In die­ser Hom­mage erfah­ren Sie, wie sich der Schie­nen­gü­ter­ver­kehr in der Schweiz beharr­lich Rich­tung Zukunft bewegt. Viele Jahre lang war Inno­va­ti­on ein Fremd­wort für die «brau­nen Wag­gons». Doch diese Ära ist passé. Die Güter­bah­nen sind bereit für das Zeit­al­ter 4.0 und ihren Platz auf der Schie­ne. Die­ses ist für Ver­sor­gungs­si­cher­heit, eine umwelt­freund­li­che Trans­port­leis­tung und ent­las­te­te Stras­sen unverzichtbar. 

Darum geht’s:

  • Seit 175 Jah­ren kon­ti­nu­ier­lich im Aufwärtstrend
  • Leis­tet über einen Drit­tel der Trans­port­leis­tun­gen in und durch die Schweiz
  • Rück­blick auf ver­gan­ge­ne Kri­sen und Erfolge
  • Bei der Elek­tri­fi­zie­rung ein Jahr­hun­dert Vorsprung


Die Trans­port­leis­tung des Schie­nen­gü­ter­ver­kehrs hat in der Schweiz seit dem Beginn des 20. Jahr­hun­derts eine beein­dru­cken­de Ent­wick­lung erfah­ren. Gemäss Bun­des­amt für Sta­tis­tik (BFS) betrug sie im Jahr 1900 ins­ge­samt etwa 1,5 Mil­li­ar­den Ton­nen­ki­lo­me­ter. Seit­dem wurde die Schie­ne durch viele, teil­wei­se weit ent­fern­te Kri­sen geprägt. Heute macht sie mit 10,4 Mia. Ton­nen­ki­lo­me­ter und einem Anteil von 37%[1] am Modal­split einen wich­ti­gen Pfei­ler des Schwei­zer Ver­kehrs­sys­tems aus. Aber alles der Reihe nach.

Kleines Land, grosse Leistung – noch viel Potenzial

Die Trans­port­leis­tung des Schie­nen­gü­ter­ver­kehrs schwank­te über die Jahr­zehn­te (vgl. Abbil­dung 1). Seit dem Ende der Pan­de­mie steigt sie wie­der ste­tig an. Im alpen­que­ren­den Güter­ver­kehr (Tran­sit) besteht auf­grund des Alpen­schutz­ar­ti­kels in der Bun­des­ver­fas­sung ein Ver­la­ge­rungs­auf­trag. Als Folge des NEAT-Baus, des Vier-Meter-Kor­ri­dors und einer bei­spiel­lo­sen finan­zi­el­len För­de­rung des unbe­glei­te­ten kom­bi­nier­ten Ver­kehrs (UKV) wies die Schweiz 2021im alpen­que­ren­den Ver­kehr mit 74% einen sehr hohen Modal­split zuguns­ten der Schie­ne auf; die Trans­port­leis­tung des Schie­nen­gü­ter­ver­kehrs mach­te im Ver­gleich zu ande­ren Län­dern mit 66% des Tran­sit­ver­kehrs einen Spit­zen­wert aus. Der gesam­te Modal­split lag mit 37% Schie­ne eben­falls über dem inter­na­tio­na­len Niveau.

Im nicht tran­si­tie­ren­den Ver­kehr besteht kein Ver­la­ge­rungs­auf­trag. Im Bin­nen­ver­kehr (2021: 23%), Import (7,5%) und Export (3,5%[2]) schlum­mert ein enor­mes Poten­zi­al, inso­fern die grund­le­gen­de Moder­ni­sie­rung und Neu­or­ga­ni­sa­ti­on des Wagen­la­dungs­ver­kehrs sowie die För­de­rung des intra­mo­da­len Wett­be­werbs umge­setzt wer­den[3]. Dazu zäh­len die Auto­ma­ti­sie­rung und Digi­ta­li­sie­rung des Bahn­sys­tems. Diese brin­gen den Wagen­la­dungs­ver­kehr auf die Über­hol­spur und machen die Schie­ne fit für den inter­mo­da­len Wett­be­werb und mul­ti­mo­da­le Logis­tik­ket­ten. Eine aus­rei­chend ver­füg­ba­re Infra­struk­tur für die Güter­bah­nen und mehr güns­tig gele­ge­ne Logis­tik­stand­or­te beschleu­ni­gen die­sen Fort­schritt zusätz­lich[4].

