtung eines Verlagerungscoaches, der Unternehmen bzw. Gemeinden bei der Verlagerung auf die Schiene berät. Gemeinsam mit dem deutschen Verkehrsminister Wissmann und Bundesrat Rösti unterstützt die österreichische Ministerin Leonore Gewessler die rasche Einführung der DAK. Ueli Maurer, Head of Intermodal Network bei Bertschi AG, brachte wertvolles Feedback aus der Wirtschaftsperspektive ein. Warten auf die DAK sei angesichts der Fortschritte auf der Strasse unmöglich, sie müsse sofort umgesetzt werden. Die aktuellen, noch immer international völlig ungenügend koordinierten Baustellen sowie die Energie- und Trassenpreise bedrohen derzeit die Marktfähigkeit des Schienengüterverkehrs fundamental. Weiter forderte er von den Infrastrukturbetreibern, die Ersparnisse durch Komplettsperrungen an den Schienengüterverkehr weiterzureichen, als Kompensation für deren Mehrkosten.
In der anschliessenden Podiumsdiskussion sprach Westenberger über die aktuelle chaotische Baustellensituation und die damit verbundenen zusätzlichen Kosten und forderte eine Verbesserung der Qualität im Bahngüterverkehr. Nemeth stimmte zu, zeigte sich jedoch optimistisch über die Zukunft des Schienengüterverkehrs und verglich die aktuellen Herausforderungen mit einem kleinen Kind, das Laufen lernt: Es gibt Rückschläge, aber es wird besser. Füglistaler unterstrich die Alternativlosigkeit der Korridorsanierungen und betonte die Notwendigkeit von Investitionen in die Infrastruktur. Dr. Jens Engelmann, der die Podiumsdiskussion moderierte, brachte die Frage der Wirksamkeit von Fördermassnahmen auf und erörterte die verschiedenen Ansätze zur Unterstützung des Schienengüterverkehrs. Füglistaler und Nemeth verteidigten die Rolle der Staatsbahnen für den Einzelwagenverkehr. Das Fazit der Diskussion durch Engelmann: Die Schiene leistet einen wichtigen Beitrag zur Nachhaltigkeit und muss weiterhin gefördert werden, jedoch müssen auch Herausforderungen wie Kapazitätsengpässe und die Kosten für technologische Innovationen bewältigt werden.
Nach einer kurzen Pause befasste sich die Veranstaltung mit der Transformation des Schienengüterverkehrs in die Zukunft. Gilles Peterhans, Generalsekretär der Internationalen Union der Wagenhalter (UIP) beleuchtete den aktuellen Stand der digitalen automatischen Kupplung (DAK). Er unterstrich den Unterschied zwischen technischer Umrüstung und der damit verbundenen Transformation des archaischen Schienengüterverkehrs. Dieser soll ernsthaft wettbewerbsfähig umgestaltet und in ein völlig neues Bahnsystem überführt werden. Gregor Ochsenbein, Stv. Leiter Programm Daten für ein effizientes Mobilitätssystem beim BAV und Jürgen Maier-Gyomlay, Verantwortlicher AK Logistik / IG WLV beim VAP stellten die Bedeutung von Daten-Eco-Systemen für eine effiziente Logistik heraus. Peter Sutterlüti, CEO von Cargo sous terrain AG, präsentierte das Konzept von Cargo Sous Terrain (CST). Die rein privat finanzierte Logistiklösung steht ausschliesslich für Stückgut zur Verfügung. Das Zusammenspiel von unterirdischem Hauptlauf und oberirdischer Feinverteilung hat das Potential zu einer massgeblichen Ergänzung von Schiene und Strasse. Stefan Kirch, Co-Founder und Mitglied der GL bei NEVOMO, stellte die Potenziale der Magnetbahntechnik für eine effektivere und kapazitätsstärkere Güterverkehrslösung vor. Insbesondere autonomes Fahren von Güterwagen in grossflächigen Anschlussgleisen mit einer Vielzahl von Be- und Entladestationen sowie Konsolidierungspunkten für Versand und Empfang bieten aussergewöhnlich Einsparpotentiale.
