Der Bundesrat möchte die Bahn langfristig weiter stärken. Er hat dafür seine Langfriststrategie Bahn überarbeitet. Neu setzt er seine Schwerpunkte bei einem verbesserten Zugang zur Bahn und mehr Kapazitäten auf der Ost-West-Achse mit neuen multimodalen Umschlagsplattformen und Anlagen für die City-Logistik. Hier eine kritische Würdigung dieser Perspektive.
Im Hinblick auf künftige Ausbauschritte der Eisenbahninfrastruktur hat der Bundesrat seine Langfristperspektive Bahn aus dem Jahr 2012 angepasst und Details aus der Sitzung vom 22. Juni 2022 publiziert. Bis anhin hat sich der Bundesrat in erster Linie auf Engpassbeseitigungen und Taktverdichtungen konzentriert. Mit den kommenden Ausbauschritten im Rahmen der Perspektive BAHN 2050 will er das Bahnangebot primär auf kurzen und mittleren Distanzen verbessern, etwa mit zusätzlichen S‑Bahn-Angeboten und einer Aufwertung der Vorstadtbahnhöfe. Damit trägt er dem Umstand Rechnung, dass das grösste Verlagerungspotenzial auf die Schiene innerhalb der Agglomerationen sowie bei Verbindungen zwischen regionalen Zentren und Agglomerationen steckt.
Im Güterverkehr Verlagerung vorantreiben
Im Güterverkehr soll der Zugang zur Bahn verbessert und Kapazitäten auf der Ost-West-Achse gesteigert werden. Dies mit neuen multimodalen Umschlagsplattformen und Anlagen für die City-Logistik. Mit der angestrebten Verkehrsverlagerung will der Bundesrat seine Strategie zum Erreichen der Klimaziele stärken sowie Raum- und Verkehrsplanung besser aufeinander abstimmen. Diesen Anspruch bringt er in seiner Vision zum Ausdruck: «Die Bahn leistet dank effizienter Nutzung ihrer Stärken einen grossen Beitrag zum Klimaziel 2050 und stärkt den Lebens- und Wirtschafsstandort Schweiz».
Zielkonflikt freie Verkehrsmittelwahl
Als eines der Hauptziele von BAHN 2050 definiert der Bundesrat die Erhöhung des Bahnanteils im Modalsplit sowohl im Personen- als auch im Güterverkehr. Dieses Ziel widerspricht der Verfassung, die im Binnenverkehr die freie Verkehrsmittelwahl garantiert. Ebenfalls besteht ein Widerspruch zu den bisherigen Zielen des Bundesrats, insbesondere zu Ziel 7 des UVEK-Orientierungsrahmens 2040, «Zukunft Mobilität». Demnach können Verkehrsteilnehmende in der Schweiz frei entscheiden, welche Mobilitätsangebote sie nutzen und kombinieren.
Intramodaler Wettbewerb und marktwirtschaftliche Angebote
Für uns vom VAP geht der Modalsplit aus einer durchdachten Infrastruktur‑, Verkehrs- und Raumordnungspolitik hervor. Als Stimme der verladenden Wirtschaft setzen wir uns für günstige Rahmenbedingungen ein, die den intramodalen Wettbewerb auf der Schiene ankurbeln und mit marktwirtschaftlichen Angeboten für Kundenorientierung und Innovation sorgen. Damit solche Angebote ihr Potenzial entfalten können, sind ausreichend Kapazitäten auf dem Netz mit qualitativ hochstehenden und günstigen Trassen sowie genügend gut erschlossene Logistikstandorte nötig. Nur so lässt sich der Anteil des Schienengüterverkehrs am Modalsplit erhöhen. Deshalb warnen wir vor Ideen weiterer Netzwerke und abgestimmter Systemtrassen durch SBB Cargo. Diese behindern den angestrebten intramodalen Wettbewerb und wirken sich entsprechend negativ auf Kundenorientierung und Innovation aus.
Anschluss an Europa sicherstellen
Wir begrüssen den Fokus des Bundesrates auf kurze und mittlere Distanzen. Allerdings blendet er das vielschichtige Potenzial des internationalen Verkehrs aus. Das ist bedauerlich. Die Perspektive BAHN 2050 müsste unseres Erachtens eine günstige Anbindung des Schweizer Bahnnetzes an die internationalen Korridore und die Rheinhäfen sowie Südhäfen im Zielbereich vorsehen. Zu diesem Anspruch wird der Bundesrat durch die Motion 22.3000 «Weiterführung der erfolgreichen Verlagerungspolitik und Gewährleistung der nationalen Versorgungssicherheit dank Ausbau des linksrheinischen Neat-Zubringers Wörth-Strassburg» und die Motion 20.3003 «Staatsvertrag für eine linksrheinische Neat-Zulaufstrecke» explizit aufgefordert.
Klares Ja zur Digitalisierung
Als positiv werten wir die Absicht, Effizienzgewinne durch Automatisierung und neue Technologien konsequent zu nutzen, sowie das Ziel, das Bahnangebot als Teil der Gesamtmobilität flexibel und optimal mit den anderen Verkehrsträgern und ‑angeboten zu vernetzen. Hier spielen neben den erwähnten multimodalen Umschlagsplattformen vor allem die Rahmen- und Marktbedingungen für Güterbahnen eine entscheidende Rolle. Dazu gehören neben der digitalen automatischen Kupplung (DAK) insbesondere offene Daten- und Buchungsplattformen. Mit deren Hilfe werden Daten aus der gesamten Wertschöpfungskette erfasst und transparent ausgetauscht, sodass Güterbahnkunden ihre Sendungen einfach buchen und die Güterströme in Echtzeit verfolgen können.