Die Ver­kehrs- und Infra­struk­tur­po­li­tik der Schweiz soll daher ver­mehrt den Kun­den­nut­zen des Ver­kehrs­trä­gers Bahn für die ver­la­den­de Wirt­schaft im Fokus haben. Je mehr Nut­zen das Schie­nen­gü­ter­ver­kehrs­sys­tem Schweiz den Ver­la­dern bringt, desto reger wird es genutzt – also Ver­kehr ver­la­gert. Wir vom VAP leh­nen eine expli­zi­te Ver­la­ge­rungs­po­li­tik im Bin­nen­ver­kehr ab.

Abbil­dung 1: Trans­port­leis­tung im Schwei­zer Schie­nen­gü­ter­ver­kehr seit 1900 (zum ver­grös­sern bitte auf das Bild klicken)


Berg- und Talfahrt mit klarem Höhenmetergewinn

Am 7. August 1847 wurde die erste, ganz auf Schwei­zer Boden befind­li­che Eisen­bahn­stre­cke von Zürich nach Baden – im Volks­mund die «Spa­nisch-Bröt­li-Bahn»[5] genannt (vgl. Abbil­dung 2) – fei­er­lich eröff­net. Einer der Grün­de für den Bau die­ser Stre­cke: Die Zür­cher Herr­schaf­ten lies­sen sich – vor­nehm­lich sonn­tags – von einem bekann­ten Bade­ner Bäcker­meis­ter das Blät­ter­teig­ge­bäck «Spa­nisch Bröt­li» durch ihre Boten brin­gen. Die armen Bediens­te­ten muss­ten sich jeweils kurz nach Mit­ter­nacht zu Fuss auf den Weg nach Baden machen, damit sie fri­sche Bröt­chen auf dem sonn­täg­li­chen Früh­stücks­tisch legen konn­ten. Die «Spa­nisch-Bröt­li-Bahn» ermög­lich­te einen schnel­len und zuver­läs­si­gen Trans­port von Gütern und Per­so­nen.[6]

Abbil­dung 2: Mit der «Spa­nisch-Bröt­li-Bahn» erhält die Schweiz ihre erste lan­des­ei­ge­ne Bahnstrecke.

Die ers­ten Bah­nen ent­stan­den in der Schweiz auf pri­va­te Initia­ti­ve. Sie konn­ten mit einer Kon­zes­si­on der befah­re­nen Kan­to­ne ihren Betrieb auf­neh­men. Vor­ga­ben des Bun­des gab es zunächst nur zu tech­ni­schen Fra­gen. Der Bund erhielt spä­ter mehr Kom­pe­ten­zen, um ein sinn­vol­les natio­na­les Netz zu gewährleisten.

1857 wurde erst­mals in der Schweiz ein Bahn­post­wa­gen bei der Schwei­ze­ri­schen Nord­ost­bahn auf der Stre­cke Zürich–Baden–Brugg ein­ge­setzt. Dies war der Anfang der Schwei­zer Bahn­post.  1859 hatte das Stre­cken­netz bereits eine Länge von mehr als 1000 km, es gab eine durch­ge­hen­de Ver­bin­dung vom Boden­see bis nach Genf, an die auch Bern, Luzern, Chur, St. Gal­len, Schaff­hau­sen und Basel ange­schlos­sen waren. 1882 konn­te nach Fer­tig­stel­lung des 15 km lan­gen Schei­tel­tun­nels die Gott­hard­bahn ihren Betrieb aufnehmen.

