In der Herbst­ses­si­on vom 9. bis 27. Sep­tem­ber 2024 beriet das Par­la­ment diver­se ver­kehrs­po­li­ti­sche The­men. Ein beson­de­res Augen­merk galt der Revi­si­on des Güter­trans­port­ge­set­zes (GüTG). Diese Geset­zes­vor­la­ge steht in einem schrof­fen Gegen­satz zum fak­ti­schen Allein­gang von SBB Cargo.

 

Darum geht’s:

  • Bahn­in­fra­struk­tur 2025–2028
  • Rösti und Bur­kart war­nen vor dras­ti­schen Tariferhöhungen
  • Wei­te­re Finanz­sprit­ze für die SBB
  • Ver­la­ge­rungs­zie­le beim Aus­bau der NEAT-Zubringer

 

Bahninfrastruktur 2025 bis 2028 erhalten und weiterentwickeln

Am 23. Sep­tem­ber 2024 behan­del­te der Natio­nal­rat als Erstrat das Geschäft des Bun­des­ra­tes 24.045 «Finan­zie­rung des Betriebs und Sub­stanz­er­halts der Bahn­in­fra­struk­tur, der Sys­tem­auf­ga­ben in die­sem Bereich und zu Inves­ti­ti­ons­bei­trä­gen an pri­va­te Güter­ver­kehrs­an­la­gen in den Jah­ren 2025–2028». Für die anste­hen­den Auf­ga­ben hatte der Bun­des­rat am 15. Mai 2024 einen Zah­lungs­rah­men von gesamt­haft 16,442 Mil­li­ar­den Fran­ken bean­tragt, rund 2 Mil­li­ar­den mehr als in der Vorperiode.

Mit die­ser Vor­la­ge legt der Bun­des­rat für die Jahre 2025 bis 2028 die Ziele für den Betrieb, die Erhal­tung und die tech­ni­sche Ent­wick­lung der vom Bund finan­zier­ten Bahn­in­fra­struk­tur fest. Die Finan­zie­rung erfolgt das drit­te Mal voll­stän­dig aus dem Bahn­in­fra­struk­tur­fonds (BIF). Der Natio­nal­rat hiess den Kre­dit bei gleich­zei­ti­ger Ableh­nung eines Min­der­heits­an­trags zwecks Auf­sto­ckung des Kre­dits um 500 Mil­lio­nen gut.

Gleich­zei­tig schlug der Bun­des­rat vor, den bestehen­den Rah­men­kre­dit für Inves­ti­ti­ons­bei­trä­ge an pri­va­te Güter­ver­kehrs­an­la­gen 2021 bis 2024 um ein Jahr zu ver­län­gern. Dies, weil sich die Rea­li­sie­rung gros­ser Pro­jek­te ver­zö­gert hat. Für Inves­ti­ti­ons­bei­trä­ge an Anla­gen für den Güter­um­schlag im kom­bi­nier­ten Ver­kehr (KV) und an Anschluss­glei­se sieht er zudem einen vier­jäh­ri­gen Ver­pflich­tungs­kre­dit von 185 Mil­lio­nen Fran­ken vor. Mit die­sem soll der Bau, die Erwei­te­rung und die Erneue­rung der fol­gen­den Kom­po­nen­ten finan­ziert werden:

  • KV-Umschlags­an­la­gen und Anschluss­glei­se in der Schweiz, die dem Kon­zept für den Güter­trans­port auf der Schie­ne nach Arti­kel 3 GüTG entsprechen
  • KV-Umschlags­an­la­gen im Aus­land, die zur Errei­chung des Ver­la­ge­rungs­ziels nach Arti­kel 3 GVVG not­wen­dig sind
  • Hafen­an­la­gen für den Güter­um­schlag im KV

Der Natio­nal­rat gab dem Antrag des Bun­des­ra­tes mit 194 zu 1 Stim­men statt. Das Geschäft geht an den Ständerat.

Kontroverse Entwicklungen in der Debatte um den Schienengüterverkehr

Der Stän­de­rat behan­del­te am 24. Sep­tem­ber 2024 als Erstrat die Total­re­vi­si­on des GüTG. Über die jüngs­ten Ent­wick­lun­gen haben wir in unse­rem Blog­bei­trag «Debat­te um Schwei­zer Schie­nen­gü­ter­ver­kehr droht zu ent­glei­sen» berich­tet.

