Am 14. Mai 2025 trafen sich knapp 120 Branchenakteure zum Forum Güterverkehr 2025 des Verbandes der verladenden Wirtschaft (VAP) im Glockenhof in Zürich. Ausgewiesene Expertinnen und Experten tauschten sich zu den aktuellen und zukünftigen politischen Themen und zum technologischen Fortschritt im Schienengüterverkehr aus. Hier eine Kurzfassung der Referate sowie alle verfügbaren Vortragsunterlagen als Downloads
Darum geht’s:
- Dr. Simon Wey nahm die Güterverkehrsbranche in die Pflicht
- Martin von Känel appellierte an die Branchenakteure
- Erwin Wieland brachte die Strassensituation auf den Punkt: «Es wird eng.»
- Peter Westenberger sprach über die Investitionslücke in Deutschland
- Parlamentarierpanel diskutierte die Zielsicherheit des politischen Rahmens
- Christian von Normann forderte individuelle Lösungen
- Jürgen Maier (-Gyomlay) umriss Status quo und Quo vadis von MODI(G)
- Gilles Peterhans schilderte die Dynamisierung der Bahntransformation in der EU
- Lars Deiterding stellte einen Systemansatz für die nahtlose multimodale Integration vor
- Markus Schinko nannte die Bahn einen «Enabler» der nachhaltigen Schrottlogistik
- Experten erörterten Innovationskraft, Preis und Qualität des Güterverkehrs
- Danke und bis zum nächsten Jahr!
Dr. Simon Wey nahm die Güterverkehrsbranche in die Pflicht
Den Auftakt zum Forum Güterverkehr machte der neue VAP-Geschäftsführer Dr. Simon Wey. Mit einem Schreckensszenario einer totalen Rückverlagerung auf die Strasse unterstrich er die Bedeutung des Schienengüterverkehrs für die Versorgung der Schweiz. Dazu hielt er fest: «Der Schienengüterverkehr bildet das Rückgrat unserer Volkswirtschaft – effizient, umweltfreundlich und unverzichtbar.» Als kurzes Update liess er die Entwicklungen der letzten Monate Revue passieren. Nachdem das Schweizer Stimmvolk im November 2024 den Ausbau der Nationalstrassen abgelehnt hatte, hat das Schweizer Parlament in der Frühjahrssession 2025 die Totalrevision des Gütertransportgesetzes (GüTG) verabschiedet. Ende April 2025 hat der Bundesrat die Ausführungsbestimmungen in die Vernehmlassung geschickt und die Branche bis Mitte August 2025 um Stellungnahme gebeten. Dr. Simon Wey wertete die rasche Umsetzung des revidierten GüTG als Steilpass an die Branche. Er sieht diese in der Pflicht, die Chance zu verwerten. Dem VAP misst er dabei eine führende Rolle bei: «Als VAP ist es uns wichtig, dass die Lösungen in der Branche breit abgestützt sind, damit die ambitionierten Ziele des revidierten GüTG erreicht werden.»
Hier geht’s zur Eröffnungsrede von Dr. Simon Wey (VAP).
Martin von Känel appellierte an die Branchenakteure
Martin von Känel, stv. Direktor des Bundesamts für Verkehr BAV, warf die Frage auf, wie es nach der Totalrevision des GüTG und der Abstimmung zu den Nationalstrassen mit dem multimodalen Verkehr und der Gesamtlogistik in der Schweiz weitergehe. Dazu legte er die Hintergründe für die Totalrevision des GüTG dar. Zum Überleben brauche der Transport auf der Schiene jetzt Unterstützung. Ziel der Totalrevision sei ein stabiles gesetzliches Fundament ohne Bevorteilung. Die Logistikkette der Zukunft ist gemäss Martin von Känel multimodal. Das bedinge eine multimodale Zusammenarbeit. Dazu appellierte der BAV-Vertreter an die Anwesenden: «Die Basis ist geschaffen, nun sind die Akteure gefragt.»
Hier geht´s zur Präsentation von Martin von Känel (BAV).
Erwin Wieland brachte die Strassensituation auf den Punkt: «Es wird eng.»
In seinem Inputreferat gab Erwin Wieland, stv. Direktor Bundesamt für Strassen ASTRA, einen kurzen Abriss der Entwicklungen von Modalsplit und Kosten über die letzten Jahrzehnte. Daraus ging die hohe Bedeutung der Nationalstrassen für die Versorgung der Schweiz hervor. Gemäss Verkehrsperspektiven wird im Güterverkehr bis 2050 ein Wachstum von 30% erwartet. Die Fahrleistung der Lieferwagen würde weiter deutlich zunehmen, insbesondere die leichten Lieferwagen. Dies würde zur Herausforderung für die Städte. Das führe immer häufiger zu Stau. Im Jahr 2040 dürften die Nationalstrassen auf über 450 km täglich mehrere Stunden überlastet sein. Der Handlungsspielraum bei den (National-)Strassen sei weitgehend ausgeschöpft. Wie sich das auf den Gütertransport, die Wettbewerbsfähigkeit der Akteure und die Versorgung der Schweiz auswirke, versah der ASTRA-Experte mit einem grossen Fragezeichen. Er stellte nüchtern fest: «Es wird eng. Nun stellt sich die Frage, ob mit den neuen Massnahmen und einer stärkeren Unterstützung der Schiene der Verkehrsverlagerung auf die Schiene doch noch ein Durchbruch gelingt.»
Hier geht´s zur Präsentation von Erwin Wieland (ASTRA).
Peter Westenberger sprach über die Investitionslücke in Deutschland
Eine fachkundige Perspektive auf Deutschland brachte Peter Westenberger, Geschäftsführer des deutschen Verbands DIE GÜTERBAHNEN, ein. Der erfahrene Güterbahnspezialist begann sein Kurzreferat mit einem Augenzwinkern: «Ich bin an dieser Veranstaltung für das Gruselkapitel zuständig.» Westenberger erläuterte, warum der deutsche Schienengüterverkehr vor allem nach der Corona-Krise selbst in die Krise gerutscht war. Ab 2022 brach die Produktivität im Schienennetzbetrieb der Deutschen Bahn (DB) AG massiv ein. Westenberger spricht beim Streckenausbau vom «Aschenputtel-Komplex der Schiene». Seit der Bahnreform im Jahr 1994 wurden in Deutschland 250’000 km Strassen neu- oder ausgebaut. Bei der Bahn waren es nur gerade 2’180 km. Die einst geplanten Bundesmittel für den Neu- und Ausbau würden derzeit wieder massiv eingekürzt. Das Verkehrsministerium verfolge das Prinzip «Erhalt vor Neubau». Im GroKo-Vertrag gebe es keine Aussagen zum Wettbewerb der Güterbahnen. Der kürzliche Abschluss des EU-Beihilfeverfahrens sehe harte Auflagen und ein strenges Sanierungsprogramm für die DB Cargo vor, was den Wettbewerb stärke.
Hier geht´s zur Präsentation von Peter Westenberger (DIE GÜTERBAHNEN).
Parlamentarierpanel diskutierte die Zielsicherheit des politischen Rahmens
Fünf Mitglieder der Verkehrskommissionen des eidgenössischen Parlaments diskutierten am Vormittag des Forums Güterverkehr den aktuellen und zukünftigen politischen Kurs des Schienengüterverkehrs in der Schweiz. Andy Müller, Bundeshausredaktor SRF TV, moderierte ein hochkarätiges Panel mit Vertreterinnen und Vertretern der Verkehrskommissionen von National- und Ständerat (KVF‑N, KVF‑S). Red und Antwort standen
- Nationalrätin Min Li Marti (SP/Zürich),
- Nationalrätin Barbara Schaffner (GLP/Zürich),
- Nationalrat Martin Candinas (Die Mitte/Graubünden und Präsident LITRA – Informationsdienst für den öffentlichen Verkehr,
- Nationalrat Christian Imark (SVP/Solothurn) sowie
- Ständerat Josef Dittli (FDP/Uri und Präsident VAP – Verband der verladenden Wirtschaft).
Im Mittelpunkt der Paneldebatte standen die Revision des Gütertransportgesetzes (GüTG) und die damit geschaffene Chance für den Einzelwagenladungsverkehr sowie der Entscheid, die rollende Landstrasse (RoLa) einzustellen. Die Panelgäste debattierten über Zweck und Umfang der gesprochenen Fördermittel und über andere Unterstützungsmassnahmen für die Verkehrsverlagerung. Sie erörterten das Potenzial von technologischen Innovationen wie der DAK und wägten das Für und Wider weiterer politischer Lenkungsmöglichkeiten wie Mobility Pricing ab.
Der Nachmittag des Forums Güterverkehr stand im Zeichen von Innovation und Digitalisierung des Schienengüterverkehrs und anderer Verkehrsträger.
Christian von Normann forderte individuelle Lösungen
Christian von Normann, Chief Technical Officer des Beratungsunternehmens Otimon GmbH und Prüfungsexperte beim Verband öffentlicher Verkehr (VöV), erläuterte, wie sich die Attraktivität des Schweizer Schienengüterverkehrs erhöhen lässt. Er zählte eine Reihe von Gründen auf, weshalb der Verkehrsträger Schiene für Transporteure heute oft als unattraktiv gelte: Verspätungen, Ausfälle, schlecht verbundene Trassen, steigende Preise. Die Ursachen dafür beschrieb von Normann damit, dass eine generische Lösung den unterschiedlichen Anforderungen der Bahnnutzer nicht genügen würde. «Die heutige Lösung im Schienengüterverkehr passt nicht zum aktuellen Problem.» So bleibe der Schienengüterverkehr bei der Planung und im Betrieb untergeordnet. Deshalb forderte der Planungsexperte individuelle Lösungen für die spezifischen Bedürfnisse der Branchenakteure. Christian von Normann hielt allerdings fest: «Wir können heute einen viel besseren Güterverkehr realisieren, wenn wir die vorhandenen Infrastrukturen besser nutzen und gemeinsam mit dem Personenverkehr zusammenarbeiten. Dafür braucht es euch!»
Hier geht´s zur Präsentation von Christian von Normann (Otimon).
Jürgen Maier (-Gyomlay) umriss Status quo und Quo vadis von MODI(G)
Jürgen Maier (-Gyomlay) vom VAP erläuterte die jüngsten Entwicklungen und den Status quo der staatlichen Mobilitätsdateninfrastruktur (MODI) und des entsprechenden Gesetzes (MODIG). Dieses hatte der Bundesrat angeregt, um den Informationsfluss zwischen Infrastrukturbetreibern, Verkehrsunternehmen, privaten Anbietern und den Verkehrsteilnehmenden zu verbessern. MODIG befinde sich mitten im gesetzgeberischen Prozess. Der Bundesrat dürfte seine Botschaft ans Parlament noch im 2. Quartal 2025 publizieren; mit dem Ziel, MODIG im Jahr 2027 in Kraft zu setzen. Jürgen Maier (-Gyomlay) umriss in seinem Forumsbeitrag, wie sich Herausforderungen wie Datensilos, Komplexität oder mangelnde Zielorientierung adressieren lassen. Er forderte die Forumsgäste zur Mitgestaltung auf: «Helfen Sie mit, ein Daten-Ecosystem mit Basisdaten und Frontends für den Güterverkehr zu schaffen.»
Hier geht´s zur Präsentation von Jürgen Maier (VAP).
Gilles Peterhans schilderte die Dynamisierung der Bahntransformation in der EU
Gilles Peterhans, Generalsekretär der International Union of Wagon Keepers UIP, zeigte auf, warum und wie Europa die digitale Transformation im europäischen Schienengüterverkehr dynamisieren müsse – und warum jetzt. Dieser Notwendigkeit lägen neue Technologien und Hochgeschwindigkeitszüge zugrunde. Aber nicht nur. Geopolitische Risiken hätten erhebliche Auswirkungen auf die globalen Wirtschaftsaussichten und beeinflussten das Wirtschaftswachstum, die Inflation, die Finanzmärkte und die Lieferketten. Damit mutiere die Logistik zum Schlüsselfaktor für Wirtschaftswachstum. Als erste Etappe der digitalen Challenge nannte er die Schaffung eines vollständig interoperablen Eisenbahnsystems innerhalb der EU. Als zweiten und Hauptteil der Transformation schilderte er die Aufgabe, das EU-Bahnsystem vollständig digital, automatisiert, vernetzt und kundenorientiert zu gestalten. Dazu forderte Peterhans Ideen und Tatkraft. Er schloss seinen Vortrag mit einem Zitat von Johann Wolfgang von Goethe: «Erfolg hat drei Buchstaben: tun.»
Hier geht´s zur Präsentation von Gilles Peterhans (UIP).