1875 wurde in der Schweiz das erste Gesetz für Bau und Betrieb von Indus­trie­g­leis­an­la­gen ein­ge­führt und damit die Rechts­ver­hält­nis­se für Anschluss­glei­se gesetz­lich gere­gelt. Der Volks­ent­scheid vom 20. Febru­ar 1898 bedeu­te­te das Ende des Pri­vat­bahn­zeit­al­ters, ab 1902 über­nahm die neu gegrün­de­te Staats­bahn SBB die gröss­ten Bahn­ge­sell­schaf­ten sowie klei­ne­re Pri­vat­bah­nen. Mit der Ver­staat­li­chung ging die Ver­ant­wor­tung für die Wei­ter­ent­wick­lung der Bahn an den Bund über. Dabei war die Über­nah­me der Infra­struk­tur durch die SBB ein guter Schritt. Der Betrieb auf dem Netz soll­te aller­dings durch Wett­be­werb geprägt sein.

Mit der Mono­po­li­sie­rung des Schie­nen­ver­kehrs wurde es 1912 Zeit für die Grün­dung eines Ver­tre­ters für die pri­va­ten Akteu­re. Das war die Geburts­stun­de des VAP Ver­band Schwei­ze­ri­scher Anschluss­glei­se- und Pri­vat­gü­ter­wa­gen­be­sit­zer – heu­ti­gem VAP Ver­band der ver­la­den­den Wirt­schaft – der sich fort­an für den fai­ren Wett­be­werb und die Opti­mie­rung von wirt­schafts­po­li­ti­schen Rah­men­be­din­gun­gen, Schie­nen­in­fra­struk­tur und Logis­tik­stand­or­ten ein­setz­te. Die Schie­ne trug damals mass­ge­bend zur indus­tri­el­len Revo­lu­ti­on bei – die loh­nen­de Ver­bin­dung häng­te mit der wach­sen­den Infra­struk­tur bald Schiff und Pfer­de­kut­sche ab. Ein schnel­ler Trans­port inner­halb der Schweiz, aber auch nach Euro­pa, ermög­lich­te neue wirt­schaft­li­che Möglichkeiten.

Im Ers­ten Welt­krieg stieg die Trans­port­leis­tung im Schie­nen­gü­ter­ver­kehr zuerst an, bevor sie 1917 um 18% und 1918 um 14% zurück­ging. Diese Rück­gän­ge las­sen sich auf die Unter­bre­chun­gen in der Pro­duk­ti­on und dem Han­del sowie die Aus­wir­kun­gen der Spa­ni­schen Grip­pe zurück­füh­ren. Die dama­li­ge Pan­de­mie erfass­te in der Schweiz in zwei Wel­len rund die Hälf­te der Schwei­zer Bevöl­ke­rung und for­der­te zwi­schen Juli 1918 und Juni 1919 fast 25 000 Todes­op­fer. In den 1920er-Jah­ren erhol­te sich die Trans­port­leis­tung, bevor sie im Jahr der Wirt­schafts­kri­se 1921 und mit dem New Yor­ker Bör­sen­crash vom Okto­ber 1929 erneut einbrach.

Mit Beginn des Zwei­ten Welt­kriegs begann für die Güter­bahn ein Auf­schwung, den sie der Rüs­tungs­kon­junk­tur und poli­ti­schen Ent­schei­dun­gen ver­dank­te[7]. Der Bin­nen­ver­kehr nahm zu, da die unter­des­sen gröss­ten­teils elek­tri­fi­zier­te Bahn den wegen Treib­stoff­man­gels weit­ge­hend lahm­ge­leg­ten Auto- und Last­wa­gen­ver­kehr ersetz­te. Wäh­rend des Zwei­ten Welt­kriegs ging die Trans­port­leis­tung der Schie­ne mas­siv zurück, bis der Güter­tran­sit­ver­kehr Ende des Krie­ges fast voll­stän­dig zusam­men­brach und die Trans­port­leis­tung ins­ge­samt 42% verlor.

Nach dem Zwei­ten Welt­krieg erhol­te sich die Wirt­schaft und damit die Trans­port­leis­tung der Bahn. Sie erreich­te in den 1970er-Jah­ren einen ers­ten Rekord­wert. Es folg­ten star­ke Abfäl­le auf­grund der Ölpreis­kri­se, des Bör­sen­crashs von 1987, der Immo­bi­li­en­kri­se und der fol­gen­den Rezes­si­on der 1990er-Jahre. 1999 star­te­te die Schweiz im Rah­men der euro­päi­schen Markt­öff­nung für den UKV und gestützt auf die EG-Richt­li­nie 91/440/EWG[8] den ers­ten von meh­re­ren Schrit­ten der soge­nann­ten Bahn­re­form. Das Ziel: das Schwei­zer Bahn­sys­tem effi­zi­en­ter und kun­den­freund­li­cher gestalten.

Das neue Anschluss­gleis­ge­setz vom 5. Okto­ber 1990 nebst Ver­ord­nung vom 26. Febru­ar 1992 soll der För­de­rung des Eisen­bahn­gü­ter­ver­kehrs neue Impul­se geben und dazu bei­tra­gen, die zahl­rei­chen im Güter­ver­kehr anste­hen­den Pro­ble­me zukunfts­ori­en­tiert zu lösen.

Im Jahr 2000 war die Trans­port­leis­tung im Schie­nen­gü­ter­ver­kehr fünf­mal so gross wie im Jahr 1950 (+397%). Die­ses Viel­fa­che ist umso beein­dru­cken­der, als dass der Anteil der Schie­ne am gesam­ten Güter­trans­port gera­de in jenen Jah­ren zuguns­ten des Stras­sen­ver­kehrs mas­siv zurück­ging. Denn trotz der Erfah­run­gen mit der Treib­stoff­knapp­heit wäh­rend des Zwei­ten Welt­krie­ges erfolg­te nach dem Kriegs­en­de der Über­gang zur erd­öl­ba­sier­ten Wirtschaft.

Wei­te­ren Auf­wind brach­te die Neue Eisen­bahn-Alpen­trans­ver­sa­le (NEAT). Mit drei Basis­tun­nels durch die Alpen und dem Aus­bau der Zufahrts­stre­cken rück­te sie den Nor­den und Süden der Schweiz und Euro­pas enger zusam­men. Der Lötsch­berg-Basis­tun­nel ist seit 2007 in Betrieb. Der Gott­hard-Basis­tun­nel wurde 2016 eröff­net. 2020 wurde die NEAT mit der Inbe­trieb­nah­me des Ceneri-Basis­tun­nels vollendet.

Stim­mung 2008–2012

Damit Sie den Puls der dama­li­gen Zeit zu füh­len, haben wir Inhal­te von Refe­ra­ten an unse­ren GVs aus den Jah­ren 2008, 2010 und 2012 für Sie zusammengefasst:

