INNOVATION
Welche Innovationen bewegen den Schienengüterverkehr? Der VAP fördert die Automatisierung des Schienengüterverkehrs und ist in der Projektleitung der Migration der DAK (digitalen automatischen Kupplung) vertreten.
Dank der DAK wird der Schienengüterverkehr effizienter, produktiver und befähigt, sich in die multimodalen Logistikketten der Wirtschaft zu integrieren. VAP-Präsident und Ständerat Josef Dittli hat mit seiner Motion 20.3221 «Durch Automatisation Güter auf der Schiene effizienter transportieren» den Anstoss für ein Umsetzungs- und Finanzierungskonzept für die Automatisierung und Digitalisierung des Schienengüterverkehrs gegeben. Der VAP hat gemeinsam mit dem Bundesamt für Verkehr (BAV) und dem Verband öffentlicher Verkehr (VÖV) eine Absichtserklärung zur Digitalisierung und Automatisierung des Schweizer Schienengüterverkehrs unterzeichnet. Auch zahlreiche Unternehmen der Branche haben die Zusammenarbeit erklärt.
28. Juni 2023: Aufforderung zur koordinierten, europaweiten Einführung der DAK mitsamt Digitalisierungs- und Automatisierungstechnologie:
- VAP Branchenstatement an die Europäische Kommission und die Mitgliedstaaten
- Anhang: DAK Branchenstatement
- Absichtserklärung zur Automatisierung im Schienengüterverkehr der Schweiz 2021
- Gemeinsame Absichtserklärung von CFS, VöV und BAV zur Innovationsförderung 2017
Medienbericht:
Bericht von Zeit Online vom 26.10.2021

Bundesrat stärkt Schweizer Schienengüterverkehr
An seiner Sitzung vom 19. November 2025 hat der Bundesrat die finanzielle Unterstützung des Bundes für den Schienengüterverkehr in der Schweiz und für die Güterschifffahrt neu geregelt. Die verabschiedete Totalrevision der Gütertransportverordnung (GüTV) und weitere Verordnungsanpassungen treten am 1. Januar 2026 in Kraft.
Darum geht’s:
- Bund fördert Schienengüterverkehr substanziell
- Zusätzliche Anreize für Umschlag und Verlad
- Pauschalbeiträge zur Migration auf die DAK
- Kaum Offerten für Leistungsvereinbarungen eingereicht
- SBB Cargo prescht vor
Bund fördert Schienengüterverkehr substanziell
Am 21. März 2025 hat das Parlament das revidierte Gütertransportgesetz (GüTG) verabschiedet und damit ein umfassendes Massnahmenpaket zur Stärkung des Schienengüterverkehrs auf den Weg gebracht. So soll der Einzelwagenladungsverkehr (EWLV) über acht Jahre finanziell gefördert werden und mittelfristig eigenwirtschaftlich funktionieren. Für die ersten vier Jahre hat das Parlament 260 Millionen Franken gesprochen. Im Weiteren stellt es einmalig 180 Millionen Franken für die digitale automatische Kupplung (DAK) bereit.
Zusätzliche Anreize für Umschlag und Verlad
Das GüTG sieht zudem Umschlags- und Verladebeiträge sowie Investitionsbeiträge vor. Damit soll der Transport von Gütern per Bahn und der Güterumschlag zwischen der Schiene und anderen Verkehrsträgern gefördert werden. Für Betreiber von Anschlussgleisen und Verladeanlagen des kombinierten Verkehrs richtet der Bund ab Januar 2026 sogenannte Umschlags- und Verladebeiträge aus. Für jeden empfangenen oder versendeten beladenen Güterwagen betragen diese pauschal 40 Franken. Insgesamt stehen jährlich 50 Millionen Franken dafür zur Verfügung.
Die finanzielle Unterstützung ist auf 8000 Wagen pro Anschlussgleis begrenzt. Die noch in der Vernehmlassungsvorlage vorgesehene Untergrenze wurde aufgrund der Rückmeldungen aus der Vernehmlassung gestrichen. Damit erhalten auch kleine und mittlere Verlader einen Anreiz, verstärkt auf die Bahn zu setzen.
Für Umschlags- und Verladeanlagen will der Bundesrat die Förderung über Investitionsbeiträge ausweiten und administrativ vereinfachen. Mit Pauschalbeiträgen will er Investitionen in Umschlagflächen und mobile Anlagenteile zusätzlich unterstützen.
Pauschalbeiträge zur Migration auf die DAK
Ein wichtiger Baustein für einen effizienteren und produktiveren Schienengüterverkehr ist die DAK. Zur Aus- und Umrüstung von Bahnwagen und Lokomotiven richtet der Bund Pauschalbeiträge pro Fahrzeug aus. Diese belaufen sich insgesamt auf 180 Millionen Franken. Basierend auf dem Feedback aus der Vernehmlassung hat sich der Bund entschieden, den Betrag pro Wagen auf 8000 Franken pauschal und unabhängig von dessen Alter festzusetzen.
Kaum Offerten für Leistungsvereinbarungen eingereicht
Im Sommer 2025 führte das Bundesamt für Verkehr (BAV) ein Offertverfahren zur finanziellen Unterstützung von Teilleistungen im EWLV-System durch. Auf die Ausschreibung hat bisher nur SBB Cargo reagiert. Das BAV wird bis Ende 2025 zusammen mit SBB Cargo eine Leistungsvereinbarung für den EWLV für die Jahre 2026 bis 2029 erarbeiten.
SBB Cargo prescht vor
Die GüTV steckt den Rahmen ab und stellt die finanziellen Mittel für einen eigenwirtschaftlichen EWLV bereit. Ziel ist es, mit einem effizienteren und produktiveren Betrieb bei SBB Cargo, mit austarierten Preiserhöhungen bei den Verladern und mit den degressiven Subventionen des Bundes Eigenwirtschaftlichkeit innerhalb von vier bis acht Jahren zu erreichen. Dieses Vorhaben und die Ziele der GüTV hat SBB Cargo bereits vor Inkrafttreten der revidierten Gesetze und Verordnungen mit Preiserhöhungen von teils zweistelligen Prozentsätzen bei den Verladern torpediert.
Ein solches Vorgehen führt zwangsläufig dazu, dass die Verlader ihre Güter schon bald nicht mehr mit der Bahn, sondern auf der notorisch verstopften Strasse transportieren. Dieser Effekt entspricht mit Sicherheit nicht der Absicht der Politik bei der Verabschiedung des GüTG. Es erstaunt daher nicht, dass das Parlament mit der Motion 25.4409 von Ständerätin Eva Herzog reagiert hat. Die Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen hat die Motion am 7. November 2025 mit 5 zu 2 Stimmen bei einer Enthaltung angenommen.

Alpenquerender Güterverkehr: Verlagerungsziel rückt in weite Ferne
Am 19. November 2025 hat der Bundesrat den «Bericht über die Verkehrsverlagerung Juli 2023 – Juni 2025» kommuniziert. Dieser bestätigt die äusserst anspruchsvolle Situation des kombinierten alpenquerenden Schienengüterverkehrs. Mit diversen Massnahmen will der Bundesrat den negativen Entwicklungen entgegenwirken.
Darum geht’s:
- Verlagerungsauftrag verpflichtet
- Ziel zunehmend verfehlt, auch fremdverschuldet
- Bundesrat schreitet zur Tat
- Problem erkannt, Aufgabe bleibt anspruchsvoll
Verlagerungsauftrag verpflichtet
Mit dem Verlagerungsauftrag verfügt die Schweiz über ein einzigartiges, in der Verfassung verankertes Instrument. Dieses zwingt die Politik, den alpenquerenden Güterverkehr auf die Schiene zu verlagern. Ziel ist der Schutz der Alpen und die Begrenzung der LKW-Fahrten durch die Alpentäler.
Ziel zunehmend verfehlt, auch fremdverschuldet
Leider ging der Anteil der auf der Schiene transportierten Güter in den letzten Jahren kontinuierlich zurück. Das Verlagerungsziel von 650 000 alpenquerenden Lastwagenfahrten wird mit 960’000 Fahrten im Jahr 2024 weiterhin klar überschritten. Ein Kernproblem für diese Entwicklung ist die marode Schieneninfrastruktur in den Nachbarländern, allen voran in Deutschland. Zwar geht man die Probleme vielerorts an, doch wird die Modernisierung der nächsten Jahre die Zuverlässigkeit des Schienengüterverkehrs weiter verschlechtern.
Bundesrat schreitet zur Tat
Vor diesem Hintergrund ist nicht nur die verladende Wirtschaft, sondern vor allem auch der Bund gefordert. Es ist erfreulich, dass sich der Bundesrat für moderne und gut ausgebaute Zulaufstrecken zu den Basistunnels der Neuen Eisenbahn-Alpentransversalen (NEAT) einsetzt. Ebenfalls will er mit finanziellen Anreizen die negativen Auswirkungen aus der Einstellung der Rollenden Landstrasse (Rola) abfedern und die betroffenen Transporte in den unbegleiteten kombinierten Verkehr überführen. Weiter will er sich für eine rasche Modernisierung der Bahninfrastruktur in den Nachbarländern einsetzen, sich für leistungsfähige Ausweichrouten engagieren und dafür, dass die Akteure die Bauarbeiten international koordinieren.
Problem erkannt, Aufgabe bleibt anspruchsvoll
Das in der Verfassung verankerte Verlagerungsziel wird weiterhin weit verfehlt. Die Gründe dafür sind vielfältig. In erster Linie liegen sie bei der teils maroden Schieneninfrastruktur in Deutschland, weshalb fast jeder fünfte Zug ausfällt. Vor diesem Hintergrund ist es begrüssenswert, dass sich der Bundesrat der Sache annimmt und handfeste Lösungen präsentiert.
Allerdings bleibt es äusserst anspruchsvoll, den Schienengüterverkehr in den kommenden Jahren nachhaltig am Laufen zu halten, bis die Infrastruktur im Ausland modernisiert ist. Angesichts dieser Herausforderungen ist es umso entscheidender, dass die Güterverkehrsbranche zusammenrückt und sowohl politisch als auch operativ eng kooperiert. Nur so lassen sich weitere unnötige Unwegsamkeiten verhindern.

Cargo-S-Bahn: Bewährtes optimieren, Hürden eliminieren
Mit dem Ansatz rXp InterregioCargo will eine branchenübergreifende Allianz aus innovativen und leistungsstarken Unternehmen in den nächsten Jahren Güter von der notorisch verstopften Strasse verstärkt auf die Bahn verlagern. Das intelligente Verkehrskonzept nutzt Bewährtes und eliminiert Schwachstellen des heutigen Schienengüterverkehrs. Während sich SBB Cargo immer stärker vom kombinierten Verkehr zurückzieht, kommt diese Initiative im richtigen Moment.
Darum geht’s:
- Überlastung der Strassen nimmt zu
- Gütertransport auf Kurz- und Mittelstrecken neu gedacht
- Flexibler und kostengünstiger als der Einzelwagenladungsverkehr
- Schnell und einfach wie die S‑Bahn – nur für Güter
- Für eine verstärkte Verkehrsverlagerung engagiert
- Zukunftsträchtige Symbiose von Strasse und Schiene
Überlastung der Strassen nimmt zu

Abb. 1 : Container-Verlad vom Lkw auf die Bahn. Quelle: rXp RailTruck
Die Situation auf den Schweizer Strassen spitzt sich zu: Die Staustunden steigen an und die Klimaziele des Bundes rücken zunehmend in weite Ferne. Nach dem Nein des Schweizer Stimmvolks zum Autobahnausbau bleiben die Engpässe bestehen. Vor diesem Hintergrund erweist sich die Personalsuche der Camionneure als zunehmend anspruchsvoll, wie es Hans-Peter Dreier der Dreier AG an einer Veranstaltung vom 4. November 2025 in Olten ausführte.
Gütertransport auf Kurz- und Mittelstrecken neu gedacht
Da kommt das Verkehrsmodell der rXp Interregio Cargo GmbH wie gerufen. Mit dem elektrischen Triebzug rXp RailTruck als Kernstück sollen Güter, die bisher auf der Strasse transportiert wurden, den Weg leichter auf die Schiene finden. Der rXp RailTruck ist für den Fahrbetrieb richtungsunabhängig und soll rein privat realisiert werden.
Flexibler und kostengünstiger als der Einzelwagenladungsverkehr

Abb. 2 : Anteile der Transportstrecke von Bahn und Strasse.
Das Konzept rXp InterregioCargo unterscheidet sich in einigen Punkten vom aufwendigen und bisher defizitären Einzelwagenladungsverkehr (EWLV). Mit dem rXp RailTruck lässt sich ein Grossteil der kostentreibenden Arbeiten und Aufwendungen des EWLV umgehen. Das erhöht nicht nur die Rentabilität, sondern steigert auch die Flexibilität erheblich. Diese Schlüsselargumente überzeugen Strassentransportunternehmen wie die Dreier AG, die sich am Projekt beteiligen. Geschäftsführer Hans-Peter Dreier sieht das Modell denn auch als Antwort auf den angekündigten Rückzug von SBB Cargo aus dem kombinierten Verkehr.
Schnell und einfach wie die S‑Bahn – nur für Güter
Dank des elektrischen Triebzugs rXp RailTruck entfallen aufwendige und kostspielige Rangierarbeiten – analog zur S‑Bahn im Personenverkehr. Das Verladen der Container oder Wechselbrücken erfolgt auf Neben- oder Anschlussgleisen mit oder ohne Fahrleitung. Das ist möglich, weil der rXp RailTruck dank Batteriebetrieb auch auf Gleisen ohne Fahrleitung einsetzbar ist. Das erspart zeitraubende Stopps und erhöht die Flexibilität des Lokführers. Das Wagenmaterial wird vom VAP-Mitglied MFD Rail GmbH zugemietet und instandgehalten. Das Rad muss also auch hier nicht neu erfunden werden, da bewährte Konzepte vorhanden sind.
Für eine verstärkte Verkehrsverlagerung engagiert
Die Initianten von rXp InterregioCargo sehen ihren innovativen Ansatz nicht als Konkurrenz zum bisherigen Schienengüterverkehr, sondern als Ergänzung für eine verstärkte Verkehrsverlagerung auf die Bahn. Dank der schlanken und kostenoptimierten Abwicklung beim Ver- und Entladen wird es für die Transporteure interessant, Güter auch auf kürzeren Strecken mit der Bahn zu transportieren.
Zukunftsträchtige Symbiose von Strasse und Schiene
In einer Zeit, in der sich die Schlagzeilen über den Abbau des Schienengüterverkehrs mehren, sind Lichtblicke wie das Verkehrsmodell rXp InterregioCargo höchst willkommen. Indem das Konzept bewährte Aspekte nutzt und Schwächen des heutigen Schienengüterverkehrs beseitigt, schafft es ein vielversprechendes Produkt für den inländischen Gütertransport auf der Schiene. Folgen weitere Strassenspediteure dem Vorbild der Dreier AG, könnte die lang ersehnte Symbiose zwischen der Bahn und der Strasse bald Realität werden.

Mobilitätsdaten: Bund wagt Befreiungsschlag
Für die Schweizer Wirtschaft und Gesellschaft sind eine gute Erreichbarkeit und ein gut funktionierendes Mobilitätssystem wichtige Standortvorteile. Mit der Mobilitätsdateninfrastruktur (MODI) will der Bund die Voraussetzungen für einen vereinfachten Austausch von Mobilitätsdaten schaffen. Der Verband der verladenden Wirtschaft VAP begrüsst die Initiative, auch wenn sich der Weg zum Ziel als hürdenreich erweist.
Darum geht’s:
- Daten für die Vernetzung der Mobilitätsakteure nutzen
- Akteure sollen sich mittelfristig an der Finanzierung beteiligen
- Neues Bundesgesetz schafft rechtlichen Rahmen und Vertrauen
- Bund geht mutig voran
- Noch sind hohe Hürden zu meistern
- Allen Risiken zum Trotz: VAP begrüsst die Initiative
Daten für die Vernetzung der Mobilitätsakteure nutzen
Vernetzung ist im digitalen Zeitalter zentral. Das gilt auch und vor allem für die Mobilität. Dazu ist die Verfügbarkeit von guten Daten unabdingbar. Mit MODI will der Bund die Akteure aller Mobilitätsbereiche und Verwaltungsebenen vernetzen. Ziel ist es, standardisierte Daten und Schnittstellen sowie digitale Dienste bereitzustellen. Am 30. Juni 2025 fanden in der Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen des Nationalrats (KVF‑N) Anhörungen verschiedener Akteure mit Schnittstellen zum Mobilitätsbereichs statt.
Akteure sollen sich mittelfristig an der Finanzierung beteiligen
Der Ressourcen- und Finanzbedarf beläuft sich über 12 Jahre auf durchschnittlich 25 Millionen Franken pro Jahr. Aufgrund des schrittweisen Aufbaus und der Zunahme der Komplexität von MODI steigt der Jahresbedarf von anfangs 17 Millionen Franken kontinuierlich auf rund 33 Millionen Franken an. Finanziert wird MODI je hälftig über den Bahninfrastrukturfonds (BIF) und den Nationalstrassen- und Agglomerationsverkehrs-Fonds (NAF). Der Bund erwartet, dass sich aufgrund des volkswirtschaftlichen Nutzens von MODI nach 12 Jahren auch die von den Daten und Diensten profitierenden Akteure an der Finanzierung beteiligen.
Neues Bundesgesetz schafft rechtlichen Rahmen und Vertrauen
Mit dem neuen Bundesgesetz über die Mobilitätsdateninfrastruktur (MODIG) als Rechtsrahmen und der zukünftigen Organisation will der Gesetzgeber bei den Akteuren Vertrauen für MODI aufbauen. Dazu hat er zentrale Grundsätze wie Neutralität, Unabhängigkeit, Offenheit, Freiwilligkeit, Partizipation, Bedürfnisorientierung, Diskriminierungsfreiheit, Transparenz, Verlässlichkeit, Zukunftsfähigkeit, Qualität, Datenschutz, Datensicherheit, Open Source und Design to Cost formuliert.
