Das Bun­des­amt für Ver­kehr (BAV) hat am 11. Sep­tem­ber 2025 die ange­kün­dig­ten Mass­nah­men zur Erhö­hung der Sicher­heit im Schie­nen­gü­ter­ver­kehr kon­kre­ti­siert. Damit reagiert die Bun­des­be­hör­de auf den Bericht der Sicher­heits­un­ter­su­chungs­stel­le (SUST) zum Unfall im Gott­hard­ba­sis­tun­nel. Gemäss BFS ist mit den Mass­nah­men unver­züg­lich zu begin­nen und sie müs­sen bis spä­tes­tens 31. Dezem­ber 2025 umge­setzt sein. Sie erschüt­tern den Schie­nen­gü­ter­ver­kehr in sei­nen Grund­fes­ten und die damit ein­her­ge­hen­den Mehr­kos­ten sind vor allem für die Wagen­hal­ter enorm. Zudem ist weder für die Wagen­hal­ter noch für die Werk­stät­ten klar, wie sie diese Mass­nah­men in so kur­zer Zeit umset­zen sol­len. Kurz­fris­tig dro­hen wirt­schaft­li­che Ver­wer­fun­gen, mit­tel­fris­tig wird die Wett­be­werbs­fä­hig­keit des gesam­ten Schie­nen­gü­ter­ver­kehrs mas­siv gesenkt. 


Darum geht’s:

  • Sicher­heit hat höchs­te Priorität
  • Ver­hält­nis­mäs­sig­keit, Trag­bar­keit und Umsetz­bar­keit blei­ben auf der Strecke
  • Kapa­zi­täts­eng­päs­se in der Wirt­schaft dürf­ten gra­vie­rend sein
  • Umset­zung setzt gros­se Fragezeichen
  • Euro­päi­sche Inter­ope­ra­bi­li­tät wird unterwandert
  • Las­ten ungleich auf die Markt­ak­teu­re verteilt
  • Wei­chen­stel­lung mit Langzeitfolgen

Sicher­heit hat höchs­te Priorität

Am 11. Sep­tem­ber 2025 hat das BAV die kon­kre­ten Mass­nah­men als Reak­ti­on auf den SUST-Bericht kom­mu­ni­ziert. Dies geschah, nach­dem das BAV nach der Publi­ka­ti­on des SUST-Berichts zwei Runde Tische mit Bran­chen­ver­tre­tern ein­be­ru­fen hatte. Ziel die­ses Dia­logs war das Fest­le­gen von Mass­nah­men, um die bereits hohe Sicher­heit des Schie­nen­gü­ter­ver­kehrs wei­ter zu ver­bes­sern. Gemäss BFS soll mit den Mass­nah­men unver­züg­lich begon­nen wer­den und sie sol­len bis spä­tes­tens 31. Dezem­ber 2025 umge­setzt sein.

Sicher­heit hat auch für die Mit­glie­der des VAP aller­höchs­te Prio­ri­tät. Trotz­dem ist es falsch und gefähr­lich, abso­lu­te Sicher­heit zu sug­ge­rie­ren. Es gilt, den Nut­zen von zusätz­li­chen und restrik­ti­ve­ren Mass­nah­men den Mehr­kos­ten gegen­über­zu­stel­len und mit Augen­mass zu ent­schei­den. Dabei ist fest­zu­hal­ten, dass die vom BAV ver­ord­ne­ten Mass­nah­men das Poten­zi­al haben, die Sicher­heit im gesam­ten Güter­ver­kehr zu redu­zie­ren. Dies, weil die Mass­nah­men und die damit ein­her­ge­hen­den hor­ren­den Kos­ten mit­tel­fris­tig zu einer Ver­la­ge­rung der Güter­trans­por­te von der Schie­ne auf die um ein Viel­fa­ches gefähr­li­che­re Stras­se füh­ren werden.