2008: GV VAP, Prä­si­di­al­an­spra­che des Prä­si­den­ten Franz Steinegger 

Die Schwei­zer Ver­kehrs­po­li­tik im Schie­nen­gü­ter­ver­kehr ist von Wider­sprü­chen geprägt. Einer­seits wer­den Mil­lio­nen von Fran­ken in den Tran­sit­ver­kehr zwi­schen Deutsch­land und Ita­li­en inves­tiert, wenn die­ser als kom­bi­nier­ter Ver­kehr oder als rol­len­de Land­stras­se abge­wi­ckelt wird. Ande­rer­seits wird im Bin­nen­ver­kehr der Per­so­nen­ver­kehr über eine ver­fehl­te Tras­sen­preis­re­ge­lung sub­ven­tio­niert und der Schie­nen­gü­ter­ver­kehr benach­tei­ligt. Der Ver­la­der in der Schweiz wird zudem nur dann eine pau­scha­le Rück­erstat­tung der LSVA erhal­ten, wenn er seine Güter in einem Con­tai­ner zur Bahn bringt, was den Tran­sit­ver­kehr wei­ter sub­ven­tio­niert. Der Ver­band der Schwei­ze­ri­schen Ver­la­der (VAP) for­dert eine umfas­sen­de Ver­la­ge­rungs­po­li­tik, die auch öko­lo­gi­sche Kri­te­ri­en berück­sich­tigt. Dazu müs­sen die Tras­sen­prei­se, Zugangs­prio­ri­tä­ten, Schie­nen­ka­pa­zi­tä­ten, die Anwen­dung des Ver­ur­sa­cher­prin­zips bei Stre­cken­erneue­run­gen und eine bedarfs­ge­rech­te Beur­tei­lung des Wagen­la­dungs­ver­kehrs ver­bes­sert wer­den. Es wird auch betont, dass die Bedürf­nis­se des Güter­ver­kehrs bei der zukünf­ti­gen Ent­wick­lung von Bahn­pro­jek­ten nicht unter­schätzt wer­den dürfen.

2010: GV VAP, Refe­rat von Moritz Leuenberger

Der Güter­ver­kehr, der für den Trans­port von Waren ver­ant­wort­lich ist, wird von vie­len Men­schen oft über­se­hen. Wäh­rend die meis­ten sich nicht um die Her­kunft und Ent­ste­hungs­ge­schich­te der Waren küm­mern, sind sie oft auch nicht dar­über infor­miert, wie der Trans­port und die Logis­tik von­stat­ten­ge­hen. Der Text zeigt auf, dass der Güter­ver­kehr auf der Schie­ne gegen­über dem Per­so­nen­ver­kehr benach­tei­ligt wird und oft zu wenig poli­ti­sche Unter­stüt­zung erhält. Die öffent­li­chen Gel­der wer­den knap­per, wäh­rend die Güter­trans­por­te sowohl auf der Stras­se als auch auf der Schie­ne expo­nen­ti­ell zuneh­men. Leu­en­ber­ger schlägt vor, dass die Prio­ri­tä­ten­ord­nung auf dem Schie­nen­netz über­dacht wer­den muss, um den Güter­ver­kehr zu stär­ken. Der Bund habe bereits Mass­nah­men ergrif­fen, um den Güter­ver­kehr zu unter­stüt­zen, dar­un­ter ZEB und Bahn2030.

2012: GV VAP: Refe­rat von Franz Stein­eg­ger, Prä­si­dent VAP

Der Prä­si­dent blickt auf eine lange Kar­rie­re in der Ver­kehrs­po­li­tik zurück und erin­nert sich an Dis­kus­sio­nen über ver­schie­de­ne Pro­jek­te wie Bahn 2000, den Verei­na­tun­nel, die Neat und den Alpen­schutz­ar­ti­kel. Er stellt fest, dass das Wachs­tum des Per­so­nen- und Güter­ver­kehrs bis 2030 um 60% zuneh­men wird und dass die Infra­struk­tur der stei­gen­den Mobi­li­täts­nach­fra­ge fol­gen muss. Es gibt jedoch finan­zi­el­le und öko­lo­gi­sche Gren­zen, und es besteht die Frage, ob das not­wen­di­ge Infra­struk­tur­an­ge­bot bereit­ge­stellt wer­den kann. Der Autor kri­ti­siert, dass Poli­ti­ker und Ver­bän­de sich lie­ber mit Steue­rungs­mit­teln und Nut­zungs­prio­ri­tä­ten bei den bestehen­den Infra­struk­tu­ren beschäf­ti­gen, anstatt sich mit der Zukunft zu befas­sen. Bei den Bah­nen gibt es Pläne wie Bahn 2030 und ein stra­te­gi­sches Ent­wick­lungs­pro­gramm Bahn­in­fra­struk­tur (STEP) mit Inves­ti­tio­nen von CHF 42 Mil­li­ar­den. Auch die Stras­se hat Finan­zie­rungs­vor­schlä­ge. Die Schweiz inves­tiert pro Kopf am meis­ten in das Eisen­bahn­netz in Europa.

