Am 28. Sep­tem­ber 2023 hat die schwei­ze­ri­sche Sicher­heits­un­ter­su­chungs­stel­le (Sust) ihren Zwi­schen­be­richt zur Ent­glei­sung des Güter­zugs im Gott­hard­ba­sis­tun­nel publi­ziert. Darin doku­men­tiert sie den Unfall­her­gang und gibt erste Sicher­heits­emp­feh­lun­gen ab. Das Ereig­nis wird nun von den zustän­di­gen inter­na­tio­na­len Gre­mi­en auf­ge­ar­bei­tet. Hier ist sowohl die euro­päi­sche Bahn­bran­che als auch die Schweiz ver­tre­ten. Der Bericht soll­te nicht für einen natio­na­len Allein­gang miss­braucht werden.

Darum geht’s:

  • Ermü­dungs­ris­se haben Rad­bruch verursacht
  • Wei­te­re Unter­su­chung wird gut konzertiert
  • Fol­ge­rich­ti­ge erste Sicherheitsempfehlungen
  • Unfall­ge­sche­hen geklärt – aber noch nicht rest­los aufgeklärt

 

Ermü­dungs­ris­se haben Rad­bruch verursacht

Die Sust hat ihren Zwi­schen­be­richt erfreu­li­cher­wei­se sehr schnell vor­ge­legt. Darin hält sie den Rad­schei­ben­bruch des elf­ten Güter­wa­gens als Ursa­che für die Ent­glei­sung im Gott­hard­ba­sis­tun­nel fest. Der Wagen ist in Schwe­den imma­tri­ku­liert. Beim beschä­dig­ten Rad han­delt es sich um den Rad­typ BA 390 mit LL-Brems­soh­len. Sämt­li­che Bruch­flä­chen wei­sen Ermü­dungs­ris­se auf, die von der Lauf­flä­che aus­ge­hen. Sie sind nun Gegen­stand ver­tief­ter metall­o­gra­fi­scher Unter­su­chun­gen durch die Sust. Der Sust-Bericht ent­hält keine Anhalts­punk­te für vor­be­stehen­de betrieb­li­che Män­gel, die eine Ent­glei­sung hät­ten ver­ur­sa­chen können.

Wei­te­re Unter­su­chung wird gut konzertiert

Das Ereig­nis wird nun vom Joint Net­work Secre­ta­ri­at (JNS) behan­delt. Ziel die­ser Instanz ist eine EU-weite Har­mo­ni­sie­rung sämt­li­cher Mass­nah­men, die nach einem Un- oder Zwi­schen­fall im euro­päi­schen Eisen­bahn­ver­kehr ergrif­fen wer­den. Das JNS unter­stützt die Euro­päi­sche Eisen­bahn­agen­tur ERA bei der Orga­ni­sa­ti­on des Erfah­rungs­aus­tauschs zwi­schen natio­na­len Auf­sichts- und Unter­su­chungs­be­hör­den und den bei der ERA akkre­di­tier­ten Bran­chen­or­ga­ni­sa­tio­nen. Zu Letz­te­ren zäh­len auch die für den Schie­nen­ver­kehr mass­ge­ben­den drei Akteu­re im Ver­ant­wor­tungs­drei­eck Infra­struk­tur­be­trei­ber (ver­ant­wort­lich für die Infra­struk­tur), Wagen­hal­ter (ver­ant­wort­lich für den Unter­halt der Wagen) und Güter­bahn (ver­ant­wort­lich für den Betrieb der Wagen). Gleich­zei­tig löst die Sust einen soge­nann­ten Safe­ty Alert im Infor­ma­ti­ons­sys­tem SIS aus, das von den natio­na­len Auf­sichts- und Unter­su­chungs­be­hör­den genutzt wird. Und schliess­lich hin­ter­legt der schwe­di­sche Wagen­hal­ter eine Warn­mel­dung im Safe­ty Alert IT Tool (SAIT) der ERA.

