FINANZIERUNG
Finanzierung ist ein Thema, bei dem es sich lohnt, genauer hinzuschauen.
Anhörung
Steuern, Abgaben
- 31.08.2022: Bundesrat beschliesst die Modernisierung des Erhebungssystems der leistungsabhängigen Schwerverkehrsabgabe
- Informationen zur Leistungsabhängigen Schwerverkehrsabgabe LSVA
- LSVA-Rechner von ASTAG
- Erneuerung der technischen Infrastruktur der Schwerverkehrsabgabe (LSVA) per 2025
- Landesindex der Konsumentenpreise
Finanzhilfen
129 neue Loks für SBB Cargo: Wie geht das?
SBB Cargo will ihre Flotte bis 2035 mit bis zu 129 modernen Streckenlokomotiven erneuern. Gleichzeitig beklagt sie hohe Fixkosten im Einzelwagenladungsverkehr (EWLV), hat ihre Preise über die letzten Monate übermässig erhöht und ihr Angebot abgebaut. Das birgt die akute Gefahr einer Rückverlagerung auf die Strasse. Wir vom VAP stellen die Grossbestellung in Frage und verlangen mehr Transparenz.
Darum geht’s:
- SBB Cargo investiert in die Zukunft des Schienengüterverkehrs
- Preissteigerungen und Angebotsabbau vergraulen Güterbahnkunden
- VAP hinterfragt betriebswirtschaftliche Argumentation und fordert Transparenz
SBB Cargo investiert in die Zukunft des Schienengüterverkehrs
SBB Cargo will ihre Flotte modernisieren und damit die Zukunft des Güterverkehrs auf der Schiene sichern. In einer Medienmitteilung vom 26. September 2024 hat sie die Beschaffung von bis zu 129 neuen Streckenlokomotiven angekündigt. Die neuen Loks sollen von 2027 bis 2035 ausgeliefert werden und die veralteten Zugfahrzeuge ersetzen. SBB Cargo stellt ihre Entscheidung als Notwendigkeit dar, um den Schienengüterverkehr für die Zukunft fit zu machen, was begrüssenswert ist. Die neuen Loks sind effizienter, leistungsfähiger und mit innovativen Technologien wie einem Batterieantrieb für Verkehre auf der letzten Meile ausgestattet. So will SBB Cargo die Betriebskosten um 60% senken und zur Automatisierung des Güterverkehrs beitragen.
Preissteigerungen und Angebotsabbau vergraulen Bahnkunden
Uns vom VAP stellt sich eine zentrale Frage: Wie passt die grossangelegte Beschaffung von 129 Lokomotiven mit der aktuellen Geschäftsentwicklung und ‑praktik von SBB Cargo zusammen? In den vergangenen Monaten hat SBB Cargo ihre Güterbahnkunden mit massiven Preiserhöhungen und einem Abbau im Angebot konfrontiert (vgl. VAP-Blogartikel «Totalrevision GüTG: Die Stimmung der Branche droht zu kippen». Dieses marktverzerrende Verhalten könnte eine Reduktion der Volumen im Schienengüterverkehr und eine vermehrte Verlagerung auf die Strasse zur Folge haben. Tritt dieser Fall tatsächlich ein, lässt sich eine derart umfassende Investition nicht rechtfertigen.
VAP hinterfragt betriebswirtschaftliche Argumentation und fordert Transparenz
SBB Cargo hält sich zu den betrieblichen und finanziellen Wirkungen des Grossprojekts leider bedeckt. Das ist dem Vertrauen in die staatliche Güterverkehrstochter nicht gerade zuträglich. Immerhin geht es um Investitionen im dreistelligen Millionenbereich, die unter der Prämisse der Eigenwirtschaftlichkeit die Güterbahnkunden tragen müssen. Deshalb halten wir es für unerlässlich, dass SBB Cargo ihre Überlegungen offenlegt. Im Weiteren regen wir an, dass sie die Zahl der Lokomotiven überdenkt und als Ergänzung zum Kauf eine Miete oder einen Teilkauf mit Option auf mehr Loks in Betracht zieht.
Die Digitalisierung des Schienengüterverkehrs nimmt Fahrt auf
Die Politik passt die Rahmenbedingungen für die Migration zur digitalen automatischen Kupplung (DAK) an und die Technologie für den künftigen Standard wird Schritt für Schritt festgelegt. Die Schweiz stimmt ihren Einführungsprozess auf denjenigen in Europa ab. Als Branchenakteure wollen wir vom VAP die Zulassung für den kommerziellen Verkehr vorantreiben und übernehmen deshalb eine Schlüsselrolle in der Koordination und Dokumentation der entsprechenden Projekte.
Darum geht’s:
- Ständerat gibt grünes Licht für die DAK und den Einzelwagenladungsverkehr
- GüTG mit europäischem Fahrplan harmonisiert
- Technologie muss sich als Standard beweisen
- Schweizer Branche übernimmt Vorreiterrolle
- Zwei Etappen, ein Ziel: Vernetzung mit der Zukunft
- VAP verwandelt Erfahrungen in praxisgerechte Lösungen
Ständerat gibt grünes Licht für die DAK und den Einzelwagenladungsverkehr
Die Entwicklungen rund um die Digitalisierung des Schienengüterverkehrs verlaufen buchstäblich mehrgleisig. Eine Weichenstellung im politischen Prozess hat am 24. September 2024 stattgefunden. An diesem Beratungstag in der Herbstsession des Schweizer Parlaments hat sich der Ständerat zur Totalrevision des Gütertransportgesetzes beraten und den Verpflichtungskredit zur Einführung der DAK in der Höhe von 180 Mio. Franken sowie den Verpflichtungskredit zur Modernisierung des Einzelwagenladungsverkehrs über 260 Mio. Franken gutgeheissen. Damit hat der Erstrat die wichtigsten Eckpunkte der bundesrätlichen Botschaft vom 10. Januar 2024 aufgegriffen und sich mit einer breiten Mehrheit explizit für die Digitalisierung des Güterverkehrs mit der seit vielen Jahren verfeinerten Innovation ausgesprochen. Dazu Bundesrat Albert Rösti in seinem Votum vor dem Ratsplenum: «Neben der digitalen automatischen Kupplung sollen weitere konkrete Modernisierungsschritte erfolgen, wie zum Beispiel Buchungsplattformen.» Weshalb diese Bemerkung eine holistische Perspektive auf die DAK widerspiegelt, legen wir in unserem Blogbeitrag «Datenökosysteme: Branche am runden Tisch mit Bundesrat Rösti» dar.
GüTG mit europäischem Fahrplan harmonisiert
Die Planung des revidierten GüTG und der entsprechenden Verordnung harmoniert mit dem europäischen Fahrplan. Die Inkraftsetzung ist auf Ende 2026 bis Anfang 2027 zu erwarten. Ab dann werden die budgetierten Bundesmittel für die DAK-Migration bereitstehen. Die Akteure des European DAC Delivery Programme (EDDP) von Europe’s Rail wollen die DAK-Migration ab 2028 in grossem Stil ausrollen. Dieses Umsetzungsprogramm vereint Eisenbahnverkehrsunternehmen, Infrastrukturbetreiber, Wagenhalter sowie die Eisenbahnzulieferindustrie, für die Instandhaltung zuständige Stellen, Branchenorganisationen, Eisenbahnforschungszentren und politische Institutionen. Dieses integrierte gemeinsame Programm baut auf Forschungs- und Entwicklungsergebnisse und Pilotprojekte und strebt die Gewährleistung der notwendigen Massnahmen für eine schnelle, technisch und wirtschaftlich machbare europaweite DAK-Einführung an.