Bund geht mutig voran
Das mutige Engagement des Bundes bei der Bereitstellung von MODI ist zu begrüssen. Es ist an der Zeit, dass jemand den Befreiungsschlag bei diesem wichtigen Thema wagt und sich der Aufgabe annimmt, die unzähligen Daten in unterschiedlichsten Formaten und Granularitäten standardisiert zusammenzuführen und bereitzustellen. Denn einen grossen Nutzen bringen solche Daten nur dann, wenn ein möglichst grosser Teil der Akteure Daten zur Verfügung stellt und diese standardisiert einer möglichst breiten Nutzerschicht zur Verfügung stehen. So vielversprechend das Anliegen des Bundes klingt, so herausfordernd ist es in der Umsetzung. Das zeigt sich auch daran, dass bei diesem Thema kaum jemand in grosse Euphorie verfällt. Weshalb?
Noch sind hohe Hürden zu meistern
Das Projekt weckt auf den ersten Blick grosse Erwartungen. Bei einer detaillierteren Betrachtung zeigt sich jedoch, dass die Komplexität mit der Konkretisierung rasch ansteigt – was bei IT-Projekten nicht unüblich ist.
Ein wesentlicher Stolperstein besteht in der sogenannten «doppelten Freiwilligkeit». Doppelt, weil erstens die Akteure selbst entscheiden, ob sie Daten über MODI bereitstellen, austauschen oder beziehen wollen. Zweitens können die Akteure auch bei einer Bereitstellung von Daten über MODI immer noch bestimmen, welche Daten sie als öffentlich verfügbar («open data») oder als eingeschränkt zugänglich («restricted data») offenlegen. Eine gewisse Skepsis ist aus Sicht der Akteure durchaus verständlich. Denn welches Unternehmen möchte schon der Allgemeinheit oder seinen Konkurrenten vertrauliche oder sicherheitskritische Informationen zur Verfügung stellen?
Genau diese Freiwilligkeit könnte MODI zum Scheitern bringen. Denn der Nutzen der zur Verfügung gestellten Daten ist stark mit deren Vollständigkeit korreliert. Nicht zuletzt deshalb hat man etwa bei der Datenerhebung des Bundesamtes für Statistik eine gesetzliche Grundlage zur Auskunftspflicht geschaffen. Weiter besteht die Gefahr, dass der Bund eine zu tiefe oder zu hohe Granularität der Daten anbietet. Demnach würden die Daten entweder den Anforderungen nicht genügen oder es würden unnötig detaillierte Daten erhoben. Beides ist unbefriedigend.
Für den Verband der verladenden Wirtschaft (VAP) erweist sich der Anwendungsfall zur Eruierung der freien Kapazitäten im Wagenladungsverkehr als interessant. Umso mehr, als das Parlament in der Frühjahrssession 2025 die Totalrevision des Gütertransportgesetzes (GüTG) verabschiedet hat, die sich die Eigenwirtschaftlichkeit des Einzelwagenladungsverkehrs zum Ziel gesetzt hat. Auf diesem Weg wäre eine bessere Auslastung der verfügbaren Kapazitäten ein wichtiger Meilenstein.
Diese Zielerreichung ist anspruchsvoll, denn Kapazität ist nicht gleich Kapazität. Vielmehr stellen sich unzählige Fragen. Etwa, an welchem Standort, mit welchem Zielort, für welchen Wagentyp (Kapazität auf einem Schüttgutwagen ist nicht dasselbe wie auf einem Schiebewandwagen) und zu welcher Zeit Kapazität verfügbar ist. Diese Daten müsste jemanden sauber erheben und für MODI verfügbar machen. Tatsachen ist: Das hat heute noch fast niemand auf dem Radar.
Allen Risiken zum Trotz: VAP begrüsst die Initiative
Der VAP begrüsst, dass sich der Bund dem Schlüsselthema der Zugänglichkeit von standardisierten Daten und somit dem Thema der Digitalisierung annimmt. Allein aufgrund der Tatsache, dass der Weg hürdenreich ist, darf man das Thema nicht ignorieren. Gerade wegen den wichtigen offenen Fragen ist es jedoch zentral, dass der Bund die Akteure, die diese Daten irgendwann einsetzen sollen, an den Tisch holt. Schliesslich wird über Erfolg oder Misserfolg die Bereitschaft der Unternehmen entscheiden, zur Weitergabe der Daten beizutragen und diese dann auch von MODI selbst zu nutzen. Das führt zu Reziprozität: Wer etwas beiträgt, bekommt etwas zurück.
Nur wenn die Akteure in MODI einen Mehrwert sehen, werden sie nach 12 Jahren auch bereit sein, einen grösseren Teil von MODI zu finanzieren. Letztlich ist zu hoffen, dass der Bund mit seiner Initiative auch weitere Unternehmen der Privatwirtschaft dazu animiert, sich dem Thema der Bereitstellung von Daten und der Digitalisierung verstärkt anzunehmen.

«Das Potenzial für Effizienz, Sicherheit und Dekarbonisierung im Schienengüterverkehr ist noch nicht voll ausgeschöpft»
Interview mit David Zindo, CEO STREEM Group und Präsident des UIP
David Zindo, CEO der STREEM Group und Präsident der UIP, dem internationalen Verband der Güterwagenhalter, stand unserem Geschäftsführer Simon Wey bei seinem Besuch bei Ermewa in Paris Red und Antwort. Im Gespräch erläutert David Zindo nicht nur seine Vision des Schienengüterverkehrs von morgen und die Stolpersteine auf dem Weg dahin, sondern auch, wie sehr ihm sein Job, die Menschen und die Themen der Branche am Herzen liegen.
Zu David Zindo:
- CEO der STREEM Group
- Mehr als 15 Jahre Erfahrung im Eisenbahnsektor
- Bei STREEM seit 2015.
- Vorherige Arbeitgeber: EY, Veolia SNCF Group
- Präsident der UIP – International Union of Wagon Keepers.
Sie sind Präsident des Internationalen Verbands der Güterwagenhaltern. Welche Karriereschritte führten Sie zur heutigen Position?
David Zindo: Ich begann 1996 als Wirtschaftsprüfer bei Ernst & Young, bevor ich Finanzpositionen bei Geodis, Veolia und der SNCF Group übernahm. 2015 kam ich zu Ermewa, zunächst als Geschäftsführer und später als Vorsitzender. Im Dezember 2015 trat ich dem Vorstand der UIP bei und übernahm im Juni 2023 das Präsidentenamt.
Was fasziniert Sie am Schienengüterverkehr? Was frustriert Sie?
Ich bin fasziniert vom Potenzial für Effizienz, Sicherheit und Dekarbonisierung im Schienengüterverkehr und frustriert darüber, dass wir dieses Potenzial in der Praxis noch nicht voll ausschöpfen können.
Wie würden Sie einen Schulabgänger motivieren, eine Karriere in der Branche des Schienengüterverkehrs zu absolvieren?
Dies ist ein Bereich, in dem man echten Einfluss haben kann. Einerseits, weil der Sektor großes Verbesserungspotenzial hat, und andererseits, weil die Verbesserung des Schienengüterverkehrs selbst einen enormen Einfluss auf unser Leben hat.
Welches sind Ihrer Meinung nach die wichtigsten Herausforderungen für die Schienengüterverkehrsbranche im Allgemeinen und der Wagenhalter im Besonderen?
A) Denken Sie, dass die Branche und die Wagenhalter bereit sind, diese Herausforderungen anzugehen?
Ich könnte ihnen eine ganze Liste von Herausforderungen aufzählen, aber um beim Wesentlichen zu bleiben: der Schienengüterverkehr ist ein fester Bestandteil des Eisenbahnsystems, wobei dieses einem Flickenteppich gleichkommt. Jedes Land in Europa hat seine eigenen nationalen Vorschriften, Normen und Verfahren für die Eisenbahninfrastruktur, den Zugbetrieb und die Signalgebung. Diese Fragmentierung führt zu zahlreichen Ineffizienzen. Die Modernisierung des Schienengüterverkehrs schreitet voran, aber das System selbst muss noch schneller vereinheitlicht werden, um eine reibungslosere Integration der nationalen Eisenbahnsysteme zu gewährleisten.
Ich denke, die Beteiligten werden sich mehr und mehr der Notwendigkeit bewusst, ganzheitlich zu denken. Europäische Initiativen, die von Forschungs- und Innovationsprogrammen wie Europe’s Rail angeführt werden, beschleunigen den notwendigen kollektiven Wandel.
Die Wagenhalter arbeiten daran, dass das allgemeine Eisenbahnsystem wettbewerbsfähiger und widerstandsfähiger wird. Das schwierige wirtschaftliche und geopolitische Umfeld der letzten Jahre lastet bereits heute schwer auf dem Wagenhaltergeschäft. Es ist nicht hilfreich, wenn das Gesamtangebot im Schienengüterverkehr nicht den Kundenbedürfnissen entspricht. Die Wagenhalter können ihren Teil dazu beitragen, ihre Produkte zu verbessern, aber sie sehen sich mit Kosten konfrontiert, die sie aus ihrer Seite nicht wieder reinholen können. Ebenso ist es eine Herausforderung, dies den Politikern und der Öffentlichkeit klar zu machen.