Mit der Revi­si­on will der Gesetz­ge­ber mehr Wett­be­werb auf der Schie­ne ermög­li­chen, den Ein­zel­wa­gen­la­dungs­ver­kehr stär­ken und markt­ver­zer­ren­de Dis­kri­mi­nie­rung ver­hin­dern. Er möch­te das ver­al­te­te Sys­tem durch Auto­ma­ti­sie­rung und Digi­ta­li­sie­rung moder­ni­sie­ren, Bau und Erneue­rung der pri­va­ten Güter­ver­kehrs­an­la­gen wei­ter­hin finan­zi­ell unter­stüt­zen und die LSVA neu als Umschlag­s­pau­scha­le an die Fracht­zah­ler zurückerstatten.

Nach einer aus­führ­li­chen Bera­tung befür­wor­te­te der Stän­de­rat die Vor­la­ge mit 35 zu 3 Stim­men bei 3 Enthaltungen.

Die­ser Ent­scheid steht im Kon­text der aktu­el­len Gemüts­la­ge der Schwei­zer Güter­bahn­kun­den. SBB-Toch­ter SBB Cargo kon­ster­niert die ver­la­den­de Wirt­schaft seit eini­gen Wochen mit unver­hält­nis­mäs­si­gen Preis­er­hö­hun­gen – bei gleich­blei­ben­dem oder schlech­te­rem Leis­tungs­an­ge­bot. Die Fol­gen die­ses kon­tro­ver­sen Ver­hal­tens sind fatal. Viele pri­vat­wirt­schaft­li­che Ver­la­der sehen sich gezwun­gen, bis zu 10% ihres Güter­trans­port­vo­lu­mens auf die Stras­se zurück­zu­ver­la­gern, weil sich der Trans­port via Schie­ne nicht mehr rech­net. SBB Cargo wie­der­um bie­tet kei­ner­lei Gesprächs­be­reit­schaft für die Ent­wick­lung von Alter­na­ti­ven. Die­ses Ver­hal­ten wider­spricht den Bestre­bun­gen mit der GüTG-Revi­si­on und dem Kon­sens, der vor der par­la­men­ta­ri­schen Bera­tung zwi­schen Poli­tik, Wirt­schaft und Staats­bahn ver­ein­bart wurde. In sei­nem Votum bekräf­tig­te Stän­de­rat Thier­ry Bur­kart, FDP/AG, sei­nes Zei­chens auch Prä­si­dent der ASTAG, dass die SBB ihre Preis­po­li­tik nicht nur auf das viel­leicht Not­wen­di­ge, son­dern auch auf das im Markt Mög­li­che aus­rich­tet, um eine Rück­ver­la­ge­rung auf die Stras­se trotz Sub­ven­tio­nen zu ver­mei­den. Auch Bun­des­rat Rösti ver­wies in sei­nem Votum in die­sem Zusam­men­hang auf drei wesent­li­che Ele­men­te: Ver­la­de­pau­scha­len, Effi­zi­enz­stei­ge­rung und Prei­se, die zu einem Opti­mum zusam­men­ge­fügt wer­den soll­ten. Es brau­che diese drei Berei­che, damit am Schluss die Ren­ta­bi­li­tät gege­ben sei und keine Rück­ver­la­ge­rung statt­fin­de. Auf­grund sei­ner Gesprä­che mit wich­ti­gen Ver­la­dern glau­be er, dass die Situa­ti­on eini­ger­mas­sen beru­higt und eine Lösung gefun­den wer­den könne.

Weitere Finanzspritze für die Schweizerischen Bundesbahnen

Am 11. und 19. Sep­tem­ber 2024 dis­ku­tier­te der Stän­de­rat und am 16. und 23. Sep­tem­ber 2024 der Natio­nal­rat erneut die vom Bun­des­rat vor­ge­schla­ge­nen Ände­run­gen des Bun­des­ge­set­zes über die Schwei­ze­ri­schen Bun­des­bah­nen (SBBG). Nach der letz­ten Bera­tung ver­blie­ben Dif­fe­ren­zen bei Art. 20 zu den Finan­zie­rungs­in­stru­men­ten. Neu sol­len die SBB Inves­ti­tio­nen aus­ser­halb des abgel­tungs­be­rech­tig­ten Bereichs der Spar­te Infra­struk­tur durch ver­zins­li­che und rück­zahl­ba­re Dar­le­hen der Bun­destre­sore­rie finan­zie­ren kön­nen, solan­ge sie die in den stra­te­gi­schen Zie­len des Bun­des­ra­tes defi­nier­ten Vor­ga­ben zur Net­to­ver­schul­dung ein­hal­ten. Über­steigt der Fremd­fi­nan­zie­rungs­be­darf der SBB für diese Inves­ti­tio­nen die Vor­ga­ben zur Net­to­ver­schul­dung nach Abs. 1, so ist die­ser durch Kapi­tal­zu­schüs­se des Bun­des zu decken. Der Bun­des­rat bean­tragt der Bun­des­ver­samm­lung im Rah­men sei­nes Vor­anschlags die erfor­der­li­chen Kapitalzuschüsse.