Technologie muss sich als Standard beweisen
Damit sich dieses ambitionierte Ziel erreichen lässt, braucht es eine entwickelte und betriebserprobte Technologie. Auch hier hat das EDDP bereits erhebliche Vorarbeit geleistet und Anfang 2024 das «DAC Basis Package» als künftigen Systemstandard für den europäischen Schienengüterverkehr kommuniziert. Das EDDP sieht Pilotzüge in ganz Europa vor, um die Technologie des «DAC Basis Package» zu verfeinern und umfassend zu testen. Das Startpaket enthält die folgenden Komponenten:
- DAK (mechanisch/pneumatisch) einschliesslich Energie-/Datensystem
- Erkennen der Zugzusammenstellung
- Automatische Bremsprobe
- Zugvollständigkeitsprüfung
- Automatisches Entkuppeln (im Zug von der Lok oder von der Wagenseite)
Noch steht ein wichtiger Systementscheid aus: Für die Datenübertragungstechnologie im Zug stehen die Optionen Single per Ethernet und Powerline+ in der Endauswahl. Da in der Schweiz bereits erfolgreiche Tests mit Powerline+ erfolgt sind, soll nun zeitnah ein zulassungsfähiger Pilotzug mit dieser Technologie realisiert werden.
Schweizer Branche übernimmt Vorreiterrolle
Die Schweiz will zu dem vom EDDP koordinierten europäischen DAK-Entwicklungsprojekt substanziell beitragen und dieses eng mit den europäischen Organisationen von EDDP abstimmen. So schickt sich die Schweizer Bahnbranche an, die Systemintegration zur Zulassung kommerzieller Einsätze voranzutreiben. Die technischen Spezifikationen und der funktionale Leistungsumfang des «DAC Basis Package» und die Übertragungstechnologie Powerline+ bilden die Grundlage für die weiteren Arbeiten des Schweizer Projektteams. Demnach werden BAV, VAP und VöV ihre gemeinsam unterzeichnete Absichtserklärung zur Automatisierung im Schienengüterverkehr entsprechend erweitern.
Zwei Etappen, ein Ziel: Vernetzung mit der Zukunft
Der Beitrag der Schweiz zur DAK-Einführung erfolgt in zwei Etappen. Vorab soll die Systemintegration auf dem Schweizer Pionierzug zügig bis zur Zulassungsreife vorangetrieben und deren Alltagstauglichkeit dann im kommerziellen Einsatz nachgewiesen werden. Der Bund wird die Entwicklung mit Fördermitteln gemäss Artikel 10 Gütertransportgesetz unterstützen.
- Das Entwicklungsprojekt EP3 zur Realisierung der Zulassung eines ersten Pionierzugs mit den Funktionen nach «DAC Basic Package» hat begonnen. Ziel ist es, bis Mitte 2026 eine BAV-Betriebsbewilligung für definierte kommerzielle Fahrten auf dem Schweizer Normalspurnetz zu erlangen. Dazu haben rund 30 motivierte Swissrail-Mitglieder, SBB Cargo, das BAV und VAP-Vertreter am 30. August 2024 ihre Absicht bekundet, den Schienengüterverkehr gemeinsam konkurrenzfähig zu machen und die Schweizer DAK-Technologie nach aussen zu tragen. Mit EP3 wollen die Branchenakteure die Definition des künftigen europäischen Standards im Schienengüterverkehr wesentlich mitgestalten. Es ist nun an der Zeit, Grundsatzdiskussionen zu verlassen und betriebstaugliche Lösungen zu erarbeiten. Die neuen Systeme müssen robust, alltagstauglich und finanzierbar sein, damit der Güterzug künftig wirtschaftlich erfolgreich verkehren kann.
- Mit dem Entwicklungsprojekt EP4 sollen nach Abschluss von EP3 mehrere DAK-Züge im Zeitraum von 2026 bis 2027 für kommerzielle Fahrten auf das Schweizer Schienensystem gebracht werden. Erste Gespräche mit Verladern haben bereits stattgefunden. Gesucht werden isolierte Verkehre, die sich für eine frühzeitige DAK-Umstellung als Pionierzüge eignen. Das Ziel dieser zweiten Etappe ist das Sammeln von Betriebserfahrung und die weitere Ertüchtigung im realen Einsatz. Die Pionierzüge sollen involvierten Anspruchsgruppen und Investoren ein konkretes Bild über die künftigen Möglichkeiten mit der DAK und der damit einhergehenden Digitalisierung im Schienengüterverkehr geben.
VAP verwandelt Erfahrungen in praxisgerechte Lösungen
Wir vom VAP werden die erwähnten Projekte für alle Interessierten und Beteiligten koordinieren und dokumentieren. Damit wollen wir einen breiten Erfahrungsaustausch und volle Praxistauglichkeit bis in die Anschlussgleise und die Logistik der Wirtschaft sicherstellen. Unsere Mitglieder – allen voran die Verlader und Wagenhalter – beteiligen sich aktiv an den beiden Entwicklungsetappen. Damit lassen sich Erkenntnisse aus Pilotprojekten skalieren und Synergien für alle Branchenakteure nutzbar machen.
Herbstsession 2024: Verkehrspolitik auf der Agenda
In der Herbstsession vom 9. bis 27. September 2024 beriet das Parlament diverse verkehrspolitische Themen. Ein besonderes Augenmerk galt der Revision des Gütertransportgesetzes (GüTG). Diese Gesetzesvorlage steht in einem schroffen Gegensatz zum faktischen Alleingang von SBB Cargo.
Darum geht’s:
- Bahninfrastruktur 2025–2028
- Rösti und Burkart warnen vor drastischen Tariferhöhungen
- Weitere Finanzspritze für die SBB
- Verlagerungsziele beim Ausbau der NEAT-Zubringer
Bahninfrastruktur 2025 bis 2028 erhalten und weiterentwickeln
Am 23. September 2024 behandelte der Nationalrat als Erstrat das Geschäft des Bundesrates 24.045 «Finanzierung des Betriebs und Substanzerhalts der Bahninfrastruktur, der Systemaufgaben in diesem Bereich und zu Investitionsbeiträgen an private Güterverkehrsanlagen in den Jahren 2025–2028». Für die anstehenden Aufgaben hatte der Bundesrat am 15. Mai 2024 einen Zahlungsrahmen von gesamthaft 16,442 Milliarden Franken beantragt, rund 2 Milliarden mehr als in der Vorperiode.
Mit dieser Vorlage legt der Bundesrat für die Jahre 2025 bis 2028 die Ziele für den Betrieb, die Erhaltung und die technische Entwicklung der vom Bund finanzierten Bahninfrastruktur fest. Die Finanzierung erfolgt das dritte Mal vollständig aus dem Bahninfrastrukturfonds (BIF). Der Nationalrat hiess den Kredit bei gleichzeitiger Ablehnung eines Minderheitsantrags zwecks Aufstockung des Kredits um 500 Millionen gut.
Gleichzeitig schlug der Bundesrat vor, den bestehenden Rahmenkredit für Investitionsbeiträge an private Güterverkehrsanlagen 2021 bis 2024 um ein Jahr zu verlängern. Dies, weil sich die Realisierung grosser Projekte verzögert hat. Für Investitionsbeiträge an Anlagen für den Güterumschlag im kombinierten Verkehr (KV) und an Anschlussgleise sieht er zudem einen vierjährigen Verpflichtungskredit von 185 Millionen Franken vor. Mit diesem soll der Bau, die Erweiterung und die Erneuerung der folgenden Komponenten finanziert werden:
- KV-Umschlagsanlagen und Anschlussgleise in der Schweiz, die dem Konzept für den Gütertransport auf der Schiene nach Artikel 3 GüTG entsprechen
- KV-Umschlagsanlagen im Ausland, die zur Erreichung des Verlagerungsziels nach Artikel 3 GVVG notwendig sind
- Hafenanlagen für den Güterumschlag im KV
Der Nationalrat gab dem Antrag des Bundesrates mit 194 zu 1 Stimmen statt. Das Geschäft geht an den Ständerat.
Kontroverse Entwicklungen in der Debatte um den Schienengüterverkehr
Der Ständerat behandelte am 24. September 2024 als Erstrat die Totalrevision des GüTG. Über die jüngsten Entwicklungen haben wir in unserem Blogbeitrag «Debatte um Schweizer Schienengüterverkehr droht zu entgleisen» berichtet.
