Der bun­des­rät­li­che «Ver­la­ge­rungs­be­richt Juli 2019 – Juni 2021» stellt die Ent­wick­lung beim alpen­que­ren­den Güter­ver­kehr und hin­sicht­lich Umwelt­be­las­tung auf den alpen­que­ren­den Tran­sit­ach­sen dar. Anschlies­send beleuch­tet er den Stand der Umset­zung der Ver­la­ge­rungs­in­stru­men­te und flan­kie­ren­den Mass­nah­men. Dar­auf auf­bau­end schlägt der Bun­des­rat ver­schie­de­ne Mass­nah­men zur Unter­stüt­zung der Ver­la­ge­rung vor. Abschlies­send nimmt er eine Ein­schät­zung zur Wei­ter­füh­rung der Ver­la­ge­rungs­po­li­tik in den kom­men­den Berichts­pe­ri­oden vor.

Erfolgsgeschichte im Transit

Der Ver­la­ge­rungs­be­richt 2021 zeigt, dass die ein­ge­schla­ge­ne Rich­tung bei der Ent­wick­lung im alpen­que­ren­den Güter­ver­kehr stimmt. Moni­to­ring und Bericht­erstat­tung bewäh­ren sich. Trotz­dem bleibt viel zu tun. Die Anzahl der alpen­que­ren­den Fahr­ten schwe­rer Güter­fahr­zeu­ge liegt für das Jahr 2021 bei knapp 900’000. Damit wird die gesetz­li­che Vor­ga­be von 650’000 noch immer deut­lich über­schrit­ten. Ins­be­son­de­re im Hin­blick auf die anste­hen­de Dekar­bo­ni­sie­rung des Ver­kehrs zur Errei­chung der Kli­ma­zie­le 2050 sind drin­gend wei­te­re Mass­nah­men notwendig.

Viel getan, viel zu tun

Wir vom VAP sind der Ansicht, dass es bis­he­ri­ge Mass­nah­men zu schär­fen und ins­be­son­de­re die finan­zi­el­len För­der­mass­nah­men tech­no­lo­gie­neu­tral aus­zu­wei­ten gilt. Heute erfolgt sie im unbe­glei­te­ten kom­bi­nier­ten Ver­kehr. Ande­re Bahn­pro­duk­ti­ons­for­men wer­den nicht geför­dert. Natür­lich müs­sen wir die Gren­zen der Ver­kehrs­ver­la­ge­rung im Tran­sit akzep­tie­ren und sicher­stel­len, dass hier die Kräf­te gebün­delt wer­den. Den­noch ist es die Auf­ga­be von Poli­tik und Wirt­schaft, das Poten­zi­al für eine wei­ter­füh­ren­de Ver­la­ge­rung im Tran­sit aus­zu­lo­ten. Das haben wir im Fol­gen­den getan.

Potenzial Nr. 1: Multimodalität

Stras­se, Schie­ne und See­weg ergän­zen sich opti­mal. Ver­la­der kön­nen diese Ver­kehrs­trä­ger zu effi­zi­en­ten, mul­ti­mo­da­len Logis­tik­lö­sun­gen kom­bi­nie­ren, wobei der Schie­nen­gü­ter­ver­kehr als das Rück­grat mul­ti­mo­da­ler Logis­tik­ket­ten gilt. Ent­spre­chend soll­te die För­de­rung der Mul­ti­mo­da­li­tät tech­no­lo­gie­neu­tral erfol­gen. Heute wird vor­wie­gend der unbe­glei­te­te kom­bi­nier­te Ver­kehr geför­dert, nicht aber der kon­ven­tio­nel­le Bahn­gü­ter­ver­kehr. Das Resul­tat: Der Anteil des Wagen­la­dungs­ver­kehrs im Tran­sit sinkt.

Abbildung 1: Entwicklung des Modalsplits im alpenquerenden Güterverkehr 1984 bis 2020

 

Unse­rer Ansicht nach ist das eine ver­pass­te Chan­ce. Denn das «Bun­des­ge­setz über die Ver­la­ge­rung des alpen­que­ren­den Güter­schwer­ver­kehrs von der Stras­se auf die Schie­ne» (GVVG)1 erlaubt die För­de­rung des gesam­ten Schie­nen­gü­ter­ver­kehrs. Wir mei­nen, dass alle Kom­bi­na­ti­ons­for­men von Stras­se, Schie­ne und See­weg Teil der mul­ti­mo­da­len Logis­tik sind und finan­zi­ell sowie infra­struk­tu­rell gleich­be­han­delt wer­den müssen.

