Zum ersten Mal seit 2018 fand am 15. November 2022 das Forum Anschlussgleise wieder statt. Die Referenten waren sich einig: Anschlussgleise lassen sich sehr wohl erfolgreich betreiben, sofern die Betreiber Geld und Zeit in Planung, Fachwissen und Sicherheit investieren.
Darum geht’s:
- Anschlussgleise lassen sich erfolgreich betreiben. Doch das erfordert Geld und Planung.
- Pragmatische Sicherheitskontrollen ermöglichen den Vergleich von Theorie und Praxis.
- Der Erfahrungsaustausch innerhalb der Branche und die Fachunterstützung durch den VAP werden begrüsst.
Kritischer Blick
Im ersten Teil des Forums brachten wir die neuen Rollen im Wagenladungsverkehr zur Sprache. In seiner Begrüssung warf VAP-Generalsekretär Frank Furrer einen kritischen Blick auf die aktuelle Vernehmlassung. Er fordert die Anwesenden auf, ihre Ideen für einen erfolgreichen Schienengüterverkehr in Branchengesprächen einzubringen. Nötig sei eine Neuordnung der Rollen der Akteure auf der letzten Meile, im Vertrieb und in der Produktion. Ebenso brauche es einen flexibleren Einsatz der Ressourcen wie Wagen und Loks durch neue Geschäftsmodelle. Eine Studie des VAP von 2013 zeigte schon damals auf, dass wettbewerbsorientierte Kooperation zu einem System mit effizienterer Leistungserbringung und mehr Verkehren führt.
Betrieb
Thomas Keller, Leiter Logistik bei der Perlen Papier AG, sprach über den erfolgreichen Betrieb der Anschlussgleise. Als grosse Herausforderung für seine Anschlussgleise in Gisikon/Root bezeichnete er die Rekrutierung qualifizierter Mitarbeitender. Die erforderliche Ausbildung koste viel Geld und bedinge eine weitsichtige Planung. Weitere Faktoren seien die komplexen Betriebsvorschriften und die Wartung der eigenen Loks. Thomas Keller teilt mit den Gästen seine Erfahrungen mit Artikel 6a der Gütertransportverordnung und der RailCom. Dank guter Beratung durch den VAP liess sich eine adäquate Sonderlösung für den Zugang zum Anschlussgleis der Perlen Papier AG finden, wonach keine Nutzung von Dritten möglich ist, da die Anlagen hierfür nicht geeignet seien und Ausbauprojekte bestehen.
Sicherheitskontrollen
Ueli Remund, Mitglied des Stabs Anschlussgleise bei der Planzer Transport AG, zeigte anhand der Organisation und Prozesse auf, wie wichtig eine saubere Dokumentation und Sicherheitskontrollen sind, z.B. um die Sicherheit und Rückverfolgbarkeit zu gewährleisten. Eine solche sei essenziell, um erfolgreich Anschlussgleise zu betreiben. Planzer musste die internen Kontrollen der Anschlussgleise verfeinern. Ueli Remund empfahl, den VAP fachkundigen Dienstleister damit zu beauftragen, wenn die Fachkompetenz im eigenen Haus fehlt.
Instandhaltung
Heinrich Maurer, Leiter Immobilien bei der mobilog AG, beleuchtete die Instandhaltung und deren verlässliche Planung mit Unterstützung des VAP am Beispiel des firmeneigenen Gleisanschlusses. Dieser ist ein wichtiger Bestandteil der Transportlogistik; immerhin wird gerade im Inbound 70% des Volumens mit der Bahn angeliefert. Die mobilog AG entschied sich, auf den Zug zu verladen, nachdem der Gotthardtunnel infolge eines Unfalls über längere Zeit gesperrt war. Heinrich Maurer beurteilt diese Entscheidung als nachhaltig richtig.
Aufsichtspflicht
Im zweiten Teil berichtete Henrik Lippmann, leitender Auditor bei der Sektion Sicherheitsüberwachung des BAV, über die Erfahrungen aus der Sicherheitsüberwachung von Anschliessern. Diese Aufsichtspflicht bringe den Unternehmen einen Mehrwert. Viele Anschliesser seien nicht bahnaffin, weshalb die Audits oft einer Beratung gleichkommen würden. Ein wichtiges Instrument stelle das Online-Verzeichnis Anschlussgleise dar. Dieses können Anschlussgleisbesitzer nutzen, um Dokumente digital abzulegen, automatische Benachrichtigungen einzurichten und für weitere nützliche Funktionen. Henrik Lippmann informierte zudem über die im Änderungszyklus 2024 anstehenden Neuerungen bei den Fahrdienstvorschriften (FDV), die zu Vereinfachungen im Rangierbereich der Anschlussgleise führen werden.
Dialog
In der Gesprächsrunde auf dem Podium diskutierten die Referenten über das Thema «Sicherheit in Realität und Theorie – bestehen Unterschiede?». Am Forum nahmen interessierte Verlader, Güterbahnen und Dienstleister teil. Aus den Vorträgen und aus der Diskussion konnten sie wertvolle Erkenntnisse und praktische Tipps mitnehmen. Und natürlich kam auch die Pflege des Netzwerks beim anschliessenden Stehlunch nicht zu kurz.