Ver­hält­nis­mäs­sig­keit, Trag­bar­keit und Umsetz­bar­keit blei­ben auf der Strecke

Der VAP sieht es als seine Auf­ga­be, die Mass­nah­men auf Ver­hält­nis­mäs­sig­keit, Trag­bar­keit und Umsetz­bar­keit für die Bran­che im All­ge­mei­nen und die Wagen­hal­ter im Beson­de­ren zu beur­tei­len. Zudem sol­len die Akteu­re des Schie­nen­gü­ter­ver­kehrs die Kos­ten der Mass­nah­men mög­lichst zu glei­chen Tei­len tra­gen. Ange­spro­chen sind haupt­säch­lich die Eisen­bahn­ver­kehrs­un­ter­neh­men (EVU) in ihrer Rolle als Beför­de­rer, die Wagen­hal­ter und die Infra­struk­tur­be­trei­ber. Nur wenn sie alle ihren Pflich­ten nach­kom­men, lässt sich das hohe Niveau an Sicher­heit auf­recht­erhal­ten und ver­bes­sern. Denn nicht eine ein­zel­ne Mass­nah­me, son­dern deren Viel­zahl und Zusam­men­spiel machen das Gesamt­sys­tem sicher.

Kapa­zi­täts­eng­päs­se in der Wirt­schaft dürf­ten gra­vie­rend sein

Mit den neuen Mass­nah­men nimmt das BAV die Wagen­hal­ter im Ver­gleich zu ande­ren Akteu­ren über­durch­schnitt­lich stark in die Pflicht. Ins­be­son­de­re die sub­stan­zi­el­le Sen­kung des Instand­hal­tungs­in­ter­valls wird die Ver­füg­bar­keit von Güter­wa­gen und die Wirt­schaft­lich­keit der Betrie­be mas­siv beein­träch­ti­gen. Denn die vom BAV ver­füg­ten Instand­hal­tungs­in­ter­val­le wer­den zu einer äus­serst star­ken, bis­her noch nicht abschlies­send quan­ti­fi­zier­ba­ren Reduk­ti­on der Ver­füg­bar­keit von Güter­wa­gen füh­ren. Dadurch führt diese Mass­nah­me kurz­fris­tig zu Eng­päs­sen bei der ver­la­den­den Wirt­schaft, die das Poten­zi­al haben, die Ver­sor­gungs­si­cher­heit im Land zu gefähr­den. Diese The­ma­tik kam im Vor­feld und auch an den Run­den Tischen oft zur Spra­che, ist beim BAV jedoch über­ra­schend wenig in die Ent­schei­dungs­fin­dung eingeflossen.

Mit­tel­fris­tig wer­den die beschlos­se­nen Mass­nah­men die Wett­be­werbs­fä­hig­keit der Schie­ne gegen­über der Stras­se wei­ter ver­schlech­tern und die Ver­la­ge­rung von der Schie­ne auf die Stras­se stark beschleu­ni­gen. Und dies alles in einer Zeit, in der der Schie­nen­gü­ter­ver­kehr bereits an vie­len Fron­ten kräf­tig unter Druck steht. Diese Kon­se­quen­zen ste­hen im gros­sen Wider­spruch zum Wil­len für mehr Schie­nen­gü­ter­ver­kehr, der auch im Par­la­ment mit der Ver­ab­schie­dung des Güter­trans­port­ge­set­zes ein­mal mehr zum Aus­druck gebracht wurde. Die vom BAV ver­ord­ne­ten Mass­nah­men lau­fen die­sem Wil­len zuwider.

Umset­zung setzt gros­se Fragezeichen

Für den VAP ist heute nicht abseh­bar, wie die Mass­nah­men in der äus­serst kur­zen Frist bis zur Inkraft­set­zung umge­setzt wer­den sol­len. Denn schon heute feh­len den Instand­hal­tungs­fir­men Kapa­zi­tä­ten, Res­sour­cen und Kom­po­nen­ten. Diese Situa­ti­on wird sich als Folge der BAV-Mass­nah­men wei­ter ver­schär­fen. Es ist zu befürch­ten, dass Güter­wa­gen nicht nur öfter, son­dern vor allem län­ger in den Instand­hal­tungs­fir­men ste­hen, als bis­her. Hinzu kommt, dass die Zahl der Leer­wa­gen­trans­por­te zu und von den Werk­stät­ten signi­fi­kant stei­gen wird. Auch dies wer­den vor­erst vor allem die ver­la­den­den Betrie­be spü­ren, da sie zum Trans­port der­sel­ben Güter­men­ge mehr Wagen bezie­hen müs­sen. Als Kon­se­quenz dar­aus dürf­ten sich mit­tel­fris­tig mehr und mehr Ver­la­der vom Schie­nen­gü­ter­ver­kehr abwen­den und ihre Güter auf der Stras­se befördern.

Euro­päi­sche Inter­ope­ra­bi­li­tät wird unterwandert

Da der Schie­nen­gü­ter­ver­kehr euro­pa­weit inte­griert ist, machen die Aus­wir­kun­gen der BAV-Mass­nah­men nicht an den Lan­des­gren­zen halt. Wagen­hal­ter aus­ser­halb der Schweiz kön­nen kaum fest­stel­len, ob einer ihrer ver­mie­te­ten Güter­wa­gen Schwei­zer Glei­se befährt, da die Kun­den die ver­füg­ba­ren Wagen im Sinne der Inter­ope­ra­bi­li­tät frei dis­po­nie­ren. Die vom BAV ver­ord­ne­ten Mass­nah­men dürf­ten dazu füh­ren, dass die Wagen­hal­ter den Schwei­zer Markt nicht mehr und wenn über­haupt mit eigens für die Schweiz gewar­te­ten Flot­ten bedie­nen wer­den. Dies bedeu­tet ein wei­te­rer admi­nis­tra­ti­ver Auf­wand, der die Kos­ten in die Höhe trei­ben und die Attrak­ti­vi­tät des Schie­nen­gü­ter­ver­kehrs sen­ken wird.

Las­ten ungleich auf die Markt­ak­teu­re verteilt

Die Wagen­hal­ter müs­sen die Finan­zie­rung der Kos­ten fast voll­um­fäng­lich allein tra­gen, unab­hän­gig vom deut­lich stei­gen­den und bis heute nicht defi­nier­ten zusätz­li­chen Orga­ni­sa­ti­ons­auf­wand. Weder den EVUs als Beför­de­rer noch den Infra­struk­tur­be­trei­bern hat das BAV ähn­lich ein­schnei­den­de Mass­nah­men auf­er­legt. Dies über­rascht, denn es gibt kei­nen plau­si­blen Grund, sie weni­ger in die Pflicht zu neh­men als die Wagen­hal­ter. Auch zu die­sem Thema wur­den an den Gesprä­chen der Run­den Tische kon­kre­te Mass­nah­men für beide Akteu­re aufgezeigt.

Wie für alle Betei­lig­ten ist auch für den VAP klar, dass man nach einem Unfall wie dem­je­ni­gen im Gott­hard­ba­sis­tun­nel mit mas­si­ven – zum Glück nur finan­zi­el­len – Kos­ten nicht ein­fach zur Tages­ord­nung über­ge­hen kann. Es ist aber auch so, dass die Wagen­hal­ter schon immer viel inves­tiert haben und fort­lau­fend mehr in die Sicher­heit ihrer Güter­wa­gen inves­tie­ren. Schon in Ver­gan­gen­heit setz­ten sie jähr­lich wirk­sa­me Mass­nah­men im Umfang von 40 Mio. Euro um. Von Anfang an hat der VAP als Stim­me der Wagen­hal­ter Hand für Mass­nah­men gebo­ten, die das bereits hohe Sicher­heits­ni­veau der Schie­ne wei­ter erhöht und gleich­zei­tig der Ver­hält­nis­mäs­sig­keit, Trag­bar­keit und Umsetz­bar­keit Rech­nung getra­gen hätten.

Wei­chen­stel­lung mit Langzeitfolgen

Die Mass­nah­men sind für die ver­la­den­de Wirt­schaft ein­schnei­dend. Noch ist keine abschlies­sen­de Abschät­zung der Fol­gen und Kos­ten für den Schie­nen­gü­ter­ver­kehr mög­lich – zu kom­plex ist das Sys­tem und zu kom­pli­ziert sind die ver­füg­ten Mass­nah­men. Klar ist jedoch schon heute, dass der Schie­nen­gü­ter­ver­kehr wie wir ihn bis anhin kann­ten fun­da­men­tal ver­än­dert wird.

Die höhe­ren Kos­ten für die Instand­hal­tung und Zufüh­rung zu Werk­stät­ten müs­sen kurz­fris­tig die Wagen­hal­ter tra­gen. Mit­tel­fris­tig jedoch wir­ken sich die Mass­nah­men äus­serst nega­tiv auf den Schie­nen­gü­ter­ver­kehr aus. Denn wegen der stei­gen­den Kos­ten wer­den wei­te­re Unter­neh­men ihre Güter in Zukunft auf der Stras­se statt auf der Schie­ne trans­por­tie­ren. Die Sicher­heit ist damit nicht erhöht, im Gegen­teil wird der Güter­ver­kehr mit der höhe­ren Unfall­wahr­schein­lich­keit beim Trans­port auf der Stras­se ins­ge­samt unsicherer.

 

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