In unserem Blogbeitrag «Keine Stabilisierung der SBB trotz 3 Mrd. Franken zusätzlicher Bundesmittel» haben wir unsere Position zur Motion 22.3008 geäussert. Im vorliegenden Beitrag fassen wir die Stimme der Branchen- und Interessenvertreter auf die bundesrätlichen Vorschläge im Bericht vom 16. Dezember 2022 zusammen. Die Wirtschaft lehnt die Finanzspritze von 3 Mrd. Schweizer Franken an die SBB ab und fordert stattdessen unternehmerische Verantwortung.
Darum geht’s:
- SBB aufgrund der Pandemie mit schlechten Resultaten im Fernverkehr konfrontiert
- Wirtschaft lehnt Finanzspritze von 3 Mrd. Franken ab und fordert unternehmerische Lösung
- Klares Nein zur Zweckentfremdung der LSVA
- Systemwechsel bei Darlehen wird begrüsst
- Marktöffnung im Fernverkehr spaltet die Wirtschaft
Die Motion 22.3008 «Unterstützung der Durchführung der SBB-Investitionen und einer langfristigen Vision in Covid-19-Zeiten» verlangt, dass der Bund die Defizite der SBB im Fernverkehr übernimmt. In seinem Bericht vom 16. Dezember 2022 formuliert der Bundesrat seine Vorschläge zur Finanzierung der SBB aus. Er schlägt einen einmaligen Kapitalzuschuss von geschätzt 1,25 Mrd. Schweizer Franken vor und will die Trassengebühren für den Fernverkehr mit weiteren 1,7 Mrd. Schweizer Franken reduzieren. Dieser Zustupf soll finanztechnisch durch Gutschrift der vollen Erträge der leistungsabhängigen Schwerverkehrsabgabe LSVA (Bundesanteil) in den Bahninfrastrukturfonds sichergestellt werden. Ziel der Massnahmen ist es, die Verluste der SBB im Fernverkehr von 2020 bis 2022 zu kompensieren und die Obergrenze von deren Nettoverschuldung einzuhalten.
Nein zur Finanzspritze, Ja zum Verzicht auf Tresoreriedarlehen
Die Wirtschaft – vertreten durch Economiesuisse, SGV, CFS, Astag und VAP – und die wirtschaftsnahen Parteien FDP und SVP lehnen sowohl die vorgeschlagene Finanzspritze als auch die Zweckentfremdung der LSVA zugunsten des Fernverkehrs mit einer deutlichen Mehrheit ab.
Ebenso geschlossen begrüssen sie den Systemwechsel bei der Darlehensgewährung und fordern den Verzicht auf Tresoreriedarlehen. Eine Mehrheit sieht als Lösung für die Finanzierung im kommerziellen Geschäftsbereich den Kapitalmarkt. Eine Minderheit kann sich auch dafür gewisse Bundesdarlehen durch das Parlament vorstellen. Insgesamt soll die Transparenz im kommerziellen und subventionierten Bereich erhöht werden.
Unternehmerische Verantwortung gefordert
Statt dass der Bund die Verluste der SBB infolge der Covid-19-Krise auf Kosten des Steuerzahlers übernimmt, soll die Staatsbahn unternehmerische Verantwortung tragen. Dazu stehen ihr diverse marktwirtschaftliche Massnahmen zur Verfügung, um Betriebskosten und Investitionen in Einklang mit Angebot und Preisen zu bringen. Realistische Beispiele sind Kosteneinsparungen, Preiserhöhungen oder der Verkauf von nicht betriebsnotwendigen Liegenschaften.
Trassenpreissystem verursachergerecht gestalten
SVP, Economiesuisse, SGV, CFS und VAP lehnen eine Senkung des Trassenpreises für den Fernverkehr ab. FDP und Astag können sich eine hälftige Lösung zwischen Bund und SBB vorstellen. Das Schweizer Trassenpreissystem ist nicht verursachergerecht ausgestaltet; der Güterverkehr wird zu stark belastet. Die Interessenvertreter sind sich einig, dass die LSVA nicht zur Lösung dieses Missstandes zweckentfremdet werden darf. Stattdessen soll der Bund die Bundesanteile der LSVA weiterhin lenkend und vermehrt für die Dekarbonisierung von Strasse, Schiene und Schifffahrt einsetzen.
Uneinig über Marktöffnung
Die güterverkehrsnahen Verbände Astag, CFS und VAP fordern eine Migrationsstrategie zur Öffnung des Markts im Fernverkehr in Einklang mit der Europäischen Union (EU). Hier zeigen die übrigen Wirtschaftsvertreter und wirtschaftsnahen Parteien eine grössere Bereitschaft für realpolitische Forderungen. Ob sich diese Schweizer Realpolitik auf europäischem Parkett noch lange halten lässt, wird sich weisen.
Positionen im Wortlaut
Unsere vollständige Anhörungsantwort vom 7. März 2023 finden Sie als Download auf unserer Website:
Weitere Vernehmlassungsantworten können Sie hier herunterladen: