Eine Stu­di­en­rei­se ent­lang des wich­tigs­ten euro­päi­schen Schie­nen­gü­ter­kor­ri­dors führ­te den Geschäfts­füh­rer des VAP vom Süd­por­tal des Gott­hard-Basis­tun­nels in der Schweiz bis zum Hafen Rot­ter­dam. Die Reise zeig­te ein­drück­lich den län­der­über­grei­fen­den Schie­nen­gü­ter­ver­kehr in allen sei­nen Facet­ten. Vor allem aber offen­bar­te sie die anspruchs­vol­le Situa­ti­on des Infra­struk­tur­be­trei­bers Deutsch­lands und der Anbie­ter von Lösun­gen im kom­bi­nier­ten Verkehr.


Darum geht’s:

  • Her­ku­les­auf­ga­ben für Anbie­ter im kom­bi­nier­ten Verkehr
  • Pro­ble­me erkannt, Lösun­gen wer­den zur Geduldsprobe
  • Gemein­sa­mes Ziel: Verkehrsverlagerung
  • Schweiz schrei­tet voran
  • Hafen Rot­ter­dam: Viel Poten­zi­al für die Schiene
  • Neue Maut in den Nie­der­lan­den dürf­te der Bahn Schub verleihen
  • Boxen­stopp für Hochleistungsloks
  • Bran­che und Poli­tik müs­sen gemein­sam und zeit­nah umdenken

Her­ku­les­auf­ga­ben für Anbie­ter im kom­bi­nier­ten Verkehr

Die Anbie­ter im kom­bi­nier­ten Ver­kehr sind zur­zeit kaum zu benei­den. Dies vor allem wegen der Gross­bau­stel­len und Sanie­run­gen der Infra­struk­tur in Deutsch­land, die zu Zugs­ver­spä­tun­gen und ‑aus­fäl­len füh­ren. Das ver­är­gert Kun­den und bringt Mit­ar­bei­ten­de bei den Infra­struk­tur­be­trei­bern an ihre Gren­zen. Und als wären die Her­aus­for­de­run­gen nicht so schon gross genug, erschwert diese Situa­ti­on auch noch der omni­prä­sen­te Arbeitskräftemangel.

Probleme erkannt, Lösungen werden zur Geduldsprobe

Der Infra­struk­tur­be­trei­ber Infra­GO der Deut­schen Bahn (DB Infra­GO) hat die Pro­ble­me erfreu­li­cher­wei­se erkannt und legt sie offen auf den Tisch. Dies ist Vor­aus­set­zung dafür, dass die Bran­che geschlos­sen auf­tre­ten, Lösun­gen erar­bei­ten und die schwie­ri­ge Situa­ti­on über­brü­cken kann. Die Ver­ant­wort­li­chen der DB Infra­GO las­sen sich nicht ent­mu­ti­gen. Trotz­dem ist kurz­fris­tig noch keine Ent­span­nung der Situa­ti­on in Sicht.

Betriebs­zen­tra­le Süd in Pol­le­gio im Tes­sin. @Litra

Gemeinsames Ziel: Verkehrsverlagerung

Allen Her­aus­for­de­run­gen zum Trotz besteht das län­der­über­grei­fen­de Ziel darin, den Güter­ver­kehr von der Stras­se auf die Schie­ne zu ver­la­gern. Dafür steht nicht nur die Bran­che selbst in der Pflicht, son­dern vor allem die Poli­tik. Sie muss die Rah­men­be­din­gun­gen dahin­ge­hend anpas­sen, dass sich in die­ser äus­serst schwie­ri­gen Zeit eine Rück­ver­la­ge­rung von der Schie­ne auf die Stras­se ver­hin­dern lässt. Diese Auf­ga­be ist umso anspruchs­vol­ler, als die Zah­len in der Schweiz bereits heute einen Rück­gang des Modal­splits zuun­guns­ten der Schie­ne zeigen.

 

Schweiz schrei­tet voran

Die Poli­tik der Schweiz hat die Pro­ble­ma­tik erkannt und bleibt nicht untä­tig. Zum Bei­spiel will sie die leis­tungs­ab­hän­gi­ge Schwer­ver­kehrs­ab­ga­be LSVA zukünf­tig an die Teue­rung kop­peln. Damit wird sich das Preis­ver­hält­nis der Schie­ne im Ver­gleich zur Stras­se leicht ver­bes­sern. Zudem will der Bund im Rah­men der Total­re­vi­si­on des Güter­trans­port­ge­set­zes Bahn­trans­por­te über eine Distanz von unter 600 Kilo­me­tern för­dern. Diese Mass­nah­men sind hilf­reich, räu­men die Pro­ble­me der Nach­bar­län­der im Infra­struk­tur­be­reich jedoch nicht aus.

Das Ter­mi­nal Busto Arsi­zio-Gall­ara­te von Hupac. @Hupac

Zur Umge­hung der Infra­struk­tur­pro­ble­me Deutsch­lands böte sich ein Kapa­zi­täts­aus­bau über einen Bypass Basel-Ant­wer­pen als zwei­ter nörd­li­cher NEAT-Zuläu­fer an. Die Voge­sen-Tun­nel ver­fü­gen der­zeit nicht über das Vier-Meter-Pro­fil, das für den unbe­glei­te­ten kom­bi­nier­ten Ver­kehr erfor­der­lich wäre. An die­sem Aus­bau führt somit kein Weg vorbei.