Der Stän­de­rat kam zum Schluss, die finan­zi­el­le Unter­stüt­zung für die SBB zu kür­zen. In der zwei­ten Bera­tungs­run­de am Mitt­woch stimm­te er oppo­si­ti­ons­los einer Reduk­ti­on auf 850 Mil­lio­nen Fran­ken zu und löste anschlies­send die Aus­ga­ben­brem­se. Mari­an­ne Maret (Mitte/VS), Prä­si­den­tin der Ver­kehrs­kom­mis­si­on, erklär­te, dass die SBB sich schnel­ler von der Krise erholt hät­ten, wäh­rend sich die finan­zi­el­le Lage des Bun­des ver­schlech­te­re. Der Natio­nal­rat folg­te dem Stän­de­rat und stimm­te dem gekürz­ten Kapi­tal­zu­schuss für die SBB zu. Zudem berei­nig­te er die Dif­fe­ren­zen bei den Dar­le­hen, indem er einer fle­xi­ble­ren Ober­gren­ze für Tre­sore­rie­dar­le­hen zustimmte.

Die Ent­schei­dun­gen der Räte sind in einem grös­se­ren Zusam­men­hang zu betrach­ten. Um die finan­zi­el­le Schief­la­ge des Bun­des­be­triebs wie­der ins Lot zu brin­gen, hatte der Natio­nal­rat in der Win­ter­ses­si­on 2023 mehr­heit­lich zuge­stimmt, den SBB einen ein­ma­li­gen Kapi­tal­zu­schuss in der Höhe der Fern­ver­kehrs­ver­lus­te von 1,15 Mil­li­ar­den Fran­ken zur Schul­den­re­du­zie­rung zu gewäh­ren. Von die­ser Finanz­sprit­ze pro­fi­tiert auch Toch­ter SBB Cargo, die bereits umfas­sen­de Finanz­un­ter­stüt­zung im Nach­gang der Covid-Pan­de­mie bezo­gen hat. Sie steht kurz vor dem Abschluss einer Leis­tungs­ver­ein­ba­rung zur Abgel­tung ihres Netz­werk­ver­kehrs, den sie offen­sicht­lich nicht eigen­wirt­schaft­lich abwi­ckeln kann. Die pri­vat­wirt­schaft­li­chen Akteu­re hin­ge­gen erhiel­ten weder Covid-Mit­tel noch ver­fü­gen sie über nicht betriebs­not­wen­di­ge Res­sour­cen und Betei­li­gun­gen zur Stär­kung ihrer Investitionsfähigkeit.

Balance der Verlagerungsziele beim Ausbau der NEAT-Zubringer gesucht

Die drei Motio­nen 24.3389 «Aus­bau links­rhei­ni­scher Neat-Zubrin­ger im Inter­es­se der Ver­la­ge­rung vor­an­trei­ben», 24.3390 «Sta­bi­li­sie­rung des kom­bi­nier­ten Ver­kehrs auf der Nord-Süd-Achse durch die Bereit­stel­lung von Puf­fer­glei­sen» und 24.3391 «Für eine stär­ke­re Ver­la­ge­rung auf mitt­le­re Trans­port­di­stan­zen» kamen am 24. Sep­tem­ber 2024 vor den Stän­de­rat. Die ein­rei­chen­de Kom­mis­si­on für Ver­kehr und Fern­mel­de­we­sen will damit die Zubrin­ger­stre­cken zur NEAT optimieren.

Der Stän­de­rat nahm die zwei ers­ten Motio­nen an, lehn­te jedoch die drit­te ab. Ihre Annah­me setz­te einen Ver­la­ge­rungs­auf­trag auch für den Bin­nen­ver­kehr vor­aus, den die Ver­fas­sung nicht vorsieht.

