Die Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen des Ständerats (KVF‑S) ist im Frühjahr auf die Totalrevision des Gütertransportgesetzes (GüTG) eingetreten und hat richtungsweisende Diskussionen über den Schweizer Binnengüterverkehr im Parlament ausgelöst. Gemeinsam mit anderen Akteuren werden wir vom VAP diese Debatte mitprägen. Unser Ziel ist es, einen gangbaren Kompromiss zu finden und den Interessen unserer Mitglieder Nachdruck zu verleihen.
Darum geht’s:
- Frohe Botschaft ans Parlament
- Erste Anträge der KVF‑S
- Reger Austausch zwischen den betroffenen Akteuren
- Herausforderungen für Wirtschaft und europäische Gesamtlogistik
- Schmerzgrenze erreicht
- So geht’s weiter
Frohe Botschaft ans Parlament
Am 9. Februar 2024 hat der Schweizerische Bundesrat seine Botschaft zum Gütertransportgesetz (Totalrevision des Bundesgesetzes über den Gütertransport durch Bahn- und Schifffahrtsunternehmen) publiziert. Ein besonderes Augenmerk gilt aus unserer Sicht den folgenden finanziellen Aspekten:
- Betriebsabgeltungen: Um den Einzelwagenladungsverkehr (EWLV) während der Umbauphase auf dem aktuellen flächendeckenden Niveau zu halten, sieht der Bundesrat vor, ihn auf acht Jahre befristet und degressiv finanziell zu fördern. Am Ende dieser Periode soll Eigenwirtschaftlichkeit erreicht sein. Für die ersten vier Jahre beantragt er 260 Mio. CHF.
Mehr dazu im Faktenblatt Güterverkehr. - Anreize für Verlader: Vorgesehen sind unbefristete Umschlags- und Verladebeiträge und eine Abgeltung der ungedeckten Kosten des bestellten Gütertransportangebots für total 60 Mio. CHF pro Jahr.
Erste Anträge der KVF‑S
Die KVF‑S als vorberatende Kommission des Erstrats hat sich nach der Anhörung der Branche – darunter auch dem VAP – diesen Frühling der Totalrevision des GüTG angenommen. Die Diskussionen der kommenden Wochen und Monate im Parlament werden für die Zukunft des Schienengüterverkehrs in der Fläche wegweisend sein. In ihrer Detailberatung hat die Kommission zahlreiche Punkte beleuchtet. Sie ist mehrheitlich der Ansicht, dass sich die Totalrevision des GüTG für die Sicherstellung und Verbesserung eines nachhaltigen Zusammenspiels der unterschiedlichen Verkehrsträger für die Schweizer Verkehrspolitik eignet. Sie regt an, inhaltliche Anpassungen wie folgt vorzunehmen:
- Explizite Stärkung des Wettbewerbs im Gütertransport
- Klare Regelung der Zuständigkeit der RailCom zur Überprüfung und Durchsetzung des diskriminierungsfreien Angebots der Dienstleistungen im EWLV
- Konkretisierung der Inhalte zu den Leitlinien zum Schienengütertransport (Grundlage für die Leistungsvereinbarung im EWLV)
- Kompetenzverlagerung zur Verlängerung gewisser Bestimmungen (insbesondere Abgeltungen) vom Bundesrat zum Parlament
Die Kommission wird die Detailberatung mit Zusatzinformationen aus der Verwaltung voraussichtlich an ihrer nächsten Sitzung abschliessen. Danach gelangt das Geschäft ins Plenum des Ständerats.
Reger Austausch zwischen den betroffenen Akteuren
In den vergangenen Wochen führten wir – unterstützt von unseren Mitgliedern – Gespräche mit den Akteuren der Interessensgemeinschaft Wagenladungsverkehr (IG WLV), dem Bundesamt für Verkehr (BAV) und der Tochter SBB Cargo der Schweizerischen Bundesbahnen (SBB). So präsentierte Alexander Muhm, CEO von SBB Cargo, im geschäftsleitenden Ausschuss des VAP das angedachte Grobkonzept für eine Transformation hin zur Eigenwirtschaftlichkeit. Muhms Ausführungen setzten eine intensive Diskussion zwischen den Beteiligten und weiterführende Gespräche über Möglichkeiten und Risiken in Gang.