Potenzial Nr. 2: Qualitätsmonitoring

Aktu­ell ist nur der unbe­glei­te­te kom­bi­nier­te Ver­kehr einem Moni­to­ring unter­stellt. Damit soll fest­ge­stellt wer­den, wie die Qua­li­tät im Tran­sit­ver­kehr dasteht. Im Tran­sit­ver­kehr fin­det hin­ge­gen kein Qua­li­täts­mo­ni­to­ring im Wagen­la­dungs­ver­kehr statt. Auch das sehen wir als zwei­te ver­pass­te Chan­ce. Denn wie gesagt, das GVVG sieht die För­de­rung des gesam­ten Schie­nen­gü­ter­ver­kehrs vor. Also soll­te die Qua­li­tät aller mul­ti­mo­da­len Trans­por­te über­wacht wer­den. Das gilt für Con­tai­ner, Sat­tel­auf­lie­ger, gedeck­te Wagen, Kes­sel­wa­gen und ande­re gleichermassen.

Abbildung 2: Entwicklung der Pünktlichkeit im alpenquerenden kombinierten Schienengüterverkehr 2019 bis 2021

 

Potenzial Nr. 3: Konnektivität und Produktivität

Das Bun­des­amt für Ver­kehr (BAV), der Ver­band öffent­li­cher Ver­kehr (VöV) und wir vom VAP neh­men die Digi­ta­li­sie­rung des Schie­nen­gü­ter­ver­kehrs im Rah­men eines Gross­pro­jekts in Angriff (vgl. Moti­on «Durch Auto­ma­ti­on Güter auf der Schie­ne effi­zi­en­ter trans­por­tie­ren» von Stän­de­rat und VAP-Prä­si­dent Josef Ditt­li). Mit­hil­fe digi­ta­ler Tech­no­lo­gien kön­nen Sen­dun­gen in Echt­zeit ver­folgt, die Fle­xi­bi­li­tät der Güter­bah­nen erhöht, Tem­pe­ra­tur­kon­trol­len durch­ge­führt, und damit die Qua­li­tät des gesam­ten Schie­nen­gü­ter­ver­kehrs mas­siv ver­bes­sert wer­den. Die Digi­ta­li­sie­rung erlaubt zudem die digi­ta­le Zug­steue­rung und Zugs­in­te­gri­tät. Sie ermög­licht, dank Ver­zicht auf feste Signa­le, erheb­li­che Kapa­zi­täts­stei­ge­run­gen im bestehen­den Bahn­netz, ohne zusätz­li­che Aus­bau­mass­nah­men. Damit wer­den Digi­ta­li­sie­rung und Auto­ma­ti­sie­rung wesent­li­che Bestand­tei­le einer zukunfts­ori­en­tier­ten Verlagerungspolitik.

Potenzial Nr. 4: Trassenpreise

Die Tras­sen­prei­se wer­den der­zeit nicht ver­ur­sa­cher­ge­recht fest­ge­legt. Mit ande­ren Wor­ten: Der Güter­ver­kehr muss teure Stan­dards für den Per­so­nen­ver­kehr mit­fi­nan­zie­ren. Im inter­na­tio­na­len Ver­gleich lie­gen die Tras­sen­prei­se in der Schweiz sehr hoch und damit aus­ser­halb einer rea­lis­ti­schen Wert­schöp­fung im Schie­nen­gü­ter­ver­kehr. Nach den tem­po­rä­ren Preis­sen­kun­gen im Rah­men der Covid-Mass­nah­men, bei denen im euro­päi­schen Umfeld der Tras­sen­preis prak­tisch gegen Null ten­dier­te, bleibt der Tras­sen­preis wei­ter­hin deut­lich ent­fernt vom euro­päi­schen Bench­mark. Des­halb erach­ten wir eine dau­er­haf­te Absen­kung der Tras­sen­prei­se als dring­li­che und effi­zi­en­te Fördermassnahme.

Potenzial Nr. 5: Leistungsabhängige Schwerverkehrsabgabe (LSVA)

Zur­zeit wer­den zwei Drit­tel der Erträ­ge aus der LSVA dem Bahn­in­fra­struk­tur­fonds (BIF) gut­ge­schrie­ben. Das ent­spricht jähr­lich einer Mil­li­ar­de Schwei­zer Fran­ken. Wir regen eine Prü­fung der Zweck­bin­dung der LSVA für Aus­bau­ten im Inter­es­se des Güter­ver­kehrs an. Denn obwohl die LSVA das Wachs­tum des Stras­sen­schwer­ver­kehrs begren­zen und die Ver­la­ge­rung des Güter­ver­kehrs auf die Schie­ne för­dern soll, wird die Ver­wen­dung der Ein­nah­men oft für Aus­bau­ten zuguns­ten des Per­so­nen­ver­kehrs beschlos­sen. Zum Ver­gleich: Allein die Nord­um­fah­rung von Zürich kos­tet 1 Mil­li­ar­de Schwei­zer Fran­ken, um Kapa­zi­tä­ten in der Ost-West-Achse zu schlies­sen. Das Bau­pro­jekt wurde im AS 2035 dis­ku­tiert, aber der Bahn­hof Sta­del­ho­fen mit einem ver­gleich­ba­ren Kos­ten­um­fang erhielt den Vorrang.