Lars Deiterding stellte einen Systemansatz für die nahtlose multimodale Integration vor
Lars Deiterding, Executive Director bei der IT-Pionierin HaCon, sprach über innovative Entwicklungen für einen nahtlosen europäischen Schienengüterverkehr. Er legte seinem Referat die folgende Kernfrage zugrunde: «Wie schaffen wir es, dass in Europa die nationalen Planungs- und Verkehrsmanagementsysteme direkt miteinander verhandeln?» Mit dem Ansatz SEAMLESS hat die Siemens-Tochter HaCon den Namen zum Konzept erklärt. Der Digitalisierungsexperte präsentierte die datenbasierte Lösung für eine schnittstellenfreie Planung und Disposition verschiedener Verkehrsträger zugunsten einer grenzüberschreitenden Logistik in Europa. Der technologiebasierte Systemansatz ermöglicht eine reibungsfreie Interaktion der Akteure und eine integrierte multimodale und schienengestützte Verkehrsplanung. Damit können Nutzer wie Verlader, Spediteure und weitere Branchenakteure den Modalsplit zugunsten der Schiene maximieren. Das Einbeziehen hochmoderner Vorhersagen erlaubt eine proaktive Fehlerbehebung und eine bessere Information der Interessengruppen und Logistikkunden.
Hier geht´s zur Präsentation von Lars Deiterding (HaCon).
Markus Schinko nannte die Bahn einen «Enabler» der nachhaltigen Schrottlogistik
Markus Schinko, Geschäftsführer bei Logistik Service GmbH (LogServ), präsentierte die Bahn in seinem Impulsreferat als Möglichmacher einer nachhaltigen Schrottlogistik. In der EU soll bis 2040 ein zusätzlicher Schrottbedarf von 36,2 Mio. Tonnen anfallen. Die Stahlindustrie arbeitet mit Hochdruck an der Technologieumstellung für den Einsatz von hochqualitativem CO2-reduziertem Premium-Stahl. Diese Transformation ist vor allem eine logistische Herausforderung. Für Deutschland und Österreich schätzt Schinko das Potenzial für den Schienengüterverkehr auf 1,2 Mio. Tonnen für das Jahr 2027. Für den Transport von Schrott gilt die Schiene als Hauptverkehrsträger. Mit eindrücklichen Praxisbeispielen wie dem Bayernshuttle, dem Zuladungswaggonprototypen TransANT, dem Schrott-Hub in Ennsdorf und einer Visual-Train-Analysis-Anlage machte Markus Schinko greifbar, wie die Bahn den Trend zur nachhaltigen Kreislaufwirtschaft im Schrottbusiness auf ein neues Level hebt. Er formulierte seinen abschliessenden Appell wie folgt: «Es ist wichtig, dass alle zusammenarbeiten. Lassen Sie uns nicht warten, lassen Sie es uns tun.»
Hier geht´s zur Präsentation von Markus Schinko (LogServ).
Experten erörterten Innovationskraft, Preis und Qualität des Güterverkehrs
Unter der Moderation von Andy Müller, Bundeshausredaktor SRF TV, beantworteten die Nachmittagsreferenten Fragen aus dem Plenum. Auf dem Podium standen Lars Deiterding von HaCon, Jürgen Maier vom VAP, Gilles Peterhans der International Union of Wagon Keepers (UIP), Markus Schinko von Logistik Service GmbH (LogServ) und Christian von Normann von Otimon GmbH. Sie diskutierten über den digitalen Fortschritt einer stark analog geprägten Branche. Die Panelgäste äusserten sich zur Umsetzung und zum Tempo der Digitalisierung, zur Wirk- und Zukunftskraft der DAK, zu Preis und Qualität von Güterverkehrsangeboten und vor allem zur allseits geforderten Zusammenarbeit der Akteure.
Danke und bis zum nächsten Jahr!
Zum Abschluss des Forums Güterverkehr 2025 fasste Geschäftsführer Dr. Simon Wey die wichtigsten Punkte zusammen. Sein persönliches Fazit: «Die grossen Herausforderungen des Schienengüterverkehrs spornen uns alle zu Höchstleistungen an. Und das nachweislich mit beachtlichem Erfolg.» Für Wey standen die Branchenvertreterinnen und ‑vertreter selbst im Mittelpunkt der Geschehnisse. Sie seien es, die für den Schienengüterverkehr brennen würden und die Branche mit Innovation und Leidenschaft voranbrächten. Und die «bei Misserfolgen den Kopf nicht in den Sand stecken». So bedankte sich der VAP-Geschäftsführer für das Engagement, den unermüdlichen Einsatz und vor allem die Teilnahme am diesjährigen Forum Güterverkehr. Zum Schluss wies er auf das Datum des nächsten Forums Güterverkehr hin:
Mittwoch, den 13. Mai 2026
Hier geht’s zur Bildergalerie mit Impressionen vom Forum Güterverkehr 2025.