Mit der Revision will der Gesetzgeber mehr Wettbewerb auf der Schiene ermöglichen, den Einzelwagenladungsverkehr stärken und marktverzerrende Diskriminierung verhindern. Er möchte das veraltete System durch Automatisierung und Digitalisierung modernisieren, Bau und Erneuerung der privaten Güterverkehrsanlagen weiterhin finanziell unterstützen und die LSVA neu als Umschlagspauschale an die Frachtzahler zurückerstatten.
Nach einer ausführlichen Beratung befürwortete der Ständerat die Vorlage mit 35 zu 3 Stimmen bei 3 Enthaltungen.
Dieser Entscheid steht im Kontext der aktuellen Gemütslage der Schweizer Güterbahnkunden. SBB-Tochter SBB Cargo konsterniert die verladende Wirtschaft seit einigen Wochen mit unverhältnismässigen Preiserhöhungen – bei gleichbleibendem oder schlechterem Leistungsangebot. Die Folgen dieses kontroversen Verhaltens sind fatal. Viele privatwirtschaftliche Verlader sehen sich gezwungen, bis zu 10% ihres Gütertransportvolumens auf die Strasse zurückzuverlagern, weil sich der Transport via Schiene nicht mehr rechnet. SBB Cargo wiederum bietet keinerlei Gesprächsbereitschaft für die Entwicklung von Alternativen. Dieses Verhalten widerspricht den Bestrebungen mit der GüTG-Revision und dem Konsens, der vor der parlamentarischen Beratung zwischen Politik, Wirtschaft und Staatsbahn vereinbart wurde. In seinem Votum bekräftigte Ständerat Thierry Burkart, FDP/AG, seines Zeichens auch Präsident der ASTAG, dass die SBB ihre Preispolitik nicht nur auf das vielleicht Notwendige, sondern auch auf das im Markt Mögliche ausrichtet, um eine Rückverlagerung auf die Strasse trotz Subventionen zu vermeiden. Auch Bundesrat Rösti verwies in seinem Votum in diesem Zusammenhang auf drei wesentliche Elemente: Verladepauschalen, Effizienzsteigerung und Preise, die zu einem Optimum zusammengefügt werden sollten. Es brauche diese drei Bereiche, damit am Schluss die Rentabilität gegeben sei und keine Rückverlagerung stattfinde. Aufgrund seiner Gespräche mit wichtigen Verladern glaube er, dass die Situation einigermassen beruhigt und eine Lösung gefunden werden könne.
Weitere Finanzspritze für die Schweizerischen Bundesbahnen
Am 11. und 19. September 2024 diskutierte der Ständerat und am 16. und 23. September 2024 der Nationalrat erneut die vom Bundesrat vorgeschlagenen Änderungen des Bundesgesetzes über die Schweizerischen Bundesbahnen (SBBG). Nach der letzten Beratung verblieben Differenzen bei Art. 20 zu den Finanzierungsinstrumenten. Neu sollen die SBB Investitionen ausserhalb des abgeltungsberechtigten Bereichs der Sparte Infrastruktur durch verzinsliche und rückzahlbare Darlehen der Bundestresorerie finanzieren können, solange sie die in den strategischen Zielen des Bundesrates definierten Vorgaben zur Nettoverschuldung einhalten. Übersteigt der Fremdfinanzierungsbedarf der SBB für diese Investitionen die Vorgaben zur Nettoverschuldung nach Abs. 1, so ist dieser durch Kapitalzuschüsse des Bundes zu decken. Der Bundesrat beantragt der Bundesversammlung im Rahmen seines Voranschlags die erforderlichen Kapitalzuschüsse.
Der Ständerat kam zum Schluss, die finanzielle Unterstützung für die SBB zu kürzen. In der zweiten Beratungsrunde am Mittwoch stimmte er oppositionslos einer Reduktion auf 850 Millionen Franken zu und löste anschliessend die Ausgabenbremse. Marianne Maret (Mitte/VS), Präsidentin der Verkehrskommission, erklärte, dass die SBB sich schneller von der Krise erholt hätten, während sich die finanzielle Lage des Bundes verschlechtere. Der Nationalrat folgte dem Ständerat und stimmte dem gekürzten Kapitalzuschuss für die SBB zu. Zudem bereinigte er die Differenzen bei den Darlehen, indem er einer flexibleren Obergrenze für Tresoreriedarlehen zustimmte.
Die Entscheidungen der Räte sind in einem grösseren Zusammenhang zu betrachten. Um die finanzielle Schieflage des Bundesbetriebs wieder ins Lot zu bringen, hatte der Nationalrat in der Wintersession 2023 mehrheitlich zugestimmt, den SBB einen einmaligen Kapitalzuschuss in der Höhe der Fernverkehrsverluste von 1,15 Milliarden Franken zur Schuldenreduzierung zu gewähren. Von dieser Finanzspritze profitiert auch Tochter SBB Cargo, die bereits umfassende Finanzunterstützung im Nachgang der Covid-Pandemie bezogen hat. Sie steht kurz vor dem Abschluss einer Leistungsvereinbarung zur Abgeltung ihres Netzwerkverkehrs, den sie offensichtlich nicht eigenwirtschaftlich abwickeln kann. Die privatwirtschaftlichen Akteure hingegen erhielten weder Covid-Mittel noch verfügen sie über nicht betriebsnotwendige Ressourcen und Beteiligungen zur Stärkung ihrer Investitionsfähigkeit.
Balance der Verlagerungsziele beim Ausbau der NEAT-Zubringer gesucht
Die drei Motionen 24.3389 «Ausbau linksrheinischer Neat-Zubringer im Interesse der Verlagerung vorantreiben», 24.3390 «Stabilisierung des kombinierten Verkehrs auf der Nord-Süd-Achse durch die Bereitstellung von Puffergleisen» und 24.3391 «Für eine stärkere Verlagerung auf mittlere Transportdistanzen» kamen am 24. September 2024 vor den Ständerat. Die einreichende Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen will damit die Zubringerstrecken zur NEAT optimieren.
Der Ständerat nahm die zwei ersten Motionen an, lehnte jedoch die dritte ab. Ihre Annahme setzte einen Verlagerungsauftrag auch für den Binnenverkehr voraus, den die Verfassung nicht vorsieht.
Grundsätzlich begrüssen wir eine effiziente Streckenführung auf dem Nord-Süd-Korridor im Hinblick auf die Versorgungssicherheit, Ausweichkapazitäten im Fall von Baustellenphasen, Pünktlichkeit und Qualität des Schienengüterverkehrs. Diese Meinung brachte VAP-Präsident und Ständerat Josef Dittli bereits am Jubiläumstreffen mit Alt-Bundesrat Adolf Ogi im Herbst 2021 zum Ausdruck (vgl. Blogbeitrag «25 Jahre «Vertrag von Lugano» – ein Blick in die Zukunft»).
Allerdings kritisieren wir den einseitigen Fokus der Motionen auf den KV. Damit verpassen die Verantwortlichen in der Verkehrsverlagerung die Chance, auch andere Formen multimodaler Verkehre über den Einzelwagenladungsverkehr zu fördern. Das steht in einem deutlichen Gegensatz zur gemeinsamen Politik der DACH-Staaten (Deutschland-Österreich-Schweiz), die digitale automatische Kupplung DAK rasch einzuführen. Im Weiteren widersprechen die Motionen der Revision des GüTG (siehe oben), da sie nicht nur im Import, Export und Binnenverkehr, sondern auch im Transit umwelt- und energiepolitische Ziele verfolgen.