Potenzial Nr. 6: Zulaufstrecken

Der Ver­kehr auf den Zulauf­stre­cken nimmt lau­fend zu. Um diese für den Güter­ver­kehr attrak­tiv zu gestal­ten, pocht der Bun­des­rat auf der Ein­hal­tung der bestehen­den Aus­bau­ver­ein­ba­run­gen mit den Nach­bar­län­dern. Ergän­zend wurde der Bun­des­rat schon mit der Moti­on 20.3003 Staats­ver­trag für eine links­rhei­ni­sche Neat-Zulauf­stre­cke beauf­tragt, mit­tels eines Staats­ver­trags mit Frank­reich und Bel­gi­en eine leis­tungs­fä­hi­ge links­rhei­ni­sche Alter­na­tiv­rou­te (Flach­bahn) zu rea­li­sie­ren. Diese soll nun prio­ri­tär behan­delt wer­den. Wir befür­wor­ten eine Mit­fi­nan­zie­rung des links­rhei­ni­schen Stre­cken­ab­schnitts Karlsruhe–Basel zur raschen Rea­li­sie­rung einer alter­na­ti­ven Stre­cken­füh­rung. Nur so lässt sich die Qua­li­tät auf der nörd­li­chen Zulauf­stre­cke kurz­fris­tig ver­bes­sern. Die KVF‑N hat sich von die­sen Argu­men­ten über­zeu­gen las­sen und die Moti­on 22.300 «Wei­ter­füh­rung der erfolg­rei­chen Ver­la­ge­rungs­po­li­tik und Gewähr­leis­tung der natio­na­len Ver­sor­gungs­si­cher­heit dank Aus­bau des links­rhei­ni­schen NEAT-Zubrin­gers Wörth-Stras­bourg» eingereicht.

Potenzial Nr. 7: Alternativen

Der Ver­kehrs­ver­la­ge­rung sind natur­ge­mäss gewis­se Gren­zen gesetzt. Ent­spre­chend sind die Kräf­te auf geeig­ne­te Ver­keh­re zu bün­deln. Schie­ne und Stras­se ergän­zen sich. Umwelt­ver­träg­li­che Antriebs­tech­no­lo­gien brin­gen die nach­hal­ti­ge Wei­ter­ent­wick­lung des Ver­kehrs­trä­gers Stras­se ent­schei­dend voran. Darum set­zen wir uns für eine För­de­rung umwelt­scho­nen­der Antrie­be bei Wahl­frei­heit der Hal­ter ein. Durch die Aus­ge­stal­tung der LSVA lies­sen sich umwelt­freund­li­che Tech­ni­ken för­dern und für zehn Jahre Inves­ti­ti­ons­si­cher­heit garan­tie­ren. Der Gefahr­gut­trans­port über den Sim­plon­pass soll mit einer Bran­chen­lö­sung abge­si­chert wer­den. Mehr dazu lesen Sie im Blog­bei­trag «Gefahr­gut­trans­port am Sim­plon».

Abbildung 3: Alpenquerender Strassengüterverkehr 2019: Anzahl Fahrten nach Quell-/Zielregion

 

An ihrer Sit­zung von Anfang April 2022 wird sich die KVF‑N mit der Frage der zusätz­li­chen För­de­rung des alpen­que­ren­den Güter­ver­kehrs beschäf­ti­gen. Die Ver­wal­tung wird im Auf­trag der Kom­mis­si­on in einem Zusatz­be­richt auf­zei­gen, wel­che Mög­lich­kei­ten neben einer Anpas­sung der Tras­sen­prei­se zur Finan­zie­rung einer sol­chen Mass­nah­me zur Ver­fü­gung ste­hen. Es steht zu hof­fen, dass diese Zusatz­mass­nah­men bereits tech­no­lo­gie­neu­tral alle Schie­nen­ver­keh­re im Tran­sit berücksichtigen.

1 Vgl. Art 8 GVVG

Bei­trag Teilen: