Der Bun­des­rat hat am 15. Sep­tem­ber 2023 das Eid­ge­nös­si­sche Depar­te­ment für Wirt­schaft, Bil­dung und For­schung (WBF) beauf­tragt, bis im drit­ten Quar­tal 2024 eine Ergän­zung der Cor­po­ra­te Gover­nan­ce-Leit­sät­ze vor­zu­le­gen. Damit will er den fai­ren Wett­be­werb zwi­schen Staats­be­trie­ben und pri­vat­wirt­schaft­li­chen Unter­neh­men stärken.

Darum geht’s:

  • Eig­ner­stra­te­gie und Cor­po­ra­te-Gover­nan­ce-Leit­sät­ze als Steuerungsinstrument
  • Par­la­ment hat fai­ren Wett­be­werb gefordert
  • Besorg­nis­er­re­gen­de Mono­po­li­sie­rung der Nahzustellung
  • Wei­te­re Quer­fi­nan­zie­rungs­ten­den­zen offensichtlich
  • Kampf mit unglei­chen Spiessen

 

Eig­ner­stra­te­gie und Cor­po­ra­te-Gover­nan­ce-Leit­sät­ze als Steuerungsinstrument

Bun­des­un­ter­neh­men ent­ste­hen durch die Ver­selbst­stän­di­gung von Ver­wal­tungs­ein­hei­ten des Bun­des, die gemäss der Bun­des­ver­fas­sung mono­po­li­sier­te Tätig­kei­ten aus­üben. Zum Bei­spiel ent­stand im Zug der Bahn­re­form 1999 die spe­zi­al­ge­setz­li­che Akti­en­ge­sell­schaft der Schwei­ze­ri­schen Bun­des­bah­nen SBB. Als hun­dert­pro­zen­ti­ger Eigen­tü­mer lenkt der Bund seine zahl­rei­chen Bun­des­un­ter­neh­men, indem er eine Eig­ner­stra­te­gie und Cor­po­ra­te-Gover­nan­ce-Leit­sät­ze defi­niert und umsetzt. Im Wei­te­ren wählt er die Ver­wal­tungs­rä­te. Neben der Eig­ner­rol­le hält der Bund wei­te­re Rol­len inne: Er regelt mit als Regu­la­tor die Markt­be­din­gun­gen und bestellt gele­gent­lich sogar gemein­wirt­schaft­li­che Leis­tun­gen, etwa beim regio­na­len Per­so­nen­ver­kehr. Dar­aus erge­ben sich zwangs­läu­fig gewis­se Inter­es­sens­kon­flik­te. Es wäre durch­aus ange­bracht zu über­prü­fen, ob diese Ver­qui­ckung von Funk­tio­nen noch immer zeit­ge­mäss und für den Ein­zel­wa­gen­la­dungs­ver­kehr ange­mes­sen ist und wel­ches Kon­troll­organ den Umgang damit im Auge behält.

Par­la­ment hat fai­ren Wett­be­werb gefordert

Die zuneh­men­de Kri­tik der Pri­vat­wirt­schaft am Ver­hal­ten der Bun­des­un­ter­neh­men, die auf der Basis eines oft sehr gene­rell gehal­te­nen Ver­fas­sungs­auf­trags ihr ursprüng­li­ches Kern­ge­schäft immer wei­ter aus­deh­nen und sogar pri­va­te Unter­neh­men auf­kau­fen, fand im Par­la­ment Gehör. So haben die Räte die Moti­on 20.3531 «Fai­re­rer Wett­be­werb gegen­über Staats­un­ter­neh­men» von FDP-Stän­de­rat Andrea Caro­ni und die gleich­lau­ten­de Moti­on 20.3532 von Die-Mitte-Stän­de­rat Beat Rie­der ange­nom­men. Mit dem WBF-Bericht will der Bun­des­rat der For­de­rung die­ser bei­den Motio­nen nun nach­kom­men. Er erwar­tet darin Vor­schlä­ge, wie die Depar­te­men­te bei der Len­kung der Bun­des­un­ter­neh­men den fai­ren Wett­be­werb zwi­schen Bun­des- und Pri­vat­un­ter­neh­men sys­te­ma­ti­scher gestal­ten und umfas­sen­der sicher­stel­len können.

Besorg­nis­er­re­gen­de Mono­po­li­sie­rung der Nahzustellung

Im Tätig­keits­be­richt 2022 der Rail­Com wird unter ande­rem über die Befra­gung der Güter­bah­nen zu den Dienst­leis­tun­gen bei der Nah­zu­stel­lung nach Art. 6a der Güter­trans­port­ver­ord­nung (GüTV) berich­tet. Dabei han­delt es sich um Dienst­leis­tun­gen von SBB Cargo, die die Nah­zu­stel­lung in der Schweiz prak­tisch mono­po­lis­tisch abdeckt. Als Begrün­dung für die Ableh­nung von Nah­zu­stel­lungs­dienst­leis­tun­gen wer­den im Rail­Com-Tätig­keits­be­richt feh­len­de Res­sour­cen auf­ge­führt. Die Befrag­ten ver­mu­ten jedoch, dass sie bei den Ange­bo­te benach­tei­ligt wer­den und ver­schie­de­ne Tari­fe im Umlauf sind.