Aus der Festschrift:

Das Bun­des­ge­setz und das Ber­ner Über­ein­kom­men haben die Güter­bahn im natio­na­len und inter­na­tio­na­len Ver­kehr geför­dert. Der Bahn­gü­ter­ver­kehr steht jedoch im har­ten Wett­be­werb mit Stras­sen­gü­ter­ver­kehr und Per­so­nen­ver­kehr, was die Wett­be­werbs­fä­hig­keit des Bahn­gü­ter­ver­kehrs zuneh­mend schwächt. Die Schwei­zer Ver­kehrs­po­li­tik zielt dar­auf ab, Güter­ver­keh­re von der Stras­se auf die Schie­ne zu ver­la­gern, was eine gut aus­ge­bau­te Infra­struk­tur und faire Netz­zu­gangs­be­din­gun­gen erfor­dert. Um wett­be­werbs­fä­hig zu blei­ben, braucht es auch intra­mo­da­len Wett­be­werb und staat­li­che Anrei­ze sowie eine kri­ti­sche Ana­ly­se der Orga­ni­sa­ti­on der Bahn­in­fra­struk­tur und der Eisen­bahn­un­ter­neh­men. Der VAP sieht es als Her­aus­for­de­rung und Ver­pflich­tung an, die Ver­kehrs­ver­la­ge­rungs­dis­kus­si­on im Inter­es­se des Wirt­schafts­stand­orts und Lebens­raums Schweiz auszugleichen.

 

Auf die Ter­ror­an­schlä­ge in den USA 2001 folg­te ein Rück­gang von 4%. Nach der durch das Plat­zen der US-Immo­bi­li­en­bla­se aus­ge­lös­ten Finanz­kri­se von 2008 sank die Trans­port­leis­tung 2009 um 14%. In der Kon­junk­tur­kri­se im Jahr 2012 nach der Ein­füh­rung des Euro-Min­dest­kur­ses gab es erneut einen Rück­gang um 4%. Die Sper­rung der Rhein­tal­bahn (Was­ser­ein­bruch Ras­tat­ter Tun­nel) hatte im Jahr 2017 eine Abnah­me von 6% zur Folge. Damit ver­gleich­bar ist die Abnah­me im Schie­nen­gü­ter­ver­kehr von 5% im Coro­na-Pan­de­mie­jahr 2020. 2021 legte der Güter­ver­kehr auf der Schie­ne wie­der um 6,2% zu (10,4 Mia. Tonnenkilometer).

Elektrifizierung: ein Jahrhundert Vorsprung

In der Grün­der­zeit waren die Bah­nen mit Kohle unter­wegs. 1888 roll­te in der Schweiz mit der Tram­way Vevey-Mon­treux-Chil­lon (VMC) die erste elek­trisch betrie­be­ne Bahn aus. Es folg­ten schritt­wei­se wei­te­re Schmal­spur­bah­nen. 1901 wurde anläss­lich der Gene­ral­ver­samm­lung des Schwei­ze­ri­schen Elek­tro­tech­ni­schen Ver­eins bean­tragt, auch die Elek­tri­fi­zie­rung der Nor­mal­spur­bah­nen zu prüfen.

