Der Gemischte Landverkehrsausschuss hat am 24. Juni 2022 die Bedeutung harmonisierter Vorschriften für den Landverkehr Schweiz–EU gewürdigt. Wir meinen: Für nachhaltige Interoperabilität braucht es mehr. Jetzt ist eine koordinierte Verkehrspolitik gefragt.
1999 hat die Schweiz mit der Europäischen Union (EU) ein Landverkehrsabkommen abgeschlossen. Dieses garantiert Transporteuren von dies- und jenseits der Schweizer Landesgrenzen einen gegenseitigen Marktzutritt. Die Vorschriften für den grenzüberschreitenden Güterverkehr auf Schiene und Strasse wurden harmonisiert.
Schweiz teilweise aussen vor
Mit der NEAT baute die Schweiz den europäischen Schienenkorridor zur Flachbahn aus und setzte ihre Verlagerungspolitik mit der leistungsabhängigen Schwerverkehrsabgabe (LSVA) sowie Kabotage‑, Nacht- und Sonntagsfahrverbot erfolgreich um. Der Modalsplit im alpenquerenden Transitverkehr liegt bei über 70% zugunsten der Schiene, was als internationaler Benchmark gilt. Dieser erfreuliche Leistungsausweis darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Schweiz verglichen mit Mitgliedstaaten aktuell über keinen vollwertigen Marktzugang verfügt. Das Schweizer Bahnnetz ist noch kein integrierter Teil des europäischen Interop-Netzes.
Am Landverkehrsabkommen festhalten
Der Gemischte Landverkehrsausschuss hat anlässlich des Halbjahrestreffens vom 24. Juni 2022 die Bedeutung des Abkommens betont. Allerdings blockieren ungelöste politische Differenzen zwischen der Schweiz und der EU dessen Weiterentwicklung. Eine solche ist im Rahmen der technischen Säule des 4. EU-Bahnpakets dringend erforderlich.
Seit 2019 wird die Zusammenarbeit der Schweiz mit der europäischen Eisenbahnagentur ERA in einer befristeten Übergangslösung geregelt. Der Gemischte Ausschuss diskutierte eine weitere Verlängerung dieser Übergangslösung. Das würde der Schweiz sowohl die verfahrensmässige Einbindung zu vereinfachten Zulassungen im grenzüberschreitenden Verkehr erleichtern als auch das fachliche Mitwirken an Innovationsprojekten zur Digitalisierung und Automatisierung der Bahnen ermöglichen.
Bundesrat gefragt
Wir vom VAP sind überzeugt, dass der Schweizer Bahngüterverkehr den Marktzugang ausbauen muss und den Anschluss an die europäische Innovation nicht verpassen darf. Mit diesem Credo hat Ständerat Josef Dittli am 9. Juni 2022 die Interpellation 22.3566 eingereicht. Damit fordert er den Bundesrat auf, die folgenden Fragen zu beantworten:
- Wie will der Bundesrat die notwendige Weiterführung der Bahnpakete im Rahmen des Landverkehrsabkommens EU–CH sicherstellen?
- Wie will der Bundesrat die Umsetzung der technischen Säule des 4. EU-Bahnpakets in der Schweiz erreichen und den freien grenzüberschreitenden Bahnverkehr nachhaltig sichern?
- Wie will der Bundesrat die baldige volle Mitgliedschaft der Schweiz in der europäischen Eisenbahnagentur ERA erreichen?
- Wie will der Bundesrat den Schweizer Einsitz im EU-RISC als wichtiges Führungs- und Entscheidungsgremium sicherstellen und vervollständigen?
Vollständige Interoperabilität sicherstellen
Für die Wirtschaft im Allgemeinen und für unsere Mitglieder im Besonderen ist es entscheidend, dass bisherige Errungenschaften nachhaltig gesichert werden. Wir erachten es als absolut notwendig, dass die Schweiz baldmöglichst als gleichwertiger Partner in zentralen europäischen Gremien vertreten ist und dass die Verkehrspolitik im grenzüberschreitenden Verkehr koordiniert wird.