B) LKWs sind schon bald klimaneutral, wodurch ein zentraler Wettbewerbsvorteil des Schienengüterverkehrs verschwinden wird. Welche Möglichkeiten sehen Sie, um die Wettbewerbsfähigkeit der Schiene im Vergleich zur Strasse zu verbessern?
Der Übergang der Lkw-Industrie zur Klimaneutralität ist eine Herausforderung für den Schienengüterverkehr, bietet jedoch auch eine Chance die eigene Transformation zu beschleunigen. Der Schlüssel zur Verbesserung der Position des Schienengüterverkehrs im Vergleich zum Straßenverkehr liegt darin, die Vorteile der Bahn hervorzuheben, wie ihre überlegene Energieeffizienz und ihre geringeren CO²-Emissionen. Eine größere Digitalisierung im Schienennetz sowie die Verbesserung der Flexibilität der Bahn, d.h. die Integration in multimodale Logistikketten, sind entscheidende Größen in dieser Transformation.
Die Bahn sollte sich nicht nur als die grünere Option positionieren, sondern auch als zuverlässiger, kosteneffizienter und zukunftsfähiger Verkehrsträger.
Ich würde gerne einen Blick auf die beiden grossen technologischen Innovationen der Digitalen Automatischen Kupplung (DAK) und der Digitalisierung werfen. Kann eine davon respektive beide in Kombination jener Befreiungsschlag sein, der die Wettbewerbsfähigkeit des Schienengüterverkehrs spürbar verbessern wird?
Absolut, die DAK bringt ja auch gleichzeitig auch die Digitalisierungsbemühungen einen grossen Schritt vorwärts. Die automatische Kupplung adressiert ein zentrales Problem im Schienengüterverkehr: das veraltete und ineffiziente manuelle Kupplungssystem. Durch die Automatisierung des Kupplungsprozesses können wir den betrieblichen Aufwand erheblich reduzieren, die Sicherheit verbessern und Kosten senken, was die Wettbewerbsfähigkeit des Schienengüterverkehrs insgesamt erhöht. Das «D» in DAK hingegen bringt eine breitere Digitalisierung und Energieübertragung ins Spiel, sodass wir einen Echtzeit-Datenaustausch und Energie entlang des gesamten Güterzugs haben können. Dies ermöglicht eine bessere Integration von Rollmaterial, Infrastruktur, Betrieb und anderen Verkehrsträgern.
Die DAK kann das Maß an Effizienz und Flexibilität auf eine nächste Stufe heben. Es wird die Anforderungen an die Arbeitskräfte verändern und den Arbeitsmarkt öffnen. Die vollständige Digitalisierung eines Schienengüterzugs wird uns ermöglichen, auf Kundenanforderungen zu reagieren und eine Lösung für bessere Logistik zu bieten.
Wir können dann sogar von DACC sprechen: Digital Automated Connected und Customer-oriented Operations – diese werden den Schienengüterverkehr schneller, zuverlässiger und anpassungsfähiger an jegliche Kundenanforderungen machen, wodurch die Attraktivität als eine moderne, umweltfreundliche Transportlösung erhöht wird.
Die Europäische Union beabsichtigt die DAK bis 2030 einzuführen. Denken Sie, dass dies ein realistischer Zeithorizont ist? Falls nicht, was sind die hauptsächlichen Stolpersteine auf dem Weg zur Einführung?
Das Ziel, bis 2030 auf einen vollständigen digitalen Schienengüterzugbetrieb (FDFTO) mit DAK umzusteigen, ist ehrgeizig, aber machbar. Lassen Sie uns dies in einzelnen Schritten denken: Zuerst, die Entwicklung und Erprobung einer europäischen Technologie abschließen, dann die Zuverlässigkeit und die wirtschaftlichen Vorteile von FDFTO mit DAK durch den Betrieb kommerzieller Güterzüge validieren und schließlich die Machbarkeit einer Migration hinsichtlich des bestehenden Fuhrparks, der Waggons, Lokomotiven und des Verkehrs bewerten. Letztlich müssen die entsprechenden öffentlichen Mittel sichergestellt werden. Alle Schritte sind entscheidend für eine erfolgreiche europäische Umsetzung, wobei alle Schritte Zeit benötigen und wir bis zur Erreichung des Ziels ambitioniert bleiben müssen. Auch wenn der Zeitplan knapp bemessen ist, sollte die Notwendigkeit, die europäischen Green-Deal-Ziele zu erreichen, die notwendige Dynamik zur Zielerreichung erzeugen.
In unserem Vorgespräch sprachen wir über die Herausforderung, alle Kräfte der Schienengüterverkehrsbranche bei der Problemlösung auf Kurs zu bringen. Was genau haben Sie damit gemeint, vielleicht erklärt an einem Beispiel?
Wie herausfordernd es ist, alle Akteure des Schienengüterverkehrs auf einen Nenner zu bringen, zeigt das Beispiel der DAK-Einführung. Während einige Länder oder Unternehmen DAK schnell einführen wollen, sind andere aufgrund der damit verbundenen Kosten oder wegen anderer Prioritäten wie dem Ausbau der Infrastruktur eher zurückhaltend. Die Komplexität, alle diese Parteien auf eine gemeinsame Vision und Strategie einzuschwören, stellt eine große Herausforderung dar.
Um diese Herausforderung zu meistern, bedarf es eines starken Führungsrahmens und finanzieller Unterstützung sowohl von der EU selbst als auch von den Mitgliedstaaten. Nur dadurch kann sichergestellt werden, dass sich alle Beteiligten weiterhin für ein gemeinsames Ziel einsetzen.
Eine Frage zu Ermewa, die ja zur STREEM Gruppe zählt. Könnten Sie uns etwas über eine aktuelle Innovation von Ermewa erzählen, die das Potenzial hat, von der restlichen Industrie adaptiert zu werden?
Es wäre anmaßend zu behaupten, dass wir die einzigen mit guten Ideen sind. Ich glaube fest an das Potenzial von Maintenance 4.0 und im Schienentransport von palletierten Gütern. Das erste Thema umfasst alles, was digitale Technologie und künstliche Intelligenz erbringen können, das zweite betrifft das Logistikkonzept (und die Güterwagen), das den Modalsplit auch außerhalb von festen und flüssigen Schüttgütern ermöglichen wird.
Zum Schluss eine persönliche Frage: Wie erholen Sie sich in Ihrer Freizeit, um im Berufsalltag die notwendige Energie zu haben?
Die Antwort ist sehr banal. Ich verbringe Zeit mit meiner Familie, treibe etwas Sport, gehe ins Kino, ins Theater oder ins Restaurant… Ich liebe meinen Job, ich liebe diesen Sektor, die Menschen, mit denen ich arbeite, und ich trenne mein Berufs- und Privatleben nicht strikt voneinander. Ich werde dies alles vermissen, wenn die Zeit gekommen ist, weiterzuziehen.

Digitalisierung der Schiene behebt Nachteile und macht diese zukunftsfähig
Wie zukunftsfähig ist der Schienenverkehr tatsächlich? Kann er der Aufgabe der politisch angestrebten Verkehrsverlagerung gerecht werden? Wir meinen: Ja, sofern er grundlegend transformiert. Eine systemübergreifende Digitalisierung ist entscheidend, damit sich der Bahnsektor als nachhaltiger Träger mulimodaler Logistikketten etablieren kann.
Darum geht’s:
- Am Anfang war die Mobilität
- Für die Zukunft gut aufgestellt
- Sicherheit bringt wettbewerbshinderliche Nachteile
- Digitale Innovation und Investition gefragt
Am Anfang war die Mobilität
Der Bedarf nach Mobilität ist in der westlichen Industriegesellschaft über die letzten Jahrzehnte massiv gestiegen. Das hat den Konkurrenzkampf zwischen den Verkehrsträgern akzentuiert. Der motorisierte Individualverkehr und der Flugverkehr haben ihre Dominanz im Personentransport kontinuierlich ausgebaut. Im Gütertransport ist der Lastwagen zum wichtigsten Verkehrsträger aufgestiegen, nicht zuletzt dank wegweisender Innovationen. Obwohl der Schienenverkehr in Europa nur einen geringen Anteil des aktuellen Transportbedarfs abdeckt, ist er aus dem Angebot nicht wegzudenken. Müsste in der Schweiz die Strasse die Verkehrsleistung der Schiene übernehmen, so wäre das Chaos vorprogrammiert.
Für die Zukunft gut aufgestellt
Mobilität und Treibhausgasemissionen gehen Hand in Hand. So ist mit der Klimadiskussion der schonende Umgang mit Ressourcen in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt. In einigen europäischen Ländern und in der Schweiz setzt die Politik vermehrt auf die emissionsarme Bahn und strebt eine deutliche Verlagerung der Verkehre auf die Schiene an. Da stellt sich die Frage, wie gut der Bahn-sektor dieser Aufgabe gewachsen ist. Derzeit besticht die Schiene durch einige entscheidende Wettbewerbsvorteile:
- Schienenverkehr wird geplant und gesteuert, was das Angebot zuverlässig macht.
- Der Transport auf der Schiene wird laufend überwacht, weshalb die Bahn als sicherster Verkehrsträger gilt.
- Dank hohem Elektrifizierungsgrad verursacht Schienenverkehr wenig Emissionen. In der Schweiz fahren Züge ausschliesslich mit CO2-freiem Strom.
- Eine Bahntrasse benötigt deutlich weniger Fläche als eine Strasse. Das ist gerade in dicht besiedelten Gebieten entscheidend.
Sicherheit bringt wettbewerbshinderliche Nachteile
Im Grundsatz ist der Bahnsektor also gut für die Zukunft aufgestellt. Doch die hohen Sicherheitsanforderungen an den Schienenverkehr wirken sich negativ auf dessen Flexibilität und damit Wettbewerbsfähigkeit aus. Dies in mehrerlei Hinsicht:
- Die meisten Bahnstrecken sind in fixe Streckenblocks aufgeteilt. Ein Zug erhält erst dann grünes Licht, wenn der Block vor ihm frei ist. Diese Gliederung in fixe Streckenblöcke begrenzt die Streckenkapazität und damit den Takt der möglichen Zugfahrten.
- Mit infrastrukturseitigen Achszählern wird garantiert, dass alle Wagen eines Zuges, die in den Streckenblock eingefahren sind, diesen auch wieder verlassen haben. Diese Überwachung erhöht zwar die Sicherheit, ist aber aufwendig und limitiert das Durchlaufvermögen.
- Verkehren auf einer Strecke Personen- und Güterzüge, so schränkt das die Streckenkapazität aufgrund der unterschiedlichen Fahr- und Bremsdynamiken weiter ein.
Digitale Innovation und Investition gefragt
Die erwähnten Nachteile des Bahnsektors lassen sich beheben. Doch dazu ist eine umfassende Transformation mit Innovation und Investitionen nötig, die systemübergreifend und über alle Bran-chenakteure hinweg koordiniert erfolgt. Im Mittelpunkt eines derart epochalen Wandels stehen digitale Technologien und ein neuartiger Umgang mit Daten.
- Zugbetrieb digitalisieren: Ein digitaler Zugbetrieb kommt ohne Streckenblocks und Signale aus und kann besser ausgelastet werden. Der Abstand zwischen zwei in die gleiche Richtung fahrenden Zügen wird in Echtzeit mit einem kommunikationsbasierten Zugleitsystem (Communication-Based Train Control, CBTC) ermittelt. Das gewährleistet zu jedem Zeitpunkt den nötigen Sicherheitsabstand, schränkt aber die Streckenkapazität nicht ein.
- Datenökosysteme errichten: Schlüssel für eine systemübergreifend abgestimmte Digitalisierung ist der Zugang zu hochwertigen Daten aus erster Hand. Davon profitieren alle Akteure innerhalb einer multimodalen Logistikkette. Bestrebungen wie die Weiterentwicklung der Mobilitätsdateninfrastruktur (MODI), die Nationale Datenvernetzungsinfrastruktur Mobilität (NADIM) oder das KV4.0 Projekt des deutschen Bundesministeriums für Digitales und Verkehr BMVD gehen in die richtige Richtung (vgl. «Datenökosysteme: Daten teilen, um ihren Mehrwert zu verdoppeln»).
- Angebot flexibilisieren: Umfassende Innovationen auf Systemebene ermöglichen wie erläutert die Vernetzung von Daten. Dadurch wird die Bahnproduktion deutlich effizienter und flexibler und der Güterverkehr kann sein Angebot konkurrenzfähiger ausgestalten. Damit tatsächlich markant mehr Güterverkehr auf der Schiene stattfinden kann und sich Engpässe beheben lassen, muss die öffentliche Hand allerdings auch die physische Infrastruktur entsprechend ausbauen.
- Fachkräftemangel adressieren: Der aktuelle Güterbahnbetrieb produziert höchst personalintensiv. Noch werden zahlreiche Tätigkeiten im Gleisfeld manuell ausgeführt. Viele Mitarbeitende tragen Tag für Tag dazu bei, dass die Räder rollen. Diese Aufgaben sind nicht selten körperlich anstrengend und gefährlich. Im Rahmen des demografischen Wandels gehen viele langjährige Bahnmitarbeitende in den kommenden Jahren in Pension. Diese Fachkräftelücke kann die Teilautomatisierung schliessen, etwa durch die Migration auf die digitale automatische Kupplung DAK (vgl. Blogbeitrag «Die Digitalisierung des Schienengüterverkehrs nimmt Fahrt auf»).
- Interoperabilität stärken: Die europäischen Bahnen sind nach wie vor stark reguliert. Trotz der Harmonisierungsbemühungen der Europäischen Union schränken zahllose nationale Vorschriften für Fahrzeuge und Bahnpersonal den freien grenzüberschreitenden Bahnverkehr immer noch ein. Allerdings wird die Digitalisierung auf europäischer Ebene auf einheitlichen Standards aufgebaut, was die Harmonisierung begünstigt. Umso wichtiger ist es, dass die Verkehrspolitik europaweit koordiniert wird (vgl. Blogbeitrag «Interoperabilität Schweiz–EU sicherstellen»).

«Digitale Technologien unterstützen und entlasten unsere Mitarbeitenden»
Interview mit Thomas Küchler, Direktor der SOB
Die Südostbahn (SOB) ist seit Jahren Vorreiterin der Digitalisierung im Bahnbetrieb. Thomas Küchler, Vorsitzender der Geschäftsleitung, erläutert im Gespräch mit dem VAP, warum die SOB vom fundamentalen Change-Prozess der Digitalisierung überzeugt ist, wie digitalisierte Prozesse transparenter werden, wie sich der Bahnbetrieb (teil-)automatisieren lässt, wie sich bisherige Berufsbilder verändern, welche Erkenntnisse die SOB aus Zustandsdaten gewinnt und warum es wichtig ist, Daten in Datenökosystemen auszutauschen.
Herr Küchler, derzeit sprechen alle über Digitalisierung. Wie sehen Sie das?
Thomas Küchler: Das stimmt. Ich zeige Ihnen gerne unsere praktischen Erkenntnisse auf, die wir bei der SOB in den vergangenen Jahren gewonnen haben. Allerdings möchte ich nicht über Technologien wie die Communication-Based Train Control sprechen. Vielmehr müssen wir das Thema Digitalisierung grundsätzlich betrachten.
Heute wird im Bahnsektor vieles digital abgebildet. Doch meistens handelt es sich um Insellösungen. Der Informationsfluss ist nicht durchgehend: verschiedene Speicherorte, unterschiedliche Formate, abweichende Aktualitätsstände. Wenn damit Prozesse gesteuert werden sollen, die den geltenden Anforderungen von «Safety» und «Security» gerecht werden, wird rasch erkennbar, dass sich das mit vertretbaren Aufwendungen nur schwer realisieren lässt. Denn der Erfolg eines Bahnunternehmens basiert auf hoher Sicherheit und dem kontinuierlichen Streben nach mehr Effizienz. Digitalisierungsmassnahmen müssen messbar dazu beitragen, dass der sichere Betrieb gewährleistet bleibt und sich die Effizienz erhöht.
Demnach brauchen wir für die Digitalisierung einen komplett neuen Ansatz. Im Zentrum muss eine softwarebasierte Steuerung stehen. Ein solches System muss modular und wandelbar aufgebaut sein und die einzelnen Funktionen untereinander verknüpfen.
Was versteht die SOB als Vorreiterin in diesem Thema unter Digitalisierung?
Thomas Küchler: Die SOB-Führung hat das Potenzial der Digitalisierung zum Glück vor Jahren erkannt.
Für uns geht es nicht darum, manuelle Prozesse digital abzubilden. Die heutige Struktur der Bahnen basiert auf Prozessen aus dem letzten Jahrhundert. Im Bahnsektor wurden bestehende Teilsysteme typischerweise mithilfe von Software realisiert. Eine der grössten Hürden ist dabei die fehlende übergeordnete Durchgängigkeit bei den Informationen.
Wie hat die SOB die Digitalisierung gemeistert?
Thomas Küchler: Unser Management hat früh verstanden, dass sich unser Unternehmen Richtung Digitalisierung weiterentwickeln muss und dafür auf kompetente Unterstützung angewiesen ist. Wir haben externe Fachexperten beigezogen. Diese brachten eine Aussensicht in unsere Bahnwelt. So haben wir erkannt, dass für eine erfolgreiche Digitalisierung ein fundamentaler Change-Prozess erforderlich ist. Dieser tiefgreifende Wandel muss überdies bei laufendem Betrieb vollzogen werden. Ein Bahnunternehmen kann nicht wie ein Industrieunternehmen das alte Produkt absetzen und ein neues Produkt auf den Markt bringen. Zudem ist entscheidend, dass die gesamte Belegschaft mitzieht. Jede Mitarbeiterin und jeder Mitarbeiter muss sich mit der Digitalisierung im eigenen Umfeld auseinandersetzen.
Wie haben Sie Ihre konzeptionellen Erkenntnisse konkretisiert?
Thomas Küchler: Wir haben vier Elemente für eine umfassende Digitalisierung ermittelt: Daten, Organisation, System, Prozesse. Alle vier Elemente sind synchron zu adressieren, sie bilden den Kern der Umsetzung. Unternehmensübergreifend haben wir – bildlich gesprochen – ein SOB-Gebäude konzipiert. Wir haben die gemeinsam genutzten Daten definiert, die für alle autorisierten Nutzer verfügbar sein müssen. In der Folge haben wir die organisatorischen Einheiten in die Stockwerke unseres SOB-Gebäudes einquartiert. Sie sind eigenverantwortlich für die Einrichtung ihres Stockwerkes und frei in dessen Gestal-tung. Aber sie müssen die übergeordneten Datenstrukturen respektieren.
Wie haben Sie Ihre Mitarbeitenden einbezogen?
Thomas Küchler: Das ist einer der grössten Erfolgsfaktoren. Transformation gilt nicht nur für das Kader. Alle Mitarbeitenden sind betroffen. Deshalb haben wir Betroffene zu Beteiligten gemacht. Als solche müssen sie eine aktive Rolle einnehmen und die folgende Frage beantworten: Welche Verbesserung vereinfacht meine Arbeiten so, dass bei hohem Sicherheitslevel die Effizienz steigt. Wir haben festgestellt, dass gerade jüngere Mitarbeitende neue Ideen einbringen, die sich geschickt mit den Erfahrungen der langjährigen Mitarbeitenden verknüpfen lassen.
Digitalisierung bringt also Veränderung übers ganze Unternehmen hinweg?
Thomas Küchler: Oh ja. Bahnunternehmen werden stark von der Erfahrung ihrer Mitarbeitenden geprägt. Früher hatten wir einen sehr hohen Anteil langjähriger Mitarbeitender, die mit ihrer Erfahrung das Rückgrat un-seres Unternehmens bildeten und entscheidend zur Qualität unserer Produktion beitrugen. Mit der Zeit hat sich die durchschnittliche Dauer von Arbeitsverträgen verkürzt; heute haben wir eine höhere Fluktuation. Deshalb müssen wir uns intensiv mit dem Wissenserhalt auseinandersetzen. Zudem ändern sich die Berufsbilder stärker. Auch diesen Trend müssen wir als Unternehmen aufgreifen.
Wie hängen Veränderung und Digitalisierung zusammen?
Thomas Küchler: In doppelter Hinsicht. Erstens beschleunigt die Digitalisierung die Veränderung von Berufsbildern. Das hat durchaus einen interessanten Effekt, denn in vielen Fällen werden die Berufsbilder attraktiver. Wichtig ist, die langjährigen Mitarbeitenden auf diese Reise mitzunehmen.
Zweitens ermöglicht die Digitalisierung die Kontrolle des Systems. Diese Kontrolle ist für die Prozesssicherung entscheidend. Sie hilft uns, ein praxisgerechtes Safety Management System zu betreiben, das sämtlichen Vorgaben gerecht wird. Schliesslich konnten wir die Abhängigkeit von einzelnen Mitarbeitenden umgehen.
Veränderung wird aber nicht nur positiv wahrgenommen. Was meinen Sie dazu?
Thomas Küchler: Wer nach jahrelanger erfolgreicher Arbeit sein Metier beherrscht, kann auf Veränderungen auch kritisch reagieren. Aber wir sollten eine Eigenheit des Bahnsektors berücksichtigen: Viele traditionelle Arbeiten im Bahnalltag sind körperlich anstrengend. Sie sind bei Wind, Regen und Schnee zu jeder Tageszeit zuverlässig und sicher durchzuführen. Wir haben heute immer grössere Schwierigkeiten, dafür neue Mitarbeitende zu rekrutieren. Deshalb werte ich es als positiv, dass Digitalisierung und Automatisierung traditionelle «Bähnlerberufe» ändern und neue Berufsbilder schaffen.
Ein gutes Beispiel dafür ist die Sicherheit. Früher waren viele Tätigkeiten im Bahnbetrieb unmittelbar für die Sicherheit entscheidend. Der Mitarbeitende prüfte die freie Strecke und erteilte den Fahrbefehl. Heute wird er durch Leitsysteme unterstützt, die sicheres Fahren gewährleisten. Mit der früheren Methode wäre der dichte Fahrplan von heute nicht sicher und effizient machbar.
Wie können Technologien Ihre Mitarbeitenden unterstützen?
Thomas Küchler: Tests haben klargemacht: Wir streben keinen vollautomatischen Betrieb ohne Personal an. Vielmehr sollen digitale Technologien unsere Mitarbeitenden unterstützen und entlasten, indem sie vor allem bei Abweichungen die Trassennutzung laufend optimieren.
Und inwiefern verbessert die Digitalisierung den Betrieb?
Thomas Küchler: Bei unserem Personenverkehr setzen wir weitgehend moderne Triebzüge ein. Das sind richtige Datenschleudern, sie sammeln im Betrieb laufend Zustandsdaten. Hier arbeiten wir mit dem Hersteller Stadler zusammen. Stadler sammelt für uns die Daten. Wir haben die Datenhoheit, übernehmen einen Grossteil der Rohdaten und werten sie teilweise selbst aus. Über die sogenannte Zustandsauswertung können wir Trends zeitnah erkennen, wirksame Massnahmen ergreifen und zeitgerecht umsetzen. Die Digitalisierung hilft uns, rechtzeitig zu reagieren.
Was treibt die SOB zur digitalen Transformation an?
Thomas Küchler: Ein Bahnunternehmen muss sich an den Kunden orientieren. Kundenbedürfnisse wandeln sich ständig. Über entsprechende Kennzahlen müssen wir Trends rasch erkennen und richtig reagieren. Mit den erfassten Kennzahlen können wir die Wirkung unserer Massnahmen beurteilen. Damit unser Geschäftsmodell erfolgreich bleibt, müssen wir die Effizienz steigern und gleichzeitig Sicherheit gewährleisten. Auf diese Weise stellen wir die Marktfähigkeit unseres Unternehmens sicher. Die Digitalisierung ist ein ideales Tool, unser Geschäft erfolgreich zu betreiben.
Herr Küchler, besten Dank für das aufschlussreiche Gespräch.

Die Digitalisierung des Schienengüterverkehrs nimmt Fahrt auf
Die Politik passt die Rahmenbedingungen für die Migration zur digitalen automatischen Kupplung (DAK) an und die Technologie für den künftigen Standard wird Schritt für Schritt festgelegt. Die Schweiz stimmt ihren Einführungsprozess auf denjenigen in Europa ab. Als Branchenakteure wollen wir vom VAP die Zulassung für den kommerziellen Verkehr vorantreiben und übernehmen deshalb eine Schlüsselrolle in der Koordination und Dokumentation der entsprechenden Projekte.
Darum geht’s:
- Ständerat gibt grünes Licht für die DAK und den Einzelwagenladungsverkehr
- GüTG mit europäischem Fahrplan harmonisiert
- Technologie muss sich als Standard beweisen
- Schweizer Branche übernimmt Vorreiterrolle
- Zwei Etappen, ein Ziel: Vernetzung mit der Zukunft
- VAP verwandelt Erfahrungen in praxisgerechte Lösungen
Ständerat gibt grünes Licht für die DAK und den Einzelwagenladungsverkehr
Die Entwicklungen rund um die Digitalisierung des Schienengüterverkehrs verlaufen buchstäblich mehrgleisig. Eine Weichenstellung im politischen Prozess hat am 24. September 2024 stattgefunden. An diesem Beratungstag in der Herbstsession des Schweizer Parlaments hat sich der Ständerat zur Totalrevision des Gütertransportgesetzes beraten und den Verpflichtungskredit zur Einführung der DAK in der Höhe von 180 Mio. Franken sowie den Verpflichtungskredit zur Modernisierung des Einzelwagenladungsverkehrs über 260 Mio. Franken gutgeheissen. Damit hat der Erstrat die wichtigsten Eckpunkte der bundesrätlichen Botschaft vom 10. Januar 2024 aufgegriffen und sich mit einer breiten Mehrheit explizit für die Digitalisierung des Güterverkehrs mit der seit vielen Jahren verfeinerten Innovation ausgesprochen. Dazu Bundesrat Albert Rösti in seinem Votum vor dem Ratsplenum: «Neben der digitalen automatischen Kupplung sollen weitere konkrete Modernisierungsschritte erfolgen, wie zum Beispiel Buchungsplattformen.» Weshalb diese Bemerkung eine holistische Perspektive auf die DAK widerspiegelt, legen wir in unserem Blogbeitrag «Datenökosysteme: Branche am runden Tisch mit Bundesrat Rösti» dar.