Grund­sätz­lich begrüs­sen wir eine effi­zi­en­te Stre­cken­füh­rung auf dem Nord-Süd-Kor­ri­dor im Hin­blick auf die Ver­sor­gungs­si­cher­heit, Aus­weich­ka­pa­zi­tä­ten im Fall von Bau­stel­len­pha­sen, Pünkt­lich­keit und Qua­li­tät des Schie­nen­gü­ter­ver­kehrs. Diese Mei­nung brach­te VAP-Prä­si­dent und Stän­de­rat Josef Ditt­li bereits am Jubi­lä­ums­tref­fen mit Alt-Bun­des­rat Adolf Ogi im Herbst 2021 zum Aus­druck (vgl. Blog­bei­trag «25 Jahre «Ver­trag von Luga­no» – ein Blick in die Zukunft»).

Aller­dings kri­ti­sie­ren wir den ein­sei­ti­gen Fokus der Motio­nen auf den KV. Damit ver­pas­sen die Ver­ant­wort­li­chen in der Ver­kehrs­ver­la­ge­rung die Chan­ce, auch ande­re For­men mul­ti­mo­da­ler Ver­keh­re über den Ein­zel­wa­gen­la­dungs­ver­kehr zu för­dern. Das steht in einem deut­li­chen Gegen­satz zur gemein­sa­men Poli­tik der DACH-Staa­ten (Deutsch­land-Öster­reich-Schweiz), die digi­ta­le auto­ma­ti­sche Kupp­lung DAK rasch ein­zu­füh­ren. Im Wei­te­ren wider­spre­chen die Motio­nen der Revi­si­on des GüTG (siehe oben), da sie nicht nur im Import, Export und Bin­nen­ver­kehr, son­dern auch im Tran­sit umwelt- und ener­gie­po­li­ti­sche Ziele verfolgen.

Wir vom VAP for­dern, dass der Bun­des­rat im nächs­ten Ver­la­ge­rungs­be­richt zusätz­lich das Poten­zi­al mit ande­ren mul­ti­mo­da­len Ver­kehrs­ar­ten abklärt und dar­stellt. Auch für kon­ven­tio­nel­le Güter­zü­ge soll ein Qua­li­täts­mo­ni­to­ring ein­ge­führt wer­den, wie es im KV seit Jah­ren besteht. Die Unter­schei­dung zwi­schen kom­bi­nier­tem und kon­ven­tio­nel­lem Ver­kehr muss abge­schafft wer­den. Mit dem GüTG wird eine finan­zi­el­le För­de­rung des Import‑, Export- und Bin­nen­ver­kehrs ein­ge­führt. Im Tran­sit hin­ge­gen soll wei­ter­hin nur der unbe­glei­te­te KV (UKV) finan­zi­ell geför­dert wer­den. Wir mei­nen, dass sich diese Hal­tung nicht mit den GüTG-Zie­len ver­ein­ba­ren lässt. Denn der Ver­fas­sungs­auf­trag im Güter­ver­kehrs­ver­la­ge­rungs­ge­setz (GVVG) defi­niert die Ver­kehrs­ver­la­ge­rung im Tran­sit als Ver­la­ge­rung auf die Schie­ne, nicht auf den UKV. Nur Art. 8 GVVG führt für die För­de­rung des UKV den Zusatz «in ers­ter Linie» ein, wohl­ge­merkt zum Scha­den der übri­gen mul­ti­mo­da­len Logis­tik­lö­sun­gen mit Schie­nen­an­teil (vgl. Kasten).

Art. GVVG För­de­rung des Schie­nen­gü­ter­ver­kehrs (Fas­sung gemäss Ziff. I des BG vom 16. Juni 2023, in Kraft seit 1. Jan. 2024)

1 Damit das Ver­la­ge­rungs­ziel erreicht wird, kann der Bund För­der­mass­nah­men beschlies­sen. Dabei wird in ers­ter Linie der unbe­glei­te­te kom­bi­nier­te Ver­kehr geför­dert. Diese Mass­nah­men dür­fen keine dis­kri­mi­nie­ren­den Aus­wir­kun­gen auf die schwei­ze­ri­schen und aus­län­di­schen Trans­port­un­ter­neh­men im Güter­ver­kehr haben.

2 Im unbe­glei­te­ten kom­bi­nier­ten Ver­kehr hat die Höhe der durch­schnitt­li­chen Abgel­tung pro trans­por­tier­te Sen­dung von Jahr zu Jahr abzunehmen.

3 Der beglei­te­te kom­bi­nier­te Ver­kehr (Rol­len­de Land­stras­se) kann bis Ende 2028 geför­dert werden.

4 Der Bund kann sich im Jahr nach Ein­stel­lung des Betriebs der Rol­len­den Land­stras­se an den Liqui­da­ti­ons­kos­ten der Betrei­be­rin beteiligen.

 

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