Abbil­dung 3: 1888 roll­te mit der Tram­way Vevey-Mon­treux-Chil­lon die erste elek­tri­sche betrie­be­ne Bahn der Schweiz aus. © Lau­rent Croset

Der Initi­ant liess sich laut der spä­te­ren Stu­di­en­kom­mis­si­on für elek­tri­schen Bahn­be­trieb «haupt­säch­lich von der Not­wen­dig­keit lei­ten, unser Land von den koh­len­pro­du­zie­ren­den Län­dern unab­hän­gi­ger zu machen und der schwei­ze­ri­schen elek­tro­tech­ni­schen Indus­trie ein neues Arbeits­feld zu eröff­nen». Die Stu­di­en­kom­mis­si­on sel­ber hob 1912 in ihrem Bericht an die Gene­ral­di­rek­ti­on SBB «die Ver­wer­tung der natio­na­len Was­ser­kräf­te an Stel­le der aus­län­di­schen Kohle» als Haupt­mo­tiv her­vor «und wenn mög­lich eine Ver­bil­li­gung des Betriebs». Bereits 1906 bzw. 1913 gin­gen die ver­schie­de­nen Stre­cken­ab­schnit­te der Lötsch­berg-Sim­plon-Achse elek­tri­fi­ziert in Betrieb.

Die Koh­le­knapp­heit im Ers­ten Welt­krieg trieb die Elek­tri­fi­zie­rung der Bahn voran. 1920 ging die Gott­hard­bahn elek­trisch in Betrieb und bis 1928 wurde mehr als die Hälf­te der SBB-Stre­cken elek­tri­fi­ziert. Bereits in der Zwi­schen­kriegs­zeit nahm die Schweiz im inter­na­tio­na­len Ver­gleich bei der Elek­tri­fi­zie­rung eine füh­ren­de Rolle ein. Aus mili­tä­ri­schen Über­le­gun­gen erfolg­te eine wei­te­re Elek­tri­fi­zie­rungs­wel­le im Zwei­ten Welt­krieg. In über­aus kur­zer Zeit wurde ein wei­te­rer, gros­ser Teil des Net­zes elek­tri­fi­ziert. Das wurde nach Kriegs­en­de fort­ge­führt, um der Arbeits­lo­sig­keit vorzubeugen.

Aus heu­ti­ger Sicht war die Elek­tri­fi­zie­rung ein guter Ent­scheid für den Kli­ma­schutz, auch wenn die­ses Argu­ment zu die­ser Zeit keine Rolle spiel­te. Heute ist der Kli­ma­schutz der Haupt­trei­ber für die Ver­kehrs­ver­la­ge­rung und die Elek­tri­fi­zie­rung des Ver­kehrs. Gegen­über dem Stras­sen­ver­kehr hat die Bahn hier rund ein Jahr­hun­dert Vorsprung.


[1] Vgl. BAV: Güter­ver­kehr

[2] Vgl. BAV: Schie­nen­gü­ter­ver­kehr

[3] Vgl. Blog­ar­ti­kel «Wei­ter­ent­wick­lung Güter­trans­port: Höchs­te Zeit, etwas zu tun»

[4] Vgl. Blog­ar­ti­kel «Letz­te Meile aus­glie­dern und dis­kri­mi­nie­rungs­frei gestal­ten»

[5] Vgl. «Die Spa­nisch-Bröt­li-Bahn», Peter Affolter

[6] Unter dem Begriff Baden­fahrt wer­den gleich zwei geschichts­träch­ti­ge Ereig­nis­se zusam­men­ge­fasst. Einer­seits die erste Schwei­zer Bahn­fahrt von Zürich nach Baden und ander­seits das legen­dä­re Volks­fest. Die­ses fei­ert heuer vom 18. bis 27. August 2023 sein 100-jäh­ri­ges Bestehen (badenfahrt.ch).

[7] Hier in Frage zu stel­len wäre die Ver­ein­bar­keit die­ser Ent­schei­dun­gen mit der Wah­rung der Schwei­zer Neu­tra­li­tät. In die­sem Arti­kel wol­len wir jedoch nicht wei­ter dar­auf eingehen.

[8] Vgl. EG-Richt­li­nie 91/440/EWG zur Ent­wick­lung der Eisen­bahn­un­ter­neh­men der Gemeinschaft

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