Hafen Rot­ter­dam: Viel Poten­zi­al für die Schiene

Zurück zur Stu­di­en­rei­se. Der Besuch des Hafens in Rot­ter­dam zeig­te, wie viele unter­schied­lichs­te Güter tag­täg­lich von A nach B ver­scho­ben wer­den müs­sen, um den gros­sen Kon­sum­hun­ger unse­rer Gesell­schaf­ten zu bän­di­gen. Dazu zäh­len Con­tai­ner mit unter­schied­lichs­ten Gütern, Autos oder Kohle. Güter, die im Hafen Rot­ter­dam ankom­men, wer­den zu etwa 55 Pro­zent per Bin­nen­schiff­fahrt, 37 Pro­zent auf der Stras­se und nur gera­de zu 8 Pro­zent per Bahn wei­ter­be­för­dert. Der Modal­split­an­teil der Stras­se ist damit fast fünf Mal höher als der­je­ni­ge der Schiene.

Hafen­ge­län­de Rot­ter­dam. @VAP

Neue Maut in den Nie­der­lan­den dürf­te der Bahn Schub verleihen

In den Nie­der­lan­den gibt es grund­sätz­lich keine Auto­bahn­maut – die Nut­zung von Auto­bah­nen und Schnell­stras­sen ist also gebüh­ren­frei. Das trägt sicher­lich zum tie­fen Modal­split der Schie­ne bei. Ab 2026 soll sich dies ändern. Der nie­der­län­di­sche Gesetz­ge­ber führt auf Auto­bah­nen und aus­ge­wähl­ten Bun­des- und Land­stras­sen eine Maut ein. Die Erlö­se dar­aus sol­len in einen Fonds flies­sen, der nie­der­län­di­sche Unter­neh­men bei der Ent­wick­lung umwelt­freund­li­che­rer Tech­no­lo­gien und Flot­ten unter­stützt. Die Ein­füh­rung die­ser Gebühr dürf­te die Wett­be­werbs­fä­hig­keit der Schie­ne im Ver­gleich zur Stras­se ver­bes­sern. Die Aus­ge­stal­tung und Ver­wen­dung der nie­der­län­di­schen Maut hat im Ver­gleich zur LSVA in der Schweiz den gros­sen Vor­teil, dass deren Höhe nicht vom Antrieb der Lkws abhängt. Diese Lösung bie­tet einen Anreiz zur Ver­kehrs­ver­la­ge­rung und för­dert gleich­zei­tig umwelt­freund­li­che Antriebstechnologien.

Boxen­stopp für Hochleistungsloks

Werk­statt der LWR am Hafen Rot­ter­dam. @VAP

Als Abschluss der Stu­di­en­rei­se stand ein Besuch bei Loco­mo­ti­ve Work­shop Rot­ter­dam als Instand­hal­ter für Loko­mo­ti­ven auf dem Pro­gramm. Der Stand­ort nahe beim Hafen stellt kurze Wege zur Instand­hal­tung der hoch tech­no­lo­gi­sier­ten Elek­tro­lo­ko­mo­ti­ven sicher. Die bis zu 9’000 PS star­ken Zug­pfer­de von Sie­mens zie­hen Tau­sen­de von Güter­wa­gen durch ganz Euro­pa. Das funk­tio­niert nur, wenn alle Hand in Hand arbei­ten. Diese per­fek­te Sym­bio­se zwi­schen Loko­mo­ti­ven (Eisen­bahn­ver­kehrs­un­ter­neh­men), Wagen­hal­tern und Infra­struk­tur­be­trei­bern macht den Schie­nen­gü­ter­ver­kehr zu dem, was er ist: ener­gie­ef­fi­zi­ent, umwelt­freund­lich, lärm­arm und gera­de bei gros­sen Distan­zen wirtschaftlich.

Ein Schie­nen­ro­bo­ter zum Ein- und Aus­fah­ren der Loko­mo­ti­ven. @VAP

Bran­che und Poli­tik müs­sen gemein­sam und zeit­nah umdenken

Die Stu­di­en­rei­se hat den Teil­neh­men­den viel­fäl­ti­ge Erkennt­nis­se gebracht. Der Besuch bei DB Infra­GO hat gezeigt, dass allein schon eine bes­se­re län­der­über­grei­fen­de Abspra­che die Situa­ti­on ent­schär­fen kann. Zum einen ist es vor­teil­haft, wenn beide Sei­ten bei der Behe­bung von Pro­ble­men von der glei­chen Aus­gangs­la­ge aus­ge­hen und spre­chen. Zum ande­ren kön­nen die Ver­ant­wort­li­chen die Bau­stel­len­pla­nung früh­zei­tig mit den Betrof­fe­nen absprechen.

Die Lehr­fahrt hat deut­lich gemacht, dass beim grenz­über­schrei­ten­den Güter­ver­kehr alle Zahn­rä­der inein­an­der­grei­fen müs­sen, damit das Ganze opti­mal funk­tio­niert. Nur so kön­nen die Bran­chen­ak­teu­re Güter pünkt­lich und unver­sehrt vom Aus­gangs- zum Ziel­ort beför­dern. Lei­der lahmt das Sys­tem zur­zeit an eini­gen Stel­len, da man in der Ver­gan­gen­heit die Prio­ri­tä­ten oft zulas­ten der Schie­ne gesetzt hat. Des­halb braucht es ein rasches Umden­ken der Bran­che und ins­be­son­de­re der Politik.

 

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