Wir vom VAP fordern, dass der Bundesrat im nächsten Verlagerungsbericht zusätzlich das Potenzial mit anderen multimodalen Verkehrsarten abklärt und darstellt. Auch für konventionelle Güterzüge soll ein Qualitätsmonitoring eingeführt werden, wie es im KV seit Jahren besteht. Die Unterscheidung zwischen kombiniertem und konventionellem Verkehr muss abgeschafft werden. Mit dem GüTG wird eine finanzielle Förderung des Import‑, Export- und Binnenverkehrs eingeführt. Im Transit hingegen soll weiterhin nur der unbegleitete KV (UKV) finanziell gefördert werden. Wir meinen, dass sich diese Haltung nicht mit den GüTG-Zielen vereinbaren lässt. Denn der Verfassungsauftrag im Güterverkehrsverlagerungsgesetz (GVVG) definiert die Verkehrsverlagerung im Transit als Verlagerung auf die Schiene, nicht auf den UKV. Nur Art. 8 GVVG führt für die Förderung des UKV den Zusatz «in erster Linie» ein, wohlgemerkt zum Schaden der übrigen multimodalen Logistiklösungen mit Schienenanteil (vgl. Kasten).
Art. GVVG Förderung des Schienengüterverkehrs (Fassung gemäss Ziff. I des BG vom 16. Juni 2023, in Kraft seit 1. Jan. 2024) 1 Damit das Verlagerungsziel erreicht wird, kann der Bund Fördermassnahmen beschliessen. Dabei wird in erster Linie der unbegleitete kombinierte Verkehr gefördert. Diese Massnahmen dürfen keine diskriminierenden Auswirkungen auf die schweizerischen und ausländischen Transportunternehmen im Güterverkehr haben. 2 Im unbegleiteten kombinierten Verkehr hat die Höhe der durchschnittlichen Abgeltung pro transportierte Sendung von Jahr zu Jahr abzunehmen. 3 Der begleitete kombinierte Verkehr (Rollende Landstrasse) kann bis Ende 2028 gefördert werden. 4 Der Bund kann sich im Jahr nach Einstellung des Betriebs der Rollenden Landstrasse an den Liquidationskosten der Betreiberin beteiligen. |
Totalrevision GüTG: Die Stimmung der Branche droht zu kippen
Die Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen des Ständerates (KVF‑S) hat ihre Beratungen zur Totalrevision des Gütertransportgesetzes (GüTG) abgeschlossen. Wie der Bundesrat will sie die Rahmenbedingungen zugunsten von multimodalen Logistikketten verbessern. Doch das aktuelle Verhalten von SBB Cargo mit massiven Preiserhöhungen und einem Angebotsabbau widerspricht diesen Bestrebungen und bringt die Verlader in ein gefährliches Dilemma.
Darum geht’s:
- Was bisher geschah
- Klares Ja zu Multimodalität und Wettbewerb
- Kontroverses Verhalten von SBB Cargo
- Bund in der Pflicht
- Gemeinsam aus dem Dilemma
Was bisher geschah
Über die ersten Anträge der KVF‑S zur bundesrätlichen Botschaft zum Gütertransportgesetz (Totalrevision des Bundesgesetzes über den Gütertransport durch Bahn- und Schifffahrtsunternehmen) haben wir in unserem Blogbeitrag «Jetzt oder nie: Wegweisende Debatte zum Schweizer Schienengüterverkehr» bereits ausführlich berichtet. Wie am 21. Juni 2024 kommuniziert, will die vorberatende Kommission den Wettbewerb im Gütertransport gezielt stärken, die Zuständigkeit der RailCom zur Durchsetzung eines diskriminierungsfreien Angebots im Einzelwagenladungsverkehr (EWLV) regeln und die Inhalte zu den Leitlinien zum Schienengütertransport als Grundlage für die Leistungsvereinbarung im EWLV konkretisieren.
Klares Ja zu Multimodalität und Wettbewerb
Die Ständeratskommission hat ihre Detailberatung nun abgeschlossen. In ihrer jüngsten Medienmitteilung vom 20. August 2024 fordert sie den Gesetzgeber auf, im Regelwerk festzuhalten, dass Verladebeiträge an die Versender und Empfänger weitergegeben und unternehmensinterne Leistungen transparent gemacht und kontrolliert werden. Schliesslich regt eine Kommissionsmehrheit an, dass eine Verlängerung der Förderung des EWLV durch das Parlament und nicht durch den Bundesrat entschieden werden sollte. Damit möchte die KVF‑S sicherstellen, dass die Finanzkompetenz und der Entscheid über eine etwaige Verlängerung der Unterstützung auf derselben Stufe liegen
Kontroverses Verhalten von SBB Cargo
Derzeit erhitzen sich die Gemüter der Verlader über das Verhalten der SBB-Tochter SBB Cargo, das den Bestrebungen der KVF‑S und den bisherigen Bekundungen des Bundesrates deutlich entgegenläuft. Die Monopolanbieterin verlangt für ihre Leistungen einen Aufpreis von 20% bis 60% – ganz selbstverständlich und ohne Kostentransparenz oder die Möglichkeit, gemeinsam mit den Güterbahnakteuren Kosten aus dem System zu reduzieren. Selbst wenn das GüTG wie vorgeschlagen angepasst wird und der Ständerat den Anträgen der KVF‑S stattgibt, besteht die akute Gefahr, dass die Verlader ihre Verkehre im grossen Stil auf die Strasse verlagern. Da eine derart strategische Neuorientierung nicht von heute auf morgen passiert, werden sie ihre Logistikkonzepte über die nächsten zwei Jahre anpassen. In diesem Fall wären sowohl die Gesetzesvorlage selbst als auch die dafür notwendigen Bundesmittel obsolet – und eine diesbezügliche Beratung des Parlaments in der Herbstsession 2024 sowieso.
Bund in der Pflicht
Um ungerechtfertigte Marktdiskriminierung und ein Verlagern auf die Strasse zu vermeiden, könnten die Verlader ihre Logistikkonzepte auch auf alternative Bahnangebote von innovativen und mutigen Güterbahnen ausrichten und ihre Verkehrsvolumina vom Staatsmonopol in einen marktwirtschaftlichen Wettbewerb umplatzieren. Das entspräche dem Ziel der KVF‑S, die durch Leistungsvereinbarungen und überarbeitete Leitlinien zum EWLV mehr Wettbewerb verlangt. Es liegt daher nicht unwesentlich in der Verantwortung des Bundes, so bald als möglich entsprechende Massnahmen beim Bestellprozess aufzugleisen, private Güterbahnen zu Angeboten aufzufordern und ihnen den Rücken bei deren Aufbau zu stärken.
Gemeinsam aus dem Dilemma
Die Branche muss einen Weg aus dem aktuellen Dilemma finden, bevor die Debatte eskaliert. Es liegt nun in der Hand der Branchenakteure und des Bundes, gemeinsam mehr Wettbewerb zu ermöglichen und den EWLV grundlegend zu modernisieren. Dazu müssen sie das System EWLV Hand in Hand organisatorisch verändern, stärker für Drittanbieter öffnen und auf Augenhöhe weiterentwickeln. Hier bestehen seitens der Privatwirtschaft bereits attraktive Lösungsansätze. Sagt das Parlament ja zu Förderung des EWLV und stärkt damit den intramodalen Wettbewerb, so könnten die Verlader und Güterbahnen auf Trotzreaktionen verzichten. Stattdessen könnten sie – gemeinsam mit den SBB – die Chance ergreifen, sich endlich vom monopolistischen EWLV loszueisen und ein eigenwirtschaftliches, breit abgestütztes Netzwerkangebot zu entwickeln.
Jetzt oder nie: Wegweisende Debatte zum Schweizer Schienengüterverkehr
Die Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen des Ständerats (KVF‑S) ist im Frühjahr auf die Totalrevision des Gütertransportgesetzes (GüTG) eingetreten und hat richtungsweisende Diskussionen über den Schweizer Binnengüterverkehr im Parlament ausgelöst. Gemeinsam mit anderen Akteuren werden wir vom VAP diese Debatte mitprägen. Unser Ziel ist es, einen gangbaren Kompromiss zu finden und den Interessen unserer Mitglieder Nachdruck zu verleihen.
