Am 11. Sep­tem­ber 2025 hat das Bun­des­amt für Ver­kehr (BAV) als Ant­wort auf den SUST-Bericht zusätz­li­che Sicher­heits­mass­nah­men für den Schie­nen­gü­ter­ver­kehr der Schweiz ver­ord­net. Die Mass­nah­men sind ein­schnei­dend und erschüt­tern den Schie­nen­gü­ter­ver­kehr in sei­nen Grund­fes­ten. Die Poli­tik ist auf­ge­for­dert, rasch zu reagie­ren und den Nie­der­gang des Schie­nen­gü­ter­ver­kehrs unver­züg­lich zu stoppen.


Darum geht’s:

  • Mass­nah­men mit fata­len Fol­gen – trotz kon­struk­ti­ver Vor­schlä­ge des VAP
  • Klima- und ver­kehrs­po­li­ti­sche Ziele infra­ge gestellt
  • Vor­gän­gi­ge Appel­le der Bran­che ver­puf­fen ungehört
  • Mass­nah­men sind in der vor­ge­ge­be­nen Frist nicht umsetzbar
  • SBB dop­pelt nach
  • Nie­der­gang des Schie­nen­gü­ter­ver­kehrs schrei­tet voran

Mass­nah­men mit fata­len Fol­gen – trotz kon­struk­ti­ver Vor­schlä­ge des VAP

Im Rah­men der bei­den Run­den Tische zur Erar­bei­tung von Mass­nah­men für mehr Sicher­heit im Schie­nen­gü­ter­ver­kehr haben die Mit­glie­der des Ver­bands der ver­la­den­den Wirt­schaft (VAP) kon­struk­ti­ve Vor­schlä­ge unter­brei­tet. Damit wol­len sie die bereits heute sehr hohe Sicher­heit im Schie­nen­gü­ter­ver­kehr mit ver­hält­nis­mäs­si­gen und aus­ge­wo­ge­nen Mass­nah­men erhö­hen und gleich­zei­tig die Bran­che nicht schwä­chen. Doch genau Letz­te­res ist nun gesche­hen: Die ver­än­der­ten Rah­men­be­din­gun­gen ver­schlech­tern die Wett­be­werbs­fä­hig­keit der Bahn und füh­ren ohne einen zusätz­li­chen Sicher­heits­ge­winn zu Rück­ver­la­ge­run­gen auf die Stras­se. Vor allem aber ist die Bran­che über die unver­hält­nis­mäs­si­gen Mass­nah­men und die zeit­li­chen Vor­ga­ben kon­ster­niert. Die Mass­nah­men sind in der vor­ge­se­he­nen Frist nicht umsetzbar.

Klima- und ver­kehrs­po­li­ti­sche Ziele infra­ge gestellt

Die Gang­art des BAV erstaunt. Denn sowohl das Par­la­ment als auch die Bevöl­ke­rung haben dem Schie­nen­gü­ter­ver­kehr in den letz­ten Jah­ren immer wie­der den Rücken gestärkt. So gibt es für die Ver­kehrs­ver­la­ge­rung im alpen­que­ren­den Tran­sit einen Ver­fas­sungs­auf­trag. Und auch den inlän­di­schen Schie­nen­gü­ter­ver­kehr hat das Par­la­ment mit der Revi­si­on des Güter­trans­port­ge­set­zes (GüTG) wie­der­holt geför­dert. Zudem ist unbe­strit­ten, dass es einen leis­tungs­star­ken Schie­nen­gü­ter­ver­kehr braucht, wenn die Schweiz das Netto-Null-Ziels bis 2050 errei­chen will. Letzt­lich zeigt auch das Nein der Bevöl­ke­rung zum Auto­bahn­aus­bau, wie zen­tral die Ver­la­ge­rung von Gütern auf die Schie­ne zur Ent­las­tung der Stras­se ist – und bleibt. Mit den vom BAV ver­ord­ne­ten Ver­schär­fun­gen rücken diese Ziele in immer wei­te­re Ferne.

Vor­gän­gi­ge Appel­le der Bran­che ver­puf­fen ungehört

Die ver­la­den­de Wirt­schaft hat das BAV vor des­sen Ent­scheid in einem Schrei­ben nach­drück­lich dar­auf hin­ge­wie­sen, wie zen­tral der Schie­nen­gü­ter­ver­kehr für die Wirt­schaft ist und dass der Gesetz­ge­ber neue Mass­nah­men mit Augen­mass erlas­sen muss. Das Schrei­ben wies auf dro­hen­de wirt­schaft­li­che Ver­wer­fun­gen und die Gefähr­dung der Lan­des­ver­sor­gung hin. Dass diese Warn­ru­fe beim BAV unge­hört ver­hall­ten, ist nicht nach­voll­zieh­bar und wirft Fra­gen auf.

