Im August 2024 reichte die Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen des Nationalrates mit 13 zu 8 bei 4 Enthaltungen die Motion 24.3823 «Revision der Risikohaftung von Eigentümern von Güterwaggons ein». Die Motion will für Wagenhalter eine Gefährdungshaftung und eine Versicherungspflicht inklusive Vorgabe der Höhe der Deckungssumme einführen. Dies mit der Absicht, die Sicherheit im Schienengüterverkehr zu erhöhen. Der Nationalrat berät die Motion am Dienstag, 10. Dezember 2024.
Darum geht’s:
- Die Motion ist systemwidrig
- Die Motion erhöht die Sicherheit nicht
- Die Motion torpediert die Verlagerungspolitik
- Die Motion behandelt Gleiches ungleich
Die Motion ist systemwidrig
Die Wagenhalter verantworten im heutigen System die Zulassung und Instandhaltung ihrer Wagen. Im Schadenfall wird bei Vorliegen von Mängeln am Wagen ihr Verschulden vermutet und sie haften für den Schaden, wenn sie nicht beweisen können, dass sie alle notwendigen Sicherheitsvorkehrungen getroffen haben. Die Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVU) sind für den Betrieb und die Sicherheit der Züge/Wagen verantwortlich, während die Wagenhalter beim Betriebseinsatz ihrer Wagen keinen Einfluss auf die Sicherheitskontrollen haben. Eine Ausweitung der Haftung auf die Wagenhalter würde die Effizienz und Wirtschaftlichkeit des Schienengüterverkehrs stark beeinträchtigen und ist daher systemwidrig.
Die Motion erhöht die Sicherheit nicht
Jeder Güterwagen wird von der nationalen Sicherheitsbehörde vor Inbetriebnahme zugelassen – unabhängig von Haftungsfragen. Neben dieser staatlichen Zulassung durchlaufen auch alle Güterwagen einen externen zertifizierten, periodischen und präventiven Instandhaltungsprozess. Für Wagenhalter ist die Sicherheit ihres Güterwagens ausschlaggebend für die Reputation sowie ein wichtiges Investitions- und Verkaufsargument. Die Unternehmen investieren europaweit jährlich 1.7 bis 2 Milliarden Euro in neue Güterwagen und arbeiten ständig an Sicherheitsverbesserungen. Eine Haftungsverschärfung führt weder zu einer Verringerung von Unfallgefahren noch senkt sie die Eintrittswahrscheinlichkeit von Unfällen und das Ausmass der von ihnen angerichteten Schäden.
Die Motion torpediert die Verlagerungspolitik
Eine strengere Haftung macht den Gütertransport teurer und komplizierter, da die Übergabe von Güterwagen zwischen verschiedenen Verantwortungsbereichen aufwendiger wird. Dadurch könnten weniger Güterwagen in der Schweiz genutzt werden, da gerade Güterwagenkapazitäten aus dem Ausland fehlen dürften. Das macht den Schienengüterverkehr unattraktiver und torpediert die Verlagerungspolitik. Ein Schweizer Alleingang würde das über Jahrzehnte erarbeitete und austarierte europäische Regelwerk unterminieren und zu einer Insellösung führen. Zudem setzt die Schweiz so ihre wichtige Rolle im europäischen Güterverkehr aufs Spiel, was schlussendlich die Versorgungssicherheit gefährdet.
Die Motion behandelt Gleiches ungleich
Gleiche Vorgänge – ziehen von Fahrzeugen durch ein Zugfahrzeug ‑werden bei Annahme der Motion ungleich behandelt. Dies geschieht im Verhältnis zwischen Sattelschlepper und Güterzug, aber auch im Verhältnis von Personen- und Güterzug.