Darum geht’s:
- Frohe Botschaft ans Parlament
- Erste Anträge der KVF‑S
- Reger Austausch zwischen den betroffenen Akteuren
- Herausforderungen für Wirtschaft und europäische Gesamtlogistik
- Schmerzgrenze erreicht
- So geht’s weiter
Frohe Botschaft ans Parlament
Am 9. Februar 2024 hat der Schweizerische Bundesrat seine Botschaft zum Gütertransportgesetz (Totalrevision des Bundesgesetzes über den Gütertransport durch Bahn- und Schifffahrtsunternehmen) publiziert. Ein besonderes Augenmerk gilt aus unserer Sicht den folgenden finanziellen Aspekten:
- Betriebsabgeltungen: Um den Einzelwagenladungsverkehr (EWLV) während der Umbauphase auf dem aktuellen flächendeckenden Niveau zu halten, sieht der Bundesrat vor, ihn auf acht Jahre befristet und degressiv finanziell zu fördern. Am Ende dieser Periode soll Eigenwirtschaftlichkeit erreicht sein. Für die ersten vier Jahre beantragt er 260 Mio. CHF.
Mehr dazu im Faktenblatt Güterverkehr. - Anreize für Verlader: Vorgesehen sind unbefristete Umschlags- und Verladebeiträge und eine Abgeltung der ungedeckten Kosten des bestellten Gütertransportangebots für total 60 Mio. CHF pro Jahr.
Erste Anträge der KVF‑S
Die KVF‑S als vorberatende Kommission des Erstrats hat sich nach der Anhörung der Branche – darunter auch dem VAP – diesen Frühling der Totalrevision des GüTG angenommen. Die Diskussionen der kommenden Wochen und Monate im Parlament werden für die Zukunft des Schienengüterverkehrs in der Fläche wegweisend sein. In ihrer Detailberatung hat die Kommission zahlreiche Punkte beleuchtet. Sie ist mehrheitlich der Ansicht, dass sich die Totalrevision des GüTG für die Sicherstellung und Verbesserung eines nachhaltigen Zusammenspiels der unterschiedlichen Verkehrsträger für die Schweizer Verkehrspolitik eignet. Sie regt an, inhaltliche Anpassungen wie folgt vorzunehmen:
- Explizite Stärkung des Wettbewerbs im Gütertransport
- Klare Regelung der Zuständigkeit der RailCom zur Überprüfung und Durchsetzung des diskriminierungsfreien Angebots der Dienstleistungen im EWLV
- Konkretisierung der Inhalte zu den Leitlinien zum Schienengütertransport (Grundlage für die Leistungsvereinbarung im EWLV)
- Kompetenzverlagerung zur Verlängerung gewisser Bestimmungen (insbesondere Abgeltungen) vom Bundesrat zum Parlament
Die Kommission wird die Detailberatung mit Zusatzinformationen aus der Verwaltung voraussichtlich an ihrer nächsten Sitzung abschliessen. Danach gelangt das Geschäft ins Plenum des Ständerats.
Reger Austausch zwischen den betroffenen Akteuren
In den vergangenen Wochen führten wir – unterstützt von unseren Mitgliedern – Gespräche mit den Akteuren der Interessensgemeinschaft Wagenladungsverkehr (IG WLV), dem Bundesamt für Verkehr (BAV) und der Tochter SBB Cargo der Schweizerischen Bundesbahnen (SBB). So präsentierte Alexander Muhm, CEO von SBB Cargo, im geschäftsleitenden Ausschuss des VAP das angedachte Grobkonzept für eine Transformation hin zur Eigenwirtschaftlichkeit. Muhms Ausführungen setzten eine intensive Diskussion zwischen den Beteiligten und weiterführende Gespräche über Möglichkeiten und Risiken in Gang.
Herausforderungen für Wirtschaft und europäische Gesamtlogistik
Ein Blick auf die Statistik zeigt, dass die Verlagerungszahlen in der Schweiz und in Europa stagnieren oder sogar leicht schrumpfen. Die Gründe dafür sind vielfältig. In Deutschland herrscht grosse Ungewissheit über potenzielle Investitionsprogramme und den Zeitpunkt eines spürbaren Konjunkturaufschwungs. Italien und Frankreich kämpfen mit bescheidenen Wachstumszahlen und hohen Verschuldungsgraden. Das kombiniert mit der Konsumentenstimmung wirkt sich direkt auf die Unternehmen und deren finanzielle Situation aus.
In der Logistik gibt es neben der Sperrung des Suez-Kanals oder Naturereignissen weitere enorme Herausforderungen wie grosse Baustellen (z.B. auf dem deutschen Schienennetz) und entsprechende Umleitungsverkehre oder höhere Trassenpreise. Das alles befeuert die Betriebskosten und bedrängt die Wettbewerbsfähigkeit der Schiene. Die Befindlichkeit der europäischen Gesamtlogistik ist insofern wichtig, als dass der Grossteil der in der Schweiz verwendeten Güter aus dem Ausland stammen und den EWLV in und durch die Schweiz beeinflussen.
Schmerzgrenze erreicht
Seit unserer Gründung setzen wir uns für einen attraktiven, wettbewerbs- und kundenorientierten Schienengüterverkehr und damit für die bestmögliche Verlagerung auf die Schiene ein. Mit diesem Ziel engagieren wir uns entweder als Partner zahlreicher Güterverkehrsakteure oder mit eigenen Ideen und Projekten. In der Verkehrspolitik machen wir uns für ausreichend Kapazitäten auf allen Infrastrukturen, günstige Logistikstandorte und vernünftige Rahmenbedingungen stark.
Im Hinblick auf den globalen Wettbewerb und die aktuellen Rahmenbedingungen für die Schweizer Wirtschaft muss oder kann sich die verladende Wirtschaft als unsere Mitgliedschaft massiv höhere Kosten auf der Schiene nicht leisten. Fehler wie die fehlende (Investitions-)Strategie der letzten 20 Jahren im Bereich des Rollmaterials, der fortwährende Abbau von Infrastruktureinrichtungen (Rückbau von Gleisen, Bau von Renditeobjekten) oder die ungenügende Einbindung in Gesamtkonzepten aus Sicht der Nutzer und Kunden können unsere Mitglieder nicht länger abfedern. Denn die Folgen solcher Fehler wie etwa massive Preiserhöhungen (jenseits der Inflation) sind für Wirtschaft und Gesellschaft fatal. Die Konkurrenzfähigkeit der Schiene gegenüber der Strasse schwindet und die Optimierung des Modalsplits gerät in Schieflage. Zudem können steigende Kostenbeteiligungen für die operative Nutzung von Bedienpunkten falsche Signale setzen.
Für unsere Mitglieder ist die Schmerzgrenze längst erreicht. Wir sind bereit, die weitere Entwicklung und Transformation des Schienengüterverkehrs massgeblich zu unterstützen. Vorausgesetzt, die Verantwortlichen stellen vollständige Transparenz über Kosten und deren Aufschlüsselung sicher und ergreifen Massnahmen in einem fairen, verträglichen und abgestimmten Rahmen.
So geht’s weiter
Wir nehmen die Erkenntnisse aus den zahlreichen Diskussionen mit der KVF‑S und weiteren Akteuren zum Anlass, innerhalb unserer Mitgliedschaft zahlreiche Aktivitäten auszulösen und weitere Abstimmungsgespräche durchzuführen. Wer mit uns über die Logistik als Rückgrat der Schweizer Wirtschaft sprechen möchte, ist herzlich zum Gespräch eingeladen.
Freude herrscht bei SBB, Besorgnis bei SBB Cargo
SBB ist finanziell kerngesund. Das hat sie am 11. März 2024 mit der Jahresrechnung 2023 kommuniziert. Nur Tochter SBB Cargo gilt weiterhin als Sorgenkind und soll finanziell unterstützt werden. Wir vom VAP meinen: Das darf keiner Dauersubventionierung des Einzelwagenladungsverkehrs (EWLV) gleichkommen. Und die vorgeschlagene Finanzspritze von CHF 1,25 Mrd. ist angesichts der Jahresrechnung 2023 hinfällig.
Darum geht’s:
- Resultate 2023: schwarz und rekordverdächtig
- Ewiges Sorgenkind bleibt defizitär
- Rekordresultate und Milliardenhilfe – wie passt das zusammen?
- Unternehmerische Verantwortung gefragt
Resultate 2023: schwarz und rekordverdächtig
1,3 Mio. Reisende, CHF 269 Mio. Gewinn, 9,9 % Mehreinnahmen beim Personenverkehr, 92,5 % Pünktlichkeit trotz 20’000 Baustellen, Verschuldung auf CHF 11,3 Mrd. gesunken, alle Investitionen aus dem Cashflow finanziert: Das Geschäftsjahr 2023 der SBB strotzt nur so vor frohen Botschaften und Superlativen. Erstmals in der Post-Covid-Ära schreiben die SBB wieder schwarze Zahlen. Diese erfreuliche Performance geht in erster Linie aus einem Rekordstand an Fahrgästen und aus stattlichen Gewinnen aus den SBB Immobilien hervor. Es erstaunt daher auch nicht, dass die Verantwortlichen zuversichtlich in die Zukunft blicken.
Ewiges Sorgenkind bleibt defizitär
Bei der Sparte Güterverkehr der rückverstaatlichten SBB Cargo sieht die finanzielle Lage deutlich weniger rosig aus. Zwar verbesserte sich das Ergebnis 2023 von SBB Cargo Schweiz gegenüber dem Vorjahr um CHF 148 Mio. auf minus CHF 40 Mio. Doch das ist vorwiegend auf Wertberichtigungen von 2022 zurückzuführen. Die Verkehrsleistung reduzierte sich gegenüber dem Vorjahr um 7,5 %. Haupttreiber waren laut SBB der Preisdruck, das strukturelle Defizit im EWLV und die konjunkturelle Abkühlung.
Unklar bleibt nur, wie hoch dieses sogenannte strukturelle Defizit tatsächlich beziffert werden soll. In der politischen Debatte spricht SBB von CHF 80 bis 100 Mio., im Geschäftsbericht 2023 stehen CHF 40 Mio. Hat SBB Cargo im Ganzzugsverkehr einen Gewinn von CHF 40 bis 60 Mio. generiert?
Rekordresultate und Milliardenhilfe – wie passt das zusammen?
Auf diese Frage gibt Peter Füglistaler, Direktor beim Bundesamt für Verkehr (BAV), in seinem Kommentar auf LinkedIn eine plausible Antwort: «Ich weiss es nicht». Dass es den SBB finanziell gut geht, ist tatsächlich löblich. Schliesslich wünschen sich die Verlader starke Partner im Transportgeschäft. Trotzdem halten wir vom VAP an unserer Position fest: Die finanzielle Schieflage von SBB Cargo darf nicht mit der notwendigen Modernisierung und Umgestaltung des EWLV verwechselt werden. Im Januar 2024 hat der Bundesrat in seiner «Botschaft zum Gütertransportgesetz» zu Recht Massnahmen für die Modernisierung des flächendeckenden EWLV beantragt (vgl. Blogbeitrag «Weichen für den Binnengüterverkehr auf der Schiene richtig gestellt»). Statt eines Sanierungsbeitrags an den EWLV fordern wir eine gezielt eingesetzte degressive und befristete Überbrückungsfinanzierung für eine nachhaltige Transformation des EWLV Richtung Eigenwirtschaftlichkeit. Nur so kann sich der EWLV modernisieren und wachsen.
Unternehmerische Verantwortung gefragt
Derzeit bespricht das Parlament die «Botschaft zur Änderung des Bundesgesetzes über die Schweizerischen Bundesbahnen (Nachhaltige Finanzierung der SBB)». Demnach soll der Bund die pandemiebedingten Defizite der SBB im Fernverkehr übernehmen. Dazu VAP-Präsident und Ständerat Josef Dittli: «Wieso soll der Bund, der gerade lineare Kürzungen und Verzichtsplanungen angekündigt hat, mit Steuergeldern ein Staatsunternehmen unterstützen, das Rekordresultate erreicht? Hier appelliere ich eindringlich an die unternehmerische Verantwortung der Akteure.»
Weichen für den Binnengüterverkehr auf der Schiene richtig gestellt
Der Bundesrat hat im Januar seine Botschaft zum Gütertransportgesetz zuhanden des Parlaments veröffentlicht. Er strebt die Modernisierung des flächendeckenden Einzelwagenladungsverkehrs (EWLV) an und legt damit die Grundlage für dessen Eigenwirtschaftlichkeit. Trotz zahlreicher Vorbehalte schlägt er dafür Investitionsbeihilfen und befristete Betriebsabgeltungen sowie Anreize für Verlader vor.
Darum geht’s:
- Bundesrat strebt Eigenwirtschaftlichkeit an
- Der EWLV soll grundlegend umgestaltet und modernisiert werden
- Der Betrieb des EWLV soll in der Modernisierungsphase befristet gefördert werden
- BAV kritisiert Leitlinien der Branche
- Vorlage im Überblick
- So geht es weiter
Bundesrat strebt Eigenwirtschaftlichkeit an
Der Bundesrat hat an seiner Sitzung vom 10. Januar 2024 die Botschaft zum Gütertransportgesetz zuhanden des Parlaments verabschiedet. Wir vom VAP begrüssen es, dass die favorisierte Variante 1 weiterverfolgt wird. Mit dieser Vorlage will der Bundesrat den Schienengüterverkehr technisch und organisatorisch modernisieren, die multimodalen Transportketten stärken und die Schifffahrt besser einbinden. Die übergeordneten Ziele sind die Versorgungssicherheit im ganzen Land zu stärken und die Multimodalität zu fördern, um zu den Umwelt- und Energiezielen des Bundes beizutragen. So sollen die aktuelle Flächenbedienung gesichert, der Anteil des Schienengüterverkehrs mittelfristig erhöht und die Basis für einen eigenwirtschaftlichen Betrieb gelegt werden.
Der EWLV soll grundlegend umgestaltet und modernisiert werden
Die Grundlage dazu ist eine umfassende Umgestaltung des EWLV respektive des Netzwerkverkehrs mit der dazugehörigen technischen Modernisierung (insbesondere der Digitalisierung), einer Einbettung in das Logistiksystem Schweiz und dem Aufbau eines diskriminierungsfreien, intramodalen Wettbewerbs. Letzterer soll die Qualität der Logistikdienstleistungen und deren Effizienz massgeblich verbessern und künftige Innovationen vereinfachen. Die Vorlage sieht dafür Investitionsmittel für die Einführung der digitalen automatischen Kupplung (DAK) in Höhe von 180 Mio. Franken vor. Weitere Investitionsmittel sind für digitalisierte Prozessoptimierungen, Datenaustauschplattformen und Ähnliches vorgesehen.
Der Betrieb des EWLV soll in der Modernisierungsphase befristet gefördert werden
Um die aktuelle Flächenbedienung aufrechtzuerhalten, soll der Betrieb während acht Jahren finanziell unterstützt werden. Dabei werden angeblich ungedeckte Kosten gedeckt. Diese Abgeltungen werden entsprechend dem Fortschritt der Umgestaltung laufend abnehmen und in mehrjährigen Leistungsvereinbarungen mit allen am Netzwerkverkehr beteiligten Güterbahnen festgelegt.
BAV kritisiert Leitlinien der Branche
Damit dieser Umbau gelingt und der EWLV während der Umgestaltungsphase im aktuellen Umfang stabil betrieben werden kann, hat die Branche Leitlinien für konkrete Massnahmen und Fördertatbestände vorgelegt. Das BAV kritisiert diese jedoch als ungenügend und verlangt eine weitere Bearbeitung. Es bemängelt insbesondere die fehlende Perspektive für eine umfassende Neugestaltung zur Erhöhung der Effizienz und Auslastung. Es sieht eine Tendenz zur Strukturerhaltung und zu einem weiteren Abbau des Angebots. Es sei derzeit nicht in der Lage, auf dieser Basis Leistungsvereinbarungen abzuschliessen. Wir vom VAP verstehen die Vorbehalte des BAV, da die Leitlinien einen Kompromiss von Verladern und Güterbahnen darstellen, bei dem der VAP grosse Eingeständnisse im Interesse der Sache gemacht hatte. Eine substanzielle Nachbearbeitung ist nun notwendig, gerade aus Sicht der Gütertransportkunden als Nutzer der Logistikdienstleistungen.