Mass­nah­men sind in der vor­ge­ge­be­nen Frist nicht umsetzbar

Für bran­chen­wei­tes Stirn­run­zeln sorgt auch die äus­serst kurze Frist bis zur Umset­zung der Mass­nah­men. Diese sol­len ab dem 1. Janu­ar 2026 in Kraft tre­ten. Das ist aus prak­ti­schen Grün­den unrea­lis­tisch und ist für die Bran­che nicht nach­voll­zieh­bar. Das BAV schiebt die schein­ba­re Lösung der angeb­li­chen Sicher­heits­pro­ble­me auf die Wagen­hal­ter ab, ohne die The­ma­tik tech­nisch oder wirt­schaft­lich aus­rei­chend zu wür­di­gen. Und das, obwohl das BAV von den Bran­chen­ak­teu­ren dar­über in Kennt­nis gesetzt wurde, dass die Kapa­zi­tä­ten der Werk­stät­ten für die Instand­hal­tung von Güter­wa­gen schon heute begrenzt sind. Die Kon­se­quen­zen dar­aus fan­den in der Ver­ord­nung keine Berück­sich­ti­gung. Auch wur­den zu den beschlos­se­nen Mass­nah­men vor­gän­gig keine Fol­gen­ab­schät­zun­gen (Impact Assess­ments) durch­ge­führt, etwas, das in der Euro­päi­schen Union bei staat­li­chen Ein­grif­fen wie dem­je­ni­gen des BAV Nor­ma­li­tät ist. Und letzt­lich sorgt das BAV mit sei­nen Mass­nah­men dafür, dass die in Ver­gan­gen­heit getä­tig­ten Inves­ti­tio­nen in die Erhö­hung der Sicher­heit infra­ge gestellt wer­den und den zukünf­ti­gen Anreiz, dies zu tun, fak­tisch eliminieren.

SBB dop­pelt nach

Die post­wen­den­de und eupho­ri­sche Stel­lung­nah­me der Schwei­ze­ri­schen Bun­des­bah­nen (SBB) auf die Kom­mu­ni­ka­ti­on des BAV erstaunt ins­be­son­de­re auch des­halb, weil sie darin zum wie­der­hol­ten Mal unter dem Vor­wand von mehr Sicher­heit – die nächs­te For­de­rung nach einer Haf­tungs­be­tei­li­gung der Wagen­hal­ter plat­ziert. Letz­te­re hat das Par­la­ment Ende 2024 eben erst abgelehnt.

Gera­de auch vor dem Hin­ter­grund der weit­ge­hen­den Ein­stel­lung der wich­ti­gen Zugs­kon­trol­le vor der Abfahrt durch die Eisen­bahn­ver­kehrs­un­ter­neh­men (EVU) stellt sich die Frage, wes­halb das BAV sowohl SBB Cargo als auch die ande­ren EVU bei den Mass­nah­men fast voll­stän­dig aus der Ver­ant­wor­tung entlässt.

Nie­der­gang des Schie­nen­gü­ter­ver­kehrs schrei­tet voran

Der Schie­nen­gü­ter­ver­kehr gehört zu den sichers­ten Ver­kehrs­trä­gern. Die vom VAP vor­ge­schla­ge­nen und in Abspra­che mit euro­päi­schen Exper­ten­gre­mi­en ent­wi­ckel­ten Mass­nah­men für Sicher­heit auf der Schie­ne hat das BAV über­gan­gen. Statt­des­sen hat es Mass­nah­men ver­ord­net, die die Wett­be­werbs­fä­hig­keit der Schie­ne emp­find­lich sen­ken. Die­ser Feld­zug trifft den Schie­nen­gü­ter­ver­kehr in einer Situa­ti­on, in der die Güter­bahn­vo­lu­men prak­tisch aus­nahms­los zurück­ge­hen. Undenk­bar, dass das im Sinne von Poli­tik und Bevöl­ke­rung geschieht. Die Bran­chen­ak­teu­re hof­fen, dass Poli­tik und Ver­wal­tung zumin­dest die­sen Weck­ruf nicht unge­hört ver­hal­len las­sen. Ansons­ten besteht die ernst­haf­te Gefahr, dass es den Schie­nen­gü­ter­ver­kehr bald nur noch als Modell­ei­sen­bahn oder im Ver­kehrs­haus gibt.

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