GüTG mit europäischem Fahrplan harmonisiert
Die Planung des revidierten GüTG und der entsprechenden Verordnung harmoniert mit dem europäischen Fahrplan. Die Inkraftsetzung ist auf Ende 2026 bis Anfang 2027 zu erwarten. Ab dann werden die budgetierten Bundesmittel für die DAK-Migration bereitstehen. Die Akteure des European DAC Delivery Programme (EDDP) von Europe’s Rail wollen die DAK-Migration ab 2028 in grossem Stil ausrollen. Dieses Umsetzungsprogramm vereint Eisenbahnverkehrsunternehmen, Infrastrukturbetreiber, Wagenhalter sowie die Eisenbahnzulieferindustrie, für die Instandhaltung zuständige Stellen, Branchenorganisationen, Eisenbahnforschungszentren und politische Institutionen. Dieses integrierte gemeinsame Programm baut auf Forschungs- und Entwicklungsergebnisse und Pilotprojekte und strebt die Gewährleistung der notwendigen Massnahmen für eine schnelle, technisch und wirtschaftlich machbare europaweite DAK-Einführung an.
Technologie muss sich als Standard beweisen
Damit sich dieses ambitionierte Ziel erreichen lässt, braucht es eine entwickelte und betriebserprobte Technologie. Auch hier hat das EDDP bereits erhebliche Vorarbeit geleistet und Anfang 2024 das «DAC Basis Package» als künftigen Systemstandard für den europäischen Schienengüterverkehr kommuniziert. Das EDDP sieht Pilotzüge in ganz Europa vor, um die Technologie des «DAC Basis Package» zu verfeinern und umfassend zu testen. Das Startpaket enthält die folgenden Komponenten:
- DAK (mechanisch/pneumatisch) einschliesslich Energie-/Datensystem
- Erkennen der Zugzusammenstellung
- Automatische Bremsprobe
- Zugvollständigkeitsprüfung
- Automatisches Entkuppeln (im Zug von der Lok oder von der Wagenseite)
Noch steht ein wichtiger Systementscheid aus: Für die Datenübertragungstechnologie im Zug stehen die Optionen Single per Ethernet und Powerline+ in der Endauswahl. Da in der Schweiz bereits erfolgreiche Tests mit Powerline+ erfolgt sind, soll nun zeitnah ein zulassungsfähiger Pilotzug mit dieser Technologie realisiert werden.
Schweizer Branche übernimmt Vorreiterrolle
Die Schweiz will zu dem vom EDDP koordinierten europäischen DAK-Entwicklungsprojekt substanziell beitragen und dieses eng mit den europäischen Organisationen von EDDP abstimmen. So schickt sich die Schweizer Bahnbranche an, die Systemintegration zur Zulassung kommerzieller Einsätze voranzutreiben. Die technischen Spezifikationen und der funktionale Leistungsumfang des «DAC Basis Package» und die Übertragungstechnologie Powerline+ bilden die Grundlage für die weiteren Arbeiten des Schweizer Projektteams. Demnach werden BAV, VAP und VöV ihre gemeinsam unterzeichnete Absichtserklärung zur Automatisierung im Schienengüterverkehr entsprechend erweitern.
Zwei Etappen, ein Ziel: Vernetzung mit der Zukunft
Der Beitrag der Schweiz zur DAK-Einführung erfolgt in zwei Etappen. Vorab soll die Systemintegration auf dem Schweizer Pionierzug zügig bis zur Zulassungsreife vorangetrieben und deren Alltagstauglichkeit dann im kommerziellen Einsatz nachgewiesen werden. Der Bund wird die Entwicklung mit Fördermitteln gemäss Artikel 10 Gütertransportgesetz unterstützen.
- Das Entwicklungsprojekt EP3 zur Realisierung der Zulassung eines ersten Pionierzugs mit den Funktionen nach «DAC Basic Package» hat begonnen. Ziel ist es, bis Mitte 2026 eine BAV-Betriebsbewilligung für definierte kommerzielle Fahrten auf dem Schweizer Normalspurnetz zu erlangen. Dazu haben rund 30 motivierte Swissrail-Mitglieder, SBB Cargo, das BAV und VAP-Vertreter am 30. August 2024 ihre Absicht bekundet, den Schienengüterverkehr gemeinsam konkurrenzfähig zu machen und die Schweizer DAK-Technologie nach aussen zu tragen. Mit EP3 wollen die Branchenakteure die Definition des künftigen europäischen Standards im Schienengüterverkehr wesentlich mitgestalten. Es ist nun an der Zeit, Grundsatzdiskussionen zu verlassen und betriebstaugliche Lösungen zu erarbeiten. Die neuen Systeme müssen robust, alltagstauglich und finanzierbar sein, damit der Güterzug künftig wirtschaftlich erfolgreich verkehren kann.
- Mit dem Entwicklungsprojekt EP4 sollen nach Abschluss von EP3 mehrere DAK-Züge im Zeitraum von 2026 bis 2027 für kommerzielle Fahrten auf das Schweizer Schienensystem gebracht werden. Erste Gespräche mit Verladern haben bereits stattgefunden. Gesucht werden isolierte Verkehre, die sich für eine frühzeitige DAK-Umstellung als Pionierzüge eignen. Das Ziel dieser zweiten Etappe ist das Sammeln von Betriebserfahrung und die weitere Ertüchtigung im realen Einsatz. Die Pionierzüge sollen involvierten Anspruchsgruppen und Investoren ein konkretes Bild über die künftigen Möglichkeiten mit der DAK und der damit einhergehenden Digitalisierung im Schienengüterverkehr geben.
VAP verwandelt Erfahrungen in praxisgerechte Lösungen
Wir vom VAP werden die erwähnten Projekte für alle Interessierten und Beteiligten koordinieren und dokumentieren. Damit wollen wir einen breiten Erfahrungsaustausch und volle Praxistauglichkeit bis in die Anschlussgleise und die Logistik der Wirtschaft sicherstellen. Unsere Mitglieder – allen voran die Verlader und Wagenhalter – beteiligen sich aktiv an den beiden Entwicklungsetappen. Damit lassen sich Erkenntnisse aus Pilotprojekten skalieren und Synergien für alle Branchenakteure nutzbar machen.

«Die Asymmetrie von Vorteilen und Umsetzungskosten erachte ich als grössten Knackpunkt der DAK»
Die JOSEF MEYER Rail (JMR) Group hat sich auf Unterhalt und Reparaturen von Güterwagen spezialisiert und unterhält Standorte im In- und Ausland. Im Gespräch mit dem VAP sprechen Dr. Dominik Suter, Inhaber und Verwaltungsratspräsident, sowie Ulrich Walt, Gruppen-CEO seit September 2024, über die Erfolgsfaktoren eines industriellen Branchenakteurs, die Asymmetrie von Innovationen und die Zukunft des Schweizer Schienengüterverkehrs.
VAP: Herr Suter, wie kam es zum Führungswechsel und was erwarten Sie von Ulrich Walt?
Dominik Suter: Vinzenz Bindschädler, unser bisheriger Geschäftsführer, hat sich entschieden, JMR auf Ende September 2024 zu verlassen. Mit Ulrich Walt übernimmt ein langjähriger Branchenkenner die Führung unserer Gruppe. Gemeinsam wollen wir unsere Vision, die Produktivität unserer Eisenbahnkunden nachhaltig zu steigern, konkretisieren und unsere Unternehmensgruppe im internationalen Kontext ausbauen.
VAP: Ihr Markenversprechen bringen Sie mit den Attributen «zuverlässig», «engagiert» und «innovativ» zum Ausdruck. Herr Walt, wie wollen Sie diese Eigenschaften in Zukunft stärken? Wo werden Sie neue Wege einschlagen?
Ulrich Walt: Ich finde diese Tagline hilfreich. Sie sind zwar etwas generisch, machen aber deutlich, was uns gegenüber unseren Kunden wichtig ist. Gerade das Attribut «zuverlässig» ist im Instandhaltungsgeschäft entscheidend, weil es viel mit Sicherheit zu tun hat. Mit der Eigenschaft «engagiert» wollen wir unseren Ruf als eine der besten Werkstätten Europas festigen. Zum Beispiel verkürzen wir laufend die Durchlaufzeiten und schicken in der Schweiz für kleinere Reparaturen mobile Instandhaltungsteams los.
Den strategischen Kurs werde ich beibehalten. Da wir in industrielle Prozesse eingebunden sind, können wir unser Geschäftsmodell nicht von heute auf morgen revolutionieren. Allerdings möchte ich neue Akzente setzen. Zum Beispiel werden wir uns noch stärker auf unsere Kernkompetenzen der Instandhaltung und ECM-Angebote fokussieren. Nach innen gilt unser Augenmerk verstärkt der Führung und der Verantwortung. Und schliesslich wollen wir auch unsere Systeme und Prozesse weiter optimieren.
Das Merkmal «innovativ» wird gemeinhin mit Digitalisierung gleichgesetzt. Diese wird auch im Schienengüterverkehr rege diskutiert, vor allem im Zusammenhang mit der digitalen automatischen Kupplung (DAK). Was ist Ihre Meinung dazu?
Dominik Suter: Die Förderung des Schienenverkehrs in Europa setzt kurzfristig nicht nur die Instandstellung der Schieneninfrastruktur und die DAK voraus, sondern erfordert mittelfristig auch Innovationen im Rollmaterial. So haben wir schon vor Jahren gemeinsam mit Industriepartnern lärm- und verschleissarme Güterwagendrehgestelle für deutlich höhere Geschwindigkeiten entwickelt. In einem Joint Venture mit PROSE ist daraus das kostengünstigere Drehgestell «LEILA Light» auf der Basis einer zulassungsfähigen Technologie entstanden. «LEILA Light» bietet bestechende Vorteile hinsichtlich Lärm, Verschleiss der Schieneninfrastruktur und Geschwindigkeit. Solange die Vorteile bezüglich Lärm, Verschleiss der Schieneninfrastruktur und Geschwindigkeit nicht beim Investor ankommen, wird jedoch nicht in modernes Rollmaterial investiert.