Wir sind bereit, die weitere Entwicklung massgeblich zu unterstützen. Als wichtige Voraussetzung für diesen Umbau sehen wir ein umfassendes, operatives Controlling als Erfolgskontrolle für die Wirksamkeit der Massnahmen und Anreize sowie den Aufbau einer digitalen Plattform. Damit liessen sich alle Akteure effizient und flexibel in der Planung und Abwicklung ihrer Dienstleistungen verknüpfen. Der Umbau soll in Form eines Projektes methodisch strukturiert und zielgerichtet umgesetzt werden.
Vorlage im Überblick
- Investitionsbeihilfen: Für die Einführung der DAK stellt der Bundesrat 180 Mio. Franken zur Verfügung. Das deckt ca. einen Drittel der Umbaukosten ab. Die Umrüstung des Rollmaterials muss europaweit koordiniert werden und soll bis ins Jahr 2033 erfolgen. Von der DAK wird eine substanzielle Verbesserung der Produktivität und Qualität des Schienengüterverkehrs erwartet.
Faktenblatt DAK (PDF, 971 kB)
- Betriebsabgeltungen: Um den EWLV während der Umbauphase auf dem aktuellen flächendeckenden Niveau zu halten, sieht der Bundesrat vor, ihn auf acht Jahre befristet und degressiv finanziell zu fördern. Am Ende dieser Periode soll Eigenwirtschaftlichkeit erreicht sein. Für die ersten vier Jahre beantragt er 260 Mio. Franken.
Faktenblatt Güterverkehr (PDF, 712 kB)
- Anreize für Verlader: Unbefristet vorgesehen sind Umschlags- und Verladebeiträge und eine Abgeltung der ungedeckten Kosten des bestellten Gütertransportangebots für total 60 Mio. pro Jahr.
Vollständige Botschaft zum Gütertransportgesetz.
So geht es weiter
- Noch in der ersten Hälfte 2024 sollen die offenen Punkte zwischen BAV und der Branche diskutiert und die Leitlinien entsprechend ergänzt und präzisiert werden.
- In diesem Rahmen und nach Verabschiedung des revidierten Gesetzes soll bis Ende 2024 ein Ausschreibungsprozess für die verschiedenen Dienstleistungspakete innerhalb des Netzwerkverkehrs gestartet werden.
- Die Verhandlungen über mögliche Leistungsvereinbarungen sind für 2025 geplant, damit allfällige Fördermassnahmen Anfang 2026 greifen können.
Details lesen Sie in dieser gemeinsamen Medienmitteilung von VAP, LITRA, ASTAG, IG Kombinierter Verkehr und VöV.
Bereit fürs nächste Digitalisierungslevel
Ohne digitale automatische Kupplung (DAK) keine Digitalisierung und ohne Digitalisierung keine Wettbewerbsfähigkeit. So liesse sich die Modernisierung der Güterbahn beschreiben. Ganz so einfach ist es allerdings nicht. Hier ein Überblick über den Status quo und die anstehenden weiteren Schritte.
Darum geht’s:
- Hardware und Software gezielt kombinieren
- Finanzierung muss Initialzündung geben
- «Management Deployment DAK-CH» koordiniert die Migration
- Testphase: Schweiz vorne dabei
Hardware und Software gezielt kombinieren
Die DAK bringt eine umfassende Digitalisierung der Bahn ins Rollen. Denn sie bietet mehr als vollautomatisches Kuppeln oder verschiedenste Trackingfunktionen einzelner Wagen. Sie ermöglicht einen Levelsprung im Schweizer Schienengüterverkehr durch Strom- und Datenversorgung des ganzen Zuges. Doch das ist noch nicht alles. Für digital inspirierte Geschäftsmodelle im Schienengüterverkehr sind zudem Datenökosysteme nötig. Hier geht die staatliche Mobilitätsdateninfrastruktur «MODI» mit gutem Beispiel voran (vgl. Blogbeitrag «Datenökosysteme: Daten teilen, um ihren Mehrwert zu verdoppeln»). Um Hardware und Software so zu kombinieren, dass die Güterbahn in der multimodalen Logistik wettbewerbsfähig wird, sind hohe Anfangsinvestitionen erforderlich. Die privatwirtschaftlichen Unternehmen im Güterverkehr werden diese nicht allein tragen können.
Finanzierung muss Initialzündung geben
In der Schweiz verabschiedet der Bundesrat im Januar 2024 seine Botschaft zum Güterverkehr und leitet sie ans Parlament weiter. Zentraler Bestandteil dieser Vorlage sind die Fördermittel für die Migration zur DAK. Der Bundesrat sieht einen Förderbeitrag von CHF 180 Mio. vor. Das kalkulierte Investitionsvolumen für die flächendeckende DAK-Migration in der Schweiz beträgt CHF 500 Mio. Um das stattliche Delta zu schliessen, sind Investoren gefragt. In der Planung der Finanzmittel übernehmen wir vom VAP eine Führungsrolle. Das Datenökosystem MODI will der Bund während der ersten 10 Jahre finanzieren und danach Nutzungsgebühren erheben. Auch in der Europäischen Union (EU) steht die Finanzierung der DAK-Migration noch aus. Für die geplanten Feldtests ab 2026 will die EU-Kommission zirka EUR 200 Mio. bereitstellen.
«Management Deployment DAK-CH» koordiniert die Migration
Die Koordination der Migrationsumsetzung soll in der Schweiz das branchenübergreifende Gremium «Management Deployment DAK-CH» übernehmen. Dieses ist unter anderem für den aktiven Austausch mit Europe’s Rail, die Planung der Werkstätte-Kapazitäten, die Materialdisposition und die Nachweisführung für die Umbauten zuständig. Den Umbau der Fahrzeuge muss sie gemeinsam vorab mit den Haltern, aber auch mit den Bahnunternehmen und weiteren Logistikakteuren terminieren. Die Güterbahnen sollen in der Zwischenzeit ihren Bedarf für umgerüstete Wagen entsprechend dem Verkehrsaufkommen festlegen.
Testphase: Schweiz vorne dabei
Die Funktionen und Prozesse der DAK müssen europaweit harmonisiert werden. Einen Meilenstein stellt die Festlegung des «Starter Package». Dieses definiert, mit welchen Funktionen die DAK-Migration in Europa startet. Die Schweiz beteiligt sich derzeit aktiv an Betriebstests neuer Systeme und bringt wegweisende Ergebnisse in die europäischen Arbeitsgruppen ein. Hier eine Übersicht über die aktuellen Tests und Projekte mit Schweizer Beteiligung:
- Die EU lässt zur Umsetzung des «Greening Freight Traffic Package» des European DAC Delivery Programme (EDDP) die bahntechnischen Spezifikationen erarbeiten. Hier ist die Schweiz aktiv involviert.
- Mit «Power-Line-Plus» werden Daten über die Stromversorgungsleitungen gesendet. Die Hochschule Luzern führt gemeinsam mit SBB Cargo Betriebstests durch und liefert Schlüsselerkenntnisse zur Datenübertragungsqualität. Ab 2024 soll der Nachweis der Betriebstauglichkeit mit allen Funktionen des «Starter Package» und Übertragung über «Power-Line-Plus» erbracht werden, damit sollen kommerzielle Fahrten möglich werden. Das BAV unterstützt diese Entwicklung finanziell.
- Ab 2026 sind in Europa umfangreiche Feldtests für Betriebstauglichkeit und Zuverlässigkeit der DAK mit rund 100 Zügen geplant. Danach soll die DAK-Migration effizient erfolgen, auch in der Schweiz.