Auf­grund die­ser Mel­dun­gen und im Rah­men des koor­di­nier­ten Pro­zes­ses sol­len alle euro­päi­schen Akteu­re Zugang zu den publi­zier­ten Infor­ma­tio­nen haben. Es liegt nun an ihnen, im Aus­tausch zwi­schen natio­na­len Behör­den, Bran­chen­ver­tre­tern und ERA die rich­ti­gen Schlüs­se zu zie­hen. Dank des Land­ver­kehrs­ab­kom­mens ist die Sust von der ERA als Unter­su­chungs­stel­le aner­kannt, eben­so das Bun­des­amt für Ver­kehr (BAV) als Sicher­heits­be­hör­de. Die Ange­le­gen­heit wird nun von den zustän­di­gen inter­na­tio­na­len Gre­mi­en behan­delt. Diese Tat­sa­che erach­ten wir als völ­lig kor­rekt und ange­sichts des euro­pa­weit grenz­über­schrei­ten­den Ein­sat­zes der Güter­wa­gen als nötig. Die zustän­di­gen Instan­zen wer­den als Nächs­tes einen Bezug zu ähn­li­chen Rad­brü­chen aus der Ver­gan­gen­heit herstellen.

Fol­ge­rich­ti­ge erste Sicherheitsempfehlungen

Der Sust-Bericht gibt zwei kurz­fris­ti­ge Sicher­heits­emp­feh­lun­gen ab, die der VAP vor­be­halt­los unter­stützt. Mit der Emp­feh­lung Nr. 183 spricht sie sich dafür aus, dass das BAV die «JNS Urgent Pro­ce­du­re Bro­ken Wheels» aus dem Jahr 2017 auf die Rad­sät­ze der Bau­rei­he BA 390 aus­wei­tet. Die damals ein­ge­rich­te­te «JNS Task Force Bro­ken Wheels» hatte auf meh­re­re Rad­brü­che an den Rad­ty­pen BA 314 und BA 004 reagiert und zur Risi­ko­be­gren­zung bei die­sen Rad­ty­pen inten­si­ve­re Inspek­tio­nen im Betrieb und bei der Instand­hal­tung gefor­dert. Eben­so begrüs­sen wir die Sicher­heits­emp­feh­lung Nr. 184. Damit legt die Sust dem BAV nahe, auf euro­päi­scher Ebene eine neue «JNS Pro­ce­du­re» zu bean­tra­gen, die sich mit dem Rad­bruch an der Bau­rei­he BA 390 befasst. Damit soll ver­hin­dert wer­den, dass wei­te­re ähn­li­che Rad­brü­che auftreten.

Unfall­ge­sche­hen geklärt – aber noch nicht rest­los aufgeklärt

Der Zwi­schen­be­richt stellt die irre­füh­ren­de media­le Bericht­erstat­tung zum Unfall­ge­sche­hen rich­tig, wonach der ent­gleis­te Wagen 11 auch das rund 100 Ton­nen schwe­re Sicher­heits­tor zur Ost­röh­re beschä­digt habe. Gemäss Sust fuhr erst Wagen 14 an der Wei­che der Mul­ti­funk­ti­ons­stel­le Faido auf das ablen­ken­de Gleis, wo er in das Sicher­heits­tor schlug. Es sind wei­te­re Unter­su­chun­gen erfor­der­lich, um das Unfall­ge­sche­hen detail­liert und voll­um­fäng­lich auf­zu­klä­ren. Das umfasst bei­spiels­wei­se Ana­ly­sen des abge­lenk­ten Wagens 14 und der Wei­che. Eine voll­stän­di­ge Klä­rung von Unfall­her­gang und ‑ursa­chen wird die Sust erst in ihrem Schluss­be­richt lie­fern. Ist die­ser ver­öf­fent­licht, so liegt es in der Ver­ant­wor­tung aller Akteu­re, die in die Ver­fah­ren des JNS ein­be­zo­gen sind, dar­aus die für einen wett­be­werbs­fä­hi­gen und siche­ren euro­päi­schen Eisen­bahn­ver­kehr rich­ti­gen Schlüs­se zu zie­hen. Die Emp­feh­lun­gen des Sust-Schluss­be­richts wird die gesam­te Bran­che umsetzen.

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