Herausforderungen für Wirtschaft und europäische Gesamtlogistik
Ein Blick auf die Statistik zeigt, dass die Verlagerungszahlen in der Schweiz und in Europa stagnieren oder sogar leicht schrumpfen. Die Gründe dafür sind vielfältig. In Deutschland herrscht grosse Ungewissheit über potenzielle Investitionsprogramme und den Zeitpunkt eines spürbaren Konjunkturaufschwungs. Italien und Frankreich kämpfen mit bescheidenen Wachstumszahlen und hohen Verschuldungsgraden. Das kombiniert mit der Konsumentenstimmung wirkt sich direkt auf die Unternehmen und deren finanzielle Situation aus.
In der Logistik gibt es neben der Sperrung des Suez-Kanals oder Naturereignissen weitere enorme Herausforderungen wie grosse Baustellen (z.B. auf dem deutschen Schienennetz) und entsprechende Umleitungsverkehre oder höhere Trassenpreise. Das alles befeuert die Betriebskosten und bedrängt die Wettbewerbsfähigkeit der Schiene. Die Befindlichkeit der europäischen Gesamtlogistik ist insofern wichtig, als dass der Grossteil der in der Schweiz verwendeten Güter aus dem Ausland stammen und den EWLV in und durch die Schweiz beeinflussen.
Schmerzgrenze erreicht
Seit unserer Gründung setzen wir uns für einen attraktiven, wettbewerbs- und kundenorientierten Schienengüterverkehr und damit für die bestmögliche Verlagerung auf die Schiene ein. Mit diesem Ziel engagieren wir uns entweder als Partner zahlreicher Güterverkehrsakteure oder mit eigenen Ideen und Projekten. In der Verkehrspolitik machen wir uns für ausreichend Kapazitäten auf allen Infrastrukturen, günstige Logistikstandorte und vernünftige Rahmenbedingungen stark.
Im Hinblick auf den globalen Wettbewerb und die aktuellen Rahmenbedingungen für die Schweizer Wirtschaft muss oder kann sich die verladende Wirtschaft als unsere Mitgliedschaft massiv höhere Kosten auf der Schiene nicht leisten. Fehler wie die fehlende (Investitions-)Strategie der letzten 20 Jahren im Bereich des Rollmaterials, der fortwährende Abbau von Infrastruktureinrichtungen (Rückbau von Gleisen, Bau von Renditeobjekten) oder die ungenügende Einbindung in Gesamtkonzepten aus Sicht der Nutzer und Kunden können unsere Mitglieder nicht länger abfedern. Denn die Folgen solcher Fehler wie etwa massive Preiserhöhungen (jenseits der Inflation) sind für Wirtschaft und Gesellschaft fatal. Die Konkurrenzfähigkeit der Schiene gegenüber der Strasse schwindet und die Optimierung des Modalsplits gerät in Schieflage. Zudem können steigende Kostenbeteiligungen für die operative Nutzung von Bedienpunkten falsche Signale setzen.
Für unsere Mitglieder ist die Schmerzgrenze längst erreicht. Wir sind bereit, die weitere Entwicklung und Transformation des Schienengüterverkehrs massgeblich zu unterstützen. Vorausgesetzt, die Verantwortlichen stellen vollständige Transparenz über Kosten und deren Aufschlüsselung sicher und ergreifen Massnahmen in einem fairen, verträglichen und abgestimmten Rahmen.
So geht’s weiter
Wir nehmen die Erkenntnisse aus den zahlreichen Diskussionen mit der KVF‑S und weiteren Akteuren zum Anlass, innerhalb unserer Mitgliedschaft zahlreiche Aktivitäten auszulösen und weitere Abstimmungsgespräche durchzuführen. Wer mit uns über die Logistik als Rückgrat der Schweizer Wirtschaft sprechen möchte, ist herzlich zum Gespräch eingeladen.