Die Veranstaltung gipfelte in einer weiteren Podiumsdiskussion, die sich mit der Zukunft der Logistik im Jahr 2035 befasste. Nebst der Freiwilligkeit der Datenherausgabe wurden auch die Herausforderungen der digitalen Transformation, insbesondere in Bezug auf Kosten und Zusammenarbeit mit verschiedenen Stakeholdern, diskutiert. Abschliessend wurde betont, offen für innovative Lösungen zu sein und sich nicht von Problemen abhalten zu lassen. Frank Furrer fasste die Veranstaltung mit der so zuversichtlichen wie herausfordernden Feststellung zusammen: Alles ist möglich, sofern alle Branchenakteure mit vereinten Kräften und geschlossen Reihen pragmatisch und kompromissbereit vorwärtsschreiten.
Es war ein Tag voller spannenden Begegnungen, informativer Präsentationen, anregender Diskussionen und einem klaren Fokus auf die Gestaltung einer zukunftsfähigen Güterverkehrslandschaft. Die Teilnehmer verliessen die Tagung mit neuen Erkenntnissen und Impulsen für die weitere Entwicklung der Branche.
Wir freuen uns schon auf das Forum Güterverkehr 2025!
Digitale Rollmaterialkontrollen: Win-Win für alle Beteiligten
Die ortsfesten Zugkontrolleinrichtungen von Güterzügen und deren Rollmaterial werden laufend verfeinert. Das digitale Kontrollsystem Wayside Intelligence (WIN) erhöht nicht nur die Sicherheit im Schienengüterverkehr, sondern hilft auch Wagenhaltern, ihre Instandhaltungsarbeiten effizienter zu planen. Umso wichtiger ist es, dass diese ihre Erfahrungen in die Weiterentwicklung des Systems einbringen.
Darum geht’s:
- Instandhaltung von Rollmaterial: zentral für die Sicherheit
- Aufwendige Kontrollen zwischen regulären Wartungsterminen
- Digitalisierung erhöht Planbarkeit
- Daten der Infrastrukturbetreiberin gezielt nutzen
- Stand der Technik wahren und weitsichtig planen
- WIN testen und weiterentwickeln
Instandhaltung von Rollmaterial: zentral für die Sicherheit
Die Wagenhalter sind für die fachgerechte Instandhaltung ihrer Fahrzeuge verantwortlich, so verlangt es die aktuelle Sicherheits- und Interoperabilitätsrichtlinie. Damit tragen sie wesentlich zu einem sicheren Schienenverkehr bei (vgl. Blogartikel «Gotthardbasistunnel (#2): Automatische Zugkontrolleinrichtungen»). Zentrales Element ist die periodische Instandhaltung von Wagen durch zertifizierte Fachwerkstätten (Entity in Charge of Maintenance, ECM). Diese werden vom Halter beauftragt. Die Verantwortlichen sollen die planmässigen Werkstattaufenthalte des Rollmaterials gestützt auf Betriebserfahrungen, die gemeinsamen Sicherheitsziele und ‑methoden so bemessen, dass die sicherheitsrelevanten Bauteile, eine erwartungsgemässe Abnützung vorausgesetzt, nach der allgemeinen Erfahrung und dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge bis zum nächsten periodischen Werkstattaufenthalt einen betriebstauglichen Abnützungsgrad aufweisen.