Ulrich Walt: Ähnlich verhält es sich mit der DAK als meistzitierte Digitalisierungstreiberin. Bei Innovationen für den Schienenverkehr stellt sich immer die Frage, ob sie am Wagen oder an der Infrastruktur stattfinden sollen. Die DAK revolutioniert den Wagen. Doch die Vorteile dieser Innovation und die Kosten für deren Umsetzung sind asymmetrisch verteilt, fallen also an unterschiedlichen Stellen an. In einem solchen Fall wird es schwierig, einen Durchbruch zu erzielen. Diese Asymmetrie erachte ich als grössten Knackpunkt der DAK. Hier braucht es einen Anstoss des Regulators. Die DAK ist im politischen Prozess weit fortgeschritten, weshalb sie sich über kurz oder lang durchsetzen wird.
Die Wurzeln von JMR reichen bis ins Jahr 1888 zurück. Seither hat sich Ihr Unternehmen als verlässlicher Branchenakteur etabliert. Wie lautet Ihr Erfolgsgeheimnis?
Dominik Suter: Das Erfolgsgeheimnis sind unsere Mitarbeitenden, die für den Schienengüterverkehr «brennen». Manche Mitarbeitende arbeiten seit Jahrzehnten, teilweise sogar ihr gesamtes Berufsleben lang bei uns. Die schlanken Strukturen mit kurzen Entscheidungswegen sowie unsere Kundenorientierung tragen ebenfalls zu unserem Erfolg bei.
Ulrich Walt: Dem kann ich nur beipflichten. Wir sind klein und agil, weshalb wir uns konsequent an unseren Kunden ausrichten. Ich möchte noch einen weiteren Erfolgsfaktor anfügen: JMR kommt aus dem Engineering. Wir können also mehr als Instandhalten, bei Bedarf sogar ganze Untergruppen oder Drehgestelle nachbauen. Unser Engineering-Know-how hält uns in Pole-Position.
Aktuell rückt die Haftung im Schienengüterverkehr in den Mittelpunkt. Ausserdem wurden Empfehlungen für die Weiterentwicklung der ECM-Verordnung abgegeben. Was meinen Sie dazu?
Ulrich Walt: Im Zusammenhang mit dem Unfall im Gotthardbasistunnel haben das Joint Network Secretariat der European Union Agency for Railways ERA und die schweizerische Sicherheitsuntersuchungsstelle SUST Empfehlungen abgegeben. Diese sind bereits in unsere Instandhaltungsmassnahmen und unsere ECM-Dienstleistungen eingeflossen. Allerdings sehe ich eine gewisse Diskrepanz in der regulatorischen Entwicklung. Zum einen will der Bund den Schienengüterverkehr fördern, etwa mit der Totalrevision des Gütertransportgesetzes. Gleichzeitig würde die Wettbewerbsfähigkeit des Schienengüterverkehrs durch mehr Haftungsverpflichtungen der Halter reduziert. Solche Verzerrungen benachteiligen privatwirtschaftliche Marktakteure wie die JMR, weil sie uns zusätzliche Kosten auferlegen.
Welche Stärken schreiben Sie unserem Verband zu?
Ulrich Walt: Der VAP ist hervorragend mit anderen Logistikverbänden und Akteuren der Bahnbranche vernetzt. Er verfügt über ein umfassendes Know-how, mit dem er seine Mitglieder unterstützen kann. Auch bei politischen Vorstössen lässt sich damit bei den richtigen Hebeln ansetzen. Ich meine, dass sich der VAP über die letzten drei Jahrzehnte beeindruckend professionalisiert hat und heute eine wichtige Stimme für die Güterbahnbranche darstellt.
Was wünschen Sie sich für den VAP?
Ulrich Walt: Zwei Dinge sind mir für die kommenden Monate und Jahre wichtig. Erstens hoffe ich auf eine gelungene Stabsübergabe in der operativen Geschäftsführung von Dr. Frank Furrer an Dr. Simon Wey. Herr Furrer bleibt dem VAP glücklicherweise erhalten, da er seit der letzten Generalversammlung in den Vorstand gewählt wurde. So kann der Transfer seines enormen Wissens- und Erfahrungsschatzes stattfinden und Kontinuität sichergestellt werden. Simon Wey ist ein erfahrener Verbandsmann und hervorragender Ökonom. Mit dieser Kombination dürfte er die angesprochene Professionalisierung des Verbands fortsetzen. Zweitens wünsche ich der frisch gegründeten VAP-Tochter «Cargo Rail Consulting AG» einen erfolgreichen Start. Über die letzten Jahre hat sich die Nachfrage nach Beratungsdienstleistungen in diesem Bereich immer stärker abgezeichnet. Dieses Tochterunternehmen wird den Verband sicherlich weiter stärken.
Wem würden Sie eine Zusammenarbeit mit dem VAP empfehlen?
Dominik Suter: Allen Verladern und Wagenhaltern und überhaupt allen, die am Schienengüterverkehr interessiert sind oder sich für diesen in der Schweiz oder in Europa einsetzen. Die Verlader profitieren direkt, die Wagenvermieter indirekt von einem fruchtbaren Austausch und aktuellen Informationen. Als Mitglied sitzt man hier sozusagen an der Quelle des Know-hows rund um den Schienengüterverkehr.
Wie sehen Sie die Zukunft des Schienengüterverkehrs in der Schweiz?
Ulrich Walt: Ich stelle zwei gegenläufige Trends fest. Zum einen gibt es durch die fortschreitende De-Industrialisierung der Schweiz immer weniger “bahnaffine” Güter, die auf der Schiene transportiert werden können. Zum anderen rückt die Nachhaltigkeitstransformation zahlloser Branchen die Schiene als klimafreundlichen Verkehrsträger und valable Alternative zur Strasse in den Mittelpunkt. Zwar ist der Schienengüterverkehr schwerfällig, weil immer noch vieles in Staatshand liegt. Trotzdem erachte ich die Zukunft des Schienengüterverkehrs als vielversprechend. Denn Infrastruktur, Effizienz und Nachhaltigkeitsvorteile sind gegeben. Das haben Güterbahnkunden und Gesetzgeber gleichermassen erkannt.
Dominik Suter: Trotz der Klimadiskussion und der stark ansteigenden Anzahl Staustunden auf den Autobahnen sehen wir eine Rückverlagerung von der Schiene auf die Strasse. Das ist unter anderem auf Preiserhöhungen, fehlende Slots für den Gütertransport und mangelnde Pünktlichkeit zurückzuführen. Da besteht auf politischer Ebene dringender Handlungsbedarf. Hier darf der VAP ruhig etwas lauter werden.
Was wurde noch nicht gesagt?
Ulrich Walt: Ich freue mich, als CEO der JMR Group für den VAP aktiv zu sein. In meiner neuen Position betrifft mich die Arbeit des VAP noch stärker als bei meinem vorherigen Arbeitgeber. Nur betrachte ich die Dinge bei JMR aus einer industriellen Perspektive.
Danke, Dr. Dominik Suter und Ulrich Walt, für das impulsreiche Gespräch.
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Dr. Dominik Suter ist Inhaber der JOSEF MEYER Rail Group und Präsident des Verwaltungsrates. Er verfügt über mehr als 25 Jahre Führungserfahrung als CEO, Verwaltungsrat und Berater, in denen er zahlreiche Unternehmen, darunter international tätige Industrieunternehmen in der Schweiz, Deutschland und Österreich, auch in schwierigen Situationen erfolgreich weiterentwickelt hat. |
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Ulrich Walt ist seit 1. September 2024 Geschäftsführer der JOSEF MEYER RAIL AG in Rheinfelden. Er bringt 20 Jahre Erfahrung in leitenden Funktionen in der Logistik im In- und Ausland mit. Er war unter anderem bei Alloga und Holcim Schweiz tätig und zuletzt CEO des Logistik- und Dienstleistungsspezialisten Fastlog. Ulrich Walt ist zudem Vizepräsident des Vorstands und Präsident des geschäftsleitenden Ausschusses beim VAP. |
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JOSEF MEYER Rail (JMR) wurde 1888 in Luzern gegründet. 1943 eröffnete das Unternehmen eine Zweigniederlassung im schweizerischen Rheinfelden für die Fertigung von Güterwagen und Schweissbaugruppen. Mit der Liberalisierung im Eisenbahnbereich in den 1990er Jahren erweiterte das Unternehmen seinen Tätigkeitsradius um die Instandhaltung von Schienenfahrzeugen. Heute ist die JOSEF MEYER Rail Group führende Expertin für die Instandhaltung und Modernisierung von Güterwagen, anspruchsvolle Reparaturen an Personenzugwagen und Lokomotiven sowie die Fertigung komplexer Schweissbaugruppen, Kleinserien und Sonderfahrzeuge. |