Ein weiteres Mal konnte der Status Quo im Gemischten Ausschuss zum Landverkehrsabkommen, trotz düsterer Aussichten, gerettet werden. Die EU gesteht der Schweiz im 2024 erneut auf Jahresfrist begrenzt Zugang zu der ERA-Datenplattform OSS. Wie lange will die Schweiz mit diesen Zitterpartien noch weiterarbeiten?
Darum geht’s:
- Welches Ziel verfolgt das Bundesamt für Verkehr?
- Warum ist die internationale Zusammenarbeit bedeutend?
- Die Schweiz muss sich bewegen
- Stabilität ist für die Lösung anstehender Aufgaben zentral
Welches Ziel verfolgt das Bundesamt für Verkehr?
Züge sollen grenzüberschreitend möglichst hindernisfrei verkehren können. Das Schweizer Normalspurnetz bildet einen zentralen Teil des interoperablen europäischen Schienennetzes (Single European Railway Area). Damit dies möglich ist, gleicht das BAV die hoheitlichen Schweizer Bahnvorschriften periodisch an die aktuellen europäischen Regeln der Interoperabilitäts-Richtlinie und der Sicherheits-Richtlinie an. Die Schweiz soll im Verantwortungsbereich der EU-Verkehrskommission (DG MOVE) als den Mitgliedstaaten gleichwertiger Partner agieren können. In dieser bilateralen Zusammenarbeit spielt das Landverkehrsabkommen die zentrale Rolle. Ratifizierte Vereinbarungen schaffen Rechtssicherheit und Planbarkeit.
Warum ist die internationale Zusammenarbeit bedeutend?
Die EU will das bestehende national geprägte Bahnsystem von Grund auf erneuern und es zum starken Verkehrsträger der Zukunft weiterentwickeln. Moderne Züge sollen künftig auf einem leistungsfähigen und standardisierten Schienennetz hindernisfrei grenzüberschreitend verkehren. Für diese tiefgreifende Transformation müssen der Bahnbetrieb von Grund auf neu konzipiert sowie neue standardisierte Systeme mit transparenten Schnittstellen entwickelt und eingeführt werden. Dies gelingt nur mit einer zentralen Koordination und einer geführten länderübergreifenden Zusammenarbeit. Das 2019 in Kraft gesetzte 4. Bahnpaket bildet dazu die rechtliche Grundlage: Die ERA ist als europäische Agentur neu für die fachliche Gestaltung einheitlicher Verfahren und Regeln sowie für die Führung europäischer Bewilligungsverfahren verantwortlich. Für die erforderlichen Entwicklungen schuf die EU mit «Europe’s Rail» als Teil von «Horizon» neue umfassende Organisationen und stattete sie mit beträchtlichen finanziellen Mitteln aus. Ministerien, Bahnunternehmungen, Verbände und Industrie sind aufgefordert in den zahlreichen Arbeitsgruppen des ERJU bestehend aus dem System- und dem Innovation Pillar aktiv mitzuarbeiten und ihr Fachwissen zur Gestaltung des zukünftigen europäischen Bahnsystems einzubringen. Das Thema «DAK» ist übrigens auch ein integraler Bestandteil dieser Organisation.
Die Schweiz muss sich bewegen
Die Schweiz übernahm in den vergangenen 25 Jahren viele Elemente aus der neu gestalteten EU-Bahnwelt. Dank der nachgewiesenen Äquivalenz wurden wichtige Schritte zur Integration in das europäische Bahnsystem erreicht. Der Entscheid des Bundesrates zum Abbruch der Verhandlungen über ein institutionelles Abkommen (InstA) führte auch im Verkehrssektor dazu, dass seit 2021 keine substantielle Weiterentwicklung des Landverkehrsabkommens mehr möglich ist. Die Schweiz muss sich jetzt zwischen Isolation und Zusammenarbeit entscheiden.
Stabilität ist für die Lösung anstehender Aufgaben zentral
Die umfassende Transformation der bestehenden stark national geprägten europäischen Bahnen in ein modernes leistungsfähiges Gesamttransportsystems bedarf einer gemeinsamen koordinierten Anstrengung – Alleingänge könnten gravierende Folgen haben. Wer dazugehört kann mitwirken und aktiv mitgestalten.
Die Schweiz muss jetzt ihre Hausaufgaben erledigen:
- politische Differenzen mit der EU bereinigen
- Teilnahme im Forschungsprogramm «Horizon 2020» nachhaltig wieder sicherstellen
- Aktualisierung des Landverkehrsabkommens EU-CH
- Bahnpaket Marktteil umsetzen (Marktöffnung mindestens im internationalen Personenverkehr)
- Bahnpaket komplettieren (EBV anpassen, ERA-Mitgliedschaft, Anerkennen ERA-Bewilligungen, Regelung der ERA-Kompetenzen)
- Bilaterale Abkommen zu Grenzbetriebsstrecken reaktivieren
Verkehr und Logistik ist länderübergreifend. Die geplante Migration zur Digitalisierung und Automatisierung der Bahnen erfordert einerseits die Bereitschaft zu tiefgreifenden Veränderungen und andererseits zu grossen Investitionen. Beides wird in effizienter und nachhaltiger Weise nur möglich sein, wenn über die künftige Zusammenarbeit ausreichend Klarheit besteht.