Aufwendige Kontrollen zwischen regulären Wartungsterminen
Allerdings vergehen zwischen zwei regulären Werkstattaufenthalten etliche Jahre. Im täglichen Güterverkehr sind die Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVU) und die Infrastrukturbetreiberinnen für den sicheren Betrieb der Güterwagen verantwortlich. Die EVUs kontrollieren vor Abfahrt der Züge alle eingereihten Wagen auf sichtbare Schäden sowie auf Mängel der Ladungen. Schadhafte Wagen werden ausgereiht und gemäss dem Allgemeinen Vertrag für die Verwendung von Güterwagen (AVV) unplanmässig der Instandhaltung zugeführt. Solche ausserordentlichen Manöver stören den geplanten Betriebsablauf, können zu Verspätungen führen und bedeuten für betroffene EVUs Mehrarbeit und Ertragsausfälle.
Digitalisierung erhöht Planbarkeit
Damit die Halter ihre Verantwortung für die Betriebstauglichkeit ihrer im Betrieb stehenden Wagen künftig besser wahrnehmen können, sind sie zur Dokumentation aller Instandhaltungsmassnahmen und zur Auswertung der bei der Instandhaltung gemachten Erfahrungen verpflichtet. Für die laufende Evaluation ihrer Instandhaltungspläne benötigen sie verlässliche technische Daten über das Verhalten und den aktuellen Abnützungsgrad systemrelevanter Bauteile. Dank der fortschreitenden Digitalisierung stehen ihnen diese Daten zunehmend zur Verfügung.
Daten gezielt nutzen
Auf dem Schweizer Normalspurnetz bestehen ortsfeste Zugskontrolleinrichtungen der Infrastrukturbetreiberin SBB Infrastruktur (SBBI). Dieses System nennt sich Wayside Intelligence, kurz WIN. Es erfasst von jedem vorbeifahrenden Zug sicherheitstechnisch relevante Messwerte. Der Fokus dieser Kontrollen liegt dabei auf der Betriebssicherheit und dem Verhindern von Schadensereignissen. Unzulässige Abweichungen führen dazu, dass der Zug zeitnah gestoppt und der schadhafte oder falsch beladene Wagen gegebenenfalls ausgereiht wird.
Auch die Wagenhalter können mit geringem Initialisierungsaufwand diese laufend erfassten Daten nutzen, um ein reelles Bild über den Zustand von systemrelevanten Bauteilen ihrer Wagen zu erhalten. Dazu müssen sie ihre Wagen mit einem RFID-Tag (EN 17230) ausrüsten und ein mit der SBBI abgestimmtes Interface für die Datenübertragung aufbauen, zum Beispiel über eine Anwendungsprogrammierschnittstelle API webbasiertes GUI.
Stand der Technik wahren und weitsichtig planen
Aktuell kann SBBI jedem angemeldeten Halter die erfassten Daten zum Radsatzzustand seiner identifizierten Wagen übermitteln. Der Halter kann den Datenfluss nach seinen Bedürfnissen konfigurieren. Über die zeitliche Veränderung des dynamischen Radlast-Beiwerts lässt sich ein zuverlässiges Bild über die Verschleissentwicklung der Radlauffläche ermitteln. Die gesammelten Daten erlauben dem Wagenhalter die ständige Weiterentwicklung der Instandhaltungspläne, damit er den Stand der Technik stets wahren kann. Darüber hinaus kann er vorausschauend eine ausserperiodische Instandhaltungsmassnahme einleiten, ohne dass eine ausserplanmässige Ausreihung erforderlich wird.
WIN testen und weiterentwickeln
Aktuell laufen die Entwicklungsarbeiten, um die vom Kamerasystem am ZKE-Standort erfassten Bilder automatisch für eine systematische Analyse und einen Betriebsdatenabgleich auszuwerten. Damit sollen im Betrieb insbesondere Auffälligkeiten der Bremsausrüstung und des Laufwerks erkannt werden. Interessenten von Güterbahnen und Wagenhaltern können aktiv an der Entwicklung dieses Systems mitwirken, indem sie ihre Informationsbedürfnisse teilen und bei Tests mitwirken. Interessierte melden sich bei:
Jörg Bisang
SBB AG, Zugkontrolleinrichtungen
+41 79 698 22 41
joerg.bisang@sbb.ch