- MODI besteht aus zwei Hauptelementen: Die Nationale Datenvernetzungsinfrastruktur Mobilität (NADIM) ermöglicht den standardisierten Austausch von Mobilitätsdaten. Die nationale Geodateninfrastruktur «Verkehrsnetz CH» kann eine einheitliche, digitale Abbildung des gesamten Verkehrssystems der Schweiz sicherstellen. MODI ist aktuell nur für den Personenverkehr vorgesehen. Doch auch der Güterverkehr könnte davon profitieren, etwa durch eine digitale Vernetzung von öffentlicher Hand, Verkehrs- und Raumplanungsbehörden und sämtlichen involvierten Akteuren. Daher steht der VAP in engem Kontakt mit den verantwortlichen Stellen der Bundesverwaltung, um den Güterverkehr rasch im Projekt zu integrieren.
Teilrevision SBBG: Verantwortung und Marktöffnung weiter verzögert
Die Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen des Nationalrates (KVF‑N) unterstützt die Vorlage zur finanziellen Stabilisierung der Schweizerischen Bundesbahnen (SBBG) einstimmig. Im Gegensatz zum Bundesrat ist sie der Ansicht, dass bei der Gewährung von Tresoreriedarlehen an die SBB kein Systemwechsel angezeigt ist. Damit lässt die KVF‑N gleichzeitig sämtliche Empfehlungen des VAP unberücksichtigt.
Darum geht’s:
- 3‑Milliarden-Finanzspritze für die SBB
- SBBG-Teilrevision an Nationalrat überwiesen
- Stimme der Branche bleibt ungehört
- Weiterhin keine Marktöffnung in Sicht
–> Zum Nachtrag vom 08.07.2024
3‑Milliarden-Finanzspritze für die SBB
In seinem Bericht vom 16. Dezember 2022 zur Motion 22.3008 «Unterstützung der Durchführung der SBB-Investitionen und einer langfristigen Vision in Covid-19-Zeiten» schlägt der Bund vor, die Defizite der SBB im Fernverkehr mit einem einmaligen Kapitalzuschuss von geschätzt 1,25 Mrd. Schweizer Franken zu übernehmen. Im Weiteren will er die Trassengebühren für den Fernverkehr mit weiteren 1,7 Mrd. Schweizer Franken erleichtern. Ausserdem regt er eine Korrektur der Finanzierungsinstrumente an.
Stimme der Branche bleibt ungehört
Wie in unserer Medienmitteilung vom 30. März 2023 publiziert, lehnen wir vom VAP die vorgelegte ausserordentliche Sanierung des Fernverkehrs mit rund 3 Milliarden Steuergeldern ab. Hingegen begrüssen wir die vorgeschlagene Korrektur der Finanzierungsinstrumente, d.h. den Verzicht auf die Gewährung von Tresoreriedarlehen an die SBB an der Schuldenbremse des Bundes vorbei. In den Blogbeiträgen «SBB soll Verantwortung statt 3‑Milliarden-Finanzpaket übernehmen» und «Keine Stabilisierung der SBB trotz 3 Mia. Franken zusätzlicher Bundesmittel» fassen wir die Position der Branche und unsere entsprechenden Argumente zusammen.
Weiterhin keine Marktöffnung in Sicht
Mit einer Annahme der Vorlage würde der Nationalrat das SBB-Monopol im Fernverkehr weiter festigen. Das ist europapolitisch problematisch, denn die EU fordert von der Schweiz eine Marktöffnung im Fernverkehr. Diese unerfüllte Forderung überschattet die Verhandlungen mit der EU über die Verlängerung der befristeten Zusammenarbeit mit der Europäische Eisenbahnagentur ERA für One-stop-Shop-Zulassungen und mehr Interoperabilität zwischen der Schweiz und der EU. Noch verfügt die Schweiz verglichen mit EU-Mitgliedstaaten aktuell über keinen vollwertigen Marktzugang; das Schweizer Bahnnetz ist derzeit kein integrierter Teil des europäischen Interop-Netzes. Deshalb verlangen die güterverkehrsnahen Verbände Astag, CFS und wir vom VAP eine nationale Migrationsstrategie zur Öffnung des Markts in Einklang mit der EU. Stimmt der Nationalrat dem Antrag der KVF‑N zu, so schiebt er dieses Anliegen noch weiter weg.
SBBG-Teilrevision an Nationalrat überwiesen
Die KVF‑N hat die Vorlage zur Änderung des SBBG einstimmig an den Nationalrat überwiesen. Zudem lehnt die Kommissionsmehrheit einen Systemwechsel bei den Finanzierungsinstrumenten ab, da die Haushalts- im Gegensatz zu den Tresoreriedarlehen der Schuldenbremse unterstellt sind. Sie ist der Ansicht, dass die daraus resultierende Konkurrenzsituation mit anderen Bundesausgaben im Hinblick auf das Angebot des öffentlichen Verkehrs nicht wünschenswert sei. Der Nationalrat wird in der Wintersession 2023 über den Antrag der KVF‑N befinden.
Nachtrag 20.12.2023, Update aus der Wintersession:
Der Nationalrat hat in der Wintersession mehrheitlich zugestimmt, der Schweizerischen Bundesbahnen (SBB) einen einmaligen Kapitalzuschuss von 1,15 Milliarden Franken zur Schuldenreduzierung zu gewähren. Dieser Betrag wurde bereits im Voranschlag 2024 eingeplant. Der Nationalrat lehnte hingegen den Vorschlag des Bundesrats, bei Erreichen einer bestimmten Verschuldung von Tresorerie- zu Haushaltsdarlehen des Bundes überzugehen, ab. Dies mit dem Argument, dass unter Anwendung der Schuldenbremse bei Haushaltsdarlehen der Ausbau verzögert werden könnte. Zusätzlich beschloss die Kammer, die angemessene Reserve des Bahninfrastrukturfonds (BIF) auf mindestens 300 Millionen Franken festzulegen, wobei maximal zwei Drittel des Reinertrags der leistungsabhängigen Schwerverkehrsabgabe (LSVA) in den Fonds fliessen sollen. Damit hat der Nationalrat alle Empfehlungen des VAP unberücksichtigt gelassen. Die Vorlage geht nun an den Ständerat, der hoffentlich korrigierend eingreifen wird.
Nachtrag 08.07.2024
Nach der Beratung im National- und Ständerat verbleiben Differenzen bei zwei Artikeln (Art. 20 und Art. 26b SBBG). Der Ständerat möchte die Finanzierungsinstrumente des Bundes zugunsten der SBB dahingehend verschärfen, dass die Vergabe von Tresoreriedarlehen des Bundes zugunsten der SBB nur bis zu einer definierten Obergrenze der in den strategischen Zielen festgehaltenen Nettoverschuldung möglich ist. Darüberhinausgehende Darlehen wären – wie bereits gemäss Vorschlag des Bundesrates – der Schuldenbremse zu unterstellen. Die Mehrheit der KVF‑N ist jedoch weiterhin der Ansicht, dass die durch den Systemwechsel der Finanzierungsinstrumente resultierende Konkurrenzsituation mit anderen Bundesausgaben im Hinblick auf das Angebot des öffentlichen Verkehrs nicht wünschenswert ist. Mit 12 zu 11 Stimmen beantragt sie deshalb ihrem Rat, an ihrem Beschluss festzuhalten. Weiter bestand eine Differenz zur Ausschüttung eines einmaligen Kapitalzuschusses (Art. 26b SBBG). Den Antrag von SR Josef Dittli zur Senkung des Beitrags auf 0,6 Milliarden Franken hatte der Ständerat abgelehnt (21 zu 20 Stimmen), hingegen Festhalten an der Schuldenbremse beschlossen. Die KVF‑N beantragt ihrem Rat auch in diesem Punkt Festhalten am Beschluss des Nationalrates, welcher einen einmaligen Kapitalzuschuss von 1.15 Milliarden Franken zugunsten der SBB vorsieht (13 zu 12 Stimmen). Die Kommissionsmehrheit möchte damit die finanzielle Situation der SBB nachhaltig stärken. Eine Kommissionsminderheit hingegen will den einmaligen Kapitalzuschuss im Sinne des Antrags von SR Josef Dittli auf 0,6 Milliarden Franken beschränken. Das Geschäft geht in der Herbstsession in den Nationalrat.