Eben­so besorgt zur Mono­po­li­sie­rung des Netz­werk­an­ge­bots von SBB Cargo äus­sern sich die Pri­vat­un­ter­neh­men in der Ver­nehm­las­sung zur Geset­zes­vor­la­ge «Moder­ni­sie­rung des Schwei­ze­ri­schen Güter­trans­ports»  (vgl. Blog­bei­trag «Ver­nehm­las­sung Schie­nen­gü­ter­ver­kehr in der Flä­che: Zwei Vari­an­ten, viele Fra­ge­zei­chen»). Sie for­dern eine strik­te Abgren­zung zwi­schen Netz­werk­an­ge­bot und Ganz­zugs­an­ge­bot bei der Abgel­tung und einen wei­ter­hin dis­kri­mi­nie­rungs­frei­en Zugang zu den Dienst­leis­tun­gen in der Nah­zu­stel­lung (vgl. VAP-Blog­bei­trag «Letz­te Meile aus­glie­dern und dis­kri­mi­nie­rungs­frei gestal­ten»). Dabei ist mit­hil­fe von orga­ni­sa­to­ri­schen Mass­nah­men oder einer recht­li­cher Tren­nung zu ver­hin­dern, dass gewis­se staat­lich erbrach­te Dienst­leis­tun­gen quer­fi­nan­ziert wer­den. So wie das zum Bei­spiel bei der Aus­fi­nan­zie­rung der Pen­si­ons­kas­se SBB (PK SBB) durch die Gewin­ne von SBB Immo­bi­li­en heute der Fall ist.

Wei­te­re Quer­fi­nan­zie­rungs­ten­den­zen offensichtlich

Bei der Anhö­rung zur Tras­sen­preis­re­vi­si­on 2025 haben sich die Güter­bah­nen der Schweiz zusam­men­ge­schlos­sen und dem Bun­des­rat am 29. August 2023 eine ableh­nen­de Ant­wort zur Teil­re­vi­si­on der Ver­ord­nung Netz­zu­gang (NZV) gege­ben (vgl. Blog­bei­trag «Tras­sen­preis­re­vi­si­on 2025–2028: Preis­er­hö­hung ist unbe­grün­det»). Nur SBB Cargo, die voll im SBB-Kon­zern inte­griert ist und an der kur­zen Leine gehal­ten wird, blieb aus­sen vor. Da das Bun­des­amt für Ver­kehr bei der Tras­sen­preis­re­vi­si­on unter ande­rem auf sin­ken­de Tras­sen­er­lö­se ver­weist, ent­steht der Ein­druck, dass es sich hier um eine ver­steck­te Quer­fi­nan­zie­rung der SBB han­delt, die von SBB Cargo natür­lich nicht kri­ti­siert wer­den darf.

Die vom Bun­des­rat erar­bei­te­te Geset­zes­vor­la­ge «Ände­rung des Bun­des­ge­set­zes über die Schwei­ze­ri­schen Bun­des­bah­nen SBBG – nach­hal­ti­ge Finan­zie­rung der SBB» vom 15. Sep­tem­ber 2023 ent­spricht eben­falls einem ekla­tan­ten Ein­griff in den frei­en Wett­be­werb. Dem­nach sol­len die SBB in den Genuss eines Kapi­tal­zu­schus­ses von 1,25 Mil­li­ar­den Fran­ken kom­men. Die genaue Ver­wen­dung die­ser Mit­tel bleibt unklar und es feh­len die Bedin­gun­gen, die das in Zukunft ändern könn­ten. Von die­sem Kapi­tal­zu­schuss pro­fi­tiert auch Toch­ter SBB Cargo, die über­dies umfas­sen­de Finanz­un­ter­stüt­zung im Nach­gang der Covid-Pan­de­mie bezog. Sie steht kurz vor dem Abschluss einer Leis­tungs­ver­ein­ba­rung zur Abgel­tung ihres Netz­werk­ver­kehrs, den sie offen­bar nicht eigen­wirt­schaft­lich abwi­ckeln kann. Die pri­vat­wirt­schaft­li­chen Akteu­re hin­ge­gen erhiel­ten weder Covid-Mit­tel, noch ver­fü­gen sie über umfang­rei­che, nicht betriebs­not­wen­di­ge Res­sour­cen und Betei­li­gun­gen, die sie zur Stär­kung ihrer Inves­ti­ti­ons­fä­hig­keit ver­sil­bern könnten.

Kampf mit unglei­chen Spiessen

Die Selbst­ver­ständ­lich­keit des Bun­des­ra­tes im unglei­chen Umgang mit staat­li­chen und pri­vat­wirt­schaft­li­chen Unter­neh­men ist augen­fäl­lig – und bedau­er­lich. Lei­der ent­steht so kein gesun­der Wett­be­werb im Schie­nen­gü­ter­ver­kehr, der des­sen Inno­va­ti­ons­kraft und Leis­tungs­fä­hig­keit stärkt. Bei­des ist uner­läss­lich, wenn die Markt­ak­teu­re bestehen­de Kun­den hal­ten und neue gewin­nen wol­len. Das wie­der­um wäre nötig, um eine nach­hal­ti­ge Ver­kehrs­ver­la­ge­rung zu errei­chen und die Schie­ne in Zukunft in mul­ti­mo­da­le Ver­sor­gungs­ket­ten zu inte­grie­ren. Und um neue, zukunfts­ge­rich­te­te Arbeits­